Zusammenfassung
Es sollte die Methode von Roberts et al. aus dem Jahr 2016 zum Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres überprüft werden.
Dazu wurden 603 Orthopantomogramme (OPG) von 300 Frauen und 303 Männern im Alter von 16,01 bis 25,99 Jahren von 3 Untersuchern ausgewertet, wobei ein Hauptuntersucher alle OPGs zweimal begutachtet hat. Durch die 3 Untersucher wurde eine konsensuale Bestimmung für die Fälle vorgenommen, bei denen mindestens ein Untersucher ein Stadium zugeordnet hatte.
In 31 Fällen (11 Frauen, 20 Männer) konnte konsensuell ein Stadium bestimmt werden. Hauptursache für die Nichtauswertbarkeit war die nicht abgeschlossene Entwicklung des Zahnes 38 [FDI] (30,18 %), gefolgt von Karies, Restaurationen oder anderen Pathologien (20,56 %) und dem Fehlen des Zahnes 38 (19,57 %). Das Stadium „RCW‑C“ konnte bei den Frauen konsensual nicht, die Stadien „RCW‑B“ und „RCW‑C“ konnten bei den Männern nur 4‑mal (3x „RCW-C“, 1x „RCW-B“) bestimmt werden. Der Cohen’s-Kappa-Wert für die Binnenbeobachterübereinstimmung für die 47 Fälle, in denen der Hauptuntersucher in mindestens einem Durchgang ein Stadium zugeordnet hatte, lag im moderaten bzw. guten Bereich (Frauen: 0,44; Männer: 0,62). Der Fleiss’-Kappa-Wert für die Zwischenbeobachterübereinstimmung der 3 Untersucher für die 69 Fälle, bei denen mindestens ein Untersucher ein Stadium zugeordnet hatte, lag im mangelhaften Bereich (Frauen: 0,07; Männer: 0,11), wobei die 95%-Konfidenzintervalle für den Kappa-Wert auch die „0“ einschlossen.
Alle Personen, bei denen ein Stadium zugeordnet wurde, waren über 18 Jahre alt. Aktuell kann eine Anwendung der Methode nicht empfohlen werden. Es wird die Frage aufgeworfen, ob den Stadien eine allgemeingültige Entwicklungsabfolge zu Grunde zu liegt, da bei 30 Fällen der Befund nicht mit den Stadien in Deckung zu bringen war.
Abstract
The purpose was to verify the method of Roberts et al. from 2016 for detecting the completion of the 18th year of age.
To this end, 603 orthopantomograms (OPGs) of 300 women and 303 men aged 16.01 to 25.99 years were evaluated by 3 examiners, with one principal investigator reviewing all OPGs twice. A consensus determination was made by the 3 investigators for those cases in which at least one examiner had assigned a stage.
In 31 cases (11 women, 20 men), a stage could be consensually determined. The main reason for non-evaluability was incomplete development of tooth 38 [FDI] (30.18%), followed by caries, restorations, or other pathology (20.56%), and absence of tooth 38 (19.57%). By consensus, stage “RCW‑C” could not be determined in females, and stages “RCW‑B” and “RCW‑C” could only be determined 4 times (3x “RCW‑C”, 1x “RCW‑B”) in males. The Cohen’s kappa value for intraexaminer agreement for the 47 cases in which the principal investigator assigned a stage in at least one run was in the moderate or good range (women: 0.44; men: 0.62). The Fleiss’ kappa value for interexaminer agreement among the 3 investigators for the 69 cases in which at least one investigator had assigned a stage was in the poor range (women: 0.07; men: 0.11), with 95% confidence intervals for the kappa value including “0”.
All subjects in whom a stage was assigned were over 18 years of age. Currently, use of the method cannot be recommended. The question is raised whether the staging is based on a generally valid developmental sequence, since in 30 cases the findings could not be matched with the staging.
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Einleitung
Die forensische Altersdiagnstik lebender Personen kann als Instrument der Rechtspflege entscheidend zur Durchführung rechtsstaatlicher Verfahren beitragen und ist aktuell ein Schwerpunkt der rechtsmedizinischen Forschung [1,2,3,4,5,6,7,8]. Aufgrund der zunehmenden Migrationsbewegungen kam es zuletzt zu einem Anstieg der Gutachtenaufträge zur forensischen Altersdiagnostik. Bei den zu begutachtenden Personen handelt es sich um ausländische Jugendliche bzw. junge Erwachsene ohne gültige Ausweispapiere, bei denen Zweifel am angegebenen Alter bestehen und deren tatsächliches chronologisches Alter in juristischen Verfahren von Bedeutung ist [9]. Eine juristisch relevante Altersgrenze bei Fragen aus den Bereichen des Strafrechts, des Familienrechts, des Ausländerrechts sowie des Sozialrechts ist dabei die Vollendung des 18. Lebensjahres (vgl. §§ 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG), 1773 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 80 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), 12 Asylgesetz (AsylG), 42 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII, 27 ff. SGB VIII). Somit besteht ein Bedarf an validen Verfahren zum Nachweis der Vollendung dieser gesetzlich wichtigen Altersgrenze [9,10,11].
