Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • kennen Sie Anatomie und biomechanische Prinzipien des Schultereckgelenks,

  • haben Sie Kenntnis der wichtigsten klinischen Untersuchungstechniken am Schultereckgelenk,

  • wissen Sie über den Einsatz der verschiedenen bildgebenden Verfahren Bescheid,

  • sind Ihnen die Differenzialdiagnosen nichttraumatologischer Veränderungen am Schultereckgelenk und deren Therapie bekannt.

Anatomie

Beim Schultereckgelenk handelt es sich um ein diarthrodiales Gelenk , bestehend aus den beiden knöchernen Gelenkpartnern Klavikula und Akromion. Zusammen mit dem Sternoklavikulargelenk stellt es die einzige echte Gelenkverbindung zwischen dem Körperstamm und dem Schultergürtel und somit auch mit der oberen Extremität dar. Nachdem zwischen den inkongruenten Gelenkpartnern ein flächenmäßiges (bis zu 50 %) Ungleichgewicht zugunsten des distalen Klavikulaendes vorliegt, wird dieses Mismatch durch einen sich nach dorsal verjüngenden triangulären fibrokartilaginären Discus articularis ausgeglichen. Er kann diskoid oder meniskoid sein mit einer Dicke von 1,5–4 mm [1]. Der hyaline Gelenkknorpel verändert bereits früh seine histologischen Eigenschaften und wandelt sich in Faserknorpel um. Dies geschieht am Akromion im Alter von 17 und am lateralen Klavikulaende mit 24 Jahren [2, 3]. Das Schultereckgelenk variiert in Größe und Form abhängig von Alter, Geschlecht und morphologischer Konfiguration. Die Breite des Akromioklavikular (AC)-Gelenkspalts misst zwischen 0,5 und 7 mm und verschmälert sich mit fortschreitendem Alter [4, 5]. In der Frontalebene variiert die sagittale Ausrichtung des Gelenkspalts von annähernd vertikal bis zu einer Angulation um 50° von schräg superolateral nach inferomedial [6]. Die Primärstabilität des AC-Gelenks ist einerseits durch die die Gelenkkapsel verstärkenden akromioklavikulären Bänder gewährleistet, andererseits durch den sehr straffen, trapezförmigen korakoklavikulären (CC) Bandkomplex. Er setzt sich zusammen aus dem medial verlaufenden Ligamentum (Lig.) conoideum und dem lateral gelegenen Lig. trapezoideum. Eine weitere wichtige anatomische Struktur stellt die deltotrapezoidale Faszie dar, gebildet aus der Pars descendens des Trapeziusmuskels und der Pars clavicularis des Deltamuskels. Sie überzieht flächig das AC-Gelenk und die beiden Gelenkpartner und trägt einen wesentlichen Anteil zur Stabilität bei.

Biomechanik

Die komplexe Anatomie am Schultereckgelenk mit primären (akromioklavikulären) und sekundären (korakoklavikulären) ligamentären Stabilisatoren, verstärkt durch muskuläre Strukturen, resultiert in einer ebenso komplexen Biomechanik. Unter vertikaler Last reißt zuerst das Lig. conoideum [7], wobei es meist zu einer intraligamentären Ruptur kommt. Zusammen mit dem CC-Bandkomplex bietet das superiore AC-Band in erster Linie vertikale Stabilität, während die dorsalen Kapselbandanteile zusammen mit der deltotrapezoidalen Faszie vorwiegend für die horizontale Stabilität verantwortlich zeichnen [8, 9, 10]. Allerdings relativieren Pastor et al. [11] in einer aktuellen biomechanischen Studie die stabilisierende Rolle der deltotrapezoidalen Faszie. Bei kombinierter Verletzung der CC-Bänder und der deltotrapezoidalen Faszie konnten die Autoren zwar eine erhöhte anteriore Rotation und laterale Translation aufzeigen, die aber aufgrund der minimalen quantitativen Unterschiede eine nur untergeordnete klinische Relevanz haben dürfte.

