Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • kennen Sie die Indikationen für ein konservatives oder für ein operatives Vorgehen bei Abdominalverletzungen.

  • können Sie den Stellenwert von Focused Assessment with Sonography for Trauma (FAST), Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) bei Abdominalverletzungen einschätzen.

  • sind Sie in der Lage, die „Damage-control“-Prinzipien bei schweren Abdominalverletzungen wiederzugeben.

Einleitung

Abdominalverletzungen (AV) können lebensbedrohlich sein. Ungefähr 20–25 % aller polytraumatisierten Patienten erleiden u. a. eine Abdominalverletzung. Die 1987 (Ergänzung und Revision 1995) publizierte Stadieneinteilung von Verletzungen parenchymatöser Organe [1] wird sehr oft zitiert, hat jedoch prognostisch keine Bedeutung. Die Einteilung ist erst nach Kenntnis von bildgebender Untersuchung, Operations- und allenfalls Autopsiebefunden definitiv vorzunehmen. Sie dient der Korrelation des Schweregrads einer Verletzung mit dem klinischen Resultat und somit rein wissenschaftlichen Zwecken und ist nicht dazu geeignet, therapeutische Entscheidungen zu treffen, wie oft vermutet wird [2].

Abdominalverletzungen

Stumpf

Stumpfe Abdominalverletzungen (sAV) machen in Europa 95 % der AV aus. Sie werden in bis zu 80 % der Fälle durch Verkehrsunfälle und Stürze bei Arbeit, Sport und Freizeit verursacht. Eine Dezeleration führt eher zur Parenchymlazeration und eine direkte Kompression eher zu Hohlorganperforationen. Leber (40 %) und Milz (32 %) sind wesentlich häufiger verletzt als der Dünndarm (7 %).

Penetrierend

Penetrierende Abdominalverletzungen (pAV) sind in Europa selten (5 %). Sie entstehen durch Stich‑/Schussverletzungen. Das Verletzungsmuster ist abhängig von der verwendeten Waffe, wobei Gewehrschüsse mit einer Mortalität bis zu 90 % einhergehen. Das Verletzungsmuster bei Stichverletzungen ist abhängig von der Stichrichtung, der Länge der Klinge und der Frage, ob lediglich zugestochen oder das Messer nach dem Einstich noch in verschiedene Richtungen bewegt wurde (Abb. 1; [3, 4, 5, 6]).

Abb. 1
figure 1

a Stich in die linke Flanke, b Dünndarmeviszeration nach Stichverletzung

Diagnostik

Erstbeurteilung („primary survey“)

Der Zustand des (polytraumatisierten) Patienten bestimmt die Dringlichkeit von Diagnostik und Therapie. Eigen- oder Fremdanamnese (Unfallort und -hergang) sowie Ansprechen auf präklinische Maßnahmen helfen bei dieser Beurteilung. Anhand des Advanced Trauma Life Support (ATLS)-Konzepts erfolgt die Differenzierung zwischen hämodynamisch stabilen und instabilen Patienten [6, 7]. Dies führt zu der Entscheidung, ob eine konventionelle ATLS-Abklärung durch Focussed Assessment with Sonography for Trauma (FAST) bzw. extended (e)FAST gemäß der aktuellen S3-Leitlinie Schwerverletztenbehandlung [8] oder eine modifizierte ATLS-Abklärung mithilfe der primären Ganzkörper-Computertomographie (CT; Abb. 2; [7, 9]) angewendet wird.

Hämodynamisch deutlich instabile Patienten erhalten eine FAST, alle anderen eine CT. Zunehmend wird sogar bei instabilen Patienten die CT bevorzugt eingesetzt. In der eigenen Institution führen die Autoren bei Polytraumapatienten und bei Patienten mit vermuteter schwerer AV fast ausschließlich die CT durch und betrachten diese Zeitspanne als verlängerte präklinische Zeit. Die CT liefert rasch präzise Angaben über das Verletzungsmuster. Das Risiko, eine relevante Verletzung zu übersehen, ist somit sehr gering. Die Strahlendosis einer Ganzkörper-CT von etwa 20 mSv ist gut vertretbar, zumal 75 % der Patienten, deren Zustand initial mithilfe der FAST und des konventionellen Röntgens abgeklärt wurde, trotzdem mindestens eine organspezifische CT in der primären Diagnostikphase erhalten [10].