Zu den einzusetzenden Untersuchungsmethoden im Rahmen der forensischen Altersdiagnostik bei lebenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat die Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik (AGFAD) der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin im Jahr 2008 Empfehlungen herausgegeben [9, 12]. Demnach sollte eine entsprechende Begutachtung eine eingehende körperliche Untersuchung mit Anamneseerhebung, eine Röntgenuntersuchung der linken Hand, eine Röntgenuntersuchung der Kieferregion sowie, bei abgeschlossener Entwicklung der Handskelettentwicklung, eine computertomographische (CT-)Untersuchung der medialen Schlüsselbeinepiphysen umfassen. Für die Röntgenuntersuchung der Kieferregion wird ein Orthopantomogramm (OPG), welches auch als Panoramaschichtaufnahme (PSA) bezeichnet wird, angefertigt [12, 13]. Das OPG stellt eine zweidimensionale Übersichtsaufnahme von Ober- und Unterkiefer dar, bei der alle vorhandenen Zähne und Zahnanlagen regelhaft erfasst werden. Das wesentliche zu beurteilende Merkmal im OPG ist bislang die Mineralisation der dritten Molaren. Für die Evaluation der Mineralisation der dritten Molaren liegt eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden bzw. Stadieneinteilungen vor, wobei heute davon ausgegangen werden kann, dass die Klassifikation nach Demirjian et al. für die forensische Altersdiagnostik am besten geeignet ist, was darin begründet ist, dass in dieser Klassifikation die Stadien durch schlüssige Formveränderungen und unabhängig von Längenschätzungen definiert sind [14, 15]. Die praktische Anwendbarkeit wird jedoch dadurch limitiert, dass die Entwicklung der dritten Molaren bereits vor der Vollendung des 18. Lebensjahres abgeschlossen sein kann [16,17,18]. Damit ist mit der Beurteilung der Mineralisation der dritten Molaren der zweifelsfreie Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres nicht möglich. Es liegen aber Methoden zur Beurteilung degenerativer Prozesse an den Weisheitszähnen und an anderen Zähnen vor, deren grundsätzliche Eignung zum Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres belegt ist [16, 19,20,21,22,23,24,25,26]. Für diese degenerativen Zahnmerkmale stehen Untersuchungen an verschiedenen Ethnien noch aus, weshalb ein flächendeckender Einsatz gegenwärtig nicht empfohlen werden kann. Insgesamt sind weiterhin Methoden wünschenswert, die anhand der Zahnentwicklung einen Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres ermöglichen.
Auf dem 68. jährlichen Treffen der American Academy of Forensic Sciences im Februar 2016 in Las Vegas (Nevada, USA) haben Roberts et al. eine neue dentale Methode zum Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres anhand von OPG-Aufnahmen vorgestellt [27]. Die Methode wurde einige Monate später im Juni 2016 im Journal of Forensic Sciences noch ausführlich publiziert. Die Methode beruht auf einer Mustererkennung der röntgenologischen Weiten der Wurzelkanäle der distalen Wurzeln der vollständig mineralisierten Zähne 36, 37 und 38 [FDI] im OPG. Dabei wird die Wurzelkanalweite explizit als die röntgenologisch nachweisbare mesiodistale Ausdehnung des distalen Wurzelkanals beschrieben. Die vollständige Mineralisation des dritten Molaren wurde durch das Vorliegen des Stadium H nach Demirjian verifiziert [14, 27, 28]. Die Weiten der Wurzelkanäle werden nicht ausgemessen, sondern dem optischen Eindruck nach in ein Verhältnis gesetzt. Erscheint der distale Wurzelkanal des Zahnes 36 (LL6d) schmaler als der distale Wurzelkanal des Zahnes 37 (LL7d), und dieser wiederum schmaler als der distale Wurzelkanal des Zahnes 38 (LL8d), so wird das Stadium „RCW‑A“ zugeordnet (LL6d < LL7d < LL8d), wobei RCW für „root canal widths“, also „Wurzelkanalweiten“ steht. Sind die distalen Wurzelkanäle von 36 und 37 gleich weit, jedoch beide schmaler als der distale Wurzelkanal des Zahnes 38, so wird das Stadium RCW‑B bestimmt (LL6d = LL7d < LL8d). Das Stadium RCW‑C wird bestimmt, wenn alle 3 zu beurteilenden Wurzelkanäle die gleiche Weite haben (LL6d = LL7d = LL8d). Mit entsprechender Lizenz ist Abb. 1 der Originalpublikation entnommen und zeigt die Stadieneinteilung im Schema. In der Studie von Roberts et al. war bei den Frauen das jüngste Individuum mit einem nachweisbaren Stadium RCW‑C 18,45 Jahre alt. Bei den Männern war das jüngste Individuum mit einem nachweisbaren Stadium RCW‑B 18,29 Jahre alt. Das Stadium RCW‑C konnte bei den Männern erst ab einem Alter von 18,16 Jahren nachgewiesen werden. Dem sog. Mindestalterprinzip [9] entsprechend, konnten die Autoren demnach schlussfolgern, dass das Stadium RCW‑C bei den Frauen und die Stadien RCW‑B und RCW‑C bei den Männern zum Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres geeignet sind. Auf Grundlage dieser Daten wäre die Methode ein willkommenes Hilfsmittel für die Praxis der forensischen Altersdiagnostik [27].
In der vorliegenden Studie soll die Anwendbarkeit der von Roberts et al. im Jahr 2016 vorgestellten Methode i. Allg. überprüft werden. Darüber hinaus sollen die von Roberts et al. publizierten Altersgrenzen der einzelnen Stadien validiert werden.
