Einleitung

Das deutsche Mutterschutzgesetz (MuSchG) schützt die Gesundheit der Frau und ihres Kindes während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit [9]. Es wurde nach mehr als 60 Jahren überarbeitet und trat 2018 reformiert in Kraft. Als es 1952 in der BRD niedergeschrieben wurde, mussten Frauen ihre Ehemänner noch um Erlaubnis bitten, einer Lohnarbeit nachzugehen zu dürfen. Heutzutage sind Urolog*innen eine Selbstverständlichkeit mit stetig steigendem Frauenanteil [13]. War 1994 jede*r fünfte Urolog*in in Weiterbildung weiblich (69/355), ist 2017 bereits fast jeder Dritte (31 %) Weiterbildungsassistent*in eine Frau (304/982; [4]). Die Bundesärztekammer registrierte einen Anstieg der urologischen Fachärztinnen von 4,5 % (162/3471) im Jahr 1991 auf 16,8 % (1374/6779) im Jahr 2019 [3]. In einer 2015 durchgeführten Weiterbildungsumfrage unter urologischen Assistent*innen der GeSRU (German Society of Residents in Urology e.V.) waren 55 % Frauen (260/472). 76 % dieser Befragten gaben an, dass sie theoretisch als Schwangere weiterhin im OP arbeiten und operieren möchten [1]. Auch in Befragungen anderer chirurgischen Disziplinen würden sich fast 80 % der befragten Chirurginnen/Gynäkologinnen (wieder) für eine operative Tätigkeit in der Schwangerschaft entscheiden [2, 5, 6]. Dieser Wunsch der Schwangeren, operativ tätig zu sein, steht (sofern der Schutz von Mutter und Kind gegeben ist) im Einklang mit dem MuSchG. Frauen sollen durch Schwangerschaft und Stillzeit keine Nachteile im Beruf erleiden und die selbstbestimmte Entscheidung über ihre Erwerbstätigkeit darf nicht verletzt werden [7, 9].

Neuregelung des Mutterschutzgesetzes

Die Neuregelung des MuSchG schließt das Arbeiten und Operieren von schwangeren Urologinnen grundsätzlich nicht aus, sondern hält den Arbeitgeber vielmehr dazu an, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu unterstützen. Es steht nun verstärkt der Arbeitsschutz im Vordergrund, indem Arbeitsverbote gegen den Willen der Schwangeren vermieden werden sollen. Ziel des Gesetzgebers ist es, die weitere Beschäftigung einer schwangeren Frau bis zur Entbindung zu ermöglichen und somit die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf zu fördern.

Verpflichtung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber wird künftig zu einer verantwortungsvollen Abwägung verpflichtet, die sich einerseits aus dem Gesundheitsschutz der stillenden/schwangeren Frau und ihrem (ungeborenem) Kind und andererseits aus der selbstbestimmten Entscheidung über ihre Erwerbstätigkeit ergibt.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu klären, wie urologische Chefärzt*innen die aktuelle Situation einschätzen. Darüber hinaus wollen wir durch ein juristisches Gutachten haftungsrechtliche Risiken vs. Gesundheitsrisiken darstellen.

Material und Methode

Von Juli bis Oktober 2019 wurde von der Task Force Familie und Beruf der Arbeitsgemeinschaft Junge Urologen der deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) ein anonymer Online-Fragebogen über den Emailverteiler der DGU an alle urologischen Chefärzt*innen in Deutschland versendet. Der Bogen umfasste organisatorische Fragen zum Vorliegen einer Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes in den jeweiligen Kliniken und der Bekanntgabe des Zeitpunkts einer Schwangerschaft sowie zu den Einsatzmöglichkeiten und Tätigkeitsfeldern von schwangeren Mitarbeiterinnen in der Urologie. Zusätzlich wurde die Medizinkanzlei Mohr mit der Erstellung eines juristischen Kurzgutachtens zu folgendem Thema beauftragt: „Das ärztliche Arbeiten und Operieren in der Schwangerschaft unter konkreter Bezugnahme auf das Fach Urologie einschließlich etwaiger Haftungsrisiken“. Die Finanzierung des Gutachtens erfolgte von Juni bis Oktober 2020 mit einer Crowdfunding-Kampagne [11] durch Spenden von 69 Privatpersonen und mit Unterstützung der GeSRU.

