Zusammenfassung
ITIH5 ist ein kürzlich von uns neu charakterisiertes Extrazellularmatrix-Protein, dessen Expression in einer Vielzahl von humanen Tumorentitäten, wie z. B. dem Mammakarzinom, deutlich herabreguliert wird. Ziel der vorliegenden Studie war es, die molekulare Ursache des ITIH5-Expressionsverlusts beim Brustkrebs zu entschlüsseln und mehr über die Rolle dieses Moleküls bei Tumorerkrankungen zu lernen. Wir zeigen, dass das ITIH5-Protein bei 42% aller invasiven Mammakarzinome herabreguliert wird und dieses signifikant mit einem verkürzten Überleben der Patientinnen assoziiert ist. Sowohl in Brust-Zelllinien als auch in primären Mammakarzinomen (40%) konnten wir eine frequente Methylierung des ITIH5-Promotors detektieren, welche funktionell mit einem ITIH5-mRNA-Verlust assoziiert war. Daneben zeigte auch die ITIH5-Promotormethylierung ein signifikant verkürztes Überleben der Patientinnen an und war zusätzlich assoziiert mit Eigenschaften der Lymphknoten- und Fernmetastasierung. Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass ITIH5 einen neuen Metastasierungsrepressor des Mammakarzinoms darstellt, dessen Proteinverlust und Promotormethylierung zukünftig als prognostische Biomarker genutzt werden könnten.
Abstract
We have recently characterized ITIH5 as a new extracellular matrix protein that exhibits clear expression loss in a variety of human tumour entities, including breast cancer. The aim of the present study was to decipher the molecular cause of ITIH5 expression loss in breast cancer and to learn more about the possible role of this molecule in cancer diseases. ITIH5 protein expression was found to be strongly reduced in 42% of invasive breast carcinomas—interestingly, with significant association with poor patient outcome. ITIH5 promoter methylation was frequently detected in breast cell lines and in primary carcinomas (40%), and it was functionally correlated with loss of ITIH5 mRNA expression. Moreover, ITIH5 promoter methylation was also significantly associated with poor clinical patient outcome and also with the occurrence of lymph node and distant metastases. In conclusion, we propose that ITIH5 may represent a novel metastasis repressor in human breast cancer. Both ITIH5 protein expression and ITIH5 promoter methylation may serve as prognostic biomarkers, thereby helping improve clinical patient outcome.
Die Bedeutung von Inter-α-Trypsin-Inhibitoren (ITI) in der Karzinogenese epithelialer Tumoren wird zunehmend erkannt. Der ITI-Proteinkomplex, funktionell der Gruppe der Serin-Protease-Inhibitoren vom Kunitz-Typ zugehörig [21], besteht aus einer leichten Kette (Bikunin) sowie einer oder zwei homologen schweren Ketten („heavy chains“, ITIH), die über ein Chondroitinrückgrat kovalent miteinander verknüpft sind [7, 26]. Bikunin stellt eine inhibitorische Komponente für Plasmaproteasen wie Trypsin und Plasmin dar [17], wohingegen die schweren Ketten über eine Veresterung mit Hyaluronsäure zur Integrität und Stabilität der Extrazellularmatrix (ECM) beitragen [13]. Dabei bewirkt die Bindung von ITIH an Hyaluronsäure, dass diese zu stabilen Fibrillen vernetzen, den sog. „cable-like structures“.
Es wurde bereits herausgefunden, dass eine Bikunin-Überexpression die Tumorzell-Invasion und Metastasierung beim Ovarialkarzinom hemmen kann [16, 17]. Dieser Effekt wird wahrscheinlich durch die direkte Inhibierung von zellassoziierter Plasminaktivität und Suppression von metastasierungsassoziierten Molekülen wie Urokinase-Plasminogen-Aktivator (uPA) und dessen Rezeptor (uPAR) vermittelt [15]. Neben Bikunin werden auch für die ITIH-Moleküle metastasierungsreprimierende Eigenschaften postuliert. So konnte gezeigt werden, dass eine Überexpression von bestimmten ITIHs die Anzahl der Metastasen in einem Lungenkarzinom-Mausmodell reduziert und des Weiteren die In-vitro-Zelladhäsion erhöht [19].