Material und Methode
Für die vorliegende Studie wurden insgesamt 603 digitale OPG von 300 Frauen und 303 Männern im Alter von 16,01 bis 25,99 Jahren ausgewertet. Die Zusammensetzung der Kohorte nach Alter und Geschlecht zeigt Tab. 1. Die OPG stammen aus einer Universitätszahnklinik mit verschiedenen Abteilungen. Das Kollektiv setzte sich daher aus Patienten der zahnärztlichen Chirurgie, der Kieferorthopädie sowie der prothetischen und konservierenden Zahnmedizin zusammen. Von den Studienteilnehmern war auch der vollständige Name bekannt. Den Namen der Teilnehmer und dem Einzugsgebiet der Klinik nach kann mit entsprechenden Einschränkungen angenommen werden, dass das Kollektiv ethnisch kaukasischer Herkunft war. Die Röntgenbilder wurden nicht vorselektiert. Zum Zeitpunkt der Untersuchung musste einzig das Alter der Personen zweifelsfrei feststehen. Zur Auswertung wurden alle OPG randomisiert. Die Röntgenbilder wurden im DICOM-Format an geeigneten Arbeitsplätzen mit der Software synedra Personal View Version 20.0.0.4 (Fa. synedra information technologies GmbH, Innsbruck, Österreich) begutachtet. Für die Evaluationen wurden regelhaft das Vergrößerungs-Tool der Software sowie das Tool zur Grauwerteinstellung verwendet.
In allen OPG wurde zunächst die Mineralisation des Zahnes 38 beurteilt.
Für die vorliegende Studie wurden folgende Kriterien für die Nichtauswertbarkeit der OPG angewendet:
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1.
Zahn 38 nicht vorhanden,
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2.
Entwicklung Zahn 38 nicht abgeschlossen (kein Vorliegen Stadium H nach Demirjian [14]),
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3.
Zahn 36 und/oder Zahn 37 nicht vorhanden,
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4.
Karies und/oder Restaurationen und/oder andere Pathologien (z. B. apikale Läsionen) an den relevanten Zähnen,
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5.
Nichtauswertbarkeit, da Demirjian- oder Roberts-Stadien nicht bestimmbar (Wurzelkanäle des Zahnes 38 nicht abgrenzbar),
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6.
Nichtauswertbarkeit, da Befund nicht mit den Stadien nach Roberts et al. vereinbar,
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7.
Nichtauswertbarkeit aufgrund anderer Ursachen (z. B. insuffiziente Bildqualität, Überlagerungen, einwurzelige Zähne).
Im Falle des Vorliegens einer abgeschlossenen Mineralisation, was durch das Vorliegen des Stadiums H nach Demirjian festgestellt wurde, wurde die Methode nach Roberts et al. aus dem Jahr 2016 auf die Zähne 36, 37 und 38, entsprechend der Abb. 1, angewandt.
Alle OPG wurden von einem in der forensischen Altersschätzung mit dentalen Methoden erfahrenen Hauptuntersucher beurteilt. Mit einem zeitlichen Abstand von ca. 4 Wochen wurden alle OPG von diesem Hauptuntersucher zur Bestimmung der Binnenbeobachterübereinstimmung nochmals ausgewertet. Darüber hinaus wurden alle OPG von 2 weiteren mit den dentalen Methoden der forensischen Altersschätzung grundsätzlich vertrauten, in der praktischen Anwendung aber weniger erfahrenen Untersuchern, zur Bestimmung der Zwischenbeobachterübereinstimmung ausgewertet. Für die Berechnung der Zwischenbeobachterübereinstimmung wurde die zweite Auswertung des erfahrenen Hauptuntersuchers berücksichtigt. Als Maß für die Binnenbeobachterübereinstimmung wurde der Cohen-Kappa-Koeffizient, für die Zwischenbeobachterübereinstimmung der Fleiss-Kappa-Koeffizient herangezogen; außerdem wurden die Übereinstimmungen in Prozent ermittelt [29]. Für die Kappa-Koeffizienten als Schätzwerte wurden außerdem jeweils das 95 %-Konfidenzintervalle (95 %-KI) und der p-Wert ermittelt. Ein p-Wert < 0,05 wurde als signifikant gewertet.
Für die Beobachterübereinstimmungen wurden jeweils 2 Ansätze verfolgt – ein allgemeiner Ansatz und ein auf die Methode nach Roberts et al. zentrierter Ansatz. Für den zentrierten Ansatz bei der Binnenbeobachterübereinstimmung wurden nur die Fälle ausgewertet, bei denen der Hauptuntersucher mindestens in einem Durchgang ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet hat. Für diesen Ansatz wurde nicht zwischen den Ursachen für eine Nichtauswertbarkeit unterschieden.
Für den allgemeinen Ansatz wurden alle untersuchten Fälle berücksichtigt, wobei zusätzlich unterschieden wurde, ob eine Nichtauswertbarkeit wegen einer unvollständigen Entwicklung des Zahnes 38 oder wegen des Vorliegens eines anderen Ausschlusskriteriums gegeben war.
Für die Bestimmung der Zwischenbeobachterübereinstimmung wurde vergleichbar verfahren, indem für den zentrierten Ansatz nur die Fälle berücksichtigt wurden, bei denen mindestens einer der Untersucher ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet hat. Für diesen Ansatz wurde nicht zwischen der Ursache für eine Nichtauswertbarkeit unterschieden. Für den allgemeinen Ansatz wurden alle untersuchten Fälle berücksichtigt, wobei auch hier zwischen einer nichtabgeschlossenen Entwicklung des Zahnes 38 und dem Vorliegen eines anderen Grundes für eine Nichtauswertbarkeit unterschieden wurde.
Abschließend wurden die OPG, in denen mindestens ein Untersucher ein Stadium nach Roberts et al. bestimmt hatte, von allen 3 Untersuchern in einer gemeinsamen Sitzung diskutiert und konsensual nochmals ausgewertet.
Für die Aussagen zu den Häufigkeiten bei der Nichtauswertbarkeit diente die zweite Begutachtung des erfahrenen Hauptuntersuchers als Grundlage.
