Zusammenfassung
Die Verhaltensgenetik hat eine breite Evidenz für die Bedeutung genetischer Einflüsse auf Persönlichkeitsentwicklung und Entstehung psychischer Störungen hervorgebracht.In dieser Übersicht wird die methodische Vorgehensweise der Verhaltensgenetik dargestellt, und es werden wichtige Ergebnisse mit besonderer Relevanz für die Psychotherapie anhand von anschaulichen Beispielen berichtet.Zudem werden einige verbreitete Mythen und Missverständnisse aufgeklärt. Auf zwei Punkte wird besonders abgehoben: Während genetische Faktoren einen substanziellen Beitrag zur Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen leisten, spielt die von Mitgliedern einer Familie gemeinsam geteilte Umwelt offenbar eine sehr geringe Rolle.Individuelle Umwelterfahrungen tragen jedoch nahezu ebensoviel zur Entwicklung bei wie genetische Faktoren.Genetische Faktoren besitzen nicht nur einen direkten Einfluss auf die Entstehung psychischer Störungen, sondern wirken auch indirekt, indem sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich Individuen belastenden Lebensereignissen aussetzen, die wiederum das Risiko einer psychischen Störung erhöhen.Es kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Forschungsstudien sowohl genetische als auch Umweltfaktoren einbeziehen sollten, um zum einen deren relative Einflussstärke bestimmen und zum zweiten das komplexe Zusammenwirken von Anlage und Umwelt aufklären zu können.
Abstract
Behavioural genetics has provided ample evidence for the influence of genes on personality traits and psychological disorders. In this review, the methodological strategies of behavioural genetics are described and study results with special relevance for psychotherapists are highlighted.Moreover, some traditional myths and misunderstandings are discussed. In particular, two findings are underscored: While genetic factors substantially contribute to the development of personality traits, environmental influences shared by the members of a family appear to be virtually absent. In contrast, environmental factor specific to an individual seem to play an important role.Second, genes do not only have a direct impact on the development of psychological disorders, but also act in an indirect way by increasing the probability of exposure to stressful life events which in turn function as risk factors for psychological disorders. It is concluded that research should incorporate both genetic and environmental factors to be able to evaluate their relative impact and elucidate the interaction of nature and nurture.
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Prof.Dr.Dr.Hermann Faller Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg, Klinikstraße 3, 97070 Würzburg, e-mail: h.faller@mail.uni-wuerzburg.de
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Faller, H. Verhaltensgenetik . Psychotherapeut 48, 80–92 (2003). https://doi.org/10.1007/s00278-003-0294-5
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00278-003-0294-5