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Liegt eine isolierte Pathologie des Schultereckgelenks vor, können die Patienten dies in aller Regel sehr gut lokalisieren, indem sie mit dem Finger punktgenau auf das AC-Gelenk deuten. Die Inspektion kann Veränderungen im Sinne von Schwellung, Atrophie, Stufenbildung oder Rötung zeigen. Sie muss immer am entkleideten Patienten im Seitenvergleich erfolgen. Bei der Stufenbildung muss der Untersucher unterscheiden zwischen einer Instabilität mit hängendem Schultergürtel und einem prominenten distalen Klavikulaende, das eine vermeintliche Stufe lediglich vortäuscht. Die klinische Untersuchung des Schultereckgelenks darf sich nicht auf dieses selbst beschränken. Durch die Einbindung in das komplexe Gefüge des gesamten Schultergürtels müssen auch das Sternoklavikulargelenk sowie das skapulothorakale Gelenk mit untersucht werden. Anschlussinstabilitäten – sowohl ventral als auch dorsal – sind eine häufige Folge und können dem Patienten oft mehr Beschwerden bereiten als das AC-Gelenk selbst. Hier ist v. a. auf den skapulothorakalen Rhythmus zu achten mit diskreten Formen der Skapuladyskinesie. Auch neurogene, zervikal ausstrahlende Schmerzen können sich auf das Schultereckgelenk projizieren. Als spezielle Tests sind der Horizontal-Adduktions-Test (auch Cross-body-Test), der AC-joint-resisted-extension-Test und der Active-compression-Test (O’Brien-Test) zu nennen. Beim Horizontal-Adduktions-Test wird der Arm durch passive horizontale Adduktion vorbei zur Gegenschulter geführt und dabei ein Kompressions- bzw. Torsionsschmerz ausgelöst [12]. Zur Durchführung des AC-joint-resisted-extension-Tests wird der Patient aufgefordert, den 90° flektierten, im Ellenbogengelenk gebeugten Arm gegen den Widerstand des Untersuchers zu extendieren [13]. Bei Schmerzen im Bereich des Schultereckgelenks wird der Test als positiv gewertet. Beim O’Brien-Test (oder Active-compression-Test) führt der stehende Patient seinen Arm gestreckt in 90° Flexion und 10° Horizontaladduktion sowie maximale Innenrotation. Der Druck von oben löst Schmerzen aus, bei Außenrotation (Daumen nach oben) werden die Schmerzen leichter [14]. Nachdem dieser Test auch bei SLAP(superior labrum anterior to posterior)-Läsionen positiv ist, gilt es, beim Patienten exakt zu erfragen, ob der Schmerz im Inneren der Schulter oder über dem AC-Gelenk lokalisiert ist. Die höchste Genauigkeit bietet der O’Brien-Test mit 92 %, gefolgt vom AC-joint-resisted-extension-Test mit 84 % und dem Horizontal-Adduktions-Test mit 79 %, während für diesen die höchste Sensitivität beschrieben wurde [15]. Die lokale Infiltration (Lokalanästhetikum [LA]-Test) des Schultereckgelenks eliminiert den Schmerz. Im Zweifel sollte aber zunächst subakromial infiltriert werden (1 ml), da bei primärer Infiltration eines nach kaudal offenen AC-Gelenks herablaufendes Lokalanästhetikum gleichzeitig den subakromialen Schmerz ausschalten kann.

