In den letzten Jahrzehnten hat die molekularbiologische Forschung eine grandiose Entwicklung durchlaufen. Die Anwendung dieser neuen Techniken und Erkenntnisse auf unser Fach lässt viele, lange Zeit etablierte Erklärungen der Anatomie, Pathologie und Pathophysiologie in völlig anderem Licht erscheinen. Daraus resultieren nicht nur neue Klassifikationssysteme, sondern auch neue Therapiestrategien. Besonders hervorzuheben ist neben zahlreichen anderen Arbeiten hier das TCGA(The Cancer Genome Atlas)-Projekt, in dem ein von der US-amerikanischen Regierung finanziertes Konsortium 33 verschiedene Karzinomentitäten molekular analysierte. Aus unserem Gebiet waren 127 lobuläre und mehr als 800 duktale Mammakarzinome sowie knapp 600 seröse Ovarialkarzinome und 550 Endometriumkarzinome vertreten.

Beim Mammakarzinom ist die molekulare Einteilung in „intrinsische Subtypen“ schon längst in den klinischen Alltag transferiert. Auf Tumorkonferenzen sind Begriffe wie „Luminal-A“ oder „triple-negativ“ inzwischen selbstverständlich. Kreipe und Nitz erläutern die neue Einteilung, die zunächst auf komplizierten Genexpressionsanalysen basierte und heute meist mit relativ einfachen immunhistochemischen Untersuchungen erreicht wird.

Auch beim Ovarialkarzinom hat sich die pathologische Klassifikation grundlegend geändert. Mayr erläutert das heutige Konzept des Ursprungs und der Pathogenese der unterschiedlichen Karzinome des Ovars, der Tube und des Peritoneums.

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir es mit 2 Typen von Endometriumkarzinomen zu tun haben, die eine deutlich differente Biologie aufweisen und sich in ihrer Prognose grundlegend unterscheiden. Allerdings ist die genaue Zuordnung zu einer dieser Risikogruppen anhand von morphologischen Kriterien aufgrund von Überlappungen oft schwierig. Die Erkenntnisse des TCGA-Projekts lassen vermuten, dass wir in naher Zukunft die Endometriumkarzinome in 4 intrinsische Subtypen differenzieren können, die dann risikoadaptiert therapiert werden können. Schmidt und Emons beschreiben den aktuellen Kenntnisstand.

Beim Mammakarzinom sind molekularbiologische Resultate schon im klinischen Alltag angekommen

Auch in der Reproduktionsmedizin leistet die molekulare Grundlagenforschung wichtige Beiträge zu unserem Verständnis der Physiologie und Pathophysiologie. Strowitzki und Germeyer erklären die Mechanismen der Dezidualisierung des Endometriums, des embryomaternalen Dialogs und der Implantation und leiten daraus neue Konzepte zur Verbesserung der Rezeptivität als Voraussetzung für eine erfolgreiche Schwangerschaft ab.

In einer Ausgabe von „Der Gynäkologe“ lassen sich nicht alle unser Fach betreffenden Entwicklungen der molekularen Morphologie darlegen. So fehlen beispielsweise das Zervix- und das Vulvakarzinom, die Endometriose, die Follikelreifung, die Ovulation.

Die von uns ausgewählten Themen aus der gynäkologischen Onkologie und Reproduktionsmedizin mögen Ihnen aber einen Einstieg in die Gynäkologie der Zukunft ermöglichen und Ihr Interesse wecken, die neuen Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen.

Viel Spaß beim Lesen wünschen

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Prof. Dr. Günter Emons und

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Prof. Dr. Olaf Ortmann