Die Diagnostik und Therapie der neurogenen Blasenfunktionsstörung von rückenmarkverletzten Patienten stellt unverändert die Kernkompetenz und zentrale Aufgabe der Neuro-Urologie dar. Moderne Neuro-Uurologie ist jedoch mehr als bloße Videourodynamik und Versorgung von Querschnittspatienten.

Die demographische Entwicklung einer immer älter werdenden Gesellschaft führt zu einem rasanten Anstieg von Patienten mit Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems und erhöht den Bedarf an neuro-urologischer Versorgung. In den neuro-urologischen Spezialambulanzen und -kliniken sind die Wartezeiten für Behandlungen von Patienten mit Multipler Sklerose, Morbus Parkinson oder auch Diabetes mellitus als Grunderkrankung oft lang. Diese Anlaufstellen sind oftmals „letzte Hoffnung“ für Patienten mit chronischen, oft auch schmerzhaften Fehlfunktionen des unteren Harntraktes und des Beckens oder auch mit hartnäckig wiederkehrenden, therapierefraktären Harnweginfekten. Folglich reicht das therapeutische Spektrum der Neuro-Urologie von der Einleitung einer Infektmetaphylaxe bis hin zur dorsalen Rhizotomie mit Brindley-Vorderwurzelstimulation.

Im ersten Themenbeitrag zum Leitthema Neuro-Urologie beschreibt das Autorenduo Kaufmann und Kurze aus Mönchengladbach und Bad Berka die Bandbreite der neuro-urologischen Untersuchungstechniken und informiert über deren Interpretation bei neurogener Blasenfunktionsstörung. Dass die Videourodynamik mit ihren differentialdiagnostischen Möglichkeiten und Facetten hier einen besonderen Raum einnimmt, unterstreicht ihre Bedeutung für das Fach.

Das Schweizer Autorenteam um Kollegen Kessler beleuchtet die therapeutischen Möglichkeiten der sakralen Neuromodulation, welche bei unterschiedlichen Blasenfunktionsstörungen zu einer nachhaltigen Symptomlinderung führen kann.

Die Keimzelle der deutschsprachigen Neuro-Urologie, die Werner-Wicker-Klinik in Bad Wildungen, ist mit einem Beitrag der Kollegen Domurath und Kutzenberger vertreten. Ihr Beitrag fokussiert auf Patienten mit Rückenmarkschädigung und gibt einen Überblick über die Indikation neuro-urologischer Therapieverfahren, angefangen von der Sphinkterotomie bis hin zur Vorderwurzelstimulation und Harnblasenersatzverfahren.

Dass neuro-urologische Folgeerkrankungen jedoch auch bei nichttraumatischen Rückenmarkerkrankungen von zentraler Bedeutung sind, beleuchtet der Beitrag der Kollegen Mehnert und Nehiba aus Herne. Insbesondere die Multiple Sklerose hat in der täglichen Arbeit des Neuro-Urologen durch die hohe Dynamik und im Vergleich zur Rückenmarkverletzung hohen Inzidenz eine große Bedeutung und Präsenz. Nach dem das Botulinumtoxin-A 1988 erstmals für die Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie in der Urologie angewandt wurde, liegt nunmehr seit Herbst 2011 eine Zulassung für die Injektion des Neurotoxins in den Detrusor bei Patienten mit Multipler Sklerose und Rückenmarkverletzung vor. Kollege Schulte-Baukloh aus Berlin beschreibt in seinem Beitrag die Bedeutung dieses therapeutischen Ansatzes und informiert über Indikationen und Therapieergebnisse bei neuro-urologisch erkrankten Patienten sowohl des Jugend- als auch des Erwachsenenalters.

Das Blasenmanagement mittels Kathetern, insbesondere über den intermittierenden Selbstkatheterismus, stellt einen therapeutischen Eckpfeiler im neuro-urologischen Therapiekonzept dar. Folglich ist dieser Thematik ein eigener Beitrag gewidmet, in welchem die Kollegen Böthig und Burgdörfer aus dem Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg die Bedeutung des Katheterismus in der Neuro-Urologie darlegen. Dass die Neuro-Urologie ein modernes und zukunftsträchtiges Fach ist, soll abschließend durch die Vorstellung neuer neuromodulativer Techniken sowie erweiterter Indikationsstellungen hierfür, dargelegt werden.

Mit der aktuellen Ausgabe des Urologen hoffen wir Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den zuvor skizzierten Beiträgen einen ebenso spannenden, wie informativen Überblick und Einblick in die Bandbreite der modernen Neuro-Urologie bieten zu können.

A. van Ophoven

J. Pannek