Apparative Diagnostik

Röntgen

Zur Beurteilung des Schultereckgelenks im Nativröntgen hat sich die sog. Zanca-Aufnahme als spezielle Zielaufnahme etabliert [5]. Dabei wird im a.-p.-Strahlengang (orthograd auf die Körperachse) der Strahlengang ca. 10–15° in kaudokranialer Richtung eingeneigt. Als zweite Ebene kann eine axiale Aufnahme oder Outlet-Aufnahme erfolgen. Im Nativröntgen können die Gelenkspaltbreite, Stufenbildungen, Osteophytenbildung, Osteolysen und heterotope Ossifikationen beurteilt werden. Zur Beurteilung von Instabilitäten müssen eine Panoramastressaufnahme sowie eine axiale Funktionsaufnahme [16] oder eine Alexander-Aufnahme [17] im Seitenvergleich erfolgen. Dabei handelt es sich im Prinzip um eine laterale Skapulaprojektion ähnlich der sog. Y‑Aufnahme („Outlet-View“), nur greift der Arm dabei zur Gegenseite hinüber und ermöglicht auch die Diagnose von AC-Gelenk(sub)luxationen. Aufgrund der höheren Strahlenbelastung bei der Panoramaaufnahme kann entweder eine Ausblendung der Schilddrüsenregion erfolgen bzw. eine gehaltene Zanca-Aufnahme im Seitenvergleich durchgeführt werden.

Sonographie

Sonographisch können sowohl periartikuläre als auch artikuläre Veränderungen festgestellt werden. Gelenkergüsse, Kapselverdickungen und -abhebungen sind mögliche pathomorphologische Befunde. Eine Kapselabhebung >3 mm gilt als pathologisch [18]. Osteophytäre Randanbauten im superioren Gelenkaspekt sind ebenso darstellbar wie subchondral gelegene Zysten im kranialen Anteil der distalen Klavikula sowie des Akromions.

Magnetresonanztomographie und Computertomographie

Als Schnittbildverfahren der Wahl bei Erkrankungen des Schultereckgelenks hat sich die Magnetresonanztomographie (MRT) etabliert. Isolierte Fragestellungen zu knöchernen Veränderungen sind eher die Ausnahme, sodass die MRT zur Abklärung entzündlicher Prozesse entscheidende Vorteile bietet. Im Gegensatz zur Computertomographie (CT) können damit auch periartikuläre Ödeme, intraossäre Entzündungsprozesse und involvierte umgebende Weichteilstrukturen mit erfasst werden. Damit besteht auch die Möglichkeit, pathologische Prozesse in Frühstadien zu erfassen, die dem konventionellen Röntgen oder der CT nicht zugänglich sind mit entsprechend frühzeitiger Therapieeinleitung. Die differenzierte Beurteilung des Discus articularis kann schwierig sein [1]. Dies begründet sich in erster Linie durch dieselbe histologische Zusammensetzung aus Faserknorpel und altersabhängige strukturelle, individuelle Veränderungen.

Szintigraphie

Die Knochenszintigraphie stellt eine erweiterte Entität der bildgebenden Verfahren dar, die nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommt. Zwar relativ unspezifisch, aber sehr sensitiv können mittels Szintigraphie arthritische Aktivitäten sehr früh, oft präradiologisch und zum Teil auch präklinisch, festgestellt werden. Bei Osteolysen kann szintigraphisch die erhöhte Knochenaktivität im Seitenvergleich dokumentiert werden. Im Vergleich zu MRT und Nativröntgen bietet die Knochenszintigraphie eine überlegene Genauigkeit in der Diagnostik von Schultereckgelenkpathologien [19]. In dieser Studie bot sie einen höheren Prädiktionswert (sowohl positiv als auch negativ) als die klinische Untersuchung oder der LA-Test. In der Diagnostik von septischen Arthritiden kann ein Tc-99m-Leukozytenscan hilfreich sein [20].

