Hintergrund und Fragestellung

Der Ursprung der Irisprothesen geht bis in das Jahr 1956 zurück. Hier wurden erstmals Irisprothesen implantiert, wobei es sich hierbei um modifizierte Vorderkammerlinsen handelte. In den darauffolgenden Jahrzenten wurden einige weitere Modelle wie die Moustache-Linse mit farbiger Krempe, die modifizierte Iris-Claw-Linse mit Krempe, die Irisblenden-IOL (Intraokularlinse) oder der modifizierte Kapselspannring mit Blendsegmenten entwickelt, die sich jedoch alle nicht durchsetzen konnten [6, 15]. Zum heutigen Zeitpunkt stehen verschiedene Modelle zur Irisrekonstruktion zu Verfügung. Hierzu gehören die Aniridieimplantate, Irismatch-Linsen und der Aniridiering von Morcher sowie die Irisblenden-IOLs von Ophtec GmbH (Emmerich am Rhein, Deutschland). Limitationen bzw. Nachteile sind hierbei die benötigte große Inzision (>10 mm) (Irisblenden-IOL) oder auch das Erfordernis eines intakten Kapselsacks (Aniridiering) [15]. Durch die Einführung der Artificial Iris® (Human Optics AG, Erlangen) wurde ein deutlicher Fortschritt in der chirurgischen Pupillenrekonstruktion erzielt. Diese künstliche Iris, bestehend aus faltbarem, biokompatiblem Silikonmaterial, wurde 2002 entwickelt, um partielle oder komplette Aniridien operativ zu behandeln. Um ein optimales kosmetisches Ergebnis zu erlangen, werden Struktur und Farbe der Vorderseite der Artificial Iris® an das Partnerauge oder an bestehendes Restirisgewebe angepasst. Die Rückseite ist gleichmäßig schwarz gefärbt, sodass das Transplantatmaterial vollständig lichtundurchlässig ist [6].

Irisdefekte können unterschiedlicher Herkunft sein. Hereditäre Irisdefekte, wie z. B. die kongenitale Aniridie oder das Axenfeld-Rieger-Syndrom, spielen hierbei auf der einen Seite eine Rolle, auf der anderen Seite stehen die erworbenen Irisdefekte durch Operationen oder Traumata. Betroffene Patienten leiden oft unter starker Blendung und demzufolge einer Reduktion des Sehvermögens [9, 10, 14, 15]. Nicht nur funktionelle, sondern auch kosmetische Beeinträchtigungen können durch die Implantation einer Artificial Iris® behoben werden [5, 9, 14] und so zu einem deutlichen Anstieg der Lebensqualität beitragen. Welche Patienten und Indikationsstellungen für eine solche Implantation infrage kommen, wird hier anhand einer konsekutiven Fallstudie dargestellt.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Diese retrospektive Studie wurde in der Augenklinik der Universitätsmedizin Mainz unter Einhaltung der Deklaration von Helsinki durchgeführt.

In die konsekutive Fallstudie wurden Patienten ≥18 Jahre eingeschlossen, die sich zwischen 2011 und 2017 einer Pupillenrekonstruktion mit Implantation einer Artificial Iris® unterzogen und nicht für eine alternative Behandlungsmethode aufgrund von kongenitalen Ursachen, vollständiger Aniridie, großen Irissubstanzdefekten oder Kontaktlinsenunverträglichkeiten infrage kamen. Bei kongenitalen Ursachen wurde aufgrund der pathologisch veränderten Iris von vornherein von einer Irisnaht abgesehen. Bei anderen Patienten bestand eine Kontaktlinsenunverträglichkeit nach vielen Jahren der nicht optimal tolerierten Versorgung. Zudem wurde bei Patienten mit einem großen Irissubstanzdefekt oder kompletter Aniridie mit bestehender Kontaktlinsenunverträglichkeit und/oder kosmetischen Beeinträchtigungen eine Artificial Iris® implantiert. Einschlusskriterien waren darüber hinaus Beschwerden wie erhöhte Blendempfindlichkeit, Visusbeeinträchtigung, kosmetische Beeinträchtigung und Kontaktlinsenunverträglichkeiten. Ausgewertet wurden die verschiedenen Indikationen, die zu einer solchen Operation führten, sowie der prä- und postoperative Visus. Darüber hinaus wurden die verschiedenen operativen Methoden beschrieben.

