Zusammenfassung
Bei Patienten mit funktionellen Störungen im Bereich der Wirbelsäule ist vor einer Manipulation im Bereich der Kopfgelenke eine Röntgenuntersuchung in 2 Ebenen geboten, wobei sich häufig im Bereich der Halswirbelsäule Asymmetrien finden. Die Frage, ob derartige Asymmetrien nur in Röntgenbildern von „kranken Patienten“ zu finden sind oder auch bei einem gesunden Klientel, war zu klären.
Wir haben 212 Ganzwirbelsäulen-(GWS-)Röntgenaufnahmen der Kopfgelenke und Halswirbelsäule subjektiv beschwerdefreier Probanden ausgewertet. Die Variabilität der asymmetrischen Einstellungen der beteiligten Gelenkpartner war groß. Eine Symmetrie in der Stellung von Okziput, Atlas und Axis zueinander konnte nur bei 6% der Fälle gesehen werden. Eine Lateralität von Atlas und Axis nach links, bezogen auf die Schädelbasis, wurde auffällig häufig gefunden. Findet sich eine klinische Symptomatik zusammen mit einer funktionellen Störung der Kopfgelenke, ist diese radiologisch-anatomische Asymmetrie zur Planung der adäquaten manuellen Therapie wegweisend.
Bei der weiteren statistischen Auswertung der Einzelmessungen und Korrelationen wurde eine hohe Signifikanz eines Foramen arcuale mit einer Atlasbogenschlussstörung gefunden. Wird ein Foramen arcuale beobachtet, findet sich signifikant häufig eine symmetrische Atlaseinstellung.
Abstract
Before initiating manipulative therapy in the region of the atlanto-occiptal joints in patients with functional disorders of the spinal column, biplanar X-ray examination is necessary whereby asymmetries are frequently found in the region of the cervical spine. We sought to answer the question of whether such asymmetries are only found in “ill patients” or whether they are also found in healthy subjects.
We evaluated 212 whole spinal column X-rays of the atlanto-occipital joints and cervical spine of test subjects with no subjective complaints. The variability of the asymmetric alignment of the affected joint pairs was large. Symmetry in the positions of the occiput, atlas, and axis could only be observed in 6% of the cases. Laterality of the atlas and axis toward the left in relation to the skull base was found with conspicuous frequency. If clinical symptoms accompany functional disturbance of the atlanto-occipital joints, this radiologic-anatomic asymmetry is significant for planning appropriate manual therapy.
Further statistical analysis of the individual measurements and correlations revealed high significance for ponticulus posticus with a disorder of the atlantal arch. If ponticulus posticus is observed, the incidence of symmetric atlas position is significantly high.
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Dörhage, K., Knopf, H., Graumann-Brunt, S. et al. Asymmetrie der Kopfgelenke. Manuelle Medizin 42, 122–128 (2004). https://doi.org/10.1007/s00337-004-0293-9
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00337-004-0293-9
Schlüsselwörter
- Asymmetrie
- Atlas
- Atlasbogenschlussstörung
- Axis
- Foramen arcuale
- Individueller Haltungsstereotyp
- Lateralität
- Normvarianten der Wirbelsäule