Spezielle Krankheitsbilder

Akromioklavikulargelenkarthrose

Die Arthrose stellt mit Abstand die häufigste Pathologie des Schultereckgelenks dar und zählt zu den häufigsten des menschlichen Körpers. Grundsätzlich müssen primäre von sekundären Formen unterschieden werden. Die primäre Arthrose stellt am AC-Gelenk sozusagen einen physiologischen Prozess dar, nachdem sich bei fast 100 % der über 50-Jährigen ein pathologisch anatomisches Korrelat fand [21]. Histologische Veränderungen treten bereits in der 2. Lebensdekade auf, während radiologische Frühveränderungen im 3. Lebensjahrzehnt zu beobachten sind [22]. Als ätiologische Faktoren werden neben dem Alter das Missverhältnis der beiden Gelenkpartner, der frühe Abrieb des Diskus sowie körperliche Arbeit und einseitige sportliche Belastung (v. a. Kraftsport) angeführt [23]. Pathomorphologisch verschmälert sich der Gelenkspalt, die Gelenkkapsel verdickt sich, Osteophyten lagern sich an, und das Gelenk wird kolbenförmig aufgetrieben (Abb. 1). Dies ist bei den oft klinisch stummen Arthrosen des AC-Gelenks das einzige Symptom, das die Patienten zum Arzt führt. Bei der Entstehung sekundärer knöcherner Veränderungen ist häufiger das distale Klavikulaende betroffen mit Auftreten von z. T. ausgeprägten Osteophyten oder subchondralen Zysten (Abb. 2). Die kaudalen Osteophyten führen ab einer kritischen Größe zu einer Einengung des mechanischen Outlets und zur Impingement-Symptomatik. Bereits ab einer Größe von >2 mm können Rupturen der Rotatorenmanschette damit assoziiert sein [24, 25]. Eine altersbedingte Korrelation ist hier ebenso anzunehmen wie eine kausale Beziehung. Sekundäre Formen der Schultereckgelenkarthrose sind in aller Regel posttraumatischer Natur. Insbesondere die inkomplette AC-Gelenkluxation (Typ II nach Rockwood [3]) ist hier aufgrund der gestörten Gelenkkongruenz prädisponiert. In der Präsentation der Symptomatik besteht kein Unterschied mit lokalen Schmerzen direkt am AC-Gelenk und positiven klinischen Untersuchungstests. Auch mittels LA-Test kann in der Regel die Diagnose bestätigt werden. Ein Nativröntgen kann durch eine MRT ergänzt werden. Hier zeigen sich bei Aktivierung die synovitischen Veränderungen, ein intraartikulärer Erguss, subchondrale Zysten und ggf. auch Knochenmarködeme an einem oder beiden Gelenkpartnern bei Mitbeteiligung des angrenzenden Knochengewebes. Therapeutisch werden zunächst stets konservative Maßnahmen eingeleitet. Orale nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), lokale Maßnahmen mit Kryotherapie oder Salbenapplikation sind oft hilfreich. Unterstützend gilt es, durch muskuläres Training die Stabilität des Schultergürtels zu erhöhen. Dabei sollen die Schulterblätter zur Reduktion der Kompressionskräfte am Schultereckgelenk nach dorsal gezogen werden. Angesteuert werden müssen dazu die Mm. rhomboidei, der M. trapezius und der M. serratus anterior. Weiterführend können lokale Kortikosteroidinjektionen durchgeführt werden, aber auch die Infiltration mit Hyaluronsäure ist eine Alternative. Bei Therapieresistenz und anhaltendem subjektivem Leidensdruck des Patienten wird die Indikation zur AC-Gelenkresektion gestellt. Früher offen, so wird sie mittlerweile routinemäßig in arthroskopischer Technik durchgeführt mit verlässlich guten Ergebnissen [26, 27]. Bei der arthroskopischen AC-Gelenkresektion (ARAC) müssen alle in die Arthrose involvierten Strukturen adressiert werden. Subchondrale Zysten müssen eröffnet und damit entlastet werden, und der Discus articularis muss vollständig reseziert werden. Dabei gilt es, die Kapsel-Band-Strukturen zu schonen. Ein wichtiger Aspekt ist es v. a., die dorsale Kante der distalen Klavikula zu resezieren, um ein spinoklavikuläres Impingement zu vermeiden. Als ausreichendes Maß der ARAC gilt eine Gelenkspaltbreite von 5–10 mm [28].