Für die abschließenden Werte der Anzahl der zugeordneten Stadien sowie der Mindestalter in den jeweiligen Stadien diente die konsensuale Bestimmung aller 3 Untersucher als Grundlage.
Ergebnisse
Die Altersspanne im untersuchten Kollektiv lag bei den Frauen bei 16,01 bis 25,97 Jahren und bei den Männern bei 16,04 bis 25,99 Jahren. In 69 Fällen (Frauen: 28, Männer: 41) wurde von mindestens einem Untersucher ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet. Von diesen 69 Fällen konnte bei der konsensualen Befundung aller 3 Untersucher nur in 31 Fällen ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet werden (5,14 %). Dabei konnte bei den Männern in 20 Fällen (6,6 %) und bei den Frauen in 11 Fällen (3,67 %) ein Stadium nach Roberts et al. bestimmt werden. Aufgrund dieser geringen Quoten wurde auf eine Erhebung detaillierter statistischer Maßzahlen für die einzelnen Stadien verzichtet. Die Abb. 2, 3 und 4 zeigen Beispiele für die einzelnen Stadien aus der untersuchten Kohorte.
Das Stadium RCW‑C konnte bei den Frauen konsensual nicht nachgewiesen werden. Insgesamt konnte bei den Frauen konsensual das Stadium RCW‑A 9‑mal (18,73 bis 25,88 Jahre) und das Stadium RCW‑B 2‑mal (20,94; 25,09 Jahre) nachgewiesen werden. Bei den Männern konnte das Stadium RCW‑A 16-mal (19,09 bis 25,84 Jahre), das Stadium RCW‑B 1‑mal (22,34 Jahre) und das Stadium RCW‑C 3‑mal (21,23; 22,77; 23,44 Jahre) nachgewiesen werden. Es wird deutlich, dass alle Individuen, bei denen ein Stadium nach Roberts et al. bestimmt werden konnte, älter als 18 Jahre alt waren. In Tab. 2 sind die Ergebnisse für die einzelnen Stadien zusammengefasst.
Im Rahmen der ersten Befundung des erfahrenen Hauptuntersuchers wurde in 41 Fällen ein Stadium nach Roberts et al. bestimmt. Bei der zweiten Begutachtung durch den erfahrenen Hauptuntersucher wurde in 43 Fällen ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet. In insgesamt 47 Fällen wurde in mindestens einem der beiden Durchgänge ein Stadium zugeordnet. Es wird deutlich, dass sich die Fälle, in denen ein Stadium bestimmt wurde, zwischen der ersten und zweiten Befundung des erfahrenen Hauptuntersuchers nur teilweise überschnitten.
Es kann festgestellt werden, dass sich die Anzahl der nach den Stadien von Roberts et al. ausgewerteten Fälle im Rahmen der konsensualen Befundung, in Bezug zur zweiten Befundung des Hauptuntersuchers, deutlich reduziert hat. In insgesamt 15 Fällen, bei denen der erfahrene Hauptuntersucher in seiner zweiten Befundung ein Stadium zugeordnet hatte, wurde konsensual eine Nichtauswertbarkeit festgestellt. In 9 von diesen 15 Fällen wurde als Ursache für die Nichtauswertbarkeit angeführt, dass die Klassifikation nicht zum Befund passt, in 5 Fällen, dass die Wurzelkanäle des Zahnes 38 nicht sicher abgrenzbar waren, und in einem Fall, dass eine Karies am Zahn 36 vorlag. In 3 Fällen wurde konsensual ein Stadium RCW‑A festgestellt, wobei der erfahrene Hauptuntersucher in seiner zweiten Befundung bei allen 3 dieser Fälle eine Nichtauswertbarkeit aufgrund von einer schlechten Abgrenzbarkeit der Wurzelkanäle des Zahnes 38 festgestellt hatte.
In insgesamt 118 Fällen fehlte der Zahn 38 (Frauen: 59, Männer: 59). Die Hauptursache für eine Nichtauswertbarkeit war bei der zweiten Befundung des erfahrenen Untersuchers die unvollständige Mineralisation des Zahnes 38 mit insgesamt 182 Fällen (Frauen: 103, Männer: 79). Die Altersspanne für dieses Merkmal lag bei 16,01 bis 23,41 Jahren bei den Frauen und 16,20 bis 22,90 Jahren bei den Männern. Bei insgesamt 18 Fällen fehlte der Zahn 36 und/oder der Zahn 37 (Frauen: 10, Männer: 8). Bei insgesamt 124 Fällen (Frauen: 61, Männer: 63) lag eine Nichtauswertbarkeit aufgrund von Pathologien und/oder Restaurationen an den relevanten Zähnen vor. Eine Nichtauswertbarkeit lag bei insgesamt 64 Fällen (10,61 %) (Frauen: 27, Männer: 37) vor, weil ein Stadium nach Demirjian oder Roberts et al. nicht bestimmt werden konnte, da die Wurzelkanäle des Zahnes 38 nicht sicher abgrenzbar waren. Ein Beispiel für diesen Befund zeigt Abb. 5. In 24 Fällen (Frauen: 8, Männer: 16) lag eine andere Ursache für die Nichtbestimmbarkeit (z. B. einwurzelige Zähne, Überlagerungen, insuffiziente Bildqualität) vor.
Auch die Anzahl der Fälle, die grundsätzlich auswertbar waren, bei denen die von Roberts et al. vorgestellte Klassifikation aber nicht nachvollzogen werden konnte, wurde erfasst. Dies traf bei den Frauen bei 11 Individuen und bei den Männern bei 19 (insgesamt 4,98 %) Individuen zu. Beispielsweise war dies der Fall, wenn der distale Wurzelkanal des Zahnes 37 schmaler war als der des Zahnes 36 und der distale Wurzelkanal dieses Zahnes wiederum schmaler als der des Zahnes 38 – eine Situation, wie sie in der Klassifikation von Roberts et al. nicht wiederzufinden ist. Ein anderes Beispiel für eine entsprechende Situation war die Kombination, wenn der distale Wurzelkanal des Zahnes 36 zwar schmaler als der des Zahnes 37 war, der distale Wurzelkanal des Zahnes 37 wiederum aber weiter als des Zahnes 38. Die Abb. 6 und 7 zeigen entsprechende Beispielbefunde aus der Kohorte. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Klassifikation bei grundsätzlich auswertbaren OPG für beide Geschlechter etwa genau so häufig nicht nachvollzogen werden konnte, wie eine Stadienzuordnung überhaupt möglich war.
Bei insgesamt 47 Fällen (Frauen: 23, Männer: 24) wurde durch den erfahrenen Hauptuntersucher in mindestens einem Durchgang ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet (s. oben). Der Cohen-Kappa-Koeffizient für die Binnenbeobachterübereinstimmung für den zentrierten Ansatz, bei dem nur diese 47 Fälle berücksichtigt wurden, lag bei 0,44 (95 %-KI: 0,19–0,69; p < 0,001; 65,2 % Übereinstimmung) für die Frauen und bei 0,62 (95 %-KI: 0,34–0,90; p < 0,001; 79,2 % Übereinstimmung) bei den Männern, was nach Altman einer moderaten bzw. guten Übereinstimmung entspricht [30].
Für den allgemeinen Ansatz, bei dem alle untersuchten Fälle berücksichtigt wurden, lag der Cohen-Kappa-Wert bei 0,90 (95 %-KI: 0,81–0,99; p < 0,001; 94,7 % Übereinstimmung) für die Frauen und bei 0,74 (95 %-KI: 0,65–0,84; p < 0,001; 94,7 % Übereinstimmung) bei den Männern, was nach Altman einer guten bzw. sehr guten Übereinstimmung entspricht [30].
Der Fleiss-Kappa-Wert für die Zwischenbeobachterübereinstimmung aller 3 Untersucher lag für den zentrierten Ansatz, bei dem nur die 69 Fälle berücksichtigt wurden, bei denen mindestens ein Untersucher ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet hat, bei 0,07 (95 %-KI: −0,11–0,26; p = 0,414; 40,7 % Übereinstimmung) für die Frauen und bei 0,11 (95 %-KI: −0,08–0,31; p = 0,257; 41,7 % Übereinstimmung) für die Männer, was einer mangelhaften Übereinstimmung entspricht [30]. Darüber hinaus schlossen bei diesen Untersuchungen die 95 %-Konfidenzintervalle für den Kappa-Wert auch die „0“ mit ein, womit kein signifikanter Unterschied zur durch Zufall erwarteten Übereinstimmung nachgewiesen werden konnte.
Für den allgemeinen Ansatz, bei dem alle untersuchten Fälle berücksichtigt wurden und zwischen der Ursache für die Nichtauswertbarkeit unterschieden wurde, lag der Fleiss-Kappa-Wert bei den Frauen bei 0,86 (95 %-KI: 0,81–0,90; p < 0,001; 92,4 % Übereinstimmung) und bei 0,76 (95 %-KI: 0,70–0,82; p < 0,001; 88,1 % Übereinstimmung) bei den Männern, was als gute bzw. sehr gute Übereinstimmung anzusprechen ist [30].
Diskussion
Da in der vorliegenden Studie alle Individuen, bei denen ein Stadium nach Roberts et al. bestimmt werden konnte, älter als 18,00 Jahre alt waren, scheinen die Ergebnisse die Kernaussage von Roberts et al. zu stützen, dass die Methode zum Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres geeignet ist – jedoch waren auch alle Individuen, bei denen ein Stadium RWC‑A nachgewiesen werden konnte, bereits über 18 Jahre alt und die Fallzahlen insgesamt so gering, dass grundsätzliche Aussagen hieraus nicht abgeleitet werden sollten. Wegen der sehr geringen Fallzahlen wurde auch auf die Bestimmung statistischer Maßzahlen verzichtet, da nicht von einer verlässlichen Aussagekraft ausgegangen werden konnte. Überhaupt sind nach Ansicht der Autoren der gegenständlichen Studie zwei Aspekte der Ergebnisse von besonderer Bedeutung, die hier daher besonders diskutiert werden sollen: die sehr geringe Quote von nur 5,14 % der untersuchten Fälle, bei denen konsensual überhaupt ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet werden konnte, und die Tatsache, dass Konstellationen bei den Wurzelkanälen dokumentiert werden konnten, welche so in der Klassifikation von Roberts et al. nicht beschrieben worden sind.
