Einleitung

Warum soll ein nationaler Konsensusreport zur Verwendung der allergenspezifischen Immuntherapie (AIT) im Kindes- und Jugendalter in Österreich erstellt werden?

Neben internationalen Leitlinien [1,2,3,4,5] sowie rezenten Cochrane-Reviews [6,7,8,9,10,11] liegt eine aktuelle S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (ÄDA) und der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) 2014 [12] vor. In diesen Veröffentlichungen/Leitlinien wird zwar umfassend auf die medizinischen Aspekte, wie Indikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen, eingegangen, die Empfehlungen basieren aber vorwiegend auf wissenschaftlichen Studiendaten aus dem Erwachsenenalter, obwohl die Bedeutung des frühzeitigen Einsatzes der allergenspezifischen Immuntherapie im Verlauf der Krankheitsentwicklung, d. h. oft bereits im frühesten Kindesalter, betont wird. Neben der zumeist geringen Studienzahl an Kindern und Jugendlichen liegt nunmehr eine gesetzliche Vorgabe der Europäischen Kommission vor, die eine Prüfung der Arzneimittel an Kindern und Jugendlichen vorschreibt, bevor eine Zulassung zur Verwendung an Kindern und Jugendlichen zu erteilen ist (EC No. 1901&1902/2006, [13]). Übergangsregelungen sind auch festgehalten. Zulassungen werden vonseiten der Pharmaindustrie dementsprechend zunehmend europaweit angestrebt, benötigen aber in vielen Fällen weiterhin eine nationale Bewilligung. Dementsprechend sind nationale Zulassungen von Arzneimitteln und Arzneispezialitäten auch zukünftig für die verschreibenden Ärzte von Relevanz. Das Angebot an in Österreich registrierten Arzneimitteln und Arzneispezialitäten hat sich in den letzten Jahren stark geändert. Da die Zulassungen für AIT-Arzneimittel und -Spezialitäten bereits das frühe Kleinkindalter (zwischen „ab 2. Lj.“ bis „ab 6. Lj.“ [Lj: Lebensjahr]) für etliche Produkte umfassen, sind alle Fachärzte (für Kinder- und Jugendheilkunde, Dermatologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Pneumologie) gefordert und letztendlich verpflichtet, nach gewissenhafter Prüfung der Datenlage aus den zugelassenen Produkten zu wählen. Dieser Anforderung soll in diesem Konsensusreport-Update 2017 Rechnung getragen werden. Für die Wahl einer AIT soll eine Entscheidungshilfe zur Verfügung gestellt werden, indem alle zurzeit in Österreich erhältlichen Präparate und Eckdaten von Studien aufgelistet werden. Auch diese Liste unterscheidet sich aufgrund der unterschiedlichen Zulassungen in Österreich und Deutschland von jener der oben genannten deutschen Leitlinie [12]. Obwohl auf die Indikationen bei der AIT kurz eingegangen wird, möchten wir bezüglich offener Diskussionspunkte und spezieller Aspekte auf die überarbeitete Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF, [12]) hinweisen. Insbesondere kann diese Übersichtsarbeit keine „Reihung“ bestimmter allergenspezifischer Immuntherapeutika in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheitsprofil vornehmen, da hierfür für das Kindes- und Jugendalter kaum Vergleichsstudien vorliegen.

Zielsetzung der Immuntherapie mit Allergenen

Die AIT (Allergieimpfung, Hyposensibilisierung) setzt als einzige kausale Behandlungsform bei allergischer Rhinokonjunktivitis (RC), allergischem Asthma bronchiale und Insektengiftallergie am Immunsystem an und greift unmittelbar in den Krankheitsprozess ein. Damit werden nicht nur die Allergiesymptome gelindert, sondern es wird auch die zugrunde liegende Ursache der Allergie bekämpft [9, 14, 15]. Die immunologischen Wirkmechanismen werden zunehmend besser verstanden [16,17,18,19]. Der allergrößte Teil dieses Wissens wurde aus Untersuchungen an Erwachsenen unter Anwendung der subkutanen spezifischen Immuntherapie („subcutaneous immunotherapy“, SCIT) generiert. Neuere Studien mit dem sublingualen Applikationsweg („sublingual immunotherapy“, SLIT) konnten bekannte Wirkmechanismen der SCIT großteils auch bestätigen. Vor diesem Hintergrund werden die immunologischen Wirkmechanismen wie folgt zusammengefasst [13]:

Immunologische Wirkmechanismen

Gemäß dem derzeitigen Stand des Wissens sind die Hauptzielzellen der spezifischen Immuntherapie die T‑ und die B‑Lymphozyten, deren Funktionen selektiv dargestellt werden:

  1. 1.

    T-Lymphozyten:

    • durch einen „switch“ im T‑Lymphozyten-Profil, wobei die dominante Antwort der T‑Helfer-Zellen vom Typ 2 (TH2-Antwort mit Überproduktion von Zytokinen wie Interleukin[IL]-4, IL-5, IL-13) zugunsten einer stärkeren TH1-Antwort (Interferon-γ [IFN-γ]) abgelöst wird [20,21,22,23], obwohl dies in manchen Studien nicht nachzuweisen ist [24,25,26];

    • durch Aktivierung regulatorischer T‑Lymphozyten, sog. Treg-Zellen, die IL-10 und „transforming growth factor-β“ (TGF-β) produzieren und Toleranz vermitteln [20, 27,28,29,30,31,32] und

    • durch Induktion einer verminderten Reaktionsbereitschaft mit abnehmender Zytokinproduktion und verminderter Proliferation nach Stimulation über den T‑Zell-Rezeptor [33,34,35,36,37].

  2. 2.

    B-Lymphozyten:

    • Induktion einer gesteigerten allergenspezifischen IgG-Produktion, insbesondere IgG4 [27, 28, 38,39,40,41] und

    • Reduktion der allergenspezifischen IgE-Produktion (Ig: Immunglobulin; [16, 17, 39, 42]).

Allergenextrakte

Zur SIT werden nichtmodifizierte, native Allergene als wässrige oder physikalisch gebundene (Semidepot‑)Extrakte sowie chemisch modifizierte Extrakte (Allergoide, Depigoide) als Semidepotextrakte eingesetzt ([43,44,45]; Tab. 1). Allergoide haben weniger reaktive B‑Zell-Epitope und eine geringere IgE-Bindung bei Erhalt der T‑Zell-Epitop-Bindung und damit der immunogenen Wirkung zur Grundlage; dies soll eine bessere Verträglichkeit bedingen. Vergleichende Untersuchungen von modifizierten Extrakten (Allergoiden/Depigoiden) und nichtmodifizierten Allergenen bei Kindern liegen nicht vor. Bei eