Einleitung

Die forensische Altersdiagnostik kann ein entscheidendes Instrument zur Durchführung rechtsstaatlicher Verfahren sein. Insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender grenzüberschreitender Migrationsbewegungen und einer in diesem Zusammenhang ansteigenden Anzahl an Personen mit unklaren oder zweifelhaften Altersangaben kann die Altersdiagnostik die Durchführung von altersentsprechenden Verfahren ermöglichen. Dabei liegt eine besondere Verantwortung in der Vermeidung fehlerhafter Altersdiagnosen, im Speziellen von Altersüberschätzungen, welche sich nachteilig für die jeweilige Person auswirken könnten. Sich diesen Herausforderungen stellend, ist die forensische Altersdiagnostik zu einem Schwerpunkt der rechtsmedizinischen Forschung geworden [1,2,3,4,5,6,7,8,9].

Bei Verfahren der Altersbegutachtung werden die Skelett- und Zahnentwicklung der untersuchten Person mit Referenzpopulationen verglichen. Gemäß den aktualisierten Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik (AGFAD) der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin werden dazu die Entwicklung des Handskeletts im Röntgenbild, die Entwicklung der dritten Molaren in der Panoramaschichtaufnahme (PSA bzw. OPG) und, bei radiologisch abgeschlossener Entwicklung des Handskeletts, die Entwicklung der medialen Schlüsselbeinepiphysen in der Computertomographie (CT) herangezogen [4, 10, 11].

Soll das Überschreiten juristisch relevanter Altersgrenzen mit dem höchsten Beweismaß bewertet werden, ist bei der Beurteilung das niedrigste Alter maßgeblich, in dem die festgestellte Merkmalsausprägung, also der jeweilige Grad der Entwicklung, wie er bei der untersuchten Person vorliegt, in einer Referenzpopulation nachgewiesen werden konnte. Da mehrere Merkmalssysteme bei der Altersdiagnostik berücksichtigt werden, ist das höchste für die jeweilige Untersuchung festgestellte Mindestalter anzunehmen. Durch dieses „Mindestalterkonzept“ ist es nahezu ausgeschlossen, dass das forensische Alter der untersuchten Person zu hoch angegeben wird [4].

Nachdem in den vergangenen Jahren ein Schwerpunkt auf der Verfeinerung der Methodik wie der Stadiensysteme der Merkmalsausprägungen, der Technik der Bildgebung sowie der Generierung von Referenzwerten lag, ist es weiterhin von Interesse, welche Faktoren die Entwicklung der untersuchten Merkmale beeinflussen können [3, 7, 12]. Dies ist zum einen von Bedeutung, damit im Einzelfall Personen mit einer besonderen Beeinflussung der Merkmalssysteme von der Altersbegutachtung ausgeschlossen werden können, wenn ihre spezielle Situation nicht in der Referenzpopulation abgebildet ist. Zum anderen ist eine genaue Kenntnis über die beeinflussenden Faktoren von Bedeutung, damit diese bei der Zusammensetzung von Referenzpopulationen bzw. bei der konkreten Auswahl der im Einzelfall heranzuziehenden Referenzwerte berücksichtigt werden können.

Ein möglicher Einflussfaktor auf die Entwicklung ist beispielsweise der Ernährungsstatus. Timme et al. untersuchten in einer aktuellen Studie den Einfluss des Body-Mass-Index (BMI) als Indikator für den Ernährungsstatus auf die Skelett- und Zahnentwicklung und konnten dabei keinen Zusammenhang zwischen dem Ernährungsstatus und der Zahnentwicklung nachweisen. Die Autoren unterstreichen dabei die Bedeutung der Untersuchung weiterer möglicher Einflussfaktoren auf die Merkmale der forensischen Altersdiagnostik [13].

Beim Skelettalter wird davon ausgegangen, dass Populationsunterschiede nicht auf genetische Faktoren zurückzuführen sind, sondern vom sozioökonomischen Status (SES) einer Population abhängen. Dabei geht ein vergleichsweise höherer SES mit einem fortgeschrittenen Skelettalter einher [14]. Dieser Zusammenhang wurde in verschiedenen, geografisch abgrenzbaren Kollektiven und innerhalb von regionalen Kollektiven beschrieben [14, 15].

Für die Zahnentwicklung wird angenommen, dass sie weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen abläuft und im Wesentlichen genetisch determiniert ist [16,17,18,19]. Eine Diskrepanz zwischen Skelettalter und Zahnalter der zu begutachtenden Person kann demzufolge darauf hinweisen, dass Skelettreifungsstörungen, z. B. verursacht durch endokrine Störungen, vorliegen [4].

In dieser Studie sollte der Einfluss des SES auf die Skelettentwicklung sowie auf die Zahnentwicklung innerhalb eines lokalen Kollektivs untersucht werden. Die Ausgangshypothese war, dass ein vergleichsweiser höherer SES mit einer fortgeschrittenen Skelettentwicklung einhergeht. Außerdem wurde angenommen, dass die Zahnentwicklung unabhängig vom SES ist.

Material und Methode

Für die vorliegende Studie wurden insgesamt 670 Freiwillige im Alter von 12 bis 24 Jahren prospektiv untersucht. Dabei handelte es sich um 335 weibliche und 335 männliche Teilnehmer. Die Zusammensetzung der Studienpopulation nach Alter und Geschlecht sowie die tatsächlich im Rahmen des Regressionsanalysen ausgewerteten Fälle zeigt Tab. 1. Die Altersgruppen umfassten immer volle Jahre, d. h., dass in der Altersgruppe „24 Jahre“ Personen im Alter von 24,00 bis 24,99 Jahren zusammengefasst wurden. Das Alter sowie ein Geburtsort innerhalb Deutschlands mussten durch offizielle Dokumente belegt werden. Nach umfassender Aufklärung wurde von allen Teilnehmern eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt – für die minderjährigen Teilnehmer musste außerdem das schriftliche Einverständnis der Eltern vorliegen. Für diese Studie lag ein positives Votum der zuständigen Ethikkommission vor.

Tab. 1 Zusammensetzung der Studienpopulation nach Alter und Geschlecht; Fälle insgesamt und tatsächlich ausgewertete Fälle (tatsächlich ausgewertet/insgesamt)

Die Aufnahmen mit dem Magnetresonanztomographen (MRT) (Philips 3,0 T Achieva; Fa. Philips Medical Systems, Hamburg, Deutschland) wurden im Translational Imaging Center (TRIC) der Klinik für Radiologie des Universitätsklinikums Münster durchgeführt. Die Befundung der Bilder erfolgte an einem abgedunkelten Arbeitsplatz (View Forum Workstation; Fa. Philips Medical Systems, Hamburg, Deutschland).

Für das Skelettalter wurden folgende Regionen ausgewertet: die mediale Klavikulaepiphysenfuge, die proximale Epiphysenfuge der Tibia, die distale Epiphysenfuge des Femurs, die distale Epiphysenfuge des Radius. Der Ossifikationsgrad der Epiphysenfugen wurde mithilfe der Stadieneinteilungen nach Schmeling et al. (2004) [20] und Kellinghaus et al. (2010) [21] bestimmt.

Die Zahnentwicklung wurde jeweils am linken unteren dritten Molaren bewertet. Dazu wurde dem Zahn jeweils ein Entwicklungsstadium nach Demirjian (1973) [22] in der Modifikation von Mincer et al. (1993) [23] zugeordnet.

Darüber hinaus wurde der sozioökonomische Status (SES) der Teilnehmer erfasst. Dazu wurde der Bildungsgrad der Eltern erfragt. Es wurden folgende Bildungsgrade unterschieden, welche sich an der International Standard Classification of Education (ISCED) der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) orientierten [24]: kein Schulabschluss (1), Hauptschulabschluss (2), Realschulabschluss (3), Abitur (4), abgeschlossene Berufsausbildung (5), abgeschlossenes Fachhochschulstudium (6), abgeschlossenes Universitätsstudium (7), Promotion (8), Habilitation (9). Zur Auswertung wurden die Bildungsgrade in 3 Stufen zusammengefasst, wobei sich an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie zur Messung soziodemografischer Merkmale in epidemiologischen Studien orientiert wurde, welche die Differenzierung von 3 Statusgruppen (Leveln) vorschlagen [25]: Level 1 (niedriges Bildungslevel): Bildungsgrade 1–4; Level 2 (mittleres Bildungslevel): Bildungsgrade 5 + 6, Level 3 (hohes Bildungslevel): Bildungsgrade 7–9.