Für die Entwicklung der untersuchten Klassifikation werteten Roberts et al. insgesamt 2000 OPG von je 1000 Frauen und Männern im Alter von 16,00 bis 25,99 Jahren aus [27]. Damit deckt sich die Altersspanne mit dem in der vorliegenden Studie untersuchten Kollektiv. Bemerkenswert ist außerdem, dass auch Roberts et al. ihre OPG aus zahnklinischen Archiven (Guy’s and St Thomas’ NHS Foundation Trust, London, UK) akquirierten, was dem Vorgehen für die vorliegende Studie gleicht. Jedoch unterscheiden sich die Fälle, in denen ein Stadium zugeordnet werden konnte, gravierend: Roberts et al. konnten bei insgesamt 1058 Röntgenbildern ein Stadium zuordnen – das entspricht einer Quote von 52,9 % der untersuchten OPG und liegt damit rund um den Faktor 10 höher als in der vorliegenden Studie (5,14 % bei der konsensualen Auswertung). Als Erklärung kann angeführt werden, dass Roberts et al. nicht so eindeutige Ausschlusskriterien definiert haben, jedoch ist zu berücksichtigen, dass einige der Ausschlusskriterien, welche für die vorliegende Studie explizit definiert wurden, eine Anwendung der Methode grundsätzlich ausschließen und daher, auch nicht explizit formuliert, automatisch zur Anwendung kommen, wie z. B. das Fehlen des Zahnes 38 oder das Fehlen des Zähne 36 und/oder 37. Es ist aber dahingehend nicht klar, ob Roberts et al. ggf. eine Vorselektion der Röntgenbilder durchführten. Für die vorliegende Studie wurde sich darüber hinaus entschieden, auch Zähne mit kleinen kariösen Läsionen bzw. Restaurationen auszuschließen, da ein Einfluss auf die Merkmalsausbildung, beispielsweise über eine Induktion der Tertiärdentinbildung, nicht ausgeschlossen werden kann [31,32,33,34]. Ein vergleichbares Vorgehen ist von Roberts et al. nicht dokumentiert.
Roberts et al. konnten ein Ansteigen der Mindestalter in den einzelnen Stadien nachweisen, was grundsätzlich für eine Korrelation der Stadien mit dem Lebensalter spricht [27]. Dieser Zusammenhang konnte jedoch im vorliegenden Kollektiv nicht beobachtet werden, da das Alter des Mannes, bei dem das Stadium RCW‑B nachgewiesen werden konnte, mit 22,4 Jahren über dem Mindestalter im Stadium RCW‑C bei den Männern mit 21,23 Jahren lag, wobei die Werte aufgrund der geringen Fallzahl nur von eingeschränkter Aussagekraft sind.
Für die Methode von Roberts et al. liegt bereits eine erste Validierungsstudie vor [35]. Davidson et al. publizierten im Jahr 2021 ihre Untersuchungen an insgesamt 947 OPG von südafrikanischen Individuen im Alter von 16,00 bis 23,99 Jahren [35]. Neben der Differenzierung der beiden Geschlechter unterschieden Davidson et al. auch zwischen Südafrikanern weißer Hautfarbe und Südafrikanern schwarzer Hautfarbe. Davidson et al. konnten bei insgesamt 604 OPG ein Stadium nach Roberts et al. zuordnen, was einer Quote von 63,78 % entspricht und damit noch über der Quote von Roberts et al. liegt. Davidson et al. geben explizit an, dass sie Zähne mit Karies, Restaurationen oder Abrasion nicht ausgeschlossen haben. Die Autoren räumen aber ein, dass diese Faktoren wahrscheinlich einen Einfluss auf die untersuchte Methode haben und die Ausschlusskriterien nur deshalb nicht um diese Faktoren ergänzt wurden, weil diese in der Originalpublikation nicht genannt wurden. Die Mindestalter im Stadium RCW‑C lagen bei Davidson et al. bei allen untersuchten Subgruppen über dem 18. Lebensjahr. Für das Stadium RCW‑A wurden ausschließlich Mindestalter kleiner als 18 Jahre gefunden. Für das Stadium RCW‑B wurden, je nach untersuchter Subgruppe, sowohl Mindestalter kleiner 18 Jahre als auch größer 18 Jahre nachgewiesen. Davidson et al. schlussfolgern für ihre Studie, dass die grundsätzliche Eignung des Stadiums RCW‑C zum Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres nachvollzogen werden konnte, die Methode allein jedoch nicht zur Prüfung der Vollendung des 18. Lebensjahres einer Person verwendet werden sollte. Davidson et al. sehen die Methode von Roberts et al. bestenfalls als Ergänzung zu bereits etablierten Methoden im praktischen Einsatz an [35].
Problem der nichtrepräsentierten Befunde
Besonders bemerkenswert an den Ergebnissen von Davidson et al. ist, dass sie, vergleichbar mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie, ebenfalls Fälle vorfanden, bei denen die Klassifikation von Roberts et al., bei ansonsten auswertbaren OPG, nicht nachvollzogen werden konnte [35]. Davidson et al. gruppierten diese Fälle in die eigens geschaffene Kategorie RCW‑U. In dieser Kategorie kamen bei Davidson et al. insgesamt 343 Fälle zusammen, was einer Quote von 36,22 % entspricht [35]. In der vorliegenden Studie lag dieser Wert bei 4,98 % der gesamten Kohorte, wobei berücksichtigt werden muss, dass grundsätzlich wesentlich weniger Röntgenbilder als auswertbar klassifiziert wurden. Aufgrund der Tatsache, dass die Methode von Roberts et al. in einer wesentlichen Anzahl von Fällen nicht mit dem tatsächlichen Befund in Deckung zu bringen ist, wird die grundsätzliche Frage aufgeworfen, inwieweit die Methode eine allgemeingültige Entwicklungsabfolge nachzeichnet oder nicht vielmehr zeitlich voneinander unabhängige Zustände beschrieben werden. So muss insgesamt hinterfragt werden, ob das Stadium RCW‑C einen Zustand abbildet, dem die Zahnentwicklung allgemeingültig zustrebt. Insbesondere muss aber bezweifelt werden, dass das Stadium RCW‑B eine universale Zwischenstufe zwischen den Stadien RCW‑A und RCW‑C darstellt, welches von allen Individuen regelhaft durchlaufen wird.