Bislang waren 4 homologe Gene der ITIH-Familie bekannt (ITIH1–4), welche auf Chromosom 3p21 (ITIH1, ITIH3 und ITIH4) bzw. Chromosom 10p15 (ITIH2) kartieren [6]. ITIH5 wurde von unserer Gruppe mittels eines bioinformatischen Verfahrens zur Analyse von EST-Datenbanken [22] als neues Mitglied dieser Genfamilie identifiziert. Das ITIH5-Gen, lokalisiert auf Chromosom 10p15, kodiert für ein Polypeptid bestehend aus 942 Aminosäuren (AS) und enthält als ITIH-typische Proteindomäne eine „Vault-Protein-Inter-α-Trypsin- (VIT-)Sequenz“. Außerdem enthält es eine konservierte Protease-Spaltstelle (D\PHFVV) im C-terminalen Segment und ein 18 AS langes N-terminales Signalpeptid, welches die Sekretion in den Extrazellularraum ermöglicht [12]. Wir konnten ITIH5 aus humanem Brust-Normalgewebe klonieren und seine Bedeutung im humanen Mammakarzinom erstmals charakterisieren [12].
In vorangegangenen Untersuchungen fanden wir, dass ITIH5-mRNA in Plazentagewebe und normalen Brustgeweben stark exprimiert, in einer hohen Anzahl primärer Mammakarzinome jedoch deutlich herabreguliert wird. Eine darauf aufbauende systematische Expressionsanalyse aller 5 ITIH-Gene in verschiedenen humanen Tumorentitäten bestätigte den hohen Expressionsverlust von ITIH5-mRNA im Mammakarzinom (52%) und zeigte darüber hinaus einen vergleichbar hohen Verlust anderer Mitglieder der ITIH-Familie, insbesondere ITIH2 und ITIH3 im Mammakarzinom, sowie ITIH2, ITIH3 und ITIH4 im Kolon-, Magen- und Lungenkarzinom [11]. Somit stellt diese Genfamilie eine interessante Targetklasse für tiefergehende Untersuchungen der humanen Tumorgenese dar.
Ziel der vorliegenden Studie war es, die Rolle von ITIH5 im humanen Mammakarzinom weiter aufzudecken. Dazu sollte zum einen die ITIH5-Proteinexpression quantifiziert und zum anderen die molekulare Ursache für den Expressionsverlust entschlüsselt werden. Parallel dazu wurde die biologische Funktion des Moleküls in zellkulturbasierten Experimenten untersucht. Zusammenfassend lassen unsere Ergebnisse den Schluss zu, dass ITIH5 ein für die Tumorforschung diagnostisch und therapeutisch äußerst interessantes Molekül darstellt, welches an der Metastasierung des Mammakarzinoms maßgeblich beteiligt sein könnte.
Methoden
Tissue-Microarray (TMA)
Die ITIH5-Proteinexpression wurde mittels eines TMA bestimmt, der aus 217 invasiv-duktalen Karzinomen, 10 duktalen In-situ-Karzinomen und 15 Brust-Normalgeweben konstruiert war [5]. Klinische Daten waren für alle 217 Fälle vorhanden und enthielten eine mediane Nachbeobachtungszeit von 78 Monaten (0–148 Monate).
Immunhistochemie
Für die ITIH5-Proteinfärbung des TMA wurde das Envision-System nach Herstellerangaben verwendet (Fa. DAKO, Hamburg). Die Antigendemaskierung erfolgte durch eine Vorbehandlung in Zitratpuffer (pH 6) in einem Mikrowellenofen für 30 min (700 W). Der TMA wurde 1 h mit einem proprietären, polyklonalen ITIH5-Primärantikörper inkubiert (1:200; Fa. Eurogentec, Herstal, Belgien), gewaschen und dann für 10 min mit einem Sekundärantikörper inkubiert (Biotinylated Polylink; Fa. Biocarta, Hamburg). AEC-Chromogen-Substrat (Fa. Biocarta, Hamburg) wurde für die Antikörperdetektion verwendet. Die Färbungsintensität wurde von erfahrenen Mammapathologen (A.N. und N.B.) nach dem System von Remmele u. Stegner [20] bewertet. Plazentales Gewebe weist eine starke ITIH5-Expression auf [12] und diente als Positivkontrolle (Abb. 1 a). In Negativkontrollen wurde der ITIH5-Antikörper nicht appliziert. Als Negativkontrolle wurde humane Plazenta verwendet (Abb. 1 b).
