Zusammenfassung
Hintergrund
Der Beitrag verteidigt ein Verständnis psychischer Krankheit als psychischer Dysfunktion. Dabei orientiert er sich an der naturalistischen Position innerhalb der Philosophie der Medizin.
Methoden
Der Begriff der psychischen Funktion wird geklärt; Funktionen werden als Effekte von Merkmalen verstanden, die dem Organismus selbständiges Leben ermöglichen. Die Bedeutung dieser theoretischen Sichtweise für die psychiatrische Praxis wird untersucht. Die vorgestellte Konzeptualisierung wird mit der des aktuellen DSM verglichen.
Ergebnisse und Diskussion
Es wird hervorgehoben, dass die theoretische Konzeptualisierung von psychischen Krankheiten festlegt, was legitimerweise und wissenschaftlich fundiert als Krankheitsentität verstanden werden kann. Gleichwohl benötigt die praktische Perspektive eine Erweiterung um die Elemente des individuellen Wohls, da nicht jede psychische Dysfunktion mit einer Einschränkung in dieser Hinsicht einhergeht. Es wird behauptet, dass das DSM eine ähnliche Perspektive wie die in diesem Beitrag verteidigte einnimmt.
Summary
Background
The article defends an interpretation of mental illness as mental dysfunction. It develops a concept in line with the naturalistic viewpoint in the philosophy of medicine.
Methods
The concept of mental function is scrutinized. Functions are regarded as effects of traits that enable an organism to live independently. The significance of this theoretical perspective for the psychiatric practice is discussed. Finally, the developed conceptualization is compared to the current edition of the diagnostic and statistical manual of mental disorders (DSM).
Results and discussion
It is emphasized that the theoretical conceptualization of mental disorder determines what may justifiably and in a scientifically valid way be deemed a disease entity. Nevertheless, the practical perspective needs an additional element of individual well-being as not every mental dysfunction involves impairment in this respect. It is claimed that the DSM takes a perspective similar to the one defended in this article.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. T. Schramme gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Schramme, T. Psychische Krankheit als Störung wesentlicher Funktionen. Nervenarzt 86, 16–21 (2015). https://doi.org/10.1007/s00115-014-4106-7
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