Zusammenfassung
Hintergrund
In Deutschland leben ungefähr 800.000 Menschen in Pflegeeinrichtungen. Die ärztliche Versorgung erfolgt durch ambulant tätige Haus- und Fachärzte. Während nahezu alle Bewohner regelmäßigen Kontakt zu Hausärzten haben, gilt dies für andere Facharztgruppen nur in unterschiedlichem Ausmaß.
Ziel der Arbeit
In der vorliegenden Untersuchung wurde die haus- und fachärztliche Versorgung erhoben und mit vorhandenen Diagnosen verglichen.
Material und Methoden
Wir führten zwischen Oktober 2014 und April 2015 eine Querschnittsstudie in Bremer und umliegenden Pflegeheimen durch. Die anonymisierte Datenerhebung auf Basis der Bewohnerakte erfolgte durch Pflegekräfte vor Ort. Es wurde erfasst, ob die Bewohner in den vergangenen 12 Monaten mindestens einmal Kontakt zu den entsprechenden Arztgruppen hatten [Antwortkategorien: a) nein, b) ja, er hat den Arzt besucht und c) ja, der Arzt kam ins Heim]. Analysen wurden stratifiziert nach Alter, Geschlecht und Pflegestufe durchgeführt sowie bei Bedarf nach Demenz bzw. weiteren Begleiterkrankungen.
Ergebnisse
Insgesamt nahmen 852 Bewohner aus 21 Heimen an der Studie teil (Durchschnittsalter: 83,5 Jahre; 76,5 % weiblich). Eine Demenz lag bei 57,7 % vor. Nahezu alle Bewohner hatten in den letzten 12 Monaten ihren Hausarzt gesehen, bei 96,9 % kam dieser ins Heim. Insgesamt hatte mehr als die Hälfte (54,5 %) keinen Kontakt zu einem Zahnarzt. (Dieser kam bei 25,4 % der Studienteilnehmer ins Heim, und 20,1 % suchten diesen in der Praxis auf). Neurologen bzw. Psychiater besuchten sehr häufig die Bewohner im Heim (47,4 %), und nur selten kamen die Bewohner in die Praxis (4,5 %). Je höher die Pflegestufe bzw. je jünger die Bewohner waren, desto häufiger wurden sie von Neurologen bzw. Psychiatern im Heim besucht. Insgesamt deutlich niedriger war die Kontakthäufigkeit zu Augenärzten (29,3 %) und Urologen (20,5 %). Die Diagnose eines Diabetes mellitus hatte keinen Einfluss auf die Kontaktrate zu Augenärzten.
Schlussfolgerung
Die fachärztliche Versorgung von Pflegeheimbewohnern ist durch eine große Varianz gekennzeichnet. Neben einer hohen Versorgung durch Hausärzte gibt es Hinweise für eine augen- und zahnärztliche Unterversorgung.
Abstract
Background
In Germany approximately 800,000 people are living in nursing homes. Outpatient medical treatment is provided by general practitioners (GP) and a variety of medical specialists. While nearly all residents have regular contact with GPs, care by specialists differs between the various disciplines.
Aim
In this study an assessment of medical treatment for nursing home residents by GPs and specialists was made and compared with the available diagnoses.
Material and methods
Between October 2014 and April 2015 a cross-sectional study was conducted in nursing homes in Bremen and the surrounding areas. Anonymized data based on residents’ files were collated by nursing staff. Every contact with various specialists within the preceding 12 months was assessed and grouped into (a) no physician visit, (b) resident visited physician and (c) physician visited resident. Analyses were stratified for age, sex and level of care dependency as well as dementia and further comorbidities.
Results
A total of 852 residents in 21 nursing homes were included (mean age 83.5 years, 76.5 % female) in the study. Dementia was diagnosed in 57.7 %. Nearly all residents had had contact with their GP in the previous 12 months, mostly by home visits (96.9 %). The majority (54.5 %) had not seen a dentist in the preceding 12 months and 25.4 % had been visited by a dentist. Of the residents 47.4 % were visited by a neurologist or psychiatrist but only 4.5 % visited these specialists in their practice. Higher care dependency and younger age were associated with more frequent visits by neurologists and psychiatrists. Contact rates to ophthalmologists (29.3 %) and urologists (20.5 %) were less frequent. A diagnosis of diabetes mellitus had no influence on the contact rate with ophthalmologists.
Conclusion
Medical care by specialists is characterized by huge variations. Besides a frequent contact rate with GPs there seems to be an undersupply regarding care by dentists and ophthalmologists.
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Danksagung
Die Studie wurde finanziell durch die KfH-Stiftung Präventivmedizin unterstützt. Die KfH-Stiftung Präventivmedizin war an der wissenschaftlichen Auswertung der Daten nicht beteiligt und hatte keinen Einfluss auf die Erstellung des Manuskripts und die Entscheidung der Einreichung zur Publikation. Wir danken Daniela Boeschen, Michael Dörks und Jana Petersen für die Mitarbeit an der Studie, Mandy Köhrmann und Katharina Allers für die Eingabe der Fragebogen sowie Birgitt Wiese für die biometrische Unterstützung. Weiterhin danken wir allen teilnehmenden Heimen für ihre Mitarbeit und Christian Scholz für den technischen Support.
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Interessenkonflikt
G. Schmiemann, S. Herget-Rosenthal und F. Hoffmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Studie wurde durch die Ethikkommission der Universität Bremen geprüft und befürwortet.
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Schmiemann, G., Herget-Rosenthal, S. & Hoffmann, F. Ärztliche Versorgung von Pflegeheimbewohnern. Z Gerontol Geriat 49, 727–733 (2016). https://doi.org/10.1007/s00391-015-1010-0
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