EMMPRIN („extracellular matrix metalloproteinase inducer“) ist ein multifunktionales Protein, das die Regulation unterschiedlicher zellulärer Vorgänge steuert. Es wird u. a. auf Tumorepithelzellen exprimiert, und eine erhöhte Expression korreliert mit Metastasierung und Tumorprogression [8]. Anhand präklinischer Daten konnte von uns und anderen Gruppen gezeigt werden, dass eine Inaktivierung von EMMPRIN, z. B. durch den Einsatz von Antikörpern oder „Small-interference-RNA-Oligonukleotiden“, das Tumorwachstum verschiedener Tumorentitäten wie dem Lungenkarzinom oder Leberkarzinom in In-vivo-Experimenten inhibiert [9, 10]. Da es über EMMPRIN im Harnblasenkarzinom bislang nur wenige Studien gibt, arbeitet unsere Arbeitsgruppe an der Charakterisierung von EMMPRIN hinsichtlich seines Potenzials als prognostischer Biomarker und therapeutisches Target-Molekül.

Struktur und Expression

EMMPRIN ist ein Transmembranprotein, das in die Klasse der Immunglobuline gehört [11]. Andere Bezeichnungen sind auch „tumor collagenase stimulatory factor“ (TCSF), Hab18G, OX-47, Neurothelin, Basigin oder CD147 [12]. Es besteht aus 269 Aminosäuren (AS) mit einer molekularen Masse von 27 KDa, wobei das Protein aufgrund von posttranslationalen Modifikationen meist eine Molekülmasse von 35–65 KDa aufweist [11]. Die 187 AS große extrazelluläre Domäne gliedert sich in 2 Immunglobulindomänen und kann an 3 verschiedenen Stellen mit Glykosylseitenketten modifiziert sein, wodurch die biologische Aktivität von EMMPRIN reguliert wird [13]. Sowohl die Transmembrandomäne mit 24 AS als auch die 40 AS umfassende zytoplasmatische Domäne verfügen über Besonderheiten in ihrer Struktur, die für die Interaktion mit anderen Proteinen notwendig sind [14, 15].

EMMPRIN wird nicht nur auf Tumorzellen exprimiert, sondern kommt vor allem auch auf Zellen des hämatopoetischen Systems sowie in Epithel- und Endothelzellen vor [16].

Funktionelle Eigenschaften und assoziierte Proteine

Obwohl EMMPRIN als Transmembranprotein auf der Zelloberfläche lokalisiert ist, wird es über verschiedene Mechanismen auch mittels Mikrovesikeln und als lösliches Protein an die Umgebung sekretiert [17, 18]. Dadurch kann EMMPRIN nicht nur benachbarte, sondern auch räumlich entfernte Zellen erreichen und stimulieren. Es sind verschiedene Möglichkeiten homophiler Interaktionen zwischen EMMPRIN-Molekülen beschrieben worden, wobei sowohl eine Assoziation in cis, von zwei benachbarten EMMPRIN-Molekülen auf der gleichen Zelle, als auch in trans von gegenüberliegenden Zellen charakterisiert werden konnte. Diese EMMPRIN-EMMPRIN-Cluster induzieren die Expression verschiedener Moleküle, wie z. B. Matrix-Metalloproteinasen (MMP) oder „vascular endothelial growth factor“ (VEGF; [11]). Ob jedoch ausschließlich über homophile Proteinkomplexe Signalwege in Zellen aktiviert werden können oder EMMPRIN auch über heterophile Interaktionen mit weiteren Zelloberflächenrezeptoren Signaltransduktionen auslöst, konnte bislang nicht abschließend gezeigt werden [11, 12, 15].

Funktionell ist die durch EMMPRIN induzierte Expression von MMP auf Tumorzellen und Fibroblasten am besten charakterisiert [14, 19]. MMP sind die prominentesten Proteinasen im Zusammenhang mit Tumorgenese und Tumorprogression. Ihre Funktion besteht vor allem darin, die extrazelluläre Matrix umzubauen, Zellmotilität zu ermöglichen und auch Signaltransduktion wie z. B. die Regulierung der Angiogenese zu steuern [20]. Dadurch wird das Wachstum des Tumors in das Blut- oder Lymphsystem ermöglicht, um von dort in entfernt liegende Organe zu metastasieren. Neben den MMP reguliert EMMPRIN jedoch auch die Expression von VEGF und Hyaluronsäure, wodurch die Tumorangiogenese positiv stimuliert wird und ein höheres Wachstums- und Resistenzverhalten von Tumorzellen ausgelöst wird [21, 22].

Verschiedene molekulare Interaktionspartner von EMMPRIN unterstreichen dessen multifunktionelle Bedeutung während der Tumorprogression. So wurde eine Interaktion mit den Monocarboxylat-Transportern MCT1 und MCT4 nachgewiesen, die für den Laktathaushalt von Tumorzellen essenziell sind [23]. EMMPRIN reguliert sowohl die Lokalisation von MCT1 und MCT2 in der Plasmamembran als auch ihre Aktivität [12]. Eine weitere Interaktion wurde mit den Integrinen α3β1 und α6β1 nachgewiesen, die an der Regulation von Zelladhäsion, Chemotaxis, Proliferation und der Induktion von MMP beteiligt sind [12, 24]. Über die Assoziation mit α3β1-Integrin reguliert EMMPRIN vor allem die Aktivität der fokalen Adhäsionskinase und damit das invasive Potenzial von Zellen [25].

