Zusammenfassung
Die kongenitale Zytomegalieinfektion ist die häufigste nichtgenetisch bedingte Ursache von Hörstörungen bei Kleinkindern. Sie basiert auf einer maternalen Primärinfektion oder Reaktivierung/Reinfektion in der Schwangerschaft. Die Erhebung des maternalen HCMV-Serostatus findet in der Schwangerschaftsvorsorge noch keine Berücksichtigung. Aufgrund der fehlenden Therapieoption ist die HCMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft derzeit kein Grund für ein generelles Seroscreening zur Identifizierung der suszeptiblen Schwangeren. Vorgestellt werden Fortschritte in der präpartalen Virusdiagnostik und neue, noch nicht evidenzbasierte Behandlungsstrategien. Vielerorts auch in Deutschland wurden innerhalb der letzten zwei Jahre Schwangere mit nachgewiesener HCMV-Primärinfektion mit Hyperimmunglobulin (HIG) behandelt, die relevanten laufenden Studien werden kurz vorgestellt. Drei Fallbeispiele aus der Praxis illustrieren die limitierten Interventionsmöglichkeiten bei intrauteriner HCMV-Infektion. Noch ist es zu früh, allzu optimistisch in die Zukunft der jährlich EU-weit 6800 HCMV-infizierten Kinder mit Folgeschädigungen zu sehen.
Abstract
Congenital HCMV infection is the major non-genetic cause of deafness in children. Maternal primary infections or reactivation/reinfection during pregnancy is the source of materno-fetal transmission. A general HCMV screening is not performed in the 27 countries of the EU. In the absence of an available vaccine and the absence of an evidence-based treatment option maternal screening is not performed. However, maternal screening at the beginning of the pregnancy would allow identification of seronegative pregnant mothers at risk of acquiring HCMV. With hygiene counselling the rate of primary infections could be reduced. At the moment two multicentre studies are being performed to check the effectivity of hyperimmune globulin administration to mothers with proven primary HCMV infections. It is still too early to be overly optimistic about the fate of 6,800 HCMV-infected infants with sequelae born every year in the EU-27.
Die primäre Zytomegalievirusinfektion betrifft etwa 0,5–1% der Schwangerschaften und stellt weltweit die häufigste intrauterine Infektion dar. Während sie auf maternaler Seite in der Regel asymptomatisch verläuft, kann sie beim Feten schwerwiegende Entwicklungsstörungen hervorrufen. Für eine klinisch apparente symptomatische intrauterine HCMV-Infektion stehen bisher keine empfohlenen Behandlungsansätze zur Verfügung.
Im Folgenden sollen aktuelle Entwicklungen im Bereich Epidemiologie, Diagnostik, Prävention und die − noch nicht evidenzbasierte − pränatale Therapieoption mit Hyperimmunglobulin (HIG) abgehandelt werden.
Epidemiologie der konnatalen CMV-Infektion
Das humane Zytomegalievirus (HCMV) ist ein Vertreter der Herpesviren mit doppelsträngiger DNA und Hülle. Nach meist asymptomatischer oder mononukleoseartiger Primärinfektion geht es beim immunkompetenten Individuum in ein Stadium der Latenz über, aus der es unter transienter Immunsuppression wieder reaktiviert werden kann. Als Ort der Latenz sind CD34+-Stammzellen des Knochenmarks bekannt. Immunsupprimierte Patienten mit Organ- und Stammzelltransplantation können an lebensbedrohlichen HCMV-Organmanifestationen (Pneumonie, Hepatitis, Enzephalitis, Colitis, Retinitis) erkranken und versterben. Im Unterschied zur HCMV-Infektion wird die HCMV-Endorganerkrankung des immunkompromittierten Individuums antiviral therapiert.
Epidemiologisch relevant ist der prä- und postpartale Mutter-Kind-Virustransfer. Die präpartale Übertragung erfolgt meist via Primärinfektion der seronegativen Schwangeren transplazentar. Quellen der maternalen Infektion können im Urin oder Speichel virusausscheidende Kleinkinder sein sowie Genitalsekrete. Neben der primären HCMV-Infektion der seronegativen Schwangeren mit einer maternofetalen Transmissionsrate von etwa 40% ist die HCMV-Reaktivierung der seropositiven („immunen“) Schwangeren zu nennen [5]. Auch über häufige Reinfektionen mit einem in der Schwangerschaft erworbenen neuen HCMV-Stamm bei jungen, einkommensschwachen schwarzen US-Südstaatlerinnen wird berichtet [38].
