Diese Ausgabe der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie (ZGG) vereint sehr wichtige, rezente Beiträge zum Thema Demenz im Krankenhaus, in der Hausarztpraxis und in der stationären sowie ambulanten pflegerischen Versorgung. Im Pflegebereich existieren seit Jahrzehnten Konzepte zum Umgang und zur Versorgung mit und für Menschen mit Demenz (MmD).

Im Krankenhaus stellten die Eröffnung einer Spezialstation für Demenz in Essen 1990 und ein vom Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) und dem Agaplesion Bethanien Krankenhaus Heidelberg initiiertes Symposium mit nachfolgender, wegweisender Publikation von Carole Archibald, Universität Stirling, im Jahr 2007 Meilensteine dar. Vor fünf Jahren hatte die ZGG ein Themenheft zu diesem Fragenkreis herausgegeben, begleitet von regelmäßigen Einzelbeiträgen in aktuellen Ausgaben.

Eine wirksame Prävention oder mögliche „Heilung“ der Demenz ist vermutlich für Jahrzehnte noch nicht in Sicht. Es bleiben einzig personelle Unterstützung, Schulung, Aufklärung, Ausbildung Ehrenamtlicher und Professioneller, Organisation von Ablauf- und Versorgungsstrukturen und Schaffung geeigneter Settings (einschließlich geeigneter Wohnformen und „geschützter“ Umgebung in den Institutionen).

Zwischenzeitlich ist es gesichert, dass 20 % aller Krankenhauspatienten an einer manifesten Demenz leiden – ein deutlich höherer Prozentsatz, als in der Allgemeinbevölkerung zu erwarten. Dies stellt eine extraorbitante Herausforderung dar. Und die Krankenhäuser sind immer noch nicht auf dieses Problem eingestellt – trotz oben genannter Initiativen bereits vor zwei bis drei Jahrzehnten.

Ein Beitrag in diesem Heft aus der TU München (Psychiatrie und Fakultät für Architektur) befasst sich mit der sensorischen Verarbeitung von Geräuschen, die aufgrund eingeschränkter Lokalisation (Hörsamkeit) eines Ortes zu Verunsicherung, Angst und Unruhe führen. Dies spielt nicht nur in der Notaufnahme im Krankenhaus eine wesentliche Rolle, sondern bei jedem Umgebungswechsel, Umzug etc. Verbale und umgebungsbezogene (demenzsensible Krankenhausarchitektur) Maßnahmen werden vorgeschlagen.

Eine sehr differenzierte Befragung von Krankenhausärzten aus der Uni Lübeck (Pflegeforschung) belegt die Unsicherheit der Ärzte im Umgang und in der Behandlung demenzkranker Patienten in sehr erheblichem Umfang und schlägt diesbezüglich dezidierte Fortbildungsinhalte und Optimierungen auf Ablaufebene (Prozessorganisation) vor.

Eine binationale Arbeitsgruppe (Fachhochschulen Mannheim und Olten, Schweiz) sowie der TU München (Psychiatrie) wertet Daten der General Hospital Study (GHoST) bezüglich üblicher Maßnahmen im Umgang mit Demenz aus. Diese sind repräsentativ und daher umso provozierender, als daraus hervorgeht, dass alle bekannten Expertenempfehlungen und Maßnahmenkataloge bis heute so gut wie nicht zur Umsetzung gelangten. Von einer flächendeckenden Verbesserung der Versorgungssituation in den Krankenhäusern Deutschlands kann keine Rede sein.

Eine von der Uni Greifswald initiierte Befragung setzt sich mit der seit 2013 gestiegenen Codierfrequenz der Demenz in Hausarztpraxen – offenbar aufgrund monetärer Anreize – auseinander. Daraus geht hervor, dass Hausärzte zwar das Demenzsyndrom vermehrt „diagnostizieren“, aber nicht die z. B. in den S3-Leitlinien Demenzen vorgegebene Ätiologie einschätzen oder bezeichnen.

Die Hochschule Flensburg trägt einen sehr wertvollen systematischen Literatur-Review bei. Personenzentrierte Pflege, Kommunikation und Informationen über die Erkrankung stehen im Vordergrund von Schulung und Training im internationalen Vergleich, aber weniger die Angehörigenberatung oder Palliativversorgung. Hier wird Optimierungsbedarf angemeldet.

Eine von der Uni Halle (Pflegeforschung) geleitete Arbeitsgruppe acht europäischer Länder beschreibt wiederum den Hausarzt als wichtigste Profession, um demenzspezifische Zugangswege zu sichern. Die teambasierten Ansätze der Länder werden verglichen.

Last but not least folgt aus dem Institut für Psychogerontologie der Uni Erlangen-Nürnberg ein bisher kaum betrachteter Ansatz ganzheitlicher Zuwendung und nonverbaler Kommunikation in der Klinikseelsorge. Auch hier wird darauf hingewiesen, dass Edukation Not tut – in diesem Fall die der Seelsorger.

Alle Beiträge beinhalten hochinteressante Ergebnisse aus aktueller nationaler und internationaler Forschung. Sie sind nicht nur spannend zu lesen, sondern geben viele „praxistaugliche“ Hinweise. Ich wünsche viel Spaß bei der Lektüre!

Ihr

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Werner Hofmann