Die FAST kann ein Hämatoperitoneum identifizieren; solide Organe, retroperitoneale Organverletzungen und insbesondere freie Luft nach Hohlorganläsionen eher schlecht oder gar nicht erkennen.

Abb. 2
figure 2

Die computertomographische Untersuchung hilft bei der Operationsplanung: Stichverletzung mit langer Klinge (a) mit Läsion von linksseitiger Niere, Magen und Leber (b; gleicher Patient wie Abb. 1a)

Zweitbeurteilung („secondary survey“)

Die Zweitbeurteilung startet, sobald der ABCDE-Algorithmus (Airway, Breathing, Circulation, Disability, Exposure) gemäß ATLS komplettiert und erste dringliche Maßnahmen umgesetzt sind. Sofern möglich (Patient bei Bewusstsein), sollte eine genaue Anamnese (Allergien, Medikamente, Vorerkrankungen, Schwangerschaft, letzte Mahlzeit) erhoben und eine detaillierte Ganzkörperuntersuchung vorgenommen werden.

Blutbild, Gerinnung, Elektrolyt‑, Glucosekonzentration, Leber‑, Pankreas- und Nierenparameter, Entzündungswerte, Alkoholkonzentration und potenzielle Schwangerschaft bei Frauen im gebärfähigen Alter werden im Labor kontrolliert. Laborwerte geben keinen Aufschluss über den Schweregrad einer AV, und ihre Bedeutung wird kontrovers diskutiert. Serielle Untersuchungen können für die Verlaufsbeobachtung sinnvoll sein. Alanin-Aminotransferase (ALT) ist informativ für den Verlauf von Leberverletzungen. Amylase- und Lipasewerte können bei Pankreasläsionen initial im Normbereich liegen, die Bestimmungen sollten daher bei entsprechendem Verdacht nach 3 h wiederholt werden. Blasenkatheter (Cave: Urethra) und Magensonde werden als begleitende Maßnahmen eingelegt.

Die klinische Untersuchung ist bedeutsam (Prellmarken, offene Wunden, Darmgeräusche, Palpation und Perkussion; Abb. 1). Sie ist jedoch bei adipösen Personen, Patienten mit (mittel)schwerem Schädel-Hirn-Trauma, Verletzungen der Wirbelsäule mit neurologischen Ausfällen und intubierten Patienten schwierig und in diesen Fällen wenig aufschlussreich. Der Beckenkompressionstest ist gemäß Erachten der Autoren wenig aussagekräftig und sollte eher unterlassen werden. Eine rektale Untersuchung gehört zum Standard (digital und/oder Proktoskopie; [10]).

Weitergehende Untersuchungen

Für eine diagnostische Peritoneallavage (DPL) gibt es keine Indikation mehr. Die diagnostische Laparoskopie (DL) ist weit überlegen. Bei hämodynamisch instabilen Patienten erfordert die Vorbereitung jedoch zu viel Zeit und kompromittiert die Kreislaufsituation weiter. Die Zuverlässigkeit der DL ist allerdings geringer als bei der explorativen Laparotomie (EL), weil die Palpation fehlt und beispielsweise der Darm nicht wie bei der EL in alle Richtungen bewegt und inspiziert werden kann. Zudem sind die interventionellen Möglichkeiten noch beschränkt (Abb. 3; [11]).

Ein Zystogramm oder eine CT-Zystographie (oder Spätphase der Traumaspirale) wird zur Suche einer Harnblasenruptur vorgenommen. Das Urethrogramm ist bei Verdacht auf eine Harnröhrenverletzung sinnvoll.

Abb. 3
figure 3

Diagnostische Laparoskopie. Patient mit ausgedehntem Riss der Serosa und wenig Blut (a) sowie Stichverletzung (b) mit Durchtrennung aller Bauchwandschichten

Therapie

Die Therapie richtet sich nach hämodynamischen Kriterien, nach CT-Befund und dem klinischen Zustand des Patienten. Hämodynamisch instabile Patienten werden einer EL unterzogen. Eine Angiographie und Embolisation (AE) können bei Bedarf additiv durchgeführt werden. Weitere Indikationen für eine EL sind intraabdominale freie Luft, intraperitoneale Blasenläsionen, Pfählungsverletzungen sowie Eviszerationen (Abb. 1). Es empfiehlt sich, den Patienten großzügig steril abzudecken, um ggf. die Laparotomie durch Sternotomie/Thorakotomie zu erweitern (Abb. 4). Ein Cell-Saver kann eingesetzt werden, sofern keine intestinale Verletzung vorliegt.

