Bislang besteht kein Konsens über den zugrunde liegenden Pathomechanismus sowie die Diagnosekriterien des pulmonalen Long- bzw. Post-COVID-Syndroms. Bei einem Teil der überwiegend jungen und sportlichen Patienten der Long-COVID-Ambulanz am Bundeswehrkrankenhaus Ulm fielen uns mögliche Parallelen zu einer Lungenbeteiligung bei Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis auf. Wir vermuten, dass eine Infektion mit SARS-CoV‑2 bei prädisponierten Patienten zumindest vorübergehend zu einem Autoimmunprozess mit interstitieller Entzündung des Lungengewebes und resultierender Einschränkung der Lungenfunktion führen kann.

Bei einigen Patienten sind ultrastrukturell interstitielle Kollagenfaserablagerungen nachweisbar. Ein besseres Verständnis der dem Long- bzw. Post-COVID-Syndrom zugrunde liegenden Pathomechanismen würde eine gezielte therapeutische Intervention erleichtern und einer anhaltenden Beeinträchtigung der pulmonalen Leistungsfähigkeit entgegenwirken.

Long-COVID-/Post-COVID-Syndrom

Die Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) nach Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV‑2 hat sich zu einer weltweiten Pandemie entwickelt. Trotz großer Kraftanstrengung der weltweiten Forschergemeinde sind zahlreiche Facetten der Erkrankung noch unzureichend verstanden. Während die Pathologie der akuten lebensbedrohliche COVID-19-Erkrankung auch aufgrund zahlreicher (Obduktions-)studien aus dem deutschsprachigen Raum mittlerweile gut charakterisiert ist [1,2,3], besteht nach wie vor eine große Unsicherheit über mögliche Langzeit- und Spätfolgen einer leicht- bis mittelschweren Erkrankung. Nach den NICE-Kriterien werden anhaltende Beschwerden 4–12 Wochen nach Beginn der akuten Symptomatik als Long-COVID-, über 12 Wochen hinaus gehende Beschwerden als Post-COVID-Syndrom klassifiziert [4]. Ein großer Teil der hospitalisierten, nicht beatmeten Patienten berichtet 8 Wochen nach der Infektion von anhaltender Müdigkeit, Muskelschwäche oder Atemnot bei Belastung [5]. Neben den subjektiven Symptomen konnten Einschränkungen der Lungenfunktion (FEV1, VC und TLCO) sowie Auffälligkeiten in der HRCT-Bildgebung (Konsolidierung, Milchglaszeichnung) nachgewiesen werden; einige Patienten zeigten Besserung auf Steroidgabe [6, 7]. Während die Lungenveränderungen bei schweren akuten Verläufen von COVID-19 gut dokumentiert sind, existieren bislang keine Erkenntnisse über das histopathologische Erscheinungsbild des pulmonalen Long‑/Post-COVID-Syndroms. Da unsere Arbeitsgruppe erstmals das Auftreten von Autoantikörpern aus dem Formenkreis der Kollagenosen bei schweren COVID-19-Verläufen beschrieben hatte [1] und dieser Befund mittlerweile von mehreren internationalen Forschergruppen bestätigt wurde [8,9,10], gehen wir in dem hier vorgestellten Projekt der Frage nach, inwiefern es sich auch beim pulmonalen Long‑/Post-COVID-Syndrom um eine Form der autoimmunvermittelten Lungenerkrankung handeln könnte.

