Schmerz aus Muskeln und anderen tiefen somatischen Geweben

Zusammenfassung

Alle tiefen somatischen Gewebe sind intensiv nozizeptiv und propriozetiv innerviert. Viele dieser Sensoren sind im Normalzustand nur auf starke mechanische Reize schmerzsensibel, können aber im Falle von persistierenden Schmerzreizen oder von lokoregionären Entzündungsvorgängen im Rahmen der Sensibilisierung niederschwellig werden und ihren Charakter ändern. Daher sind der Schmerz und die nozireaktiven Veränderungen stark vom Sensibilisierungsgrad und auch von der zeitlichen Dauer eines Reizes oder der Dysfunktion abhängig. Zwar existieren einige Unterschiede in der Anlage von Gelenk- und Muskelafferenzen, generell gibt es aber keine gewebespezifischen Rezeptoren und keine spezifische spinale bzw. zentrale Verarbeitung. In diesem Sinne „verhalten“ sich die verschiedenen tiefen somatischen Afferenzen nicht unterschiedlich. Die afferente multisensible Konvergenz der ersten Neuronen aller tiefen somatischen Afferenzen am spinalen Hinterhorn führt zum Reizsummenprinzip. Dies bedeutet, dass verschiedene Afferenzen summativ eine verstärkte motorische Reaktion und Schmerzempfindung zur Folge haben können. Gleichzeitig wird die zentrale Verarbeitung bezüglich Reizquellen (Nozigeneratoren) unspezifisch. Konvergenz bedeutet immer auch Informationsverlust bezüglich Diskriminierbarkeit. Die zentralen reflektorischen Verarbeitungsmuster wie auch der Muskeltonus sind komplexen Mechanismen mit multiplen spinalen und supraspinalen Einflüssen unterworfen. Es gibt keinen isolierten γ-gesteuerten Muskeltonus. Der „psychomotorische Link“ funktioniert über die Formatio reticularis, die retikulospinalen Bahnen wirken über den spinalen Interneuronenpool auf die α-/γ-Motoneuronen-Aktivität, die immer als α-/γ-Koaktivierung erfolgt.

Abstract

All deep somatic tissues are intensively innervated by nociceptive and proprioceptive fibers. Under normal conditions many of these sensors are only sensitive to pain by strong mechanical stimuli, but the threshold can be lowered and the character changed in cases of persistent pain stimuli or locoregional inflammatory processes due to sensitization. Therefore, the pain and nociceptive alterations are strongly dependant on the degree of sensitization and also on the duration of a stimulus or the dysfunction. There are some differences in the predisposition of joint and muscle afferent fibers but generally there are no tissue-specific receptors and no specific spinal or central processing. In this sense the various deep somatic afferent fibers do not“behave” differently. The afferent multisensitive convergence of the primary neurons of all deep somatic afferent fibers in the posterior spinal horn leads to the stimulus summation principle. This means that different afferent impulses can result in a stronger motor reaction and pain perception due to summation. Simultaneously, the central processing with respect to the source of the stimuli (nocigenerators) becomes unspecific. Convergence always means loss of information with respect to discrimination. The central reflex processing pattern and also muscle tonus are complex mechanisms subject to multiple spinal and supraspinal influences. There is no isolated γ-driven muscle tonus. The „psychomotor link“ functions via the reticular formation and the reticulospinal tracts function via the spinal interneuronal pool on the α-/γ-motor neuron activity, which is always by α-/γ-coactivation.