Postpartal reaktiviert fast jede seropositive Mutter das Virus in der Stillzeit, was bei Frühgeborenen anders als bei Reifgeborenen zur symptomatischen Infektion führen kann [20].
Die kongenitale HCMV-Infektion ist die häufigste angeborene Virusinfektion mit ZNS-Folgeschäden und hat im internationalen Konsens höchste Priorität für die Entwicklung eines Impfstoffes.
Eine aktuelle Hochrechnung der durch intrauterine HCMV-Infektion im Euroraum (EU-27) verursachten Fälle [9] geht von etwa 38.000 infizierten Neugeborenen bezogen auf 5,4 Mio. Geburten aus. Dies basiert auf einer Prävalenzangabe von sieben kongenital HCMV-infizierten Neugeborenen pro 1000 Lebendgeburten [24]. Eine aktuelle Übersicht über die Prävalenzen im europäischen und internationalen Kontext ist Tab. 1 zu entnehmen. Daraus ist ersichtlich, dass die Prävalenz der kongenitalen HCMV-Infektion in einem Bereich zwischen 0,2–1,5% aller Lebendgeburten liegt. Die Prävalenzrate ist stark abhängig vom ethnischen Hintergrund des Untersuchungskollektives [39]. Eine aktuelle sehr umfangreiche Studie weist für die USA eine Prävalenz der kongenitalen HCMV-Infektion von 0,5% auf [6]. Vorläufige Ergebnisse der Tübinger HCMV-Kongenitalstudie zeigen eine Inzidenz von <0,2% [22]. Etwa 88% (33.000) aller infizierten Neugeborenen im Euroraum sind nach Abschätzung asymptomatisch infiziert, 13% (4800) symptomatisch. Etwa 13,5% (4500) der initial asymptomatisch infizierten Neugeborenen entwickeln bis zum zweiten Lebensjahr Hör- und Sprachentwicklungsstörungen [10]. Etwa 50% (2350) der symptomatisch infizierten Neugeborenen entwickeln permanente Folgeschädigungen. Zusätzlich wird mit jährlich etwa 200 Todesfällen im Euroraum gerechnet. In toto gehen Hochrechnungen im EU-27-Raum von etwa 6800 Kindern mit HCMV-assoziierten Folgeerkrankungen aus, dies entspricht 18% aller HCMV-infizierten Neugeborenen [9].
Etwa 10–15% der Neonaten mit einer intrauterinen CMV-Infektion sind nach Geburt symptomatisch. Die klinische Symptomatik der kongenitalen HCMV-Infektion kann bestehen aus: Petechien (76%), Ikterus (67%), Hepatosplenomegalie (60%), Mikrozephalie (53%), intrauteriner kopfbetonter Wachstumsretardierung (50%), Chorioretinitis/Optikusatrophie (20%). Die meisten dieser Kinder werden im Verlauf eine Entwicklungsstörung erleiden. Assoziierte Laborparameter können sein: Transaminasenerhöhung (83%), konjugierte Hyperbilirubinämie (81%), sowie Thrombozytopenie (77%). Folgeschädigungen im Kleinkindalter können sensorineuronale Hörschädigung (59%), mentale Retardierung (IQ>70: 47%; IQ>50: 36%), psychomotorische Schädigungen (63%) und Zerebralparesen (49%) beinhalten [21, 41].
HCMV-Infektion in der Schwangerschaft
Die maternale HCMV-Primärinfektion scheint einen größeren Einfluss auf die Entwicklung des Feten zu haben als die Virusreaktivierung oder die exogene Reinfektion. Allerdings gibt es zu Reaktivierung und Reinfektion nur wenige prospektiv gesammelte Daten. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Manifestation der maternalen CMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft und der Transmissionsrate sowie dem Schweregrad der klinischen Infektion des Neugeborenen. In etwa 30–60% der Fälle muss nach einer Primärinfektion mit einer maternofetalen Transmission und einer kindlichen Infektion gerechnet werden.