Abb. 1
figure 1

Zanca-Aufnahme mit fortgeschrittener, hypertropher Akromioklavikulargelenkarthrose bei völlig aufgebrauchtem Gelenkspalt und ausgeprägter kaudaler Osteophytenbildung. Auffällig auch der massive Akromionsporn

Abb. 2
figure 2

Parakoronare MRT‐Schnittbilddarstellung in T2-Wichtung. Subchondrale Zyste im kranialen Abschnitt der distalen Klavikula

Mögliche Komplikationen der ARAC sind:

  • inkomplette Resektion,

  • zu weite Resektion (Abb. 3),

  • iatrogene AC-Gelenkinstabilität (insbesondere horizontal) bei Schädigung der kapsuloligamentären Strukturen,

  • „frozen shoulder“.

Abb. 3
figure 3

Zanca-Aufnahme zeigt langstreckigen Defekt der lateralen Klavikula bei zu ausgedehnter Knochenresektion im Rahmen einer offenen distalen Klavikularesektion

Diskuspathologien

Isolierte Pathologien des artikulären Diskus sind selten und am ehesten traumatisch bedingt. Degenerative Veränderungen treten bereits ab dem Teenageralter auf und führen zu einem histologischen Umbau in Faserknorpel. In der Folge kommt es zu degenerativen Einrissen und Gewebeabrieb mit begleitender Synovitis als Schmerzursache. Die exakte Diagnostik ist schwierig, wobei das MRT hilfreich sein kann. Allerdings zeigen sich altersabhängig häufig begleitende arthrotische Veränderungen , sodass in aller Regel die Diagnose einer AC-Gelenkarthrose gestellt wird. Therapeutische Schritte sind zunächst identisch. Eine isolierte Resektion des Discus articularis bei fehlenden Zeichen der Arthrose kann als Ultima Ratio zielführend sein.

Arthritis

Es sind insgesamt über 100 Formen der Arthritis bekannt, die das Schultereckgelenk befallen können. Bei den aseptischen Entzündungen des AC-Gelenks sind zunächst alle Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis zu erwähnen. Bei der klassischen rheumatoiden Arthritis ist das AC-Gelenk in ca. 50 % der Fälle befallen. Auch andere HLA-B27-assoziierte Arthritiden sind nicht selten [29]. Durch die erfolgreichen Therapieansätze mittels rheumatischer Basismedikamente („disease modifying antirheumatic drugs“, DMARDs) können rheumatische Gelenkbeschwerden heutzutage sehr erfolgreich behandelt werden, sodass diese im Praxisalltag einer Schulterspezialsprechstunde immer seltener werden. Dabei stellen Immunsuppressiva (z. B. Methotrexat oder Cyclosporin) und Biologika (rekombinant hergestellte Antikörper gegen TNF-α oder IL-6) die wichtigsten Vertreter dar. Unbehandelt schreitet der Prozess bei rheumatoider Arthritis am Schultereckgelenk entsprechend den von Larsen et al. [30] definierten stadienhaften Abläufen voran. Gelenkinstabilitäten bei fortschreitender Erkrankung sind auch nach langjährigem Verlauf und Gelenkdestruktion eher selten.

Auch Stoffwechselstörungen sind als mögliche Ursachen für eine AC-Gelenkarthritis zu nennen. Hyperurikämie (Gicht), Kalziumpyrophosphaterkrankung (CPPD; früher Pseudogicht) und die Hydroxylapatitkrankheit stellen dabei die wichtigsten Vertreter der sog. Kristallarthropathien dar. Auch die Hämochromatose, die zwar per se keine eigentliche Kristallarthropathien ist, kann aber oft zur CPPD-Kristallablagerung und zur Chondrokalzinose führen. Durch die Anreicherung von Kristallen im Gewebe wird die Gelenkentzündung getriggert.

