Zusammenfassung
Uveamelanome sind die häufigsten malignen Augentumoren. Mit modernen molekularbiologischen Methoden (Chromosom-3-Typisierung, Genexpressionsanalyse) können weniger aggressive von hoch aggressiven Verlaufsformen (Monosomie 3, Klasse II) unterschieden werden. Diese molekularbiologische Stratifizierung hat bisher ausschließlich eine Bedeutung für die Risikoeinschätzung, da es keine wirksame Therapie gibt, die eine Metastasierung verhindern oder verzögern kann. Eine randomisierte Studie mit einer Krebsvakzine bestehend aus patienteneigenen dendritischen Zellen und patienteneigener Uveamelanom-RNA soll zeigen, ob die Vakzine wie erwartet bei Patienten mit schlechter Prognose eine Metastasierung verzögern oder verhindern kann. Ein Einschluss in die Studie und damit ein potenzieller Vorteil für den Patienten ist nur möglich, sofern der Patient noch vor Operation oder Bestrahlung an einem der teilnehmenden Zentren vorgestellt wird, da für die Vakzinenherstellung Tumormaterial unter standardisierten Bedingungen gewonnen werden muss.
Abstract
Uveal melanomas are the most common malignant tumors of the eye. With modern molecular biological diagnostic methods, such as chromosome 3 typing and gene expression analysis, these tumors can be categorized into highly aggressive (monosomy 3, class II) and less aggressive forms. This molecular biological stratification is primarily important for determining the risk of these tumors as no therapy is currently available that is able to prevent or delay metastases. A randomized study of patients with a poor prognosis (monosomy 3) is currently being carried out in order to determine whether a cancer vaccine prepared from autologous (patient’s own) dendritic cells and uveal melanoma RNA can prevent or delay progression and further metastases of this extremely aggressive form of cancer. Inclusion in the uveal melanoma study, which hopes to provide a potential therapeutic option for patients, is only possible if patients are referred to an institution that is able to manufacture and provide this vaccination before the patient is operated on or treated with radiation. Untreated tumor material is necessary for producing the vaccine on an individualized patient basis.
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Uveamelanom und Immunsystem
Das maligne Melanom der Aderhaut ist der häufigste primäre intraokulare maligne Tumor des Erwachsenenalters [1–3]. Die Inzidenz liegt bei etwa 5:100.000 pro Jahr [1–3]. Die Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter [1–3]. Das Melanom der Aderhaut führt oft erst spät zu Symptomen. Die Prognose quoad vitam des Aderhaumelanoms ist schlecht, etwa 50 % der Patienten entwickeln Fernmetastasen [1–3]. Im Gegensatz zum kutanen Melanom zeigt das uveale Melanom einen starken Tropismus zur Lebermetastasierung und metastasiert (bis auf Tumoren mit extraokularer Ausdehnung) ausschließlich hämatogen [4]. Dies scheint in der Lymphgefäßfreiheit der normalen Aderhaut und der alymphatischen Sklerabarriere begründet zu sein [5–6]. Eine weitere Besonderheit des uvealen Melanoms ist die relative Sicherheit vor dem körpereigenen Immunsystem durch die Lage im „immunprivilegierten“ Auge. Anders als kutane Melanome ist der intraokulare Tumor dem Zugriff des Immunsystems teilweise entzogen. Deshalb versucht der hier vorgestellte neue Therapieansatz einer „personalisierten Impftherapie“ dem Immunsystem beim Angriff gegen den Tumor gezielt zu helfen.
Denn unabhängig von der Therapie des Primärtumors am Auge (Enukleation, Endoresektion, Blockexzision, Brachytherapie, Protonenbestrahlung etc.) ist die Prognose quoad vitam schlecht und bisher durch adjuvante Therapieansätze nicht zu beeinflussen [1–3]. Besonders Aderhautmelanome mit Monosomie 3 sind mit einer dramatisch schlechten Prognose vergesellschaftet [7], da es meist bald zum Auftreten von Lebermetastasen und in Folge innerhalb von Monaten zum Tode des Patienten kommt. Dieser Verlauf kann auch in Zeiten von Kinaseinhibitoren und Checkpoint-Blockade nur in Einzelfällen verzögert werden [1–3]. Somit gibt es zurzeit für Aderhautmelanompatienten sowohl in der adjuvanten als auch in der metastasierten Situation keine zufriedenstellende zugelassene Therapieoption [8–10]. Der Ansatz einer personalisierten „Tumorimpfung“ des Patienten gegen das geschützt im Augeninneren liegende Tumorgewebe stellt ein Erfolg versprechendes neues Therapiekonzept, speziell für Hochrisikopatienten mit Aderhautmelanom und Monosomie 3, dar.