Ergebnisse

Einschätzung der Chefärzt*innen

An der Umfrage nahmen 62 von 340 angeschriebenen Chefärzt*innen teil (18,2 %). 93,5 % der Chefärzt*innen erachteten eine vorausschauende Gefährdungsbeurteilung für Schwangere für sinnvoll und in 72,6 % der Abteilungen war eine solche bereits etabliert. Laut Einschätzung der Teilnehmer geben 67,8 % der Mitarbeiterinnen ihre Schwangerschaft vor Vollendung der 12. Schwangerschaftswoche (SSW) bekannt. Knapp ein Drittel der leitenden Ärzt*innen (30,6 %) registrieren, dass die Mitarbeiterinnen eine Schwangerschaft bewusst verspätet bekannt geben, um ohne Einschränkung weiterarbeiten zu können bzw. um die Weiterbildungszeit nicht zu verlängern. Die Einsatzmöglichkeiten wegen der Gefährdungen in der Schwangerschaft wurden von den meisten urologischen Chefs (62,9 %) relativ restriktiv angegeben; nur 37,1 % der Befragten können sich einen Einsatz der Schwangeren bei endourologischen oder offenchirurgischen Operationen vorstellen (Tab. 1). Zwei Chefärzt*innen wiesen im Freitext auf Einsatzmöglichkeiten bei laparoskopischen/roboterassistierten Eingriffen/bzw. Simulatortrainings an. In den freien Kommentaren wurde von den Vorgesetzten mehrfach auf die individuelle Gefährdungsbeurteilung bzw. die individuelle Entscheidung/Vorstellung der Schwangeren bezüglich ihres Tätigkeitsfeldes verwiesen.

Tab. 1 Einschätzung der Einsatzmöglichkeiten schwangerer Ärztinnen in den Abteilungen durch die Chefärzt*innena

Als Unterstützung vom Arbeitgeber/Verwaltung wünschen sich 82,3 % der befragten Chefs einen überlappenden Stellenausgleich, 71,0 % wünschen sich Unterstützung von der Personalabteilung bei der Umsetzung von Teilzeitmodellen beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit und 58,1 % befürworten eine Informationsschulung der Mitarbeiter*innen über Einsatzmöglichkeiten und Risiken am Arbeitsplatz bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft. In den freien Kommentaren zur Frage nach Unterstützung vom Arbeitgeber wurden von den Chefärzt*innen zudem ein flexibleres Personalbudget und eine klare, rechtlich abgesicherte Einsatzbeschreibung von Schwangeren gewünscht (Tab. 2).

Tab. 2 Unterstützungswünsche der 62 Chefärzt*innen vom Arbeitgeber für einen reibungsloseren Ablauf bei ggf. eingeschränkter Einsatzmöglichkeit der schwangeren Mitarbeiterin

Darlegung haftungsrechtlicher Risiken

Das juristische Fachgutachten von Mohr (2020) stellt folgende Sachlage fest: „Unter Berücksichtigung der Vorschriften des Mutterschutzgesetzes übersteigt das Haftungsrisiko nicht jenes, welches der Arbeitgeber im Allgemeinen zu tragen hat“ [8]. Der Arbeitsschutz steht im Vordergrund, indem Arbeitsverbote gegen den Willen der Schwangeren vermieden werden sollen. „In den gängigen Rechtsdatenbanken lässt sich keine Rechtsprechung für den Fall finden, dass ein Arbeitgeber bei fortgeführter operativer Beschäftigung einer schwangeren Ärztin für einen Schaden haften musste“ [8].

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine generelle sowie konkrete Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Fehlt diese, stellt es eine Ordnungswidrigkeit dar und wird mit einem Bußgeld geahndet [8, 10].

Die schwangere Arbeitnehmerin ist persönlich für die Einhaltung der – aufgrund der Gefährdungsbeurteilung – ergangenen Schutzmaßnahmen verantwortlich. Im Falle der Nichteinhaltung haftet die werdende Mutter gegenüber dem Arbeitgeber, sofern er von Dritten aufgrund eines Schadens in Anspruch genommen wird. Entsteht ein Schaden bei der Mutter oder dem ungeborenen Kind trotz Befolgung der Schutzmaßnahmen, hat der Arbeitgeber diesen zu verantworten. Ordnungswidrigkeiten bzw. Straftaten verjähren je nach Paragraph nach 6–36 Monaten [10].