Abb. 4
figure 4

Empfohlener Zugang bei einer Traumalaparotomie: median mit Option, in den Thorax zu verlängern. (Nach [12], mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

Alle Bemühungen sollten zum Ziel haben, die mit einer hohen Mortalität einhergehende Trias aus Hypothermie (<34 °C), Acidose (pH < 7,2) und Koagulopathie zu verhindern. Initial müssen „Damage-control-surgery“-Prinzipen (DCS-Prinzipien) bei polytraumatisierten Patienten großzügig angewendet werden. Die Indikationen für eine DCS listet Tab. 1 auf. Blutungen werden gestillt; hierbei soll stets die einfachste und schnellste Technik angewendet werden. Kontaminationen werden gestoppt; betroffene gastrointestinale Abschnitte ohne Rekonstruktion reseziert und abgesetzt, das Abdomen ausgewaschen sowie Pankreas- und Gallenwegverletzungen drainiert.

Anschließend wird bevorzugt eine temporäre Versorgung mithilfe der „negative pressure wound therapy“ vorgenommen (NPWT; Abb. 5). Alternativ kann bei anhaltender Blutungstendenz lediglich eine Textiltamponade eingelegt und eine Folienabdeckung ohne Sog erfolgen.

Tab. 1 Indikationen für die „damage control surgery“
Abb. 5
figure 5

Temporäre Versorgung eines offenen Abdomens mithilfe der „negative pressure wound therapy“

Hämodynamisch stabile Patienten, ohne gravierende Befunde in der bildgebenden Untersuchung und ohne Anzeichen für ein akutes Abdomen, können konservativ behandelt werden: stationäre Überwachung für mindestens 24–48 h. Bei komplikationslosem Verlauf wird nach 24 h mit dem Kostaufbau begonnen. Es erfolgen klinische Verlaufskontrollen, bei Bedarf bildgebende Untersuchungen und Laborbestimmungen sowie eine stufengerechte Schmerztherapie. Auf eine prophylaktische Antibiotikatherapie kann verzichtet werden [11].

Organe

Leber

Die Leber ist das am häufigsten verletzte Organ. Die Mehrzahl (80 %) der Leberverletzungen kann unter adäquater Verlaufskontrolle mit bildgebender Untersuchung und Laborbestimmungen erfolgreich konservativ behandelt werden. Eine bildgebende Untersuchung im Verlauf (Goldstandard: CT) ist sinnvoll. In vielen Lehrbüchern wird Bettruhe oder wenigstens gelockerte Bettruhe empfohlen. Diese Empfehlungen sind nicht evidenzbasiert. Sollte der Patient zusätzlich Rippenfrakturen erlitten haben, die für die Leberläsion ursächlich sein können, ist körperliche Schonung angebracht und mag die Schmerzen lindern. Kontrollen des Hämoglobin(Hb)-Werts (zunächst mehrmals täglich) sind notwendig. Sobald der klinische Verlauf, einschließlich Hb-Wert, stabil ist, können Patienten mit weniger gravierenden Verletzungen und günstigen Befunden in der bildgebenden Verlaufsuntersuchung nach 48 h entlassen werden. Bei begleitenden Milz- oder Nierenverletzungen, mehr als 300 ml freier, im CT gemessener Flüssigkeit oder gar bei notwendigen Bluttransfusionen, ist jedoch eine andere Strategie mit längerer stationärer Behandlung geboten.

Eine operative Therapie ist bei hämodynamisch wirksamen Blutungen erforderlich. Bei niedriggradigen operationspflichtigen Verletzungen kann eine primäre Versorgung angestrebt werden (Argonlaser, hämostatische Mittel, Umstechungsligaturen).

