Das Spannungsfeld zwischen klinischer Diagnose und anerkannter Berufskrankheit

Zusammenfassung

Nach einem Überblick über die volkswirtschaftliche und sozialpolitische Bedeutung der Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE) wird der historische Werdegang der bandscheibenbedingten Erkrankungen als Berufskrankheit (BK) dargelegt. Die wichtigsten hierzu ergangenen Gerichtsurteile und der derzeitige Stand werden skizziert. Dabei werden die Aufgaben hervorgehoben, die nach wie vor bei der ärztlichen Begutachtung der Wirbelsäulen-BK zu leisten sind.

Am Beispiel eines Verbundforschungsprojekts über die Wirkungen von Ganzkörperschwingungen auf die Wirbelsäule wird eine Analyse der Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule (LWS) vorgestellt, in der nach spezifischen Merkmalen belastungsbedingter Veränderungen gesucht wird. Obwohl sich bei der klinischen Diagnose des Lumbalsyndroms und auch bei der Schwere der röntgenologischen Veränderungen statistisch signifikante Beziehungen zur Schwingungsbelastung aufzeigen ließen, konnten bei der Analyse der Röntgenaufnahmen der LWS keine für Schwingungseinwirkung spezifische röntgenologische Muster herausgearbeitet werden. Im Weiteren werden Ansatzpunkte der Prävention diskutiert. Insbesondere bei den Ganzkörperschwingungen scheinen die Möglichkeiten der Verringerung der Belastungshöhe noch nicht voll ausgeschöpft zu werden.

Bei der arbeitsmedizinischen Prävention in Form von Vorsorgeuntersuchungen wird der untersuchende Arzt allerdings mit einem Teil der Schwierigkeiten, die sich auch in der Begutachtung stellen, erneut konfrontiert. Es wird vorgeschlagen, das klassische Konzept der BG-Grundsätze bei den Wirbelsäulenerkrankungen zu modifizieren, um den Besonderheiten dieser Erkrankungen besser Rechnung zu tragen.

Abstract

First an overview of the significance of musculoskeletal diseases in terms of national economy and social politics is given, and then the historical development of the occupational disease “disk-related spinal disorders” is outlined. The most important court decisions and the actual state of jurisprudence on this matter are summarized, emphasizing the questions which still have to be answered in the course of medical evaluation of a spinal occupational disease.

Based on a joint research project on the spinal effects of whole-body vibrations, an analysis of lumbar X-rays is presented which aimed at detecting specific patterns of response corresponding to the respective extent of strain. In spite of a statistically significant relationship between the clinical diagnosis of a lumbar syndrome and the severity of the degenerative radiological changes on the one hand and vibration exposure on the other hand, the evaluation of the lumbar X-rays did not show any clear radiological pattern related to the exposure. Furthermore, starting points for prevention are discussed.

With regard to whole-body vibration, the technical possibilities of reducing the amount of vibration load are still not completely exhausted. However, during preventive measures of occupational health usually carried out as medical screening examinations, the occupational health physician again will face some of the same problems which have already been met with respect to the medical evaluation. Thus, a suggestion is made to modify the traditional concepts of the Professional Industrial Associations on occupational diseases in order to take into account the peculiarities of disk-related spinal disorders.