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Die Enkelgeneration in der familialen Pflege bei Demenz

Erfahrungen und Bilanzierungen – Ergebnisse einer lebensweltorientierten Studie

Grandchildren in family care giving for people with dementia

Experiences and evaluations – results from a life-world-oriented study

  • Originalarbeit
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Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Über die Auswirkungen familialer Pflege bei demenziellen Erkrankungen auf die Enkelgeneration liegen wenige Ergebnisse vor. Dies war Anlass zur vorliegenden Studie. Gegenstand dieser qualitativ-explorativen Studie aus der Perspektive der angewandten Gerontologie sind die subjektiven Erfahrungen und Bilanzierungen von 15 Enkeln im Nexus mit intergenerationellen Unterstützungsleistungen. Als bündelnde metatheoretische Position diente der Lebensweltansatz von Alfred Schütz.

Das Datenmaterial bildet heterogene Erfahrungsbereiche ab. Fallübergreifend dominieren positive Erfahrungen und Bilanzierungen, z. B. den personalen Wissens- und Kompetenzzuwachs sowie die familiale Solidarität und Leistungsfähigkeit betreffend. Episodische Belastungsphänomene, wie symptombedingte Verhaltensweisen der kranken Großeltern sowie der zeitliche Verpflichtungscharakter, sind integraler Bestandteil aller, auch positiv bilanzierter Settings. Dagegen führen kontinuierliche familiale Überforderungen zu einer belastungsgeprägten Bilanzierung. Zahlreiche Aspekte hinsichtlich der Assistenz der Erkrankten werden als „fraglos gegeben“ im Sinne von Alfred Schütz in individuelle Relevanzstrukturen integriert. Die Enkelgeneration benötigt altersgerechte Information über das Krankheitsbild Demenz und über einen adäquaten Umgang mit erkrankten Großeltern.

Abstract

Dementia often has a serious impact on family life in household care giving situations. The qualitative study in applied gerontology presented here focuses on the subjective experiences of grandchildren and the intergenerational relationships of the family members. It includes 15 in-depth retrospective interviews with young adults (11 female, 4 male). The theoretical background is a sociological life-world-oriented approach by Alfred Schütz.

The grandchildren reported a wide range of experiences with positive and enriching incidents prevailing, e.g., individual and familial competence in care giving, increased contact between family members, i.e., so-called“family cohesion”, improvements in the grandchildren’s social responsibility, and their acquired knowledge of the needs of older people and of persons with dementia. Individual stress was experienced because of so-called „challenging behavior“ by the grandparents (e.g., aggressive behavior) or family circumstances when the demands were too great.

A third category includes those experiences which seem to be „taken for granted“ and are regarded as insignificant by the grandchildren. Because this category encompasses many of the grandchildren’s own care giving activities, the widespread assumption that dementia must always cause younger carers stress is not true in general. The data suggest that living in a family that has difficulties in coping with the situation might be more demanding than dealing with the behavior and psychological symptoms of dementia. The grandchildren should be given access to age-appropriate information about the disease and the ways to communicate effectively with their grandparent needing care.

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Notes

  1. Die Mehrgenerationenfamilie bezeichnet „zumindest drei Generationen, die durch Abstammung oder Adoption miteinander verbunden sind“ [15].

  2. Die Idee zu dieser Studie entstand in Praxiskontexten, u. a. dem Angehörigengesprächskreis der Alzheimer Gesellschaft Münster e. V., deren Zweite Vorsitzende die Autorin ist. Ihr „begegnete“ die Enkelgeneration zwar wiederholt thematisch, physisch waren Enkel jedoch nicht präsent, wodurch ihre eigenen Ansichten, Wünsche oder Beschwerden außen vor blieben.

  3. Als Hauptpflegeperson werden im Kurzfragebogen diejenigen bezeichnet, die „sich hauptverantwortlich und zeitlich am meisten eingebunden um den Kranken gekümmert“ [20] haben.

  4. Alle Namen und personenbezogenen Merkmale wurden anonymisiert. Die genealogischen Zuordnungen geben die Perspektive der Enkelgeneration wieder, d. h. „Mutter“ oder „Vater“ kennzeichnen Vertreter der mittleren familialen Generation.

  5. Die kategorialen Bezeichnungen orientieren sich dabei eng am Datenmaterial, sie greifen die „natürliche Einstellung“ [23], d. h. den lebensweltlichen Sprachduktus der Akteure, auf.

  6. „Familialer Zusammenhalt“ wurde in der zweiten Auswertungsphase als operationalisiertes Konstrukt „Generationenbezogene familiale Solidarität“, ausgehend von einer von Bengtson und Roberts aufgestellten Taxonomie (welche die Merkmale „affection, consensus, function, association, familism, structure“ [2] enthält) und erweitert durch Merkmale von Lüscher und Liegle [17], detaillierter untersucht.

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Die korrespondierende Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Diese Studie wurde an der Universität Kassel bei Prof. Dr. Karl und im Rahmen eines Promotionsstipendiums bei der Heinrich-Böll-Stiftung durchgeführt.

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Philipp-Metzen, H. Die Enkelgeneration in der familialen Pflege bei Demenz. Z Gerontol Geriat 44, 397–404 (2011). https://doi.org/10.1007/s00391-011-0234-x

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