Die Transmissionsrate steigt mit zunehmendem Gestationsalter von etwa 30% im ersten auf etwa 70% im dritten Trimenon [3], gleichzeitig fällt mit zunehmender Schwangerschaftsdauer die Rate der postpartal symptomatischen Fälle. Eine maternale Infektion im späten ersten Trimenon und zu Beginn des zweiten Trimenons muss für den Feten als besonders gefährdend betrachtet werden.
Eine vertikale HCMV-Transmission kann auch bei maternaler Primärinfektion vor der Konzeption stattfinden.
Die präkonzeptionelle HCMV-Primärinfektion (drei Monate vor der letzten Periode) trägt aber ein geringes Risiko intrauteriner Transmission (8,7%; [37]). Eine perikonzeptionell (vier Wochen nach der letzten Periode) erfolgende HCMV-Primärinfektion hat ein deutlich höheres Transmissionsrisiko: 30% [36] bis 45% [8]. Eine jüngst veröffentlichte Studie [19] weist eine vertikale Transmissionsrate von 25% bei perikonzeptioneller (vier Wochen vor der letzten Periode bis zu drei Wochen nach der letzten ausbleibenden Periode) HCMV-Primärinfektion aus. Kritisch angemerkt werden muss allerdings, dass die jeweiligen Fallzahlen der zitierten Studien zu prä- und perikonzeptionell erfolgender CMV-Primärinfektion sehr gering sind. Überdies werden die relevanten Zeitintervalle studienspezifisch definiert.
Eine primäre HCMV-Infektion in der Schwangerschaft wird in Abwesenheit eines generellen Antikörperscreenings derzeit meist im Kontext der Abklärung unspezifischer klinischer Symptomatik (Fieber, Müdigkeit) oder bei etwa 20% der infizierten Schwangeren im Zusammenhang mit einem auffälligen Ultraschallbefund diagnostiziert [26]. HCMV-assoziierte maternale Symptome, wie Fieber (60%), Lymphknotenschwellung, Müdigkeit (50%), Kopfschmerzen (27%), katarrhalischer Infekt und mäßige Transaminasenerhöhung, fehlen oft oder sind eher unspezifisch. Nur bei 25% der Schwangeren mit Primärinfektion werden die genannten Symptome beschrieben [35].
HCMV-Serodiagnose
Die Mutterschaftsrichtlinien sehen bis jetzt kein HCMV-IgG-Screening in der Schwangerschaft vor. Dies ist auch im EU-27-Raum so, obwohl zunehmend auch international Stimmen laut werden, die eine dringliche Änderung dieser Praxis fordern [26]. Die Entdeckung der HCMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft ist heute oft ein Zufallsbefund, denn die Primärinfektion wie auch die Reaktivierung erfolgen meist inapparent. Da die Sensitivität von Ultraschallbefunden in der Erkennung der fetalen HCMV-Infektion selbst bei Selektion mit etwa 20% relativ gering ist [1, 18], besteht in Abwesenheit einer Vakzine die einzige Möglichkeit zur Prävention der HCMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft in der Implementierung einer sehr frühen HCMV-Serodiagnostik (vor der 12. bis 16. SSW), um seronegative Risikoschwangere zu identifizieren und eine gezielte Hygieneberatung der seronegativen Schwangeren über Transmissionsquellen durchzuführen. Zu diesen gehören virusausscheidende Kleinkinder unter zwei Jahren im Familien- und Bekanntenkreis. Dass Hygieneberatung tatsächlich die HCMV-Serokonversionsrate seronegativer Schwangerer reduzieren kann, wurde bereits in einer französischen Studie dargelegt [40].