Kryokonservierte Patientenproben
Für ITIH5-Methylierungs- und -mRNA-Expressionsanalysen wurden 171 Mammakarzinomproben aus verschiedenen Kliniken für Gynäkologie (Aachen, Jena und Regensburg) sowie 10 gepaarte Brust-Normalgewebe zur Verfügung gestellt. In jedem Fall lag eine Einverständniserklärung der Patientin über die Verwendung des Gewebes für Forschungszwecke vor („informed consent“). Das Gewebematerial wurde sofort nach Resektion in flüssigem Stickstoff tiefgefroren. Der Anteil an Tumorzellen in den Proben wurde mittels HE-Färbung bestimmt, nur solche Proben mit einem Anteil von über 70% Tumorzellen wurden weiter verwendet. Für Normalgewebe war ein Epithelanteil von über 30% erforderlich.
Nukleinsäure-Extraktionen
DNA-Präparationen aus Brust-Zelllinien und humanem Gewebe wurde unter Verwendung des QiAmp-DNA-Kit (Fa. Qiagen, Hilden) und den vom Hersteller empfohlenen Bedingungen gewonnen. RNA-Präparationen wurden entsprechend dem TRIzol-Verfahren nach Herstellerangaben durchgeführt (Fa. Invitrogen, Carlsbad/CA).
Reverse Transkription und PCR (RT-PCR)
Hierbei wurde 1 µg Gesamt-RNA mit dem Promega-Reverse-Transcription-System (Fa. Promega, Madison/WI) nach Herstellerangaben in cDNA umgeschrieben. Um die cDNA-Ausbeute zu erhöhen, wurden Oligo-dT und Hexamer-Zufallsprimer (pdN(6)) im Verhältnis 1:2 gemischt. 1 µl cDNA (20 ng) wurden in die PCR-Reaktion eingesetzt. Dabei kamen folgende Primer zum Einsatz: GAPDH 5’-sense: 5’-TGG TCA CCA GGG CTG CTT-3; 3’-antisense: 5’-GTC TTC TGG GTG GCA GTG AT-3‘ mit einer Produktgröße von 510 bp. ITIH5 5’-sense: 5’-GCA ACG ACG TGG ACT TCA-3’; 3’-antisense: 5’-GGG GTC CTG ATT TCA TCG TA-3‘ mit einer Produktgröße von 107 bp. Die PCR-Reaktion wurde als Hotstart-PCR durchgeführt. Die Hybridisierungstemperatur für beide Primer-Sets betrug 60°C, die Zyklenanzahl der PCR betrug 35.
Semiquantitative Echtzeit-PCR
Die Echtzeit-PCR wurde mit dem LightCycler-System (Fa. Roche Diagnostics, Mannheim) unter Verwendung intronüberspannender Primer nach Herstellerangaben wie beschrieben durchgeführt [23]. Das Haushaltsgen GAPDH diente dabei als Referenzgen. Die verwendeten Primer waren wie folgt: GAPDH 5’-sense: 5’-GAA GGT GAA GGT CGG AGT CA-3; 3’-antisense: 5’-AAT GAA GGG CTC ATT GAT GG-3‘ mit einer Produktgröße von 108 bp. ITIH5 5’-sense: 5’-GGG TGC CCC AAT TAA CTC TC-3’; 3’-antisense: 5’-TCA CCG TGT GCT TCA ACA TT-3‘ mit einer Produktgröße von 87 bp. Die Hybridisierungstemperatur für beide Primer-Sets betrug 60°C. Die relative mRNA-Quantifizierung erfolgte mittels komparativer CT-Methode im Vergleich zur GAPDH-Expression [8].
