Muttermilch ist unbestritten die erste Wahl in der Ernährung von Säuglingen. Wenn Kinder nicht gestillt werden, stehen Säuglingsmilchen – Säuglingsanfangsnahrungen (sogenannte Pre-Nahrungen und 1er-Nahrungen) und Folgemilchen (sogenannte 2er- und 3er-Nahrungen) – als Stufenkonzept zur Verfügung. Bisher waren in Österreich Stufenkonzepte erhältlich, in denen der Proteingehalt der Folgemilch höher als in der Säuglingsanfangsnahrung war.

In der Folge werden die Veränderungen der Zusammensetzung der Säuglingsmilchen in der letzten Zeit besprochen und der Muttermilch (=Goldstandard) gegenübergestellt.

Im Laufe des ersten Lebensjahrs des Kindes verändert sich Muttermilch in der Zusammensetzung und passt sich den Bedürfnissen des wachsenden Kindes an. Der Proteinbedarf, gemessen am Körpergewicht des Säuglings, nimmt über die Zeit ab – daher sinkt auch der Proteingehalt der Muttermilch im Laufe des ersten Lebensjahrs ([1]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Proteinbedarf des Säuglings im 1. Lebensjahr (gemessen in g/kgKG und Tag; gestrichelte Linie) und Proteingehalt der Muttermilch in g/100 ml (rot Minimum, blau Durchschnitt, grün Maximum). (Modifiziert nach Lönnerdal et al. [1])

Die Proteinaufnahme in den ersten Lebensjahren ist insofern von großer Bedeutung, als sie ganz wesentlich zur langfristigen metabolischen Programmierung des Kindes beiträgt. Die „Frühe-Protein-Hypothese“ [2] besagt, dass eine hohe Eiweißzufuhr im Säuglingsalter zu erhöhten Konzentrationen an insulinfreisetzenden Aminosäuren, den Wachstumsfaktoren Insulin und „insulin-like growth factor 1“ (IGF-1) sowie zu erhöhter früher Gewichtszunahme und späterer Adipositas führt.

So hat z. B. die CHOP-Studie gezeigt, dass sich ein niedriger Eiweiß-, aber gleicher Kaloriengehalt in der Säuglingsanfangsnahrung und Folgemilch günstig auf den Body-Mass-Index (BMI) [3, 4] mit 6 Jahren auswirkt: Kinder, deren Säuglingsmilchen einen geringeren Eiweißgehalt enthielten, hatten ein 2,4- bis 2,9-fach erniedrigtes Risiko für Fettleibigkeit zu Schulbeginn und gediehen im Bezug auf das Körpergewicht ähnlich wie gestillt Kinder (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Mittlerer Body-Mass-Index (BMI) von Kindern der multizentrischen CHOP-Studie (vom Säuglingsalter bis 6 Jahre). (Modifiziert nach Weber et al. [3])

Auf Basis dieser Daten ist es daher wünschenswert, Säuglingsmilchen mit einem Proteinstufenkonzept zu verwenden, das dem sinkenden Proteingehalt der Muttermilch angepasst ist. EU und EFSA haben aufgrund der Datenlage die Vorgaben für den Proteingehalt von Säuglingsmilchen immer mehr abgesenkt (Tab. 1).

Tab. 1 Übersicht über Empfehlungen für den Proteingehalt von Anfangsnahrungen und Folgemilchen im Laufe der letzten 30 Jahre [5]

Bisher haben die Ernährungskommissionen der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde keine Stufenkonzepte empfohlen, da der Proteingehalt in Folgemilchen tendenziell immer höher war als in Säuglingsanfangsnahrungen [6]. Da mittlerweile aber Folgemilchen mit reduziertem Proteingehalt zur Verfügung stehen, ergibt sich aus diesen Stufenkonzepten für nichtgestillte Säuglinge ein gesundheitlicher Vorteil im Sinne der Adipositasprävention.

FormalPara Empfehlung

Die Ernährungskommission empfiehlt, für nichtgestillte Säuglinge zukünftig Stufenkonzepte mit reduziertem Proteingehalt insbesondere bei Folgemilchen zu verwenden, wobei klar anzumerken ist, dass Muttermilchernährung zu jedem Zeitpunkt Säuglingsmilch überlegen ist. Säuglingsanfangsnahrungen und Folgemilchen sind ein Ersatz für Muttermilch, können aber nicht die gesundheitlichen Vorteile der Muttermilchernährung für Säuglinge oder Kleinkinder bieten.