Die Rolle von EMMPRIN bei der Regulation von Signaltransduktionswegen ist erst in den vergangenen Jahren genauer untersucht worden. So konnte eine indirekte Aktivierung des MAP-Kinase-Weges, der Zellwachstum und Zellüberleben reguliert, durch die Interaktion mit Cyclophilin A (CyPA) demonstriert werden [26]. In Mammakarzinomzellen konnte nachgewiesen werden, dass eine erhöhte Expression von EMMPRIN sowohl den MAP-Kinase-Weg als auch den Phosphoinositol-3-Kinase- (PI3 K-)Weg stimuliert [21]. Dabei wurde in Fibroblasten gezeigt, dass dieser Effekt mit löslichem, also extrazellulärem EMMPRIN ausgelöst werden kann und nicht nur den PI3 K-Signalweg aktiviert, sondern auch zu einer Expression des Wachstumsfaktors VEGF führt, der die Angiogenese auslöst [21]. Unsere Arbeitsgruppe konnte kürzlich zeigen, dass im Lungenkarzinom die Expression von EMMPRIN den Wnt-Signalweg reguliert und damit Einfluss auf Zellmigration, Proliferation und Tumorwachstum in einem murinen Xenograftmodell hat [9]. Der Wnt-Signalweg hat außerdem fundamentale Bedeutung während der Embryogenese und auch der Tumorgenese [27].

Zusammenfassend ist für EMMPRIN damit gezeigt worden, dass es über ganz unterschiedliche Mechanismen an der Proliferation, an Zellüberleben und Motilität von Tumorzellen und der Tumorgenese und -progression beteiligt ist.

EMMPRIN als Target-Molekül

EMMPRIN ist als Zelloberflächenprotein ein geeignetes Molekül für den Einsatz von Antikörper-basierten Therapien. Eine weitere Therapiestrategie könnte die Supression der Synthese von EMMPRIN darstellen. Dafür müssten jedoch Signalwege bekannt sein, die direkt die EMMPRIN-Expression steuern. Über welche Signalwege EMMPRIN exprimiert wird, konnte jedoch bislang noch nicht abschließend geklärt werden.

Die Arbeitsgruppe um Chen hat einen monoklonalen Antikörper gegen EMMPRIN (HAb18/Licartin/Metuximab) entwickelt. In murinen Leberkarzinom-Xenograft-Tiermodellen führte die systemische Behandlung der Tiere mit HAb18 nicht nur zu einer deutlichen Verringerung des Tumorwachstums, sondern auch zu einer reduzierten Expression von MMP [10]. Diese Gruppe führte auch eine erste Phase-II-Studie an 106 Leberkarzinompatienten mit einem 131I-HAb18G/Metuximab-Antikörper durch [28]. Von den 73 Patienten, die in 2 Zyklen mit diesem Antikörper behandelt wurden, zeigten 27% eine Größenabnahme des Tumors und 58% keine weitere Größenzunahme. Für andere Tumorentitäten wie Melanome, Kopf- und Halskarzinome oder Lungenkarzinome existieren bislang nur präklinische Daten in murinen Xenograftmodellen, die alle zeigen, dass die Inaktivierung von EMMPRIN mittels Antikörpern oder siRNA zu einer Verringerung des Tumorwachstums führte [8, 9, 29]. Damit konnte gezeigt werden, das EMMPRIN ein erfolgsversprechendes neues Molekül für eine therapeutische Anwendung darstellt.

Ein neuer Biomarker für das Harnblasenkarzinom

Für das Harnblasenkarzinom wurden mittlerweile 4 immunhistologische Studien durchgeführt und publiziert, die eine Proteinexpression von EMMPRIN an Gewebe-Mikroarrays (TMA) untersucht haben. Demnach ist die EMMPRIN-Expression in invasiven Harnblasenkarzinomen (≥pT2, n=26) signifikant stärker als in oberflächlichen (pTa/pT1, n=27) Tumoren [2]. Diese Daten wurden von der Arbeitsgruppe um Han bestätigt, die an Geweben von 52 Patienten mit einem Blasenkarzinom ebenfalls eine Zunahme der EMMPRIN-Expression in Abhängigkeit von der Tumorausdehnung zeigten [30].

Für Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Harnblasentumor stellt die Expression von EMMPRIN zudem einen neuen unabhängigen prognostischer Marker für das Gesamtüberleben dar [7]. Interessant an dieser Studie war, dass an dem untersuchten Patientenkollektiv (n=124) unter Cisplatin-haltiger Chemotherapie auch das Therapieansprechen in Abhängigkeit von der EMMPRIN-Expression prognostiziert werden konnte.