Bisulfit-Modifikation und Methylierungsspezifische PCR (MSP)
Es wurde 1 µg genomischer Zelllinien-, Tumor- und Mamma-Normalgewebe-DNA mittels des EZ-DNA-Methylation-Kit bisulfitmodifiziert (Fa. Zymo Research, Orange/CA). Das DNA-Präzipitat wurde in 20 µl TE-Puffer eluiert. Für die MSP wurde 1 µl modifizierte DNA eingesetzt und unter Verwendung eines optimierten PCR-Puffers [9] amplifiziert. MSP-Primer, die spezifisch die unmethylierte ITIH5-Promotorsequenz erkennen, waren 5’-TTG GTG ATA GAA ATT AAG TAA GTT TGT-3‘ (sense) und 5’-AAA ACC ACC TAT ATT AAC CCC ACA-3‘ (antisense) mit einem 220-bp-Produkt. Spezifische Primer für die methylierte ITIH5-Promotorsequenz waren 5’-TTG GCG ATA GAA ATT AAG TAA GTT C-3‘ (sense) und 5’-AAC CAC CTA TAT TAA CCC CAC G-3‘ (antisense) und ergeben ein 218-bp-Produkt. Die Reaktion enthielt jeweils 400 nM des spezifischen Primerpaars und 1,25 mM der einzelnen dNTPs. Die PCR wurde als Hotstart-PCR durchgeführt und bei 80°C bis zur Zugabe von 1,25 Einheiten Taq-DNA-Polymerase (Fa. Roche Diagnostics, Mannheim) gehalten. Die PCR-Bedingungen waren: 95°C für 5 min, 35 Zyklen von 95°C für 30 s, 56°C für 30 s, 72°C für 30 s und 72°C für 5 min. PCR-Amplifikate wurden auf 3% Low-range-ultra-Agarose (Fa. Bio-Rad Laboratories, Hercules/CA) mit Ethidiumbromid unter UV-Licht visualisiert.
In-vitro-Demethylierung genomischer DNA
Tumor-Zelllinien wurden in einer Dichte von 3×104 Zellen/cm2 am Tag 0 in einer 6-Well-Schale ausgesät. Das demethylierende Agens 5-Aza-2’-deoxycytidin (Aza, Fa. Sigma-Aldrich, Deisenheim) wurde in einer finalen Konzentration von 1 µM am Tag 1, 2 und 3 hinzugeben. Zusätzlich wurde 300 nM des Histon-Deacetylase-Inhibitors Trichostatin A (TSA) an Tag 3 hinzugegeben. Die Zellen wurden nach jeder Behandlung mit frischem Medium kultiviert und am Tag 4 für die RNA-Extraktion geerntet.
Stabile Transfektion
Auf Basis des pBK-CMV-Vektors wurde ein Expressionsplasmid konstruiert, welches die kodierende Sequenz des ITIH5-Gens trägt (kloniert aus humanem Brustgewebe, Genbank-Zugangs-Nr: AY2384379). Die Transfektion von Mammakarzinom-Zelllinien erfolgte mittels des jetPEI-Reagenz (Fa. Biomol GmbH, Hamburg) wie beschrieben [12].
Funktionelle Experimente
Zur Proliferationsbestimmung wurden stabil transfizierte MDA-MB231-Zellen, welche keine endogene ITIH5-Expression aufweisen, und mit Leervektor transfizierte Kontrollzellen in 96-Well-Schalen ausgesät (1×103 Zellen/Well), und an 4 aufeinander folgenden Tagen ein XTT-Assay durchgeführt (Fa. Biological Industries, Frankfurt).
Statistische Methoden
Für statistische Analysen wurde die Software SPSS 14.0 verwendet (SPSS Software GmbH, München). Statistische Signifikanz war ab einem p-Wert <0,05 gegeben. Alle statistischen Tests wurden 2-seitig durchgeführt. Ein nichtparametrischer Mann-Whitney-U-Test wurde für die Unterschiedlichkeit in Expressionsstärken zwischen 2 Gruppen angewendet. Unterschiede in mehr als 2 Gruppen wurden mit Hilfe des Kruskal-Wallis-Tests untersucht. Assoziationen zwischen klinikopathologischen Faktoren und molekularen Parametern wurden mittels des deskriptiven Fisher-Exakt-Tests untersucht. Rezidivfreies („recurrence-free survival“, RFS) und Gesamtüberleben („overall survival“, OS) in Beziehung zu pathologischen oder molekularen Parametern wurden univariat nach der Methode von Kaplan-Meier (Log-Rank-Test) und multivariat mittels Cox-Regression analysiert.