Septische Gelenkentzündungen des AC-Gelenks sind selten und nur in Fallberichten beschrieben. Immunsupprimierte oder andere Patienten mit reduzierter Abwehrlage stellen die Hauptrisikogruppe dar. Iatrogene Infektionen sind direkt nach Punktionen oder Infiltrationen möglich, selten von subakromial oder glenohumeral auch fortgeleitet. Die hämatogene Form ist selten. Durch die unmittelbar subkutane Lokalisierung sind septische Prozesse schon früh erkennbar. Die Behandlung richtet sich nach den gängigen Richtlinien der septischen Gelenkchirurgie mit aggressiver Indikationsstellung zu Spülung, Abstrichentnahme, Gelenkdébridement, Synovektomie und Einleitung einer zunächst unspezifischen, dann nach Erregernachweis antibiogrammgerichteten i. v.-Antibiose. Der häufigste Keim ist Staphylococcus aureus [31]. Ein Befall angrenzender knöcherner Strukturen mit Entstehung einer Osteomyelitis ist eine gefürchtete Komplikation.

Laterale Klavikulaosteolyse

Der Osteolyse der lateralen Klavikula liegt ein Prozess der Osteonekrose zugrunde mit Resorption und anschließender Defektbildung. Sie verläuft stadienhaft und endet in einer sekundären AC-Gelenkarthrose. Das Akromion ist von der Nekrose nicht betroffen.

Mögliche Ursachen der lateralen Klavikulaosteolysen sind [28]:

  • chronisch entzündlich rheumatische Erkrankungen,

  • Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes mellitus, Hyperparathyreoidismus),

  • dysraphische Störungen,

  • neurologische Erkrankungen (z. B. Syringomyelie),

  • posttraumatisch,

  • idiopathisch,

  • systemische Osteolysen (Typ Gorham-Stout).

Es sind fast ausschließlich Männer betroffen, wobei repetitive Mikrotraumen und vermehrte Aktivität im Kraftsport eine besondere Rolle in der Pathogenese einzunehmen scheinen [32, 33]. Der detaillierte Pathomechanismus ist bis dato ungeklärt. Verschiedene Mechanismen wie Kompromittierung der Durchblutung, Einbruch der juxtaartikulären Spongiosa, Mikrofrakturen, Dysfunktion des vegetativen Nervensystems und synoviale Hyperplasie führen interaktiv zum Krankheitsbild. Auch eine erhöhte Osteoklastenaktivität konnte zum Teil nachgewiesen werden [34]. Zu einer beidseitigen Beteiligung kommt es nur bei systemischer Genese. Das Röntgenbild zeigt zusätzlich zur Osteolyse unterschiedliche Veränderungen wie Osteoporose, irreguläre oder fehlende Zeichnung des subchondralen Knochens, Zysten, Kalzifikationen und Osteophyten. Die Knochenszintigraphie zeigt ausgeprägte Anreicherung im Sinne von erhöhter Stoffwechselaktivität, während die MRT ein Knochenmarködem, kortikale Erosionen oder Zysten detektiert. Manchmal symptomlos, fallen sie doch in aller Regel durch lokalen Druck-, Belastungs- oder Nachtschmerz sowie Schwellung auf. Die Therapiemaßnahmen sind dieselben wie bei der Arthrose. Bei der belastungsinduzierten Form (repetitiv mikrotraumatisch) ist eine absolute Sport-/Arbeitskarenz erforderlich. Speziell atraumatische Formen der lateralen Klavikulaosteolyse haben das Potenzial der Ausheilung mit Restitutio ad integrum innerhalb eines Zeitraums von 6 bis 12 Monaten [35]. Bei Versagen konservativer Therapiemaßnahmen führt die Resektion der distalen Klavikula zu guten bis sehr guten Ergebnissen [36, 37].

In einer aktuellen Arbeit konnte gezeigt werden, dass bei Teenagern (mittleres Alter 16 Jahre) die Kombination aus Überkopfsport und zusätzlichem Kraftsport das Risiko für eine atraumatische laterale Klavikulaosteolyse signifikant erhöht [38]: 24 % der Betroffenen waren weiblich. Nach 2 Jahren zeigten 71 % der Patienten eine AC-Gelenkarthrose (vs. 35 % der Vergleichsgruppe), 79 % hatten ein abgeflachtes laterales Klavikulaende, und der Gelenkspalt war auf 5 mm erweitert (vs. 2,4 mm in der Vergleichsgruppe). Das Knochenmarködem an der distalen Klavikula korrelierte mit der Schmerzsymptomatik zu Beginn der Erkrankung sowie mit der Inzidenz an Arthrosen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung.