Xue und Kollegen untersuchten die Expression von EMMPRIN an Geweben von 108 Blasentumorpatienten verschiedener Tumorstadien [5]. An diesem Patientenkollektiv konnte gezeigt werden, dass eine moderate bis starke Expression von EMMPRIN eine signifikant schlechtere Prognose für das Gesamtüberleben bedeutet. Zusätzlich konnte in dieser Studie erstmals für Blasenkarzinomzellen gezeigt werden, dass durch die Inhibition der Expression von EMMPRIN mittels „Small-interference-RNA-Technologie“ die Migration von Zellen und auch die Zellproliferation vermindert werden. Diese Daten weisen darauf hin, das EMMPRIN im Blasenkarzinom nicht nur einen Wert als prognostischer Marker, sondern evtl. auch als Target-Molekül für eine systemische Therapie haben könnte.

Wir haben in unserer Arbeitsgruppe daher vor allem folgende Ziele bei der Charakterisierung der Rolle von EMMPRIN im Blasenkarzinom verfolgt:

  1. 1.

    Für die weitere Validierung von EMMPRIN als prognostischer Marker wurden Karzinomgewebe von insgesamt 516 Blasentumorpatienten hinsichtlich Expression und Überleben untersucht.

  2. 2.

    Charakterisierung der biologischen Funktion von EMMPRIN während der Tumorgenese und Metastasierung im Urothelkarzinom.

  3. 3.

    Evaluierung von EMMPRIN als therapeutisch nutzbares Target-Molekül. Ein Fokus liegt auf der Charakterisierung verschiedener Strategien hinsichtlich der Inaktivierung von EMMPRIN entweder durch Inaktivierung von EMMPRIN (z. B. durch Antikörper) oder durch die Inhibition der Expression von EMMPRIN (z. B. durch Inaktivierung geeigneter Signalwege).

Unsere Arbeitsgruppe hat einen TMA untersucht, der Gewebe von insgesamt 516 Patienten mit oberflächlichen und muskelinvasiven Urothelkarzinomen enthält. 327 dieser Gewebe stammen von Patienten mit einem lokal fortgeschrittenem Tumor, die an einer zweiarmigen multizentrischen Phase-III-Studie (AUO/AB 05/95) mit adjuvanter Behandlung mit Cisplatin plus Methotrexat vs. Methotrexat, Vinblastin, Epirubicin und Cisplatin teilnahmen. Wir haben an diesem definierten Patientenkollektiv die Expression von EMMPRIN hinsichtlich der Bedeutung als prognostischer Biomarker untersucht und können zusammenfassend als vorläufiges Ergebnis eine Zunahme der EMMPRIN-Expression in Abhängigkeit von Tumorausdehnung und Lymphknotenstatus, wie es auch andere Studien ergaben, bestätigen. Zusätzlich wollen wir den prognostischen Wert der EMMPRIN-Expression hinsichtlich des Therapieansprechens untersuchen.

Um die funktionelle Bedeutung auf zellulärer Ebene zu charakterisieren, wurde von uns mittels siRNA-Technologie die Expression von EMMPRIN inhibiert. Anschließend wurden die Zellen hinsichtlich Wachstum, Proliferation, Apoptose und Vitalität untersucht. Zusätzlich wurde auch das Migrationsverhalten der Zellen charakterisiert.

In einem letzten Schritt haben wir untersucht, ob EMMPRIN ein mögliches therapeutisches Zielmolekül darstellen könnte. Dafür wurden Blasentumorzellen, in denen die EMMPRIN-Expression unterdrückt wurde, in murinen orthotopen Xenograftmodellen hinsichtlich des Tumorwachstums charakterisiert. Eine weitere Möglichkeit, EMMPRIN als ein Zielmolekül in therapeutischen Ansätzen zu definieren, wäre jedoch auch die Unterdrückung der Expression durch gezielte Inhibition von Signalwegen. Unsere Arbeitsgruppe hat Signalwege identifizieren können, deren Aktivität für die Expression von EMMPRIN notwendig ist. Durch Behandlung der Blasentumorzellen mit geeigneten und in aktuellen klinischen Studien befindlichen Kinaseinhibitoren konnten wir diese Signalwege inaktivieren und in Abhängigkeit von der EMMPRIN-Expression die Effekte, die wir mit den siRNA gegen EMMPRIN beschrieben haben, bestätigen.

Mit diesen Ergebnissen sollen nun geeignete Kombinationstherapien mit etablierten Zytostatika, wie Gemcitabin/Cisplatin oder Paclitaxel, im Tiermodell charakterisiert werden.

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend stellt sich EMMPRIN für die Praxis als ein vielversprechender Biomarker dar, der Potenzial für eine bessere Prognoseabschätzung hat. EMMPRIN bestätigt sich auch als ein interessantes Zielmolekül für neue Therapieverfahren im Blasenkarzinom. Unsere Strategie ist weniger eine gezielte Inaktivierung von EMMPRIN durch Antikörper, wie von vielen anderen Gruppen vorgeschlagen, sondern eine Unterdrückung der Expression durch Kinaseinhibitoren gegen Signalwege, die eine EMMPRIN-Expression regulieren.