Ergebnisse
Verlust der ITIH5-Proteinexpression im humanen Mammakarzinom
Das ITIH5-Protein war deutlich exprimiert in 11 von 15 (73%) Brust-Normalgeweben mit einer membranär-zytoplasmatischen Färbung luminal-epithelialer Zellen. In Myoepithelien, Endothelien, Fibroblasten und Adipozyten war das Protein nicht exprimiert (Abb. 1 c). Duktale In-situ-Karzinome zeigten in allen Fällen (n=10) eine ähnlich starke ITIH5-Expression wie Brust-Normalgewebe (Abb. 1 d). 64 invasive Tumoren (30%) zeigten eine starke ITIH5-Expression (IRS=12; Abb. 1 e), welche median über der Expression der Normalgewebe lag. In weiteren 61 Fällen (28%) war die ITIH5-Proteinexpression moderat reduziert (IRS=3–9). Bei der 92 von 217 invasiven Karzinomen (42%) war die ITIH5-Expression jedoch stark reduziert bzw. gänzlich verloren (IRS≤2; Abb. 1 f).
Methylierung des ITIH5-Promotors in Brust-Zelllinien und primären Brusttumoren
Um die Frage zu klären, ob epigenetische Mechanismen, wie z. B. aberrante Promotormethylierung, für den Verlust der ITIH5-Expression im Mammakarzinom verantwortlich sind, wurden zuerst Brust-Zelllinien auf ihre ITIH5-mRNA-Expression und ihre epigenetische Konfiguration des ITIH5-Promotors hin untersucht. Ein RT-PCR-Experiment zeigt, dass die malignen Zelllinien BT20, MCF7, SKBR3 und T47D ITIH5-mRNA nicht exprimieren, die Expression in Hs578T und MCF12A jedoch nachweisbar ist (Abb. 2 a). Die Ergebnisse der korrespondierenden MSP zeigen, dass solche Zelllinien ohne ITIH5-Expression eine Methylierung im ITIH5-Promotor aufweisen (M-Bande, Abb. 2 b). Diese Bande ist spezifisch für Methylierung und bei den malignen Zelllinien BT20, MCF7, SKBR3, T47D und MDA-MB231 mit ihren methylierten ITIH5-Allelen erkennbar. Hs578T- und MCF12A-Zellen weisen eine exklusive Bande in der Reaktion mit Primern auf, die spezifisch für unmethylierte DNA ist. Demnach liegt in diesen Zellen keine Methylierung des ITIH5-Promotors vor, und es ergibt sich eine Kohärenz von ITIH5-Methylierung und mRNA-Expressionsverlust.
Um diesen Zusammenhang auch funktionell nachzuweisen, wurden 4 Zelllinien einer In-vitro-DNA-Demethylierungs-Behandlung mit AZA/TSA unterzogen und anschließend die ITIH5-Expression bestimmt. In Abb. 2 c ist zu erkennen, dass nach der Demethylierung des ITIH5-Promotors die mRNA-Expression des Gens signifikant anstieg (p=0,014). Bei insgesamt 171 untersuchten primären Mammakarzinomen fanden wir einen stark methylierten ITIH5-Promotor in 68 Fällen (40%), leichte Methylierungssignale waren in weiteren 48 Fällen (28%) detektierbar (Abb. 2 d). Lediglich 55 Patientinnen (32%) wiesen einen unmethylierten ITIH5-Promotor auf. Mit einer Ausnahme war in allen gepaarten Brust-Normalgeweben der ITIH5-Promotor unmethyliert.
Korrelation der ITIH5-mRNA-Expression mit der ITIH5-Promotormethylierung
Um einen direkten Zusammenhang von ITIH5-mRNA-Expression und ITIH5-Promotormethylierung auf Basis primärer Tumoren nachzuweisen, wurde eine parallele Analyse durchgeführt. Für 39 zufällig ausgewählte Mammakarzinomfälle des Kollektivs wurde die ITIH5-mRNA-Expression mittels Echtzeit-PCR bestimmt und mit dem Methylierungsstatus verglichen. In Abb. 2 e ist erkennbar, dass die ITIH5-Expressionsstärke in den 3 Gruppen „unmethyliert“, „leicht methyliert“ und „stark methyliert“ deutlich unterschiedlich vorliegt. Vergleicht man den Unterschied der Mediane der 3 Gruppen, so zeigt sich statistische Signifikanz und somit eine starke Assoziation von ITIH5-Promotormethylierung mit ITIH5-mRNA-Expressionsverlust. Anders formuliert: Die Gruppierung von 39 Tumoren mit unmethyliertem, leicht methyliertem und stark methyliertem ITIH5-Promotor mit der korrespondierenden ITIH5-mRNA-Expression zeigt, dass eine signifikante Korrelation zwischen der Stärke der Methylierung und der Stärke des Expressionsverlusts besteht.