Diskussion

In Deutschland werden jedes Jahr ca. 1500 Ärztinnen schwanger. Die Bekanntgabe einer Schwangerschaft löst bei Chef*in und Kolleg*innen selten Jubelschreie aus. Oftmals trifft sie auf Unkenntnis und offene Fragen. Meist folgt ein Beschäftigungsverbot im Operationssaal. Mohr schreibt „Ersatzweise werden Aufgaben zugeteilt, die nicht nur zu einem dauerhaft hektischen Krankenhausalltag führen, sondern teilweise sogar körperlich belastender sind als die geregelte Tätigkeit im Operationssaal. Damit die Ärztinnen trotzdem die für den Facharztkatalog erforderlichen Eingriffe tätigen können, kommt es weiterhin zur Verheimlichung der Schwangerschaft vor dem Arbeitgeber“ [5, 8]. Auch 30,6 % der Chefärzt*innen hatten der Eindruck, dass die Mitarbeiterinnen eine Schwangerschaft verspätet bekannt geben, um ohne Einschränkung weiterarbeiten zu können bzw. um die Weiterbildungszeit nicht zu verlängern. Laut Einschätzung der Befragten geben die meisten Mitarbeiterinnen (67,8 %) ihre Schwangerschaft vor Beginn der 13. SSW dem Vorgesetzten bekannt. Diese Einschätzung widerspricht der Erhebung von Knieper et al. [5]. An deren Studie beteiligten sich 164 Ärztinnen, davon 136 operativ tätige Gynäkologinnen und 28 Chirurginnen. Die Schwangerschaft wurde laut deren Ergebnissen im Mittel später – in der 14. (13,8 ± 5,5) SSW bekanntgegeben.

Die Sorge vor eventueller Inanspruchnahme von Haftungsansprüchen sowie einer Strafbarkeit lässt Arbeitgeber*innen das Operieren durch eine werdende Mutter regelmäßig untersagen. Die Einsatzmöglichkeiten bzw. Gefährdungen in der Schwangerschaft wurden von den urologischen Chefs erwartungsgemäß restriktiv angegeben. Nur 37,1 % der Chefärzt*innen sehen für Schwangere operative Einsatzmöglichkeiten. Nach Mohr (2020) „stehen dem Arbeitgeber Schutzmaßnahmen, die die Einschränkungen der ärztlichen Tätigkeiten und der Weiterbildung zur Fachärztin für Urologie so gering wie möglich halten, durchaus zur Verfügung. Beispielweise gilt eine unverantwortbare Gefährdung nach § 11 Abs. 2 MuSchG als ausgeschlossen, wenn die Schwangere über einen ausreichenden Immunschutz verfügt“ [8] und der Infektionsstatus des jeweiligen Patienten vorliegt (Tab. 3 und 4). Die entsprechende HIV- und Hepatitis-C-Serologie können klinikintern verrechnet werden. Falls externe Labore beauftragt werden, entstünden Kosten in Höhe von 46,92 € bei 1,15-fachem Satz nach GOÄ (Ziffer 4395 20,11 €; Ziffer 4406 26,81 €).

Tab. 3 Immunitätsempfehlungena
Tab. 4 Erforderlicher Immunstatus in Schwangerschaft (Statusnachweis in Klammern)

Der Arbeitgeber ist verpflichtet der zuständigen Aufsichtsbehörde unverzüglich die Beschäftigung einer schwangeren Frau mitzuteilen. Im juristischen Gutachten stellt Mohr 2020 zudem fest: „Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt kann … ebenfalls Schutzmaßnahmen anordnen und ein Beschäftigungsverbot aussprechen. … Die zuständigen Ämter sind durch keine Frist gebunden über die Erlaubnis einer Tätigkeit im Operationssaal zu bescheiden, sodass schwangeren Frauen oftmals zu einem Abwarten gezwungen sind“ teilweise bis nach der Entbindung. „Ohne Bescheid ist das Ergreifen von Rechtsmitteln nahezu ausgeschlossen. Den Schwangeren wird in der Folge ein effektiver Rechtsschutz verwehrt. Zudem kommt es aufgrund der föderalen Zuständigkeit der Gewerbeaufsichtsämter zu unterschiedlichen Entscheidungen bei nahezu gleichen Sachverhalten. Oftmals mangelt es den … Sachbearbeitern an Kenntnissen darüber, welche Gefahren tatsächlich im Operationssaal für schwangere Frauen bestehen. Die Entscheidungen des Gewerbeaufsichtsamts stehen häufig nicht im Einklang mit dem Sinn und Zweck des neuen Mutterschutzgesetzes. Nicht selten fehlt die erforderliche Objektivität, so dass Verfügungen häufig auf der Meinung beruhen, ein Operieren während einer Schwangerschaft sei nicht möglich. Außer Acht wird dabei gelassen, dass sich die Bedingungen im Operationssaal in den letzten Jahrzehnten verändert haben und somit viele Gefahrenquellen nicht mehr bestehen oder vermieden werden können. Beispielsweise können nicht nur verletzungssichere Instrumente und präoperative Patientenscreenings auf Infektionen genutzt werden, sondern auch die Schwangerschaft gefährdende Narkosegase durch intravenöse und regionale Anästhesieverfahren ersetzt werden. Mangels Kenntnis der Sachbearbeiter werden konkrete Schutzmaßnahmen selten in Betracht gezogen. Daher dürfte es unumgänglich sein, Sachbearbeiter, die über die Zulassung von schwangeren Frauen im Operationssaal entscheiden, regelmäßig zu schulen. Die Nachweispflicht von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen darf nicht auf der schwangeren Arbeitnehmerin lasten, sondern sollte Sache der zuständigen Behörden sein. Nur so kann dem Sinn und Zweck des neuen Mutterschutzgesetzes Rechnung getragen und schnellstmöglich über die Berufsausübung der werdenden Mutter entschieden werden. Des Weiteren ist ein ämterübergreifender Austausch unerlässlich, damit auf Grundlage des Mutterschutzgesetzes einheitliche Regelungen ergehen und keine zusätzliche Diskriminierung der Schwangeren erfolgt“ [8].