Vakzination mit dendritischen Zellen
Die Vakzination mit dendritischen Zellen ist eine Methode der Krebsimmuntherapie, die bereits bei mehreren Tumorentitäten die Phase III erreicht hat (Tab. 1), darunter Nierenzellkarzinom, Prostatatakarzinom, Glioblastom, kutanes Melanom, Kolonkarzinom und Uveamelanom. Ein Präparat (Provenge®) für die Behandlung von metastasiertem Prostatakarzinom ist bereits in den USA und Europa zugelassen. Die aktuelle Phase-III-Studie für das Uveamelanom ist die einzige Studie, welche nicht von Firmen, sondern ausschließlich von Universitätskliniken mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe betrieben wird.
Dendritische Zellen sind immunregulatorische Zellen, die die Funktion des Immunsystems modulieren können, indem sie entweder Immunität oder Toleranz gegenüber bestimmten Antigenen induzieren. Dafür werden dendritische Zellen ex vivo in geeigneter Weise angezogen, dann 1) durch sog. Reifung in den „stimulatory mode“ versetzt und 2) mit spezifischen Antigenen (z. B. Tumorantigenen) beladen. Die so behandelten Zellen werden dem Patienten verabreicht, wo sie durch Aktivierung von zytotoxischen CD8- und CD4-Helfer-T-Zellen, welche gegen die geimpften Tumorantigene gerichtet sind, eine Immunantwort gegen die geimpften Tumorantigene induzieren. Dies führt zur Elimination der Tumorzellen durch das eigene Immunsystem. Die Immuninduktion ist antigenspezifisch, das Immunsystem wird ausschließlich gegen die geimpften Antigene in Gang gesetzt. Im Rahmen der Studie werden die dendritischen Zellen des Patienten mit RNA beladen, die aus dem Tumor des Patienten extrahiert und mittels „polymerase chain reaction“ (PCR) amplifiziert wurde. Diese autologe Tumor-RNA repräsentiert die im Tumor aktiven Gene und bildet somit auch ab, was auf den Tumorzellen als Antigen präsentiert wird. Kommt es durch die Impfung zur Induktion tumorantigenspezifischer Zellen, können im Körper verbliebene Tumorzellen erkannt und durch das aktivierte Immunsystem eliminiert werden.
Wenn sich die Erfolge aus der Behandlung von kutanem Melanom, Prostatakarzinom, Nierenzellkarzinom, Glioblastom und vielen anderen Tumorentitäten auf das Uveamelanom übertragen lassen, ist eine Verlängerung des Überlebens durch Verzögerung der Metastasierung zu erwarten, im besten Fall kann die Behandlung eine Progression durch die Induktion zytotoxischer T-Zellen gegen patienteneigene Tumorantigene vollständig unterbinden.
Phase-III-Vakzinationsstudie beim Uveamelanom
Die Universitätsaugenkliniken Erlangen, Essen, Hamburg-Eppendorf, Homburg/Saar, Köln, Lübeck, Tübingen und Würzburg führen eine multizentrische klinische Phase-IIII-Studie durch, die Patienten mit neu diagnostiziertem und großem Uveamelanom (T2–T4, AJCC TNM grading 2009) eine personalisierte Immuntherapie anbietet. Das Ziel der Studie ist es, das Auftreten von Metastasen durch Aktivierung zytotoxischer T-Zellen zu verhindern.
Untersucht wird ein sog. ATMP („advanced therapy medicinal product“), eine autologe personalisierte Vakzine, die aus dendritischen Zellen des Patienten besteht, welche zuvor mit Tumor-RNA beladen wurden, die aus dem Uveamelanom des Patienten stammt. Ziel ist es, die dendritischen Zellen so mit einem Abbild des unikalen Tumorantigenrepertoires zu beladen, um damit – zurück im Patienten – Killerzellen zu aktivieren, die spezifisch gegen die individuellen Tumorantigene des Patienten gerichtet sind.
Dazu wird im Rahmen der Operation des Primärtumors (vorzugsweise Enukleation) ein mindestens „erbsengroßes“ Tumorgewebestück entnommen, aus dem dann in einem Reinraumlabor RNA isoliert wird. Diese wird mittels Elektroporation in die vom jeweiligen Patienten gezüchteten dendritischen Zellen eingebracht. Die fertige Vakzine wird eingefroren an die zuweisenden Zentren versendet und vor Ort in den Studienzentren dem Patienten infundiert ([11, 12]; Abb. 1).