Bei hochgradigen Verletzungen mit massivem Blutverlust kommt nur die DCS in Betracht: Argonlaser, allenfalls tiefgreifende dicke Umstechungsnähte, Tamponade mit Bauchtüchern (Abb. 6 und 7; [11]). In der Erfahrung der Autoren hat es sich bewährt, hämostatische Gelatineschwämme von 7 × 5 × 1 cm zwischen Leber und Tüchern einzubringen. Die Gelatineschwämme haben eine hämostatische Wirkung und verhindern v. a. das Verkleben von Lebergewebe und Tüchern. Ein gutes „Leber-Packing“ besteht aus mehreren Schichten von Bauchtüchern und sollte früh installiert werden, insbesondere bevor die Gerinnung entgleist. Die Tamponade wird für 24–48 h belassen. Durch strukturiertes Packing kann eine Kompression der V. cava vermieden werden. Allfällige Gallelecks werden zunächst lediglich drainiert. Das Pringle-Manöver (Lig. hepatoduodenale ausklemmen, höchstens 30 min) kann zur temporären Unterbindung der Blutzufuhr angewendet werden: Eine zusätzliche AE kann bei postoperativ anhaltender Flüssigkeits- und oder Transfusionsbedürftigkeit diagnostisch und therapeutisch hilfreich sein.

Sekundäre Rupturen mit starken Blutungen, wie bei der Milz gefürchtet, sind äußerst selten. Gallenblasenleckagen können zu einem späteren Zeitpunkt mithilfe der endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) oder eines biliären Stents behoben und Abszesse perkutan drainiert werden.

Abb. 6
figure 6

a Leberlazeration in der Computertomographie, b intraoperativ nach Argonlaseranwendung, c nach Setzen von dicken durchgreifenden Nähten

Abb. 7
figure 7

„Abdominal packing“ (Sandwich-Technik)

Abb. 8
figure 8

a Milzlazeration in der Computertomographie, b Splenektomiepräparat

Milz

Die Milz ist insgesamt das am zweithäufigsten (32 %) verletzte Organ. Goldstandard der bildgebenden Untersuchung ist die CT (Abb. 8 und 9). In der eigenen Institution haben MRT-Untersuchungen im Verlauf geholfen, Milzläsionen, die in der initialen CT-Untersuchung unklar waren, zu differenzieren (Abb. 10 und 11). Ebenso konnten Parenchymschäden präziser abgeschätzt werden.

Ein nichtoperatives Management bei hämodynamisch stabilen Patienten unter adäquater Verlaufskontrolle, mithilfe bildgebender Untersuchungen und Laborbestimmungen, ist grundsätzlich möglich. Die interventionelle Radiologie trägt maßgeblich zur Verbesserung des Erfolgs eines nichtoperativen Managements bei. Sie findet v. a. bei hämodynamischer Stabilität Anwendung, sofern zusätzliche Verletzungen wie z. B. Hohlorganperforationen, ausgeschlossen wurden. Die Autoren setzen die AE bei vermeintlich unter Kontrolle stehenden Befunden im Verlauf sehr großzügig ein, um die gefürchteten zweizeitigen Rupturen, die zwar selten, dafür aber sehr dramatisch sein können, zu verhindern.

Bei hämodynamisch relevanten Blutungen ist die Operation indiziert. Die Splenektomie ist die Therapie der Wahl. Die Präparation sollte stets nahe der Milz erfolgen. Der erste Assistent zieht den Magen nach medial. Dadurch exponiert sich meist der Milzhilus. Der Operateur kann die Milzarterie zwischen Daumen und Zeigefinger einklemmen und schließlich eine Klemme setzen. Der Milzhilus sollte mit mindestens 2 Durchstechungsligaturen gesichert werden. Dieses DCS-Manöver dauert nur wenige Minuten. In Ausnahmefällen kann die Milz mit einem resorbierbaren Netz tabaksbeutelartig umwickelt werden.

Eine Splenektomie führt vermutlich zur lebenslang erhöhten Anfälligkeit gegenüber bekapselten Bakterien („overwhelming post-splenectomy infection“). Deshalb sind Impfungen gegen Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Meningokokken innerhalb von 14 Tagen und auch die jährliche Grippeschutzimpfung, empfehlenswert.