Zysten

Am Schultereckgelenk treten häufig Zysten – oder besser gesagt – Pseudozysten auf. Hiller et al. [39] unterscheiden dabei Typ-1-Zysten (Abb. 4), bei denen die Rotatorenmanschette intakt ist, von den häufigeren Typ-2-Zysten beim Vorliegen einer Defektarthropathie. Pathogenetisch liegt beim Typ 2 der Humeruskopfhochstand als Ursache zugrunde. Die zunehmende kraniale Migration bei insuffizienter Rotatorenmanschettenmassenruptur führt zu einer Abstützung des Humeruskopfs am korakoakromialen Bogen. Der hyaline Gelenkknorpel raut sich auf und erodiert die inferiore AC-Gelenkkapsel. Der die Defektarthropathie begleitende Gelenkerguss geht den Weg des geringsten Widerstands und dringt in das AC-Gelenk ein. Die vorderen und hinteren Kapselanteile werden durch die deltotrapezoidale Faszie verstärkt, sodass die superiore Kapsel unter dem ständigen Druck nachgibt. Kleine Defekte oder Lücken erlauben somit einen Ventilmechanismus, und es entsteht eine Pseudokapsel, die sich unter Umständen auch in die umgebenden Weichteile ausbreiten kann. Diese Pseudozysten dürfen nicht mit Abszessen oder Neoplasien verwechselt werden. In manchen Fällen finden sich kleine Kalziumhydroxylapatit-Kristalle in der Flüssigkeit.

Eine Sonderform an Zysten entsteht beim Vorliegen einer Gicht. Im Röntgen kann ein charakteristisches Bild von knöchernen Projektionen des Akromions entstehen, was den Namen der „Stachelschwein-Schulter“ entstehen ließ [40]. Auch bei rheumatischen Erkrankungen mit und ohne Rotatorenmanschettendefekten sowie bei Arthrosen, Chondromatosen oder aus unbekannter Ursache können ganglienartige Zysten am Schultereckgelenk beobachtet werden [41, 42]. Klinisch gewöhnlich asymptomatisch stören sie den Patienten eher optisch. Die Diagnose kann sonographisch oder mittels MRT gesichert werden. Bei Durchführung einer Arthrographie kommt es zum Bild eines klassischen „Geysir-Zeichens“ [43]. Dabei tritt das Kontrastmittel fontänenartig direkt aus dem glenohumeralen Gelenkraum über das AC-Gelenk in den zystischen Hohlraum nach kranial über. Die reine Punktion führt zum Rezidiv, eine Instillation mit 10 mg Triamcinolonacetonid kann oft für längere Zeit ein Rezidiv verhindern. Die isolierte Resektion der Zyste ist nur bei einem Typ 1 erfolgreich. Sie sollte mit einer Resektion des AC-Gelenks kombiniert werden. Liegt eine symptomatische Defektarthropathie zugrunde, so kann durch die Adressierung der Rotatorenmanschettenpathologie mit gleichzeitiger Zystenresektion das Krankheitsbild erfolgreich therapiert werden.

Abb. 4
figure 4

Parakoronare MRT‐Schnittbilddarstellung zeigt eine große Akromioklavikulargelenkzyste Typ 1 direkt über der superioren Kapsel-Band-Struktur. Beachte das Ödem der lateralen Klavikula bei aktivierter Arthrose

Atraumatische Instabilität

In diesem Beitrag werden ausschließlich die nichttraumatischen Formen der Schultereckgelenkinstabilität abgehandelt.