Einschlusskriterien und Diagnostik

Wir rekrutierten prospektiv 33 zuvor gesunde Patienten ohne Anamnese für eine rheumatische Grunderkrankung, welche sich nach einer leicht oder mittelschwer verlaufenden SARS-CoV-2-Infektion (ohne Krankenhausaufenthalt oder Sauerstoffgabe) in der Long-COVID-Ambulanz des Bundeswehrkrankenhauses Ulm vorstellten. Der Großteil der Patienten waren Polizeibeamte und Soldaten, das mediane Alter betrug 39 (21–61) Jahre. Die meisten Patienten hatten stets aktiv Sport betrieben und klagten nun über eine eingeschränkte Belastbarkeit mit unterschiedlich ausgeprägter Belastungsdyspnoe. Neben einer vollständigen ILD-Anamnese (interstitielle Lungenerkrankung, ILD) führten wir Lungenfunktionstests einschließlich einer Spiroergometrie, eine Computertomographie (CT) einschließlich digitaler Bildauswertung (Pulmo 3D syngo.via, Siemens Healthcare AG, Zürich, Schweiz) sowie eine serologische Analytik für antinukleäre Antikörper (ANA, indirekte Immunfluoreszenz) bzw. extrahierbare nukleäre Antigene (ENA, Immunoblot) durch. Die klinischen Daten sowie die Ergebnisse der Lungenfunktionsuntersuchungen fasst Tab. 1 zusammen. Bei 29 Patienten wurden neben einer bronchoalveolären Lavage (BAL) einschließlich Immunzytologie auch transbronchiale Biopsien (TBB) zur histopathologischen Beurteilung einer möglichen interstitiellen Lungenerkrankung entnommen. Eine zustimmende Bewertung der Ethikkommission der Universität Ulm (Nr. 129/20 bzw. 331/20) liegt vor.

Tab. 1 Klinische Daten und Ergebnisse der Lungenfunktionsuntersuchung

Vorläufige Ergebnisse

Bei den meisten Patienten präsentierten sich die klassischen Lungenfunktionsparameter als unauffällig. Einzig das Residualvolumen bewegte sich im Vergleich zu einem gesunden Normkollektiv etwas erhöht und wird als Ausdruck einer terminalen Bronchiolitis diskutiert. In der CT wurde kein klassisches ILD-Muster registriert (Abb. 1). Hier zeigten sich allerdings – passend zum tendenziell höheren Residualvolumen – neben peripheren Bronchialwandverdickungen leichtgradige Lungendichteabnahmen im Vergleich zu gesunden Lungen. Zusätzlich fielen bei fast allen Patienten im Vergleich zu den begleitenden Bronchien v. a. im mittleren bis subpleuralen Abschnitt pathologisch erweiterte Pulmonalgefäße auf, passend zu dem beobachteten gestörten O2-Puls in der Spiroergometrie. Bei 13 von 33 Patienten (39,4 %) waren ANA-Titer ≥ 1:320 oder spezifische ENA (a-Scl-70, a‑PM-Scl, a‑dsDNA, a‑SS‑B und a‑Histone) nachweisbar. Die BAL zeigte bei fast einem Teil der Patienten eine leichtgradige, bei einigen Patienten eine mittel- bis schwergradige Lymphozytose mit jeweils ausgeglichener CD4/CD8-Ratio. Histopathologisch waren in den meisten Fällen alveoläre Fibrinausschwitzungen sowie eine Vermehrung des interstitiellen Entzündungsinfiltrats erkennbar. Bei 4 Patienten zeigte sich eine organisierende Pneumonie (OP) mit alveolären Fibroblastenplugs (Abb. 2). Eine ultrastrukturelle Analyse, die bislang nur bei einem Teil der Patienten angefertigt werden konnte, ließ eine diskrete interstitielle Kollagenablagerung erkennen (Abb. 3).