Meist tritt eine zweizeitige Ruptur innerhalb einer Woche auf, kann jedoch auch noch nach 14 Tagen überraschend vorkommen. Allerdings existiert noch keine Untersuchung, die es erlaubt, das Risiko einer zweizeitigen Ruptur abzuschätzen. Im Verlauf haben MRT-Untersuchungen geholfen, den Parenchymschaden besser zu beurteilen und allenfalls eine längere stationäre Beobachtung anzuordnen oder großzügig die AE einzusetzen [13, 14, 15].

Abb. 9
figure 9

Milzerhaltung bei hämodynamisch stabilem 40-jährigem Mann ohne Zusatzverletzungen: a Lazeration in der Computertomographie, b Blutstillung mithilfe des Argonlasers, c Umwicklung mit resorbierbarem Netz, d Angioembolisation unmittelbar vor Coiling

Abb. 10
figure 10

Ein 38-jähriger Mann nach Polytrauma. a Computertomographie mit unklarer hypodenser Läsion am Milzoberpol. b, c Die Magnetresonanztomographie am Folgetag zeigt die Läsion T2-gewichtet hyperintens mit geringer angrenzender freier Flüssigkeit (b) und T1-gewichtet nach Kontrastmittelgabe hypointens (c). Diese Befunde entsprechen einer traumatischen Milzlazeration mit kleinem angrenzenden Hämatom

Abb. 11
figure 11

Ein 53-jähriger Mann nach Polytrauma. a Computertomographie mit unklarer hypodenser Milzläsion am Unterpol. b, c Die Magnetresonanztomographie 2 Tage nach Trauma zeigt, dass die Läsion T2-gewichtet hyperintens und ohne angrenzende Flüssigkeit ist (b), während die Läsion in der T1-gewichteten Sequenz eine noduläre randständige Kontrastmittelaufnahme aufweist (c). Signal- und Kontrastmittelverhalten entsprechen dem Zufallsbefund eines Hämangioms

Magen

Magenverletzungen machen einen geringen Anteil an AV aus. Bei sAV liegen bei lediglich 1 % der Patienten eine Magenverletzung vor. Der Magen ist aufgrund seiner hohen Mobilität, dicken Wand und teilweise geringen Füllung robust. Ein voller Magen ist ein Risikofaktor für eine Ruptur.

Die Diagnostik erfolgt durch Nachweis freier Luft und Flüssigkeit in der CT. Eine operative Versorgung durch Allschichtennaht (fortlaufende Nahttechnik) ist nach sparsamem Débridement die Therapie der Wahl. Die Bursa omentalis muss eröffnet und die Magenhinterwand (speziell bei Stichverletzungen von Bedeutung) inspiziert werden.

Dünndarm

Dünndarmverletzungen machen weniger als 7 % der AV aus. Sie werden sowohl durch pAV als auch durch stumpfe Gewalt verursacht. Bei pAV sind isolierte Dünndarmverletzungen möglich; sie äußern sich in diffusem, meist heftigem Schmerz sowie intraperitonealen Flüssigkeitskollektionen und freier Luft in der CT.

Die meisten (80 %) Dünndarmverletzungen können primär verschlossen werden. Die Naht sollte stets quer ausgerichtet sein, um eine Einengung des Lumens zu vermeiden. Bei der DCS werden verletzte Dünndarmsegmente bevorzugt mithilfe der Staplernaht abgesetzt. Verletzungen in der Nähe des Pankreas (an der Innenseite des duodenalen C) bedürfen ggf. einer Duodenotomie und Rekonstruktion von innen. Bei diesen Verletzungen sollten stets eine Ernährungssonde (nasojejunale Sonde oder Jejunostomie) und eine Magensonde einlegelegt werden.

Während der standardmäßigen Exploration wird der Dünndarm systematisch vom Treitz-Ligament bis zur Ileozäkalklappe inspiziert. Bei Verdacht auf eine Verletzung im Bereich des Duodenums muss nach Kocher mobilisiert werden. Verletzungen im Bereich des pankreatikoduodenalen Komplexes sind aufgrund der anatomischen Verhältnisse schwierig (Abb. 12; [6, 7]).

