Die Bindung des Mißbrauchsopfers an den Mißbraucher

Zusammenfassung

Klinische Beobachtungen zeigen, daß in der Kindheit körperlich oder sexuell mißbrauchte Personen dazu neigen, in späteren Beziehungen erneut Mißbrauchssituationen zu konstellieren, weiterhin, daß solche Opferbindungen eine hohe Stabilität aufweisen. Die Befunde der Bindungsforschung zeigen bei Mißbrauchsopfern einen hohen Anteil unsicherer Bindungen an die primären Bindungsfiguren. Unter den typischen organisierenden Mustern der Beziehung wird das Muster der Rollenumkehr (Parentifizierung) hervorgehoben. Aus der Sicht der Psychoanalyse leistet die Theorie der Introjektion mißbräuchlicher Beziehungsmuster in Verbindung mit den neueren Masochismustheorien einen wertvollen Beitrag zum Verständnis des Bindungsverhaltens von Mißbrauchsopfern. Abschließend werden einige Konsequenzen für den therapeutischen Umgang mit Mißbrauchsopfern dargestellt.

Summary

Clinical observations consistently show that persons physically or sexually abused in infancy tend to become revictimized in subsequent relationships and, further, that these abusive relationships show a high degree of stability. One major finding of attachment research is the high occurrence of insecure attachment to primary attachment figures in abused persons. Among the typical patterns of relationship, role reversal (parentification) has been emphasized. From the psychoanalytic point of view, the theory of introjection of abusive relationships along with the newer theories on masochism have been making invaluable contributions to an understanding of the attachment behavior of abused persons. Finally, some consequences for the treatment of traumatized persons are discussed.