Korrelation mit klinikopathologischen Faktoren und Patientenüberleben
ITIH5-Proteinexpression
Die ITIH5-Proteinexpression war signifikant assoziiert mit der Östrogenrezeptor- (ER-)Positivität (p=0,008) und niedriggradigem Tumor (p=0,024). Darüber hinaus lag keine Assoziation mit Tumorgröße, Nodal-Status, Progesteronrezeptor- (PR-)Positivität, p53-Positivität oder Her2-Status vor. Rezidivfreies (RFS) und Gesamtüberleben (OS) wurde univariat verglichen zwischen Patientinnen mit starker ITIH5-Expression (IRS=12) und solchen mit ITIH5-Expressionsverlust (IRS=0–9). Demnach war ein Expressionsverlust signifikant sowohl mit verkürztem RFS assoziiert [starke Expression: mittleres RFS 102 Monate; 95%-Konfidenzintervall (KI) 88–116; Expressionsverlust: 78 Monate; 95%-KI 68–88; p=0,037] als auch mit verkürztem OS assoziiert (starke Expression: 120 Monate; 95%-KI 108–132; Expressionsverlust: 105 Monate; 95%-KI 96–114; p=0,044 (Abb. 3 a, b). In einer multivariaten Cox-Regressionsanalyse für RFS und OS erreichte die ITIH5-Expression als unabhängiger prognostischer Marker jedoch nicht statistische Signifikanz (Tab. 1).
ITIH5-Promotormethylierung
Analog zur Proteinexpression wurde die Promotormethylierung auf klinisch relevante Assoziationen hin untersucht. Ein methylierter ITIH5-Promotor war signifikant mit positivem Nodal-Status (p=0,003), positivem Fernmetastasen-Status (p=0,047), sowie höherer Anzahl befallener Lymphknoten (p=0,006) assoziert, darüber hinaus aber nicht mit Tumorgröße, histologischem Grad, ER- oder PR-Status. In der univariaten Überlebensanalyse war die ITIH5-Promotormethylierung sowohl mit verkürztem RFS (unmethyliert: 100 Monate; 95%-KI 86–115; methyliert: 72 Monate; 95%-KI 61–83; p=0,005) als auch mit verkürztem OS (unmethyliert: 154 Monate; 95%-KI 147–162; methyliert: 111 Monate; 95%-KI 93–129; p=0,001) signifikant assoziiert (Abb. 3 c, d). Neben der reduzierten Proteinexpression (Abb. 3 a, b) konnte also auch im Falle der ITIH5-Promotormethylierung in einem weiteren, unabhängigen Kollektiv primärer Mammakarzinome eine schlechtere Prognose des RFS und OS gezeigt werden (Abb. 3 c, d). Multivariat war die ITIH5-Methylierung ein unabhängiger prognostischer Faktor für das Gesamtüberleben (Hazard-Ratio: 9,0; p=0,035; Tab. 2).
Funktionelle In-vitro-Experimente zur ITIH5-Biologie
Abschließend sollten erste funktionelle Experimente die Frage beantworten, ob ein Verlust von ITIH5-Expression einen progressiven Phänotyp bedingen kann. Versuche zur Proliferation zeigten, dass die forcierte Expression von ITIH5 in MDA-MB231-Zellen, welche keine endogene ITIH5-Expression aufweisen, die Wachstumsrate um etwa 40% senkt (Abb. 4). Die spezifische ITIH5-Proteinexpression der stabil transfizierten Zellen wurde vor Versuchsbeginn mittels Immunoblot, immunzytochemischer und immunfluoreszenter Färbung überprüft [24]. Diese Versuche wurden mit einer weiteren transient transfizierten Brust-Zelllinie wiederholt, welche ITIH5 bereits basal exprimiert (Hs578T), und sie erbrachten vergleichbare Ergebnisse (Daten nicht gezeigt).
Diskussion
Bereits seit einigen Jahren ist eine Beteiligung von extrazellularen ITI-Molekülen an verschiedenen pathologischen Prozessen bekannt. Diese reicht von der Entstehung von Nierensteinen [1] und Atherosklerose [18] über weibliche Infertilität [27] und Gewebe-Inflammation [3] bis hin zur Tumorgenese, wo diese Korrelation insbesondere in Metastasierungsprozessen und der Tumorprogression gezeigt werden konnte [4, 14, 15, 19, 25]. In vorangegangenen Arbeiten haben wir ITIH5 als neues Mitglied der Gen-Familie der ITI mit schweren Ketten (ITIHs) identifiziert und gezeigt, dass die ITIH5-mRNA-Expression im humanen Mammakarzinom häufig herabreguliert wird [11, 12]. In der vorliegenden Studie mit mehr als 200 Tumoren konnten wir diese differenzielle ITIH5-mRNA-Expression auf Proteinebene bestätigen.
Darüber hinaus stellten wir fest, dass der Verlust der Expression erst nach der Stufe des duktalen In-situ-Karzinoms stattfindet. Demnach könnte der Verlust von ITIH5 eine Rolle in der Tumorprogression des humanen Mammakarzinoms tragen, indem dieser die Transition von nichtinvasiven zu invasiven Tumoren begünstigt. Diese Hypothese wird dadurch gestützt, dass Patientinnen, die ITIH5 verloren haben, ein signifikant verkürztes rezidivfreies- und Gesamtüberleben aufzeigen. Somit könnte die ITIH5-Proteinexpression beim Mammakarzinom als prognostischer Biomarker dienen, der möglicherweise Hochrisiko-Patientinnen von solchen mit sehr guter Prognose (ITIH5-positive) unterscheiden hilft.
Von den 5 bekannten ITIH-Genen trägt ITIH5 als einziges Gen einen Promotor mit hoher CpG-Dichte, somit vermuteten wir aberrante Promotormethylierung als möglichen molekularen Mechanismus für den Expressionsverlust im Mammakarzinom. Sowohl in malignen Brust-Zelllinien als auch in einer hohen Anzahl primärer Tumoren detektierten wir tatsächlich eine ITIH5-Promotormethylierung mit statistischer und funktioneller Assoziation zu einem ITIH5-mRNA-Expressionsverlust. Interessanterweise war die ITIH5-Methylierung im Tumor signifikant häufiger bei Patientinnen mit regionärer Lymphknoteninvasion und distaler Metastasierung zu finden. Zusätzlich zum Verlust der Proteinexpression trägt auch die Methylierung des ITIH5-Promotors starke negative prognostische Kraft, was zusammen genommen die Hypothese unterstützt, ITIH5 als neuen Metastasierungsrepressor beim Mammakarzinom anzusehen.
Eine epigenetische Inaktivierung von Adhäsions- und Zell-Matrix-Molekülen in der Tumorgenese ist erst für wenige Beispiele bekannt, so. z. B. für E-Cadherin [10] oder TIMP3 [2]. ITIH5 kann funktionell zu dieser Gruppe gezählt werden, in welcher Proteinverluste maßgeblich die Zelladhäsion, Migration und proteolytische Aktivität von ECM-Komponenten beeinflussen, so dass die Entstehung eines invasiven Karzinoms aus nichtinvasiven Präkanzerosen begünstigt wird. Unsere funktionellen Experimente untermauern diese Annahme: Ein Verlust von ITIH5 fördert einen schnell proliferierenden Phänotyp in malignen Brust-Zelllinien. Dies spricht zusammen mit der starken prognostischen Kraft des Moleküls sowohl auf Expressions- als auch auf Promotormethylierungsebene und der Assoziation zu klinischen Parametern wie Metastasierung stark für die Funktion eines Tumorsuppressorgens bzw. eines Metastasierungsrepressors.
Fazit für die Praxis
Zusammenfassend deuten unsere Studien darauf hin, dass ITIH5 einen neuen, äußerst interessanten prognostischen Biomarker des Mammakarzinoms darstellt, dessen diagnostisches und therapeutisches Potenzial wir in den nächsten Jahren aufklären werden.
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Interessenkonflikt
Alle Autoren erklären hiermit, dass keine Interessenkonflikte bezüglich des vorliegenden Manuskripts bestehen.
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Veeck, J., Breuer, E., Rose, M. et al. Neuer Prognosemarker beim invasiven Mammakarzinom. Pathologe 29 (Suppl 2), 338–346 (2008). https://doi.org/10.1007/s00292-008-1044-9
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00292-008-1044-9
Schlüsselwörter
- Inter-α-Trypsin-Inhibitor-5 Heavy Chain (ITIH5)
- Mammakarzinom
- Metastasierungsrepressor
- Epigenetik
- Prognostischer Marker