Problem der willkürlichen Stichprobe
Grundsätzlich kann ein Einfluss der Selektion der Röntgenbilder auf die Ergebnisse nicht ausgeschlossen werden. Es ist ein bereits von Roberts und Lucas im Jahr 2021 diskutiertes Problem von Studien zur forensischen Altersschätzung mit dentalen radiographischen Methoden, dass prospektive und tatsächlich randomisierte Kohorten aufgrund von ethischen Restriktionen, mit Blick auf die Strahlenexposition durch die Röntgenuntersuchungen, nicht möglich sind [36]. Damit muss für derartige Studien regelhaft auf Röntgenbilder zurückgegriffen werden, welche aufgrund medizinischer Indikationen angefertigt wurden. Dies war damit auch für die vorliegende Studie, die Kohorte der Originalpublikation von Roberts et al. sowie die Kohorte der Validierungsstudie von Davidson et al. der Fall [27, 35]. Kohorten dieser Art werden auch als „willkürliche Stichproben“ (engl. „convenience sample“) bezeichnet [36, 37] – für diese Stichproben wurde auch das Motto „Man nimmt, was man kriegen kann“ angeführt [37]. Es wird aber davon ausgegangen, dass solche willkürlichen Stichproben von kieferorthopädischen Patienten und jungen Erwachsenen mit Weisheitszahnproblemen im Wesentlichen im Sinne der gegenständlichen Fragestellung eine normale Entwicklung aufweisen und damit für die entsprechenden Studien verwendet werden können. Roberts und Lucas heben aber hervor, dass klinische und/oder pathologische Anomalien zum Ausschluss der Personen aus der Kohorte führen müssen [36]. Für die vorliegende Studie wurde der Ansicht von Roberts und Lucas gefolgt, und es wurden entsprechend restriktive Ausschlusskriterien formuliert. Auch Davidson et al. heben, wie oben bereits angeführt, in ihrer Validierungsstudie die Möglichkeit des Einflusses pathologischer Veränderungen auf die von Roberts et al. beschriebene Methode hervor [35]. Abschließend ist es nicht nachvollziehbar, warum von Roberts et al. für die Entwicklung der Methode auf die Formulierung restriktiver Ausschlusskriterien bei pathologischen Veränderungen verzichtet wurde. Es bleibt auch im Unklaren, ob von Roberts et al. im Vorfeld ggf. eine Vorselektion der Röntgenbilder stattgefunden hat, was die vorgelegten Ergebnisse auch erklären könnte. Der geringe Prozentsatz bei der Anwendbarkeit der Methode in der vorliegenden Arbeit ist insgesamt auch auf die Anwendung restriktiver Ausschlusskriterien zurückzuführen, welche aber grundsätzlich wegen der Besonderheiten der willkürlichen Stichprobe notwendig sind.
Problem der Sichtbarkeit der Wurzelkanäle
In 10,61 % der Fälle waren alle relevanten Zähne vorhanden, keine Pathologien nachweisbar und die Nichtauswertbarkeit nur deshalb gegeben, da die Wurzelkanäle des Zahnes 38 nicht sicher abzugrenzen waren. Diese Tatsache ist deshalb bemerkenswert, da die Sichtbarkeit der Wurzelkanäle der 3. Molaren im OPG ein bekanntes Merkmal zur forensischen Altersschätzung ist [16, 23, 26, 38,39,40,41]. Mit zunehmendem Alter nimmt die Sichtbarkeit der Kanäle ab. Von Olze et al. im Jahr 2010 beschrieben, gilt die Methode heute als grundsätzlich zur Altersschätzung lebender Personen geeignet [16, 40, 42]. Die Methode wird derzeitig darüber hinaus auch zum Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres als geeignet angesehen, was durch mehrere Autorengruppen bestätigt werden konnte [23, 26, 38, 41, 42]. Es wird angenommen, dass der Methode eine physiologische Verdickung und Verdichtung des mandibulären Knochens im Bereich der Weisheitszähne zugrunde liegt. Als zusätzliche Komponente kommt die Sekundärdentinbildung in der Wurzelpulpa in Betracht. Die Eignung der Methode für unterschiedliche Ethnien ist dagegen noch nicht hinreichend untersucht.
Durch die abnehmende Sichtbarkeit der Wurzelkanäle des Zahnes 38 mit zunehmendem Alter wird die Anwendung der Methode von Roberts et al. in gleichem Maße erschwert bzw. unmöglich. Diese Tatsache muss als ein Nachteil der Methode von Roberts et al. angesprochen werden.
Beobachterübereinstimmungen
Roberts et al. führten für ihre Publikation der Methode Untersuchungen zu den Beobachterübereinstimmungen durch. Für die Zwischen- und Binnenbeobachterübereinstimmung konnten sie Cohe-Kappa-Werte von 0,97 (97,97 %) bzw. 0,93 (96,43 %) erzielen [19]. Damit liegen die Werte deutlich über den Werten der gegenständlichen Untersuchung. Zwischen den beiden Untersuchungen für die Binnenbeobachterübereinstimmung, bei der alle 2000 OPG reevaluiert wurden, lag bei Roberts et al. ungefähr ein Jahr. Für die Zwischenbeobachterübereinstimmung wurden 200 OPG von einem zweiten Untersucher ausgewertet.
