„Psychotherapien tun nicht immer gut. So viel ist sicher“ (Hoffmann et al. 2008, S. 4). Mit dieser Feststellung beginnt eine Übersichtsarbeit in dieser Zeitschrift von Hoffmann et al. zum Thema „Unerwünschte und schädliche Wirkungen von Psychotherapie“. Das Auftreten von Nebenwirkungen, unerwünschten oder gar schädlichen Wirkungen von Psychotherapie und deren Differenzierung werden immer noch relativ wenig diskutiert. Stattdessen widmet man sich immer noch umfassend dem Nachweis der Effektivität und der positiven Wirkungen psychotherapeutischer Behandlungen (z. B. Wampold 2010).

Die Herausgeber des Psychotherapeut waren sich rasch einig, dass nach fünf Jahren eine etwas umfassendere Betrachtung des Themas in Form eines Schwerpunkthefts wieder einmal angezeigt wäre, wobei dieses Thema inzwischen deutlich differenzierter ist. Unter anderem liegt dies an konzeptuellen Überlegungen zur Systematisierung aller „unerwünschten“ Aspekte in der Psychotherapie. Diese Überlegungen sind in der einleitenden Übersicht zusammengefasst. Es zeigt sich, dass die vorliegenden Systematisierungsvorschläge keineswegs kompatibel sind. Der aktuelle, auf Lieberei u. Linden (2008) zurückgehende Vorschlag unterscheidet zwischen unerwünschten Ereignissen, negativen Therapiefolgen, Nebenwirkungen, Kunstfehlerfolgen, Therapie-Nonresponse, Krankheitsverschlechterung, therapeutischen Risiken und Kontraindikationen.

Die folgenden Arbeiten dieses Hefts behandeln einzelne Aspekte dieses Spektrums: Dirk Schmoll befasst sich in seinem Beitrag mit den Nebenwirkungen speziell der psychodynamischen Psychotherapie und beschreibt beispielsweise die Abhängigkeit vom Therapeuten, die Vermeidung von Lebensaufgaben, Problemfixierungen, die Zunahme von Minderwertigkeitsgefühlen und Probleme in Partnerschaft sowie Familie als potenzielle Nebenwirkungen, die fast zwingend mit den grundlegenden Behandlungstechniken der psychodynamischen Psychotherapie verbunden sind.

In dem Beitrag von Kaczmarek et al. wird die Perspektive der Patienten eingenommen: Die in dem Beitrag beschriebene Untersuchung versucht, Beschwerden von Psychotherapiepatienten inhaltlich zu analysieren und ein praktikables Kategoriensystem zur Klassifizierung von Beschwerden bezüglich psychotherapeutischer Behandlungen vorzustellen.

Die beiden weiteren Beiträge, die zum Themenschwerpunkt gehören, beziehen sich auf das stationäre Feld und befassen sich mit der Frage, wie häufig Misserfolge oder Nonresponse in großen Stichproben von Patienten mit spezifischen Störungen (Persönlichkeitsstörungen bei Spitzer et al. und depressive Störungen bei Voderholzer et al.) in Klinikbehandlungen eigentlich vorkommen. Diese Perspektive auf die Ergebnisse stationärer Psychotherapie ist bislang eher selten und trägt dazu bei, Überlegungen zur Optimierung stationärer Psychotherapie zu befördern.

Mit den Beiträgen wollen wir die Leser für die Thematik unerwünschter Wirkungen von Psychotherapie sensibilisieren. Sicher gibt es noch viele andere Facetten des Themas. (Hierfür wird auf eine demnächst erscheinende Buchpublikation verwiesen: Linden u. Strauß 2012.) Die vorliegenden Beiträge sind aber sicher geeignet, das Feld abzustecken. Sie machen zudem noch einmal deutlich, was Hoffmann et al. (2008, S. 14) schlussfolgernd in der oben erwähnten Übersicht konstatierten: „Keine Form der Psychotherapie ist ihrer immanenten Verpflichtung enthoben, sich einer anhaltenden Analyse ihrer Beschränkungen und Schwachstellen zu unterziehen. Ihre Erfolge werden sich von allein herumsprechen, aber ihre Schwächen mit einiger Verzögerung auch.“