Abb. 12
figure 12

Leck am Duodenum im Bereich des Treitz-Ligaments. a Computertomographie, b vor, c nach fortlaufender Naht, monofil, Fadenstärke 3-0

Pankreas

Pankreasverletzungen machen 1 % der sAV und ca. 10 % der pAV aus. Sie sind fast immer mit anderen Verletzungen kombiniert, insbesondere mit Leber- und Milzläsionen. Verletzungen des Ductus pancreaticus entgehen der Standardabklärung beim Trauma und sind auch intraoperativ kaum zu finden, sofern nicht wegen dringendem Verdacht ausgedehnt exploriert wird. Eine MRT-Darstellung des Ductus pancreaticus und/oder endoskopisch-retrograde Darstellung sind erst verzögert möglich. Daher sollten Laboranalysen, CT und MRT bei Verdacht mehrfach wiederholt werden (Abb. 13).

Abb. 13
figure 13

Ein 12-jähriges Mädchen 24 h nach stumpfem Trauma aufgrund eines Fahrradsturzes. a Pankreasläsion an typischer Stelle mitten im Corpus in der Computertomographie (CT), b intraoperativer Befund am Pankreaskorpus. Ohne Kenntnis des CT-Befunds ist die Pankreasläsion intraoperativ nicht zu finden. Eine Linksresektion wurde vorgenommen

Pankreasverletzungen ohne Pankreasgangbeteiligung können fast immer nichtoperativ behandelt werden. Eine Verletzung des Pankreasgangs erfordert radiologische und/oder endoskopisch interventionelle oder chirurgische Maßnahmen. Ein verletzter Pankreasgang heilt nicht spontan: Stenting, Y‑Roux-Rekonstruktion oder sogar eine Whipple-Prozedur können notwendig werden. Bei der DCS werden nichtblutende Verletzungen drainiert und blutende Verletzungen umstochen und/oder komprimiert. Das Ausschalten der exokrinen Pankreasfunktion mithilfe von Octreotid wird kontrovers diskutiert. Nekrosebildungen durch Enzymleckage und daraus meist folgende Infektion sind mit geeigneten Methoden (CT, MRT und Laborbestimmungen von Enzymen, C‑reaktivem Protein [CRP], Leukozyten) zu suchen. Die am meisten gefürchteten Komplikationen sind ausgedehnte, teilweise fuchsbauartige Abszessbildungen. Sie werden, wenn möglich, ultraschall- oder CT-gesteuert perkutan drainiert.

Kolon und Rektum

Kolonverletzungen kommen bei pAV häufiger als bei sAV (4 %) vor. Die Mortalität von Kolonverletzungen beträgt 3 %, diejenige für Rektumverletzungen ist deutlich höher. Die digitale rektale Untersuchung und die Proktoskopie sollten immer erfolgen, bei Bedarf ergänzt durch endoskopische Methoden wie starre Rektoskopie (durch den Chirurgen), flexible Endoskopie intraoperativ (Rendez-vous-Technik gemeinsam durch Endoskopiker und Chirurg) [16].

Einfache Kolon- und intraperitoneale Rektumverletzungen können bei einem pAV primär nach Débridement durch eine Übernähung versorgt werden (allenfalls Omentumplombe auf Naht). Das Ausmaß der Kontusion ist meist zu Beginn nicht abschätzbar. Deshalb sind geplante „Second-look“-Interventionen indiziert. Bei einer DCS werden die verletzten Segmente mithilfe des Staplers abgesetzt und nicht rekonstruiert. In Notfallsituationen kommt auch ein temporäres Stoma in Betracht.

Nieren

Nierenverletzungen sind häufig (50 % der urogenitalen AV). Sie treten bei 25 % der sAV auf. Schwerwiegende Nierenverletzungen sind jedoch selten (2 %). Bei Verletzungen des Nierenbeckenkelchsystems tritt Kontrastmittel aus. Das bedeutet, dass Urin in großer Menge in die Umgebung fließt.

Nierenverletzungen können meistens (80 %) nichtoperativ therapiert werden, da eine Selbsttamponade durch die straffe retroperitoneale Gerota-Faszie erfolgt. Bei hämodynamischer Instabilität ist die Indikation zur Operation gegeben: Der Zugang erfolgt bevorzugt transabdominal, weil die Kontrolle über die großen Gefäße und das Versorgen von abdominalen Begleitverletzungen einfacher möglich wird als über einen retroperitonealen Zugang (Abb. 14; [17]).