Der Zusammenhang zwischen den untersuchten Merkmalen und dem Bildungsniveau der Eltern wurde mithilfe von Regressionsanalysen untersucht. Dabei wurden das höchste Bildungsniveau der Eltern sowie das additiv kombinierte Bildungsniveau beider Eltern berücksichtigt. Außerdem wurde der Einfluss auf den Gesamtentwicklungsgrad des Skeletts (alle ossären Merkmale ohne Zahnentwicklung) untersucht.

Für die Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen wurden der Regressionskoeffizient (β) mit 95 %-Konfidenzintervall (KI), das Bestimmtheitsmaß (r2) sowie die p-Werte angegeben.

Ergebnisse

Bei einigen Teilnehmern konnten nicht alle Skelettregionen untersucht werden, da die Untersuchungen im Magnetresonanztomographen (MRT) wegen Unwohlsein oder anhaltender Bewegung abgebrochen werden mussten (Tab. 1). Dass bei 287 männlichen und bei 294 weiblichen Individuen alle Daten erhoben werden konnten (87 %), zeigt Tab. 1. Diese Fälle bilden letztlich die Grundlage für die Regressionsanalysen. Die Zusammensetzung der Studienpopulation nach sozioökonomischem Status (SES) und Entwicklungsstadien der untersuchten Merkmale zeigt Tab. 2.

Tab. 2 Charakteristika der untersuchten Studienpopulation (n = 670)

Das Ausbildungsniveau der Mütter der Teilnehmer reichte vom Hauptschulabschluss (n = 7) bis zur Habilitation (n = 2). Bei den Vätern der Teilnehmer war ein Ausbildungsniveau von „kein Schulabschluss“ (n = 1), Hauptschulabschluss (n = 8) bis zur Habilitation (n = 11) vertreten. Insgesamt hatten bei den Müttern der Teilnehmer 5,5 % ein niedriges, 60,5 % ein mittleres und 33,9 % ein hohes Ausbildungslevel. Für die Väter lagen die entsprechenden Werte bei 4,5 %, 48,7 % bzw. 46,8 % (Tab. 2). Insgesamt unterschied sich das Ausbildungslevel der Eltern der Teilnehmer nicht zwischen deren Geschlechtern (p = 0,52 bzw. p = 0,96).

Die Ossifikation war mit einem mittleren Stadium von 3c bzw. 4 für Tibia, Femur und Radius insgesamt weit fortgeschritten. Für die mediale Klavikulaepiphysenfuge lag der mittlere Entwicklungsgrad bei 3a. Die Weisheitszähne waren bei beiden Geschlechtern im Mittel entsprechend einem Grad F nach Demirjian (1972) entwickelt.

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen zeigt Tab. 3. Es konnte für keine Untersuchung ein Zusammenhang zwischen SES und den evaluierten Merkmalen festgestellt werden.

Tab. 3 Ergebnisse der Regressionsanalysen

Das Bestimmtheitsmaß als Maß für die globale Anpassungsgüte und somit als aussagekräftigster Parameter im Sinne der Forschungsfrage [26] lag für alle Untersuchungen unter r2 = 0,01. Dies bedeutet, dass weniger als 1 % der Varianz in den evaluierten Merkmalen auf Unterschiede im SES zurückführbar war.

Die Werte für den Regressionskoeffizienten (β) lagen für die Untersuchungen zwischen β = 0,10 und β = −1,36.

Diskussion

Insgesamt konnte keine Evidenz für einen Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau der Eltern und dem Entwicklungsgrad der untersuchten ossären Merkmale festgestellt werden. Dies gilt sowohl für den Ansatz, wenn nur der jeweils höhere Bildungsabschluss der Eltern in die Untersuchung einbezogen wurde, als auch, wenn beide Bildungsabschlüsse der Eltern im Sinne eines Gesamtbildungsniveaus berücksichtigt wurden (Tab. 3). Es konnte für beide Geschlechter explizit auch kein Zusammenhang festgestellt werden, wenn alle untersuchten ossären Merkmale, im Sinne einer Gesamtskelettentwicklung, zusammengefasst wurden.

Ferner konnte kein Zusammenhang zwischen dem Stadium der Zahnentwicklung und dem Bildungsniveau der Eltern nachgewiesen werden. Damit ist im untersuchten Kollektiv neben der Skelettentwicklung auch die Zahnentwicklung bei beiden Geschlechtern unabhängig vom sozioökonomischen Status (SES). Dieses Ergebnis für die Zahnentwicklung war, im Gegensatz zum Ergebnis für die Skelettentwicklung, im Rahmen der Forschungshypothese erwartet worden.

Mit dem Begriff „sozioökonomischer Status“, für den synonym auch der Terminus „Sozialstatus“ verwendet wird, wird synoptisch die Stellung eines Menschen innerhalb einer Gesellschaft beschrieben. Zur Bestimmung des SES wird zumeist auf Informationen zur schulischen und zur beruflichen Bildung zurückgegriffen. Darüber hinaus können Informationen zur beruflichen Stellung und zur Einkommenssituation berücksichtigt werden [25]. Für die Feststellung des SES von Kindern ist der Ansatz etabliert, auf das Bildungsniveau, die berufliche Stellung, sowie das Einkommen der Eltern zurückzugreifen [27]. Aus Praktikabilitätsgründen wurde in der vorliegenden Studie der Einkommensstatus der Eltern nicht erfasst. Von den Teilnehmern, die älter als 18 Jahre alt waren, wurde nicht der eigene bisher erreichte Bildungsabschluss oder angestrebte Abschluss festgehalten, sondern auch der Bildungsabschluss der Eltern, um die Erfassung einheitlich zu halten.

Für einen Vergleich der Häufigkeiten der Bildungsabschlüsse bei den Eltern der Studienteilnehmer mit der Normalbevölkerung in Deutschland ist zu berücksichtigen, dass in der vorliegenden Studie immer der höchste erreichte Bildungsabschluss angegeben wurde. Die Daten aus den Mikrozensusumfragen, welche vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden, führen Schul- bzw. Berufsabschlüsse getrennt auf [28]. Daher sind insbesondere die Level 2 und 3 der vorliegenden Studie mit den Daten des Statistischen Bundesamtes vergleichbar, da hier die Schulabschlüsse unberücksichtigt bleiben und es nicht zu Doppelzählungen (Schulabschluss und berufliche Bildung) kommt. Nach den Daten des Mikrozensus wiesen etwa 9,5 % der Bevölkerung in Deutschland einen Bildungsabschluss entsprechend Level 3 auf. Etwa 63 % wiesen einen Bildungsabschluss auf, welcher dem Level 2 entspricht [28]. Mit Blick auf die Ergebnisse der vorliegenden Studie fällt auf, dass insbesondere das Level 3, also ein hoher Bildungsabschluss im Sinne von universitären Abschlüssen, deutlich überrepräsentiert ist. Die Studienkohorte bildet daher nicht die Situation der Normalbevölkerung ab, wobei der SES der Teilnehmer insgesamt höher als der in der Normalbevölkerung ist. In der Gesamtbeurteilung konnte für die Mütter und Väter der Studienteilnehmer bei 40 % ein hohes Bildungslevel festgestellt werden. Insbesondere bei den Vätern der Studienteilnehmer konnte mit 46 % bei fast der Hälfte ein universitärer Abschluss festgestellt werden. Sehr niedrige Bildungsabschlüsse im Sinne von einem fehlenden Schulabschluss bzw. dem Hauptschulabschluss als höchstem erreichten Bildungsabschluss waren insgesamt in unserem Kollektiv nur sehr selten vertreten (2,3 %). Somit bildet das Studienkollektiv eine Gruppe von Personen mit einem im Vergleich zur Normalbevölkerung in Deutschland höheren SES.

In der Literatur liegen Daten zum Zusammenhang zwischen dem SES und dem Skelettalter vor. Diese Daten stammen überwiegend aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen [15, 29,30,31,32]. Im Jahr 2010 untersuchten Chaumoitre et al. den Zusammenhang zwischen dem SES und dem Skelettalter bei 623 Kindern im Alter von 6 bis 18 Jahren in Marrakesch, Marokko [15]. Die Skelettentwicklung wurde nach der Methode von Greulich und Pyle evaluiert. Die Autoren fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen SES und Skelettalter, wobei ein niedriger SES mit einem niedrigeren Skelettalter assoziiert war. Chaumoitre et al. definierten in ihrer Studie den SES in 2 Kategorien: privilegiert und nichtprivilegiert. Dabei wurden folgende Aspekte berücksichtigt: Beruf der Eltern, Bildungsniveau der Eltern, Fähigkeit der Eltern, zu lesen und zu schreiben, Haushaltsgröße, Zusammensetzung der Familie. Bei den Kriterien der Autoren für den SES fällt auf, dass diese nicht direkt mit den Kriterien der vorliegenden Studie zu vergleichen sind. Es ist davon auszugehen, dass die Unterschiede in den Lebensumständen zwischen den „Privilegierten“ und den „Nichtprivilegierten“ deutlich höher sein dürften als die Unterschiede zwischen den Leveln 1 und 3 in der vorliegenden Studie.