Abb. 1
figure 1

Post-COVID-Follow-up-Untersuchung (54 Jahre, männlich, PM-Scl/Scl-70-positiv). Axiales Normaldosis-CT 9 Monate nach primärer Infektion mit subpleuralen Retikulationen und flauen Milchglasverdichtungen

Abb. 2
figure 2

Transbronchiale Biopsie (54 Jahre, männlich, PM-Scl/Scl-70-positiv). Es zeigt sich eine Vermehrung interstitieller Entzündungszellen mit alveolärer Fibrinausschwitzung sowie vereinzelte intraalveoläre Fibroblastenplugs (organisierende Pneumonie). Balken: 200µm

Abb. 3
figure 3

Elektronenmikroskopische Aufnahme (20 Jahre, weiblich, kein Nachweis antinukleärer Antikörper [ANA] bzw. extrahierbarer nukleärer Antigene [ENA]). Interstitielle Ablagerung von Kollagenfasern (K). A Alveolarlichtung, V Blutgefäß. Balken: 2,5µm

Schlussfolgerung

Die isolierte Betrachtung von lungenfunktionellen, radiologischen oder histopathologischen Merkmalen von pulmonalem Long‑/Post-COVID ist als eher unspezifisch zu bewerten. Insgesamt weisen die Befunde auf eine Entzündung der kleinen Atemwege mit konsekutiver Erhöhung des Residualvolumens hin („small airway disease“), wie sie auch von anderen Autoren im Kontext von Long‑/Post-COVID diskutiert wird [11], ohne dass jedoch bislang histopathologische Befunde hierzu vorlagen. Die Pathophysiologie hinter dieser Entzündung ist noch unzureichend verstanden, es gibt allerdings deutliche Hinweise darauf, dass es auch nach milde verlaufender COVID-19-Erkrankung zu einer anhaltenden Bildung von Autoantikörpern kommen kann [12]. Die Heranziehung der klinischen, serologischen und radiologischen Befunde würde bei Patienten mit Nachweis von Autoantikörpern die Diagnose einer „interstitiellen Pneumonie mit autoimmunen Merkmalen“ (IPAF) ermöglichen, wie sie 2015 von der ETS/ATS vorgeschlagen wurde (Tab. 2; [13]). Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass diese Klassifikation eine histopathologische Diagnostik an chirurgischen Lungenbiopsien voraussetzt, für die vorliegende Auswertung aber ausschließlich transbronchiale Biopsien untersucht wurden.

Tab. 2 Klassifikationskriterien für die „interstitielle Pneumonie mit autoimmunen Merkmalen“ (IPAF). (Modifiziert nach Fischer et al. [13])

Management von Long‑/Post-COVID-Patienten

Als optimale Screening- und Verlaufsdiagnostik von Long‑/Post-COVID-Patienten hat sich aus unserer Sicht die Spiroergometrie erwiesen, da hierüber – anders als bei klassischen Lungenfunktionstests, wo fast immer unauffällige Werte erzielt werden – eine frühzeitige und objektivierbare pulmonale Leistungseinschränkung entlarvt werden kann. Da die IPAF oder andere kollagenoseassoziierte interstitielle Lungenerkrankungen (CTD-ILD) einen Progress zur Fibrose zeigen können, sollte die Persistenz von Autoantikörpern sowie eine pulmonale Rekrutierungsstörung engmaschig überwacht werden. Darüber hinaus sollte bei einem Progress der initial detektierten Auffälligkeiten eine auf das rheumatologische Patientenprofil zugeschnittene Therapiestrategie angewendet werden, um möglichst die Entstehung bzw. das Fortschreiten einer interstitiellen Fibrose zu verhindern.

Fazit für die Praxis

  • Auch nach mild verlaufender COVID-19-Erkrankung kann es zu einer persistierenden Einschränkung der Lungenfunktion mit Belastungsdyspnoe kommen.

  • Ein Teil der Patienten zeigt gestörten Sauerstoffpuls und eine lymphozytäre Entzündung der kleinen Atemwege mit Erhöhung des Residualvolumens („small airway disease“).

  • Bei Nachweis von Autoantikörpern erfüllt ein Teil der Patienten Diagnosekriterien einer „interstitiellen Pneumonie mit autoimmunen Merkmalen“ (IPAF).

  • Diese Patienten sollten entsprechend überwacht und therapiert werden, um eine anhaltende Entzündung des Lungengewebes mit möglicher Fibrosierung zu verhindern.