Ähnlich wie an anderen Gelenken gibt es am Schultereckgelenk nichttraumatische Formen der Instabilität. Gemäß der Stanmore-Klassifikation für das Glenohumeralgelenk können die 3 Polartypen des Stanmore-Dreiecks auch auf das AC-Gelenk übertragen werden [44]. Auf Basis einer Hyperlaxität können durch neuromuskulär bedingte Störungen (sog. „muscle patterning“) Instabilitäten resultieren. Auch mikrotraumatisch repetitive Mechanismen (z. B. Kraftsport, beruflich bedingte ständige Überkopftätigkeit) können zur symptomatischen Instabilität des Schultereckgelenks führen. Nachdem die CC-Bänder stets intakt sind, handelt es sich häufig um horizontal betonte Formen der Instabilität. Sie sind schwierig zu diagnostizieren, fallen manchmal durch einen lokalen Druckschmerz auf und durch eine vermehrte posteriore Translation der lateralen Klavikula. Zur Diagnosesicherung bedarf es axialer Funktionsaufnahmen oder Alexander-Aufnahmen im Seitenvergleich. Die Therapie zielt auf ein funktionelles Training des Schultergürtels ab mit Retraktion der Skapula (s. oben), eine operative Therapie auf die akromioklavikuläre Stabilisierung des Gelenks. Dabei kommen autologe Sehnentransplantate zum Einsatz oder Kunststoffbänder (z. B. FiberTape®, Fa. Arthrex, Freiham) im Sinne des „internal bracings“, um in erster Linie die horizontale Stabilität wieder herzustellen. Eine restriktive Nachbehandlung ist erforderlich, um die meist zufriedenstellenden Ergebnisse zu erreichen.

Tumoren

Grundsätzlich können auch vom Schultereckgelenk jegliche Arten von Tumoren sowohl benigner als auch maligner Dignität ausgehen. Dies sind zum einen Knochentumore, aber auch Weichteiltumore (z. B. synovialen Ursprungs [45]). Die Inzidenz ist sehr gering, und bei Verdacht auf eine Neubildung muss die Einweisung in ein onkologisches Schwerpunktzentrum mit interdisziplinärer Patientenbetreuung erfolgen. Auch sekundäre maligne Veränderungen können am AC-Gelenk auftreten, sind aber selten (z. B. multiples Myelom). Zu möglichen Behandlungsoptionen muss auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen werden. Sie reicht in Abhängigkeit von Art des Primärtumors und Tumorstadium von der neoadjuvanten Bestrahlung und Chemotherapie bis hin zu ausgedehnten Resektionseingriffen mit Klavikulektomien und partiellen Skapulektomien.

Differenzialdiagnostisch muss bei osteolytischen Veränderungen generell am Skelett der Hyperparathyreoidismus angeführt werden. Neben der primären Form, der in aller Regel ein Adenom der Epithelkörperchen zugrunde liegt, muss die sekundäre Form als Folge einer Hypokalzämie unterschiedlicher Genese abgegrenzt werden. Beiden Formen gemeinsam ist die gesteigerte Sekretion von Parathormon, was zu erhöhtem Knochenabbau durch Aktivierung der Osteoklasten führt mit Entstehung von osteolytischen Läsionen am Skelett, ggf. auch am AC-Gelenk.

Fazit für die Praxis

  • Erkrankungen des Schultereckgelenks treten in Abhängigkeit ihrer Genese in verschiedenen Lebensabschnitten unterschiedlich häufig auf.

  • Während Arthritiden eher in der ersten Lebenshälfte auftreten, so sind es mit zunehmendem Alter v. a. degenerative Veränderungen im Sinne der AC-Gelenkarthrose, die symptomatisch werden können.

  • Eine akkurate klinische Untersuchung mit speziellen AC-Gelenktests schränkt in aller Regel die Lokalisation auf das AC-Gelenk ein.

  • Ein meist sehr aufschlussreiches Nativröntgen kann, durch eine MRT ergänzt, die Diagnose sichern.

  • Sollten konservative Therapiemaßnahmen scheitern, müssen pathologiespezifisch auch operative Verfahren in Betracht gezogen werden, wobei die Erfolgsaussichten am Schultereckgelenk grundsätzlich gut sind.