Ein Zusammenhang zwischen dem SES und dem Skelettalter konnte auch in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen festgestellt werden. Dabei war ein relativ niedriger SES immer mit einer zurückgebliebenen Skelettentwicklung verbunden. Die Methodik der Erfassung des SES sowie die Altersspanne der Kohorten variiert jedoch deutlich [29,30,31]. So rekrutierten Linhares et al. etwa ihr Kollektiv in Brasilien im Jahr 1986 an Kindern, mit denen sie beim Schuheputzen oder Betteln in Kontakt kamen. Auch hier wird deutlich, dass ein derart niedriges Level beim SES in der vorliegenden Studie nicht abgebildet ist.

In Bezug auf die Altersspanne des untersuchten Kollektivs ist festzustellen, dass beispielsweise Elamin et al. im Jahr 2017 im Nordsudan ein Kollektiv im Alter vom 3 bis 25 Jahren untersuchten. Damit sind in dieser Studie auch wesentlich jüngere Kinder als in der vorliegenden Arbeit untersucht worden [30]. Den SES ermittelten Elamin et al. über die Art der Krankenversicherung bzw. über die Art der besuchten Schule (staatlich oder privat) [30]. Es kann geschlussfolgert werden, dass der SES nur dann Einfluss auf das Skelettalter nimmt, wenn sich die Lebensumstände zwischen den einzelnen SES-Leveln auch tatsächlich deutlich unterscheiden. Von einer solchen Unterscheidung der Lebensumstände bei den Teilnehmern ist für die vorliegende Studie nicht auszugehen. In der Zusammenschau wird zudem deutlich, wie heterogen zum einen die Kollektive in den unterschiedlichen Studien sind, v. a. aber auch, wie unterschiedlich der SES ermittelt wurde. Für zukünftige Studien ist eine einheitliche Erfassung des SES, z. B. nach den spezifischen Kriterien der KiGGS-Studie [27], wünschenswert.

Für Länder mit hohem Einkommen liegen aktuelle Daten von Alshamrani und Offiah (2020) vor [33]. Die Autoren untersuchten 2 unterschiedliche Stadiensysteme für die Handskelettentwicklung an einer englischen Population unterschiedlicher Ethnien im Alter von 2 bis 15 Jahren in der Region Sheffield. Der SES wurde über die jeweilige Postleitzahl ermittelt: Über die Postleitzahl wurde per Abgleich mit einer entsprechenden Datenbank („index of multiple deprivation“) auf den SES rückgeschlossen. Dieser Ansatz ist grundsätzlich kritisch zu sehen, da keine Angaben über den tatsächlichen SES der Studienteilnehmer vorlagen. Alshamrani und Offiah konnten nur für eine der beiden untersuchten Methoden einen Zusammenhang zwischen Skelettalter und SES feststellen. Für die Methode, welche insgesamt besser mit dem chronologischen Alter der Teilnehmer korrelierte, konnte kein Zusammenhang festgestellt werden [33]. Diese Ergebnisse können – ebenso wie die Resultate der gegenständlichen Studie – als Indiz dafür gewertet werden, dass in Ländern mit geringerem sozialen Gefälle kein offensichtlicher Zusammenhang zwischen SES und Skelettalter festzustellen ist.

Fazit für die Praxis

  • Der sozioökonomische Status (SES) der untersuchten Studienpopulation war höher als in der Allgemeinbevölkerung in Deutschland.

  • Für die Studienpopulation wurde kein Zusammenhang zwischen dem SES und der Skelett- oder Zahnentwicklung gefunden.

  • Offenbar unterschieden sich die Lebensumstände der Studienteilnehmer nicht ausreichend stark, um einen Einfluss des SES auf das Skelettalter darzustellen.