Die Differenzialdiagnose epileptischer Anfälle ist geprägt von der Neigung, verschiedene häufige paroxysmale Ereignisse wie Synkopen und dissoziative Anfälle wesentlich öfter als epileptisch zu diagnostizieren als umgekehrt. Dies führt zu unnötigen Behandlungen mit Antiepileptika und die adäquate Diagnose und Behandlung werden erheblich verzögert [5]. Eine Kommission der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat Vorschläge zur Diagnosesicherung und Vorgehensweise veröffentlicht [3]. Die Kriterien zur Unterscheidung müssen mit Bedacht abgewogen werden.

Die „Zweier-Regel“ hilft, dissoziative von epileptischen Anfällen zu unterscheiden

Es ist z. B. eine alte Beobachtung, dass dissoziative Anfälle nicht aus dem Schlaf auftreten. Diese Aussage bezieht sich jedoch ausschließlich auf dissoziative Anfälle, die im Elektroenzephalographie(EEG)-Video-Monitoring aufgezeichnet wurden und anhand des EEG entschieden werden kann, ob ein Anfall direkt aus dem Schlaf erfolgte oder der Patient zunächst aufwachte und dann der Anfall auftrat. Anamnestisch berichten jedoch viele Patienten mit dissoziativen Anfällen, dass die Anfälle auch aus dem Schlaf aufträten. Die anamnestische Angabe hat somit keine differenzialdiagnostische Bedeutung, solange es sich nicht um ausschließlich aus dem Schlaf auftretende Anfälle handelt, was wesentlich seltener der Fall ist oder eine Bestätigung der Schlafassoziation durch ein EEG-Video-Monitoring erfolgte [2].

Einige einfache klinische Kriterien wie z. B. die sog. Zweier-Regel helfen bei der Unterscheidung dissoziativer Anfälle von epileptischen Anfällen [1]. Wenn zwei Anfälle pro Woche auftreten, die auf mindestens zwei Antiepileptika nicht ansprachen, und zwei EEG normal ausfielen, bestand bei 85 % der Patienten keine Epilepsie, sondern dissoziative Anfälle [1]. Bei diesen Patienten sollten frühzeitig ein EEG-Video-Monitoring zur Diagnosesicherung gestellt werden.

Die verbreitete Vorstellung, dass Synkopen meist atonisch verlaufen und motorische Entäußerungen mit Sturz und Bewusstseinsverlust typisch für Epilepsie seien, führt zur Verkennung vieler Synkopen als Epilepsie [4]. Die meisten Synkopen gehen mit mehr oder weniger ausgeprägten tonischen und myoklonischen Symptomen einher [6]. Auch für Synkopen – einer häufigen Differenzialdiagnose der Epilepsien – wurde eine Reihe einfacher klinischer Kriterien identifiziert, die Synkopen von epileptischen Anfällen unterscheiden helfen [8].

Das EEG-Video-Monitoring ist diagnostischer Goldstandard

Die Kenntnis der Unterscheidungsmöglichkeiten epileptischer von nichtepileptischen Anfälle hilft, die Verkennung nichtepileptischer Anfälle zu reduzieren. Mithilfe von Videos verschiedener epileptischer Anfallsformen wird das Wissen über die Semiologie epileptischer Anfallsformen unter Ärzten verbessert [7, 9, 10]. Mit den folgenden Beiträgen hoffen wir, die diagnostische Sicherheit zu erhöhen. In Fällen, wo dies mit ambulanten Mitteln nicht gelingt, sollte frühzeitig ein EEG-Video-Monitoring zur Diagnosesicherung erfolgen, das den diagnostischen Goldstandard darstellt [3].

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Prof. Dr. Soheyl Noachtar