Was sollten Chefärzt*innen und schwangere Mitarbeiterinnen vor diesem Hintergrund wissen, um das neue Mutterschutzgesetzes sinnvoll umzusetzen?

Vor der Schwangerschaft

Idealerweise erfolgt bereits bei Einstellung einer Ärztin im Rahmen der Erstuntersuchung beim Betriebsarzt eine Beratung hinsichtlich der Möglichkeiten und Risiken am Arbeitsplatz bei Eintreten einer Schwangerschaft. Insbesondere sollte gleich zum Arbeitsstart der Impfstatus überprüft und ggf. die fehlenden Impfungen für Masern, Mumps, Röteln, Pertussis, Varizellen, Hepatitis A und B (sowie zukünftig SARS-CoV‑2, „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) ergänzt werden (Tab. 3). Auf Wunsch der Mitarbeiterin kann eine Titerbestimmung der nichtimpfpräventablen und potenziell fruchtschädigenden Erkrankungen CMV (Zytomegalievirus) und Parvo-B-19 (Ringelröteln) erfolgen.

Idealerweise sollte die Abteilungsleitung die Ärztin beim ersten Mitarbeitergespräch darüber informieren, dass in der Klinik, in der sie arbeiten wird, eine vorausschauende Gefährdungsbeurteilung und Tätigkeitsempfehlungen für schwangere Ärztinnen vorliegen. In der vorliegenden Umfrage erachteten 93,5 % der Chefärzt*innen eine vorausschauende Gefährdungsbeurteilung für Schwangere für sinnvoll und in 72,6 % der Abteilungen war eine solche bereits etabliert. Die Mitarbeiterin sollte ermuntert werden, eine Schwangerschaft mitzuteilen, sobald sie ihr bekannt ist, damit Mutter und Kind den frühest- und somit bestmöglichen Schutz erhalten. Nach der Bekanntgabe der Schwangerschaft wird ihr individueller Arbeitsplatz entsprechend beurteilt und angepasst. Das Mitteilen einer Schwangerschaft sollte nicht mit der Angst verbunden sein, dass sich die (operative) Weiterbildung verschlechtert oder dass automatisch ein generelles Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird.

Bei Eintritt einer Schwangerschaft

Die Mitteilung der Schwangerschaft erfolgt an den/die Fachvorgesetzt*en und die Personalabteilung der Klinik, welche die Aufsichtsbehörde über die Schwangerschaft informiert. Daraufhin muss eine Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes gemeinsam durch den/die Fachvorgesetzt*en, der schwangeren Ärztin und ggf. mit der/m Betriebsarzt/-ärztin erfolgen. Für die Gefährdungsbeurteilung bedarf es keiner Zustimmung durch die Aufsichtsbehörde. Es werden die notwendigen Schutzmaßnahmen und Anpassungen des Arbeitsplatzes umgesetzt. Deren Rangfolge ist im MuSchG § 13 eindeutig geregelt: Die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen hat Priorität vor dem Arbeitsplatzwechsel und dem Beschäftigungsverbot [7, 9]. Bei Bekanntgabe der Schwangerschaft soll die Mitarbeiterin entscheiden, ob momentan eine Fortsetzung der Tätigkeit im Operationssaal von ihr gewünscht wird. Selbstverständlich besteht keine Pflicht, schwanger zu operieren.

Während einer Schwangerschaft

Die Arbeitszeiten von stillenden oder schwangeren Frauen dürfen 8,5 h täglich oder 90 h in der Doppelwoche nicht überschreiten. Nach der täglichen Arbeitszeit muss eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 h gewährt werden. Der Arbeitgeber darf eine schwangere oder stillende Frau nicht zwischen 20 Uhr und 6 Uhr beschäftigen. Nach einem behördlichen Genehmigungsverfahren darf die Beschäftigung bis 22 Uhr erfolgen, wenn die Frau sich dazu ausdrücklich bereit erklärt. Der Arbeitgeber darf eine schwangere oder stillende Frau an Sonn- und Feiertagen beschäftigen, wenn sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt und insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist [7, 9]. „Für die bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlichen Untersuchungen hat der Arbeitgeber die Frau freizustellen“ (§ 7, Abs. 1, MuSchG).

Wenn der für den jeweiligen Patientenkontakt notwendige Immunstatus nicht vorliegt, ist eine Beschäftigung mit diesen Patienten nicht möglich (Tab. 4).

Ist der Immunstatus vollständig, kann die Mitarbeiterin gemäß einer Positivliste eingesetzt werden (Tab. 5 und 6). Es muss dabei gewährleistet sein, dass die Schwangere von ihren Kolleg*innen unterstützt wird und sich Hilfe holen kann, bzw. stets die Möglichkeit hat, ihren Arbeitsplatz auch kurzfristig zu verlassen und vertreten zu werden. Eine Alleinarbeit ist nicht erlaubt: „Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die schwangere oder stillende Frau ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz, soweit es für sie erforderlich ist, kurz unterbrechen kann. Er hat darüber hinaus sicherzustellen, dass sich die schwangere oder stillende Frau während der Pausen und Arbeitsunterbrechungen unter geeigneten Bedingungen hinlegen, hinsetzen und ausruhen kann“ (§ 9, Abs. 3, MuschG; [9]).

Tab. 5 Positivliste Urologiea
Tab. 6 Voraussetzungen für Interventionen/Operationen, die Schwangere durchführen/assistieren (in Anlehnung an § 9 und § 11 des MuSchG)

In Tab. 5 und 6 sind die wesentlichen Voraussetzungen für Untersuchungen/Therapiemaßnahmen/Interventionen/Operationen, die Schwangere durchführen/assistieren können in Anlehnung an § 9 und § 11 des MuSchG zusammengefasst [9]. Diese Positivliste in Tab. 5 ist beispielhaft für Interventionen, die nach Erachten der Autor*innen sicher in der Schwangerschaft durchgeführt werden können. Dennoch ist den Autor*innen bewusst, dass oftmals durch Vorgaben der Betriebsärzt*innen und Arbeitsschutzbeauftragten in den jeweiligen Arbeitsstätten trotz vorhandener Möglichkeiten defensiver entschieden wird. Im Zweifelsfall obliegt die Entscheidung welche Tätigkeit die schwangere Ärztin ausüben darf nach § 2 Abs. 5 MuSchG der Aufsichtsbehörde. Wir empfehlen, dass jede Klinik die Vorlage an ihre individuellen Gegebenheiten anpasst. Die Empfehlungen basieren auf strikter Einhaltung der obligaten Schutzmaßnahmen auf den in Tab. 6 zusammengefassten Voraussetzungen.

Bei Auftreten von akuten Noro- oder Rota-Virus-Infektionen, Tuberkulose, Influenza, SARS-CoV‑2 etc. auf Station ist eine sofortige Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder der Einsatz im Homeoffice erforderlich und ggf. ein kurzfristiges Beschäftigungsverbot auszusprechen. Dies gilt auch für Parvo-Virus-IgG-seronegative Frauen bei Auftreten von Ringelröteln bei Erwachsenen.

Sollte sich die physische oder psychische Verfassung der Mitarbeiterin im Verlauf der Schwangerschaft verändern, sind der Arbeitsplatz und das Tätigkeitsfeld daran anzupassen, um damit (wann immer möglich) ein generelles Beschäftigungsverbot zu vermeiden.