Um an der Studie teilnehmen zu können, müssen Patienten mit Verdacht auf Uveamelanom noch vor der Therapie des Primärtumors (Operation oder Bestrahlung) an einem der teilnehmenden Zentren (Tab. 2) vorgestellt werden.Footnote 1 Nach erfolgter Primärtherapie außerhalb eines Studienzentrums ist eine Inklusion in die Studie nicht mehr möglich, da das Tumormaterial unter standardisierten und kontrollierten Bedingungen entnommen und zur zentralisierten Produktionsstätte der Vakzine (Experimentelle Immuntherapie, Hautklinik, Universitätsklinikum Erlangen) transportiert werden muss.
Für die Gewinnung der autologen Tumor-RNA muss ein Teil des Uveamelanoms in einer Lösung, welche den Abbau von RNA durch Blockade von RNAsen verhindert, in ein Reinraumlabor am Universitätsklinikum Erlangen (Experimentelle Immuntherapie, Hautklinik) transportiert werden, wo die RNA unter GMP („good manufacturing practice“) -Bedingungen extrahiert und amplifiziert wird (Abb. 1). Für die Anzucht der dendritischen Zellen müssen durch eine Leukapherese Vorläuferzellen (Monozyten) des Patienten gewonnen werden, die sich im Verlauf einer Woche unter Zugabe von Zytokinen (GM-CSF, Interleukin 4) sowie Reifungsfaktoren zu reifen dendritischen Zellen umbilden. Dazu muss der Patient einmalig an die Universitätshautklinik nach Erlangen reisen. Nach Beladung der Zellen mit der Tumor-RNA des Patienten (durch eine sog. Elektroporation) können diese aliquotiert eingefroren und nach Überprüfung der Qualitätskontrollen (Sterilität, Endotoxinfreiheit, Mykoplasmenfreiheit, Vitalität, Phänotyp, Zellzahl) an die zuweisenden Zentren zur Abgabe an den Patienten versendet werden. Die komplexe Prozedur der Tumor-RNA-Gewinnung aus geringen Tumorgewebemengen wurde als Kooperation der Augenklinik und Hautklinik des Universitätsklinikums Erlangen entwickelt.
Die Impfungen erfolgen am teilnehmenden Zentrum insgesamt 8-mal über einen Zeitraum von 2 Jahren als intravenöse Infusionen mit ansteigenden Intervallen (2, 4, 6 Wochen, 3 Monate, dann halbjährliche Intervalle). Durch die Vakzination kommt es zur Aktivierung zytotoxischer T-Zellen, die gegen jene Tumorantigene gerichtet sind, die nun durch die ex vivo beladenen dendritischen Zellen präsentiert werden, und die ein Abbild des Tumorantigenrepertoirs des jeweiligen Uveamelanoms darstellen.
Die Lebensqualität ist für die behandelten Patienten nahezu unbeeinträchtigt. Nebenwirkungen bestehen in nach den Impfungen auftretenden, kurz dauernden fieberhaften Episoden mit grippalen Symptomen, sehr selten Exanthemen oder Auftreten von Vitiligo.
Fazit für die Praxis
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Diese innovative Phase-III-Studie eröffnet erstmals Perspektiven auf ein längerfristiges Überleben auch für Patienten mit Hochrisikomelanom der Aderhaut. Alle potenziell inkludierbaren Patienten sollten von der Möglichkeit der Studienteilnahme erfahren und bei Wunsch daran teilnehmen können.
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Teilnehmen können Patienten mit großen, unbehandelten Uveamelanomen (T2–T4, AJCC TNM grading 2009) im Alter bis zu 75 Jahren.
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Ausschlusskriterien sind aktive Infektionen mit z. B. HIV oder Hepatitis, Zustand nach Organtransplantation und Zweitmalignom in den letzten 5 Jahren (Ausnahme nichtmelanozytärer Hautkrebs und Zervixkarzinom).
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Genauere Informationen über die Studie sind online unter https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01983748 nachzulesen.
Notes
Kontaktaufnahme bitte entweder über die in Tab. 2 angegebenen teilnehmenden Augenkliniken oder über experimentelle-immuntherapie@uk-erlangen.de, Tel. 09131 85 45833.
Literatur
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Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.
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Schuler-Thurner, B., Bartz-Schmidt, KU., Bornfeld, N. et al. Immuntherapie beim Aderhautmelanom: Vakzination gegen Krebs. Ophthalmologe 112, 1017–1021 (2015). https://doi.org/10.1007/s00347-015-0162-z
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