Für die vorliegende Arbeit wurde für die Binnenbeobachterübereinstimmung zwischen zwei Ansätzen unterschieden, bei denen zum einen nur die Fälle ausgewertet wurden, bei denen der Untersucher in mindestens einem Durchgang ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet hat, bzw. bei denen mindestens ein Untersucher ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet hat (zentrierter Ansatz). Der zentrierte Ansatz nimmt die Frage nach der Reliabilität der Stadien nach Roberts et al. in den Fokus. Für den zweiten Ansatz, bei dem jeweils alle Fälle berücksichtigt wurden, wurde außerdem unterschieden, ob die Nichtauswertbarkeit wegen einer unvollständigen Mineralisation des Zahnes 38 oder wegen des Vorliegens eines der anderen Ausschlusskriterien gegeben war (allgemeiner Ansatz). Das Vorgehen der zwei Ansätze wurde deshalb gewählt, weil die Anzahl der Fälle, in denen ein Stadium nach Roberts et al. zugeordnet wurde, gering war. Daher wird beim allgemeinen Ansatz, bei dem jeweils alle Fälle berücksichtigt werden, nur in sehr geringem Maße tatsächlich die Reliabilität der Stadien nach Roberts et al. gemessen. Vielmehr wird beim allgemeinen Ansatz in erster Linie die Übereinstimmung in der Frage nach der abgeschlossenen Entwicklung des dritten Molaren oder einer Nichtauswertbarkeit untersucht.
Da die Kappa-Werte für den allgemeinen Ansatz, bei dem alle Fälle eingeflossen sind, deutlich über dem auf den Stadien nach Roberts et al. zentrierten Ansatz liegen, wird deutlich, dass die Stadien nach Roberts et al. wenig reproduzierbar sind. Die deutlich besseren Kappa-Werte für den allgemein Ansatz spiegeln dagegen eher die Qualifikation der Untersucher in Bezug auf die Zuordnung des Stadiums H nach Demirjian und der anderen Ausschlusskriterien wider. Es ist zu berücksichtigen, dass die ermittelten Kappa-Werte in der vorliegenden Studie auch für die Untersuchungen des allgemeinen Ansatzes unter den von Roberts et al. publizierten Werten liegen. Darüber hinaus schlossen bei diesen Tests die 95 %-Konfidenzintervalle für den Kappa auch die „0“ mit ein, womit kein signifikanter Unterschied zur durch Zufall erwarteten Übereinstimmung nachgewiesen werden konnte. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Stichprobengröße (Anzahl der auswertbaren Fälle) klein ist – was als Ursache für dieses Ergebnis mitbedacht werden muss.
Auch im Rahmen der Validierungsstudie von Davidson et al. wurden Untersuchungen zur Beobachterübereinstimmung durchgeführt [35]. Die Autoren unterschieden dabei zwischen den Auswertungen inkl. ihres Stadiums RCW‑U und ohne RCW‑U. Für die Auswertung mit Berücksichtigung von RCW‑U lagen die Kappa-Werte für die Binnen- und Zwischenbeobachterübereinstimmung bei 0,81 (88 %) bzw. 0,58 (71,50 %). Für die Auswertungen ohne Berücksichtigung von RCW‑U lagen die entsprechenden Werte bei 0,78 (63 %) bzw. 0,63 (81,07 %). Die Werte für die Beobachterübereinstimmungen sind aufgrund der unterschiedlichen Verfahren und aufgrund der unterschiedlichen Anzahl der Untersucher nur eingeschränkt mit den Werten der vorliegenden Arbeit vergleichbar. Es soll dennoch herausgestellt werden, dass die Werte, wie sie von Davidson et al. erzielt werden konnten, deutlich unter den von Roberts et al. erzielten Werten liegen.
Problematisch bei der Anwendung der Methode ist weiterhin, dass eine Mustererkennung durchgeführt werden soll. Durch diesen Ansatz sind Referenzpunkte nicht vorgesehen. Da sich aber oftmals die 1. und 2. Molaren in der Form und Größe von den 3. Molaren unterscheiden, ist der Vergleich der Wurzelkanalweiten bzw. eine Mustererkennung in diesen Fällen schwierig. Ein Beispiel für einen derartigen Befund zeigt Abb. 8. Beispielsweise kann die Weite grundsätzlich auf verschiedenen Höhen bestimmt bzw. verglichen werden. Insgesamt muss der Ansatz der Mustererkennung, auch vor dem Hintergrund der Werte für die Zwischenbeobachterübereinstimmung, kritisch hervorgehoben werden.
Fazit für die Praxis
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Insgesamt war die von Roberts et al. im Jahr 2016 vorgestellte Methode nur in einer geringen Anzahl der Fälle anwendbar, die Werte für die Zwischenbeobachterübereinstimmung lagen deutlich unter dem von Roberts et al. publizierten Wert, und es ist nicht abschließend geklärt, ob die von Robert et al. erdachte Klassifikation einer allgemeingültigen Entwicklungsabfolge entspricht. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wird aktuell von der praktischen Anwendung der Methode abgeraten. Wie bereits von Davidson et al. im Rahmen einer ersten Validierungsstudie im Jahr 2021 angeführt, kann die Anwendung der Methode im Sinne einer ergänzenden Zusatzinformation diskutiert werden, wobei auch hierzu nach Ansicht der Verfasser der vorliegenden Studie zunächst weitere Untersuchungen notwendig sind.
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Die Methode nach Roberts et al. erfüllt aktuell nicht den Anspruch einer geeigneten Methode zum sicheren Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres lebender Personen.
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M. Timme, J. Borkert, L. Steffens, D. Shay und A. Schmeling geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle beschriebenen Untersuchungen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Westfälischen Wilhelms-Universität (AZ 2019-322-f-S), sowie im Einklang mit nationalem Recht durchgeführt.
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Timme, M., Borkert, J., Steffens, L. et al. Zur Anwendbarkeit der dentalen Methode von Roberts et al. aus dem Jahr 2016 zum Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres lebender Personen. Rechtsmedizin 32, 162–171 (2022). https://doi.org/10.1007/s00194-021-00535-z
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