Schwangerschaft als Chance begreifen

Im Laufe der Schwangerschaft sollten im Mitarbeiterinnengespräch die Wünsche, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten des Wiedereinstiegs nach dem Mutterschutz und der Elternzeit sowie die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie besprochen werden.

Die Einschränkung der ärztlichen Tätigkeit und der Weiterbildung zur Fachärztin für Urologie sollte so gering wie möglich ausfallen. Damit kann sichergestellt werden, dass sich die Weiterbildungszeit nicht mehr als notwendig verlängert und Mitarbeiterinnen, die im urologischen Klinikablauf ohnehin integriert und etabliert sind, den Betrieb auch weiterhin mit aufrechterhalten. Nicht nur – aber auch – wegen des zunehmenden Fachkräfte- und Nachwuchsmangels ist es wichtig, dass gut ausgebildete Urologinnen auch schwanger wertvolle Arbeit in der Patientenversorgung leisten können, dürfen und wollen.

Einschränkend muss man zu dieser Umfrage anmerken, dass von 340 angeschriebenen urologischen Chefärzt*innen in Deutschland nur 18,2 % geantwortet haben. Inwieweit die verbleibenden 81,8 % der Chefärzt*innen die Relevanz des Themas für sich anders bewertet haben oder keine Zeit für den Fragebogen hatten, bleibt offen. Somit konnte lediglich ein Meinungsbild eingeholt werden, es liegt jedoch keine repräsentative Stichprobe vor. Ebenso wurde nicht erfragt, wie die Geschlechterverteilung unter den Antwortenden ausfiel oder inwieweit sich Mitarbeiterinnen insbesondere im letzten Trimenon in der Lage sehen, eine weitere Tätigkeit auszuüben. Folgestudien, die der Frage nach genderspezifischen Aspekten in den Entscheidungspfaden und der Mitarbeitersicht nachgehen, sind hierzu erforderlich.

Zudem besteht derzeit kein bundesweit einheitliches Vorgehen. Die endgültige Handlungsentscheidung obliegt den jeweiligen Arbeitgebern und Aufsichtsbehörden. Dennoch sollte es unser Ziel sein, schwangere Frauen bei der Geltendmachung ihrer Rechte stärker zu unterstützen. Eine Empfehlung der Fachgesellschaft zu den Einsatzmöglichkeiten von schwangeren Mitarbeiterinnen wäre eine sinnvolle Maßnahme (Tab. 5 und 6). Tab. 5 stellt Tätigkeiten als Positivliste für beispielhafte für Interventionen dar, die nach Erachten der Autor*innen sicher in der Schwangerschaft durchgeführt werden können. Diese Empfehlungen können der Mitarbeiterin und der Klinikleitung als Vorlage dienen, und muss jeweils an individuellen Gegebenheiten und Vorstellungen anpasst werden müssen. Auch wäre es hilfreich, eine bundesweit einheitliche gesetzliche Verpflichtung der jeweiligen Stelle zum zeitnahen Erlass einer schriftlichen Entscheidung zu erreichen. Nur dann wäre die Novellierung des Mutterschutzgesetzes ein wirklicher Erfolg.

Fazit für die Praxis

  • Das Mutterschutzgesetz (MuSchuG) schließt weder eine ärztliche noch eine operative Tätigkeit aus und soll vor einer Benachteiligung schützen.

  • 30,6 % der Chefärzt*innen registrieren, dass Schwangerschaften verzögert mitgeteilt werden. Damit tritt der Mutterschutz für die Schwangere und das ungeborene Kind verspätet in Kraft.

  • Die obligate, individuelle Gefährdungsbeurteilung stellt den Schutz der Schwangeren am Arbeitspatz sicher. Die Novellierung des Mutterschutzgesetzes brachte im Arbeitsalltag jedoch trotzdem nicht die gewünschten Verbesserungen, obwohl konkrete Schutzmaßnahmen – auch für den Operationssaal – mit dem Arbeitgeber entwickelt werden sollen.

  • 37,1 % der befragten Chefärzt*innen befinden, dass ausgewählte endourologische und chirurgische Operationen auch schwanger durchführbar sind. Zwei Chefärzt*innen (0,3 %) würden auch laparoskopischen bzw. roboterassistieren Eingriffen/Simulatortraining zustimmen.

  • Schwangere sollten ein Mitspracherecht über den Umfang der Erwerbstätigkeit haben und ihre Rechte geltend machen können (z. B. sich gegen ein Beschäftigungsverbot zu wehren).

  • 76 % der urologischen Ärztinnen möchten während einer Schwangerschaft weiter operieren.