Für die deskriptive Analyse wurden die Mittelwerte und Standardabweichungen für alle Patienten berechnet. Hierbei wurde der Visus in logMAR angegeben, wobei ein Visus von logMAR = 2,0 Fingerzählen entspricht und ein Visus von logMAR = 3,0 Handbewegungen [4]. Zudem wurde der postoperative bestkorrigierte Visus mit dem präoperativen bestkorrigierten Visus mittels gepaartem Wilcoxon-Test verglichen – für alle Patienten zusammen sowie getrennt für die unterschiedlichen Indikationen. Alle statistischen Analysen wurden mit R (Version 3.6.0, R Foundation for Statistical Computing, Vienna, Austria; http://www.R-project.org/) durchgeführt.

Ergebnisse

Es wurden 51 Augen von 50 Patienten (16 Frauen und 34 Männer) in diese Studie eingeschlossen. Das durchschnittliche Alter betrug 57 ± 16,5 Jahre. Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit betrug 3,4 ± 1,8 Jahre.

Der häufigste Grund für die Implantation einer Artificial Iris® (n = 17) war die penetrierende Augenverletzung mit folgender Aniridie. Hier erfolgten die meisten der Implantationen sklerafixiert (Tab. 1). Die zweithäufigsten Indikationen waren mit je 12 Patienten die penetrierende Bulbusverletzung mit partieller Aniridie/Sektordefekt und die traumatische Mydriasis nach Contusio bulbi (Abb. 1 und 2), bei einem geringen Anteil der Patienten bestanden genetisch determinierte Erkrankungen wie die kongenitale Aniridie, das iridokorneale endotheliale (ICE) Syndrom oder das Axenfeld-Rieger-Syndrom als Grund für eine Operation. Bei 53 % der Patienten konnte eine Visusverbesserung erreicht werden, bei 31,3 % der Patienten bleib der Visus stabil, während sich bei 13,7 % eine Visusverschlechterung zeigte. In der Gruppenauswertung ließ sich eine relevante Differenz des prä- und postoperativ bestkorrigierten Visus bei der Patientengruppe mit penetrierender Verletzung mit kompletter Aniridie sowie bei der Patientengruppe mit traumatischer Mydriasis nach Contusio bulbi darstellen (Tab. 2). Da viele Indikationsgruppen zum Teil aus nur 1 bis 2 Patienten bestehen, konnte hier keine weitere stratifizierte Auswertung durchgeführt werden.

Abb. 1
figure 1

Prä- und postoperativer Befund bei einer traumatischen Mydriasis. a Präoperativer Befund einer traumatischen Mydriasis, b postoperativer Befund nach Implantation einer Artificial Iris®

Abb. 2
figure 2

Prä- und postoperativer Befund bei einem traumatischen Sektordefekt nach penetrierender Verletzung. a Präoperativer Befund eines traumatischen Sektordefekts nach penetrierender Verletzung, b postoperativer Befund nach Implantation einer Artificial Iris®

Tab. 1 Verschiedene Indikationen für die Implantation der Artificial Iris® und Art der Fixation
Tab. 2 Visus (logMAR) prä- und postoperativ (bestkorrigiert) bei Implantation einer Artificial Iris® und p-Werte

Zum Zeitpunkt der Operation waren 21 Patienten pseudophak, 17 Patienten aphak, und bei 13 Patienten lag eine Katarakt vor. Aphake Patienten sowie Patienten mit einer vorliegenden Katarakt erhielten eine kombinierte Operation (IOL- und Artificial Iris®-Implantation). In allen 3 Gruppen zeigte sich eine relevante Differenz des prä- und postoperativen Visus (Tab. 3); 51 % der Patienten gaben postoperativ eine schwächere Blendempfindlichkeit an.