Die derzeit einzige Präventionsmöglichkeit basiert auf der sehr frühen Identifizierung seronegativer Risikoschwangerer
Standard der Serodiagnose der maternalen HCMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft ist die IgG/IgM-Serokonversion oder die Präsenz von HCMV-IgM mit niedriger HCMV-IgG-Avidität [12, 16]. Zum Nachweis der Serokonversion müssen sequenzielle Serumproben verfügbar sein. Dies könnte dadurch gelöst werden, dass zu Beginn der Schwangerschaft vom betreuenden niedergelassenen Gynäkologen eine Vollblutprobe entnommen und das Serum bei −20°C kryokonserviert wird. Damit kann zu einem späteren Zeitpunkt eine zuverlässige Serodiagnostik durchgeführt werden. Meist ist jedoch eine Serokonversion nicht dokumentierbar, und es liegt ein maternaler HCMV-Serostatus IgG+/IgM+ vor (Tab. 2). In diesen Fällen muss unbedingt die Avidität bestimmt werden, um die infizierte Schwangere über Amniozenteseindikation und/oder eine eventuelle HIG-Gabe adäquat beraten zu können. Dabei ist zu beachten, dass einerseits IgM lange persistieren kann und andererseits falsch-positive oder -negative Befunde im Kontext einer Einpunktuntersuchung auftreten können. Ein zusätzlicher Hinweis auf eine HCMV-Primärinfektion sind nicht nachzuweisende IgG-Antikörper gegen das HCMV-Oberflächenglykoprotein gB. Erst nach etwa zwei bis drei Monaten p.i. wird gB-Reaktivität detektierbar.
HCMV-DNA ist im Blut der Schwangeren bei HCMV-Primärinfektion nur in einem engen Zeitfenster von etwa 2 Wochen nachweisbar. Eine positive Blut-PCR hat keine prognostische Wertigkeit für das Outcome des potenziell infizierten Feten.
Pränatale Sonographie und Virusdiagnostik
Sonographische Hinweiszeichen, die für eine fetale HCMV-Infektion sprechen, sind in Infobox 1 aufgeführt. Insbesondere ein wachstumsretardierter Fet mit hyperechogenem Darm, eine verminderte Fruchtwassermenge und zusätzlicher Plazentamegalie sollten an eine HCMV-Infektion denken lassen (Abb. 1, Abb. 2, [18]).
Bei der weiteren Abklärung einer maternalen Primärinfektion stellt die Amniozentese den pränatalmedizinischen Goldstandard dar. Entscheidend ist aber, dass von der maternalen Primärinfektion bis zur signifikanten fetalen Virusausscheidung etwa fünf bis sieben Wochen vergehen, sodass eine zu frühe invasive Abklärung die HCMV-Detektionsrate auch unter Verwendung der PCR absenkt [27, 35]. In der Regel sollte die Amniozentese immer nach der 21. SSW durchgeführt werden, da vor der 20. SSW falsch-negative PCR-Befunde möglich sind [11]. Bei sonographischem Verdacht und entsprechendem maternalen Antikörperstatus wird zur Abklärung der Differenzialdiagnosen, z. B. einer fetalen Chromosomenstörung, eine invasive Abklärung rascher avisiert werden, wobei dem Untersucher die oben genannten Limitationen der invasiven Abklärung bewusst sein müssen. Die Virusdiagnostik im Fruchtwasser erfolgt vorzugsweise mittels PCR und Viruskultur. Ergeben beide qualitative HCMV-Nachweistechniken im Fruchtwasser negative Befunde, kann eine fetale Infektion mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden (Spezifität 100%; negativer prädiktiver Wert 94,2%). Ein positiver qualitativer PCR- und/oder Kulturbefund identifiziert eindeutig die fetale Infektion (positiver prädiktiver Wert 100%), kann aber nicht zwischen später asymptomatisch und symptomatisch infizierten Neugeborenen unterscheiden [25].
Die alleinige sonographische Beurteilung ohne Amniozentese ist nicht ausreichend zum Ausschluss einer fetalen Infektion. Guerra et al. [18] zeigten, dass von 131 Feten mit einer gesicherten CMV-Infektion, die keine sonographischen Auffälligkeiten aufwiesen, etwa die Hälfte postpartal symptomatisch waren. Das Vorliegen von sonographischen Hinweiszeichen stellte zudem kein Beweis für ein ungünstiges postnatales Outcome dar. Die Autoren berichteten, dass von 23 betroffenen Schwangerschaften mit unspezifischen sonographischen Hinweisen, wie einer Wachstumsretardierung und einer milden Ventrikulomegalie, etwa 20% nach Geburt asymptomatisch waren.
Eine fetale Infektion lässt nicht direkt auf eine postnatale Entwicklungsstörung schließen
Wie bereits aufgezeigt, kann nicht von einer fetalen Infektion direkt auf eine postnatale Entwicklungsstörung geschlossen werden. Daher konzentriert sich eine Vielzahl von Studien auf die Wertigkeit prognostischer Marker zur Vorhersage eines symptomatisch infizierten Neugeborenen.
Von besonderer Bedeutung ist dabei die Fruchtwasseranalyse, da eine initial fehlende maternofetale Transmission das Risiko einer postnatalen Symptomatik deutlich vermindert. Auch der Zeitpunkt der maternalen Primärinfektion ist von entscheidender Bedeutung, da die Rate eines adversen Outcome mit zunehmender Schwangerschaftsdauer deutlich abfällt. So wurden bei einer Primärinfektion vor der 21. SSW 10-mal häufiger postnatale Symptome beobachtet als bei einer Infektion nach der 21. SSW [27].
Von prognostischer Bedeutung ist auch die Viruslast im Fruchtwasser. Guerra et al. [17] beobachteten in einer kleinen Fallserie bei einer Viruslast von mehr als 105 Kopien CMV-DNA/ml, dass alle Kinder nach Geburt symptomatisch waren. Eine niedrige Viruslast im Fruchtwasser mit <103 Kopien/ml schließt bei zeitlich adäquat durchgeführter Amniozentese in der Regel eine symptomatische Infektion des Neugeborenen aus, wobei aber keine eindeutige Korrelation zwischen Viruslast und symptomatischer Infektion des Neugeborenen besteht [25]. Durch Kordozentese entnommenes Fetalblut in der SSW 20–21 hat im Vergleich zur Amniozentese und Fruchtwasserentnahme eine niedrigere Sensitivität (41–92,3%) bei einer Spezifität von 100%. Erst ab der 30. SSW und durch Verwendung der Fetalblut-PCR wird eine 100%ige Sensitivität mittels Kordozentese erreicht [1].
Natürlich nimmt bei der pränatalmedizinischen Beurteilung die sonographische Bildgebung einen besonderen Stellenwert ein. Sollten sich Sonographiehinweiszeichen (Infobox 1) zeigen, ist die Prognose als deutlich schlechter einzuschätzen. Berücksichtigt werden muss aber, dass viele der Marker, wie Wachstumsretardierung, Oligohydramnion oder Plazentamegalie, relativ unspezifisch sind. Finden sich ZNS-Auffälligkeiten, wie eine ausgeprägte Ventrikulomegalie und Verkalkungen, kann ein ungünstiges Outcome mit größerer Sicherheit angenommen werden. Benoist et al. [1] untersuchten die möglichen Prädiktoren eines ungünstigen Outcome anhand einer multiplen Regressionsanalyse. Sie fanden, dass eine fetale Thrombozytopenie sowie fetale Auffälligkeiten die Hochrisikogruppe am Besten definieren könne. Dabei erhöhten ZNS-Auffälligkeiten das Risiko 10-mal mehr als nichtzerebrale Marker. Bei Verdacht auf eine symptomatische HCMV-Infektion sollte auch auf die Möglichkeit einer pränatalen MRT-Untersuchung erwogen werden, da diese die Detektion von ZNS-Auffälligkeiten steigern kann [2].
HCMV-Primärinfektionen im ersten Trimenon: Kasuistiken
Fall 1: Auffälliger Ultraschallbefund als Indikation zur HCMV-Abklärung
Bei der 38-jährigen II.-Gravida I.-Para fielen sonographisch eine fetale Wachstumsretardierung mit hyperechogenem Darm sowie eine Plazentamegalie und eine verminderte Fruchtwassermenge auf. Bei der maternalen Serodiagnostik in der 13. und 15. SSW fanden sich IgM-Antikörper gegen HCMV und eine niedrige Avidität der IgG-Antikörper bei grenzwertig nachweisbaren gB-Antikörpern, sodass von einer Primärinfektion im ersten Trimenon ausgegangen werden musste. Bei der Fruchtwasserpunktion konnte HCMV-DNA in hoher Kopienzahl (>106 Kopien/ml) nachgewiesen werden, ebenso eine hohe Virusinfektiosität (>104/ml; Tab. 3).
Nach eingehender Beratung entschied sich das Paar für einen Schwangerschaftsabbruch. Die HCMV-PCR aus Autopsiematerial bestätigte, dass neben der Plazenta insbesondere Niere, Herz, ZNS, Leber und Lunge HCMV-infiziert waren (Infobox 1).
Fall 2: Maternale Primärinfektion mit Virusnachweis im Fruchtwasser
Bei der 33-jährigen II.-Gravida I.-Para (ein zweijähriges Kind in der Kindertagesstätte) wurden im Serum IgM- und IgG-Antikörper mit niedriger Avidität in der 15. SSW gefunden. Damit wurde eine HCMV-Primärinfektion ebenfalls im ersten Trimenon belegt. Das Virus konnte im maternalen Urin nachgewiesen werden. Anamnestisch gab die Patientin einen katarrhalischen Infekt („Erkältung“) vor etwa sechs Wochen an. Sonographisch zeigten sich in der 17. SSW keine Hinweiszeichen auf eine fetale CMV-Infektion, sodass (nach Zusage der Kostenübernahme durch die Krankenkasse) mit der Gabe von HIG (200 IU/kg KG) begonnen wurde. Die Infusionen wurden im Abstand von vier Wochen bis zur Entbindung wiederholt. Die Fruchtwasseranalyse erfolgte in der 22. SSW und zeigte eine Viruslast von 3×106 Kopien/ml Fruchtwasser sowie eine Virusinfektiosität von etwa 1,7×103 infizierten Fibroblastenkernen/ml Fruchtwasser (Tab. 3).
Nach ausführlicher Diskussion entschloss sich das Paar für die Fortsetzung der Schwangerschaft. Die Entbindung eines lebensfrischen, asymptomatischen Mädchens erfolgte in Terminnähe, obwohl mehr als 100.000 Viruskopien/ml in ihrem Urin gefunden wurde. Auch nach drei Jahren zeigt sich keine Entwicklungsbeeinträchtigung.
Fall 3: Maternale Serokonversion ohne Virusnachweis im Fruchtwasser
Bei der 30-jährigen II.-Gravida I.-Para wurde die Serokonversion in der 6+6. SSW beobachtet. Sie arbeitete als Kinderkrankenschwester und war vor der Schwangerschaft seronegativ. Sie berichtet von einem katarrhalischen Infekt vor etwa drei Wochen. Sonographisch zeigte sich eine zeitgerecht entwickelte Einlingsschwangerschaft. Nachdem die Krankenkasse der Patientin die Kostenübernahme bestätigt hatte, erfolgte die erste Gabe von 200 IE/kg KG HIG in der 13. SSW und wurde alle drei Wochen wiederholt. Auf Wunsch der Patientin erfolgte in der 16. SSW eine Fruchtwasseranalyse, da sie bei einem auffälligen Fruchtwasserbefund die Schwangerschaft abbrechen wollte. Das Ergebnis der Punktion war unauffällig, es konnten weder virale DNA noch Virusinfektiosität im Fruchtwasser nachgewiesen werden (Tab. 3). Die Fruchtwasseranalyse wurde in der 21. SSW wiederholt und ergab erneut einen unauffälligen Befund. Sonographisch zeigten sich weiterhin keine Hinweiszeichen. Die Patientin erhielt zunächst drei Zyklen HIG. Da die IgG-Antikörper weiterhin eine nur moderate Avidität aufwiesen, wurde die HIG-Gabe noch einmal wiederholt. Die Entbindung wird in 08/2011 erwartet.
Pränatale Therapieansätze
Die HCMV-Erkrankung des immunsupprimierten Patienten nach Organ- oder Stammzelltransplantation wird in erster Linie mit Ganciclovir i. v. und dem oralen Prodrug Valganciclovir behandelt, bei einer therapierefraktären Infektion i. v. mit Cidofovir oder Foscarnet. Ganciclovir und Valganciclovir sind aufgrund der Knochenmarktoxizität und der mutagenen Eigenschaften im Tiermodell [13] während der Schwangerschaft jedoch nicht indiziert. Allerdings wurde deren Anwendung bei einer intrauterinen HCMV-Infektion in einigen Fällen beschrieben [23, 28, 30, 34]. Für Cidofovir und Foscarnet, die beide mit ausgeprägter Nephrotoxizität assoziiert sind, gibt es während der Schwangerschaft keine Indikation [14].
Mittlerweile liegen erste Erfahrungen mit Valaciclovir (VACV) aus einer kleinen Untersuchung bei 20 schwangeren Patientinnen mit bestätigter fetaler HCMV-Infektion vor [23]. Es konnten sowohl die Plazentagängigkeit als auch der Rückgang der HCMV-Viruslast im fetalen Blut, nicht jedoch in der Amnionflüssigkeit, festgestellt werden [23]. Der Stellenwert der VACV-Therapie ist allerdings noch weitgehend unklar. Lange Zeit galt die Beendigung der Schwangerschaft als einzige Interventionsmaßnahme.
Passive Immunisierung gegen HCMV wird schon seit längerem vornehmlich im Bereich der soliden Organtransplantation durch präventive Gabe von HCMV-HIG zur Verhinderung von HCMV-Infektion und Erkrankung erfolgreich (längere Überlebenszeit, reduzierte Rate von HCMV-Erkrankungen) durchgeführt [4]. Dieser Ansatz der „prophylaktischen Therapie“ zur Verminderung des Risikos einer Übertragung des Virus auf den Feten wurde für einige Patienten genutzt [7]. Mittlerweile ist diese Option in einer größeren Untersuchung an über 150 Schwangeren mit einer primären HCMV-Infektion untersucht worden [31]. In dieser viel beachteten, aber auch aufgrund einer fehlenden placebobehandelten Kontrollgruppe kontrovers diskutierten Untersuchung wurde bei 37 Schwangeren mit einer HCMV-Primärinfektion bei einer monatlichen HCMV-HIG-Gabe eine im Vergleich zur Präventionsgruppe deutliche verringerte Transmissionsrate beobachtet (16 vs. 40%). Interessanterweise konnte auch bei einer fetalen Infektion (n=31) durch die maternale HIG-Gabe (und in Fällen von anhaltenden Auffälligkeiten in der Sonographie durch zusätzliche Gabe an den Feten über das Fruchtwasser (n=9) oder in die Nabelvene (n=1) eine Reduktion der fetalen Schädigung beobachtet werden. Somit führte sowohl eine therapeutische als auch eine präventive Applikation von HIG zu einer signifikanten Reduktion der konnatalen CMV-Infektionen (p<0,001 bzw. p=0,04). Ebenfalls konnte in dieser Untersuchung eine schützende signifikante Erhöhung der HCMV-IgG-Antikörper im maternalem Blut bei gleichzeitigem Fehlen von Nebenwirkungen beobachtet werden [31]. Der Wert dieser Maßnahme zur Verhinderung einer HCMV-Infektion ist bisher nicht abschließend beurteilbar. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse wird derzeit eine prospektive, randomisierte internationale Phase-III-Studie mit mehr als 25.000 Schwangeren durchgeführt (Studienleitung Prof. Friese, München), um die Ergebnisse der Nigro-Studie zu reproduzieren. Eingeschlossen werden seronegative Schwangere, die sequenziell untersucht werden und bei Eintritt der HCMV-Serokonversion HIG erhalten [15].
Eine italienische multizentrische Phase-II-Studie (CHIP, Congenital HCMV InfectionPrevention-Clinical Trials gov ID NCT00881517), deren Design Randomisierung, doppelte Verblindung, Placebokontrolle und Prospektivität vorsieht, begann in 02/2010 (Studienleitung Prof. Revello, Pavia, Italien). Die Rekrutierung endete in 03/2011, die Studie wird in 12/2011 komplettiert sein.
Es liegen bislang bei beiden Studien noch keine abschließenden Ergebnisse vor. Außerhalb dieser Studien ist eine präventive Gabe derzeit nur als „off label use“ möglich, da für diese Indikation keine Zulassung besteht. Die Applikation sollte möglichst früh nach der Erstdiagnose der mütterlichen Primärinfektion in der Frühschwangerschaft erfolgen. Allerdings ist vor einer Verabreichung die jeweilige Kostenübernahme von Seiten der Krankenkasse und gegebenenfalls der Patientin zu klären.
Expositionsprophylaxe und Vakzineentwicklung
Wie bei anderen viralen Infektionserkrankungen bleibt „die Prophylaxe die beste Therapieoption“. Die Expositionsprophylaxe ist aufgrund der verschiedenen Transmissionswege und der mangelnden Symptomatik schwierig. Allerdings konnte in einer prospektiven Untersuchung gezeigt werden, dass hygienische Maßnahmen zur Reduktion des Risikos einer primären HCMV-Infektion beitragen können [33]. Ein anderer Weg zur Expositionsprophylaxe wäre ein generelles HCMV-Screening [12, 26], was aber nicht in den Mutterschaftsrichtlinien verankert ist, sodass die serologische Testung immer noch eine IGeL-Leistung darstellt.
Seit einigen Jahren wird die Entwicklung einer aktiven Impfung der Mutter zur Prophylaxe der kongenitalen HCMV-Infektion als oberste Priorität angesehen. Zwei entwickelte Impfstoffe, die attenuierte HCMV-Lebendvakzine Towne125 und die HCMV Subunit-Glycoprotein-B-Vakzine sind derzeit in klinischer Erprobung. Kürzlich wurden die Ergebnisse einer Phase-II-Untersuchung eines rekombinanten Impfstoffs (HCMV gB und MF59) für die Prävention der kongenitalen CMV-Infektion publiziert [32]. Dabei zeigte sich eine Wirksamkeit dieses Impfstoffes bei 50% der untersuchten Frauen. Obwohl keine statistischen Unterschiede bei der Analyse einer kongenitalen CMV-Infektion in der geimpften (ein Fall einer kongenitalen CMV-Infektion von 81 Schwangeren) und nichtgeimpften Population (drei Fälle einer kongenitalen CMV-Infektion von 97 Schwangeren) beobachtet werden konnten, stellt diese Untersuchung eine sehr vielversprechende Entwicklung auf der langen Suche nach einem wirkungsvollen Impfstoff zur Prävention einer kongenitale CMV-Infektion dar.
Ziel eines aktuellen Cochrane-Review war es, Nutzen und Risiken der Interventionen während der Schwangerschaft abzuklären, die eine maternofetale Übertragung verhindern sollen. Danach gibt es derzeit nicht genügend randomisierte kontrollierte Studien (RCT), die es erlauben zu beurteilen, ob eine Intervention (HIG, Hygieneberatung, gB-Vakzine) für Schwangere mit bestätigter HCMV-Primärinfektion effektiv ist in der Prävention der kongenitalen HCMV-Infektion und ihrer Folgeerkrankungen oder im Auftreten von Nebenwirkungen als Ergebnis der Intervention [29].
Fazit für die Praxis
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Die häufigste in der Schwangerschaft auftretende Infektion mit geschätzt etwa 7000 postnatal geschädigten Kindern im EU27-Raum ist die HCMV-Infektion.
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Eine Erhebung des HCMV-Serostatus ist nicht in den Mutterschaftsrichtlinien verankert, aber wünschenswert.
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Derzeit laufen zwei prospektive Studien in Deutschland und Italien, um die Erfolge einer HCMV-HIG-Gabe an die primär infizierte Schwangere zur Prävention einer kongenitalen HCMV-Infektion des Neugeborenen zu bestätigen, die erstmals leider ohne adäquate Kontrollgruppe 2005 von Nigro et al. [31] publiziert wurden; Ergebnisse liegen noch nicht vor.
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Einen wichtigen Beitrag zur sicheren HCMV-Erstdiagnose können niedergelassene Gynäkologen bereits jetzt relativ kostenneutral leisten: Abnahme und Kryokonservierung einer Serumprobe direkt bei Feststellung der Schwangerschaft.
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Bei Auftreten unspezifischer Symptomatik (Fieber) und/oder auffälligem Ultraschallbefund kann dann eine zweifelsfreie Serodiagnose mit Rückdatierung der Erstinfektion im zweiten Trimenon oder später erfolgen.
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Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor weist auf folgende Beziehung/en hin: K. Hamprecht ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Initiative zur Prävention konnataler Zytomegalieinfektionen (ICON).
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Kagan, K., Mylonas, I., Enders, M. et al. Intrauterine Zytomegalievirusinfektion. Gynäkologe 44, 601–609 (2011). https://doi.org/10.1007/s00129-011-2776-9
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