Fast 7 Jahre sind vergangen, seit wir das Thema der Pathologie familiärer Tumorsyndrome erstmals in zahlreichen Übersichtsarbeiten in der Zeitschrift Der Pathologe dargestellt haben.

In dieser Zeit haben sich in der Diagnostik molekulargenetischer Veränderungen in malignen Tumoren, aber auch in der Identifizierung einer hereditären Prädisposition für Tumorerkrankungen sehr viele neue Gesichtspunkte ergeben. Insbesondere ist durch die flächendeckende Anwendung der nächsten Generation der DNA-Sequenzierung, der sogenannten Next-Generation-Sequenzierung (NGS), sehr viel über die genetische Heterogenität und die molekularen Veränderungen in malignen Tumoren bekannt geworden.

Es wird immer deutlicher, dass 10–20 % aller Krebserkrankungen auf eine erbliche Tumordisposition zurückzuführen sind. Die molekularen Grundlagen der Disposition für die meisten der autosomal-dominanten erblichen Tumorerkrankungen sind dabei heute bekannt.

Nach wie vor gilt, dass dem Pathologen bei der Identifizierung von Patienten mit einer hereditären Prädisposition eine zentrale Rolle zukommt. Dies liegt an der zentralen Stellung des Pathologen im Netzwerk der medizinischen Betreuung und daran, dass der Pathologe über ein breites Wissen in der Diagnostik von Erkrankungen aller Fachdisziplinen und Organsysteme verfügen muss. Dazu kommt, dass die Heterogenität der Entstehung von Tumoren in den bekannten familiären Tumorsyndromen sehr groß ist. Sehr unterschiedliche Tumoren können in einem Patienten oder in der Familie des Patienten auftreten. Aus diesem Grund ist es für den Pathologen wichtig, über die Manifestation der wichtigsten Tumorsyndrome aktuell informiert zu sein. Spezifische makroskopische und histologische Eigenschaften von malignen Tumoren sowie das spezifische Spektrum von Tumoren in hereditären Tumorsyndromen (Tab. 1 im Anhang) sollten jedem Pathologen in der täglichen Diagnostik bekannt sein.

Die zunehmende Bedeutung der Pathologie bei der Identifizierung von Patienten mit einer hereditären Prädisposition wird auch dadurch deutlich, dass inzwischen ein Lehrbuch der Pathologie familiärer Tumorsyndrome veröffentlicht wurde [1].

Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, die Pathologie ausgewählter familiärer Tumorsyndrome aktuell darzustellen. Im vorliegenden Heft fassen wir neue Erkenntnisse zum familiären Mamma- und Ovarialkarzinom, zu hereditären Karzinomen des Dickdarms, Magens und Pankreas, zu hereditären Weichteil- und Knochentumoren sowie zu hereditären Tumoren des zentralen und peripheren Nervensystems zusammen. Die Pathologie der hereditären Nierenzellkarzinome wurde bereits 2016 dargestellt [2]. Die hereditären Tumorerkrankungen der endokrinen Organe werden im vorliegenden Themenheft bewusst nicht abgehandelt, da demnächst mit dem Erscheinen der neuen WHO-Klassifikation der endokrinen Organe zu rechnen ist. Die dort enthaltenen neuen Gesichtspunkte werden wir danach separat besprechen. Die vorliegende Ausgabe beschäftigt sich mit ausgewählten morphologischen Tumorentitäten, die sicherlich in der täglichen Praxis heute noch nicht sehr häufig als solche diagnostiziert werden. Bewusst stehen dabei die Histopathologie und die tägliche Diagnostik bei familiären Tumorsyndromen im Vordergrund.

Ziel des vorliegenden Themenheftes ist die Darstellung der morphologischen Eigenschaften relativ häufiger Tumoren, die als Warnsignal (Indextumor) für das Vorliegen einer familiären Tumorerkrankung genutzt werden können.

Wir hoffen, dass wir mit dem vorliegenden Themenheft dem diagnostisch tätigen Pathologen einen aktualisierten Leitfaden in die Hand geben können, mit dem er in der täglichen Diagnostik mögliche hereditäre Tumorsyndrome erkennen und dann für den jeweiligen Patienten eine weitere Abklärung initiieren kann.

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Prof. Dr. A. Hartmann