Tab. 3 Visus (logMAR) prä- und postoperativ (bestkorrigiert) nach Ausgangsbefund der Linsensituation

Operativ wurden verschiedene Methoden zur Implantation der Artificial Iris® angewandt. Diese waren abhängig von den vorliegenden strukturellen Veränderungen und der Ursache der partiellen oder kompletten Aniridie. Die Methoden umfassten Injektor-unterstützte Implantation mit Sulcusimplantation, gefaltete Artificial Iris® mit Pinzettenimplantation mit Nahtfixation, kombinierte nahtlose Implantation einer Artificial Iris® und IOL in den Sulcus und kombinierte nahtlose Implantation einer Artificial Iris® mit einer Artificial Iris®-fixierten Verisyse® aphakia-Linse (VRSM54, AMO Inc., Santa Ana, CA, USA) in den Sulcus mit Pinzetten oder Injektorimplantation, Hybridimplantation mit der Pinzette (die Artificial Iris® wird dabei vor Implantation an die IOL fixiert) und die Sandwich-Implantation, wobei hier die Artificial Iris® zwischen die restliche bestehende Iris und der dort enklavierten Verisyse®-Linse fixiert wurde (Tab. 4). Die Artificial Iris® wurde zudem entweder als „full-size“ implantiert oder „customer-sized“. Die Nahtfixationen erfolgten mittels 2–4 Prolene® (Ethicon, Johnson & Johnson, Somerville, New Jersey, USA)-Nähten der Stärke 10‑0. Es wurden keine Intraokularlinsen in den Kapselsack implantiert.

Tab. 4 Operationsmethoden zur Implantation der Artificial Iris®

Diskussion

Die Implantation einer Artificial Iris® ist eine therapeutische Option in der chirurgischen Pupillenrekonstruktion. Durch die individuelle Anfertigung in Form und Farbe der Prothese kann ein breites Patientenspektrum abgedeckt werden. So können sowohl die traumatische Mydriasis, der traumatische Irisdefekt, die traumatische Aniridie als auch kongenitale Ursachen wie die kongenitale Aniridie oder das Axenfeld-Rieger-Syndrom Indikationen sein. Während der Großteil der Patienten unter einer traumatischen partiellen oder kompletten Aniridie litt, zeigte die Minderheit kongenitale Fehlbildungen. Die Positionierung kann ohne Nahtfixation im Sulcus erfolgen oder mit einer Prolene-Naht sklerafixiert, wobei hierbei der intraoperative Befund zur schlussendlichen Entscheidung beiträgt. In Einzelfällen ist auch eine Fixierung unter Einbeziehung der residualen natürlichen Iris möglich. Die Implantation erfolgt nur bei pseudophakem Auge oder Aphakie.

Die Positionierung kann ohne Nahtfixation im Sulcus erfolgen oder mit einer Prolene-Naht sklerafixiert

Seitens des Herstellers sind verschiedene Varianten der Implantation vorgeschlagen: mit und ohne Nahtfixation, im Sulcus oder im Kapselsack, ein- oder zweizeitig bezüglich der Implantation einer Intraokularlinse. Das Implantat ist mit und ohne Gore-Tex-Kern verfügbar. Mayer et al. differenzierten 2017 die Methoden zur Implantation der Artificial Iris®: sektorförmige Irissegmente, die vernäht werden mussten, Injektor-unterstützte Sulcusfixation, Injektor-unterstützte Fixierung im Kapselsack mit gleichzeitiger Implantation einer IOL und Kapselspannring, gefaltete Artificial Iris® mit Pinzettenimplantation und Skleravernähung mit gleichzeitiger Implantation einer sklerafixierten IOL, Sandwich- oder Backpack-Implantation in Kombination mit einer IOL und eine Open-sky-Implantation in Kombination mit einer perforierenden Keratoplastik [7]. In der vorliegenden Untersuchung wurden ebenfalls verschiedene Techniken (Tab. 4) angewandt – je nach zu erwartendem und tatsächlich vorgefundenem operativem Situs. Die häufigste Operationsmethode war hierbei die Injektor-unterstützte Implantation der Artificial Iris® in den Sulcus mit gleichzeitiger IOL-Implantation, gefolgt von der Injektor-unterstützten Sulcusimplantation ohne kombinierte IOL-Implantation. Zudem wurde 8‑mal eine Hybridimplantation durchgeführt, wobei die IOL vor Implantation an die Artificial Iris® fixiert wird und das Hybridimplantat durch einen superioren limbalen Tunnel eingeführt und skleral vernäht wird. Die Methoden decken sich hierbei weitestgehend mit den von Mayer et al. beschriebenen Methoden, und es zeigt sich, dass vielfältige operative Methoden und Kombinationen zur Implantation der Artificial Iris® vorliegen und möglich sind. So kann auf veränderte Strukturen bei traumatisierten Augen und kongenitalen Erkrankungen eingegangen und variiert werden.