Abb. 14
figure 14

Ausgeprägte linksseitige Nierenlazeration bei 40-jährigem Skifahrer nach Kollision mit Pistenabschrankung. a Computertomographie, b Nephrektomiepräparat der vollständig zerstörten linksseitigen Niere

Ureter

Ureterverletzungen sind selten (1 % der urogenitalen AV) und meistens (75 %) iatrogener Genese. Bei Verletzungen im Bereich des Ureters ist eine vorsichtige Exploration besonders wichtig. Bei schwierigen anatomischen Verhältnissen ist die Einlage eines Ureterkatheters von peripher sehr hilfreich [17].

Blase

Blasenverletzungen werden meistens (80 %) durch sAV verursacht und machen 2 % der sAV aus. Sie sind meist (80 %) mit Beckenfrakturen kombiniert. Extraperitoneale Blasenverletzungen sind (im Vergleich zu intraperitonealen Blasenverletzungen) viel häufiger (86 % vs. 14 %). Zusätzlich zur Ganzkörper-CT ist eine CT-Zystographie sinnvoll (Abb. 15).

Abb. 15
figure 15

Extraperitoneale Blasenläsion bei Beckenfraktur: Pfeil Kontrastmittelaustritt

Extraperitoneale Rupturen können nichtoperativ mithilfe der Katheterdrainage (in situ für 10 Tage) behandelt werden. Extraperitoneale Verletzungen sollten alternativ im Rahmen einer Beckenosteosynthese oder EL versorgt werden. Intraperitoneale Rupturen und penetrierende Blasenverletzungen müssen operativ mit einer Allschichtnaht behandelt werden. Blasenhalsnahe Urethraabrisse können über eine Sectio alta mithilfe des Katheterdurchzugsmanövers geschient werden [17].

Diaphragma

Diaphragmaverletzungen sind bei pAV relativ häufig (24 %) und bei sAV eher selten. Überwiegend ist die linke Seite betroffen; meist liegen Begleitverletzungen vor (Milz). Linksseitige Zwerchfellrupturen werden durch eine Laparotomie und mithilfe von dickem Nahtmaterial versorgt (Fadenstärke 2, Abb. 16). Rechtsseitige Diaphragmaläsionen können meistens nichtoperativ behandelt werden.

Abb. 16
figure 16

Ausgedehnte linksseitige Zwerchfellruptur bei 60-jährigem Motorradfahrer mit beidseitigen Rippenserienfrakturen. a Computertomographie, b intraoperativ, c nach Naht mit resorbierbarem Schlingenfaden, Fadenstärke 2

Intraabdominale Hypertension und abdominales Kompartmentsyndrom

Das abdominale Kompartmentsyndroms (ACS) ist mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert. Erste Symptome sind eine gespannte Bauchdecke, Dyspnoe und Oligurie. Die intraabdominale Hypertension (IAH) wird durch einen intraabdominalen Druck >12 mm Hg definiert. Das therapeutische Ziel muss sein, den abdominalen Perfusionsdruck (entspricht dem mittleren arteriellen Blutdruck minus intraabdominaler Druck) >60 mm Hg zu halten. Eine operative Dekompression erfolgt erst bei Versagen des nichtoperativen Managements (nasogastrische oder endoskopische Dekompression des Kolons). Ultima Ratio bei einem IAP >30 mm Hg und einhergehendem Organversagen ist die Laparotomie mit Offenlassen der Bauchdecken und temporärer NPWT [18].

Indikationen für eine unverzügliche Laparotomie sind:

  • sichtbare Befunde wie Eviszeration,

  • hämodynamische Instabilität,

  • CT-Befunde: reichlich Blut oder andere Flüssigkeiten intraabdominal, stark lädierte Organe, freie Luft,

  • inadäquate Befunde: extreme Schmerzen trotz fehlender Befunde in der bildgebenden Untersuchung bei vermuteter schwerer Verletzung [19].

Fazit für die Praxis

  • Diagnostischer Goldstandard beim polytraumatisierten Patienten ist die Ganzkörper-CT.

  • Es gilt: „Treat first what kills first.“

  • Als Zugang bei AV wird immer die mediane Laparotomie gewählt.