Eine signifikante Visusverbesserung konnte bei 53 % der Patienten beobachtet werden, während sich bei 31,3 % ein stabiler Visus zeigte und bei 13,7 % eine Visusverschlechterung eintrat. Rickmann et al. und auch Spitzer et al. beschrieben sehr ähnliche Daten, wobei 47,1 %/41 % (34 Patienten insgesamt) einen postoperativen Visusanstieg zeigten, während 44,1 %/32 % einen stabilen Visus aufwiesen und es bei 8,8 %/26 % zu einer Visusverschlechterung postoperativ kam [11, 13]. Hier ist jedoch auch hervorzuheben, dass die Visusverbesserung nicht immer als das primäre Ziel gesetzt wurde. Bei dem Großteil der Patienten handelte es sich um stark vorgeschädigte Augen, bei denen die Reduzierung der Blendempfindlichkeit im Vordergrund stand. Dies konnte bei 51 % der Patienten erreicht werden.

Die Reduktion der Blendung steht meist im Vordergrund

Traumatische Verletzungen wie die Bulbuspenetration mit kompletter oder partieller Aniridie und die posttraumatische Mydriasis waren die häufigste Ursache für die Implantation der Artificial Iris® in dem vorliegenden Patientenkollektiv. Mayer et al. publizierten eine Studie mit 51 eingeschlossenen Patienten über die Herausforderungen und das Management der Artificial Iris®-Implantation, und auch hier wurde als häufigste Ursache für den Irisdefekt die traumatische Verletzung beschrieben, gefolgt von der persistierenden Mydriasis und angeborenen Iriskolobomen [8]. In der Studie von Mayer et al. (68,8 % männlich) wie auch in der vorliegenden Untersuchung war die Mehrzahl der eingeschlossenen Patienten männlich (34 m, 16 w), wobei v. a. die penetrierenden Verletzungen und die traumatische Mydriasis nach Contusio bulbi häufiger bei Männern vorkamen. Dieses entspricht bereits vorhandenen Literaturdaten, die berichten, dass Augenverletzungen deutlich häufiger bei Männern auftreten als bei Frauen [1, 3, 12]. Insgesamt wird die Inzidenz von Bulbusverletzungen in Deutschland mit 3:100.000 angegeben, wie oft hierbei jedoch die Iris mit betroffen ist, geht aus den Literaturdaten nicht hervor; 84 % entfallen hierbei auf Männer und 16 % auf Frauen, wobei das Durchschnittsalter 30 Jahre beträgt [12]. Iriskolobome treten mit einer Häufigkeit von ca. 0,6 pro 10.000 Geburten auf und sind somit eher selten. Noch seltener sind kongenitale Aniridien zu finden (zwischen 1:64.000 und 1:100.000) [2].

Zusammenfassend stellt die Implantation der Artificial Iris® eine erfolgreiche Methode zur Pupillenrekonstruktion dar, die nicht nur funktionelle, sondern auch kosmetische Beeinträchtigungen beheben kann. Dabei kann die Artificial Iris® individuell auf die vorliegende Situation des Patientenauges zugeschnitten werden und somit „customer-sized“ implantiert werden.

Fazit für die Praxis

  • Sowohl hereditäre, kongenitale und iatrogene Irisdefekte können versorgt werden.

  • Die Reduktion der Blendung und auch die kosmetische Rehabilitation stehen meist im Vordergrund.

  • Die Implantation erfolgt nur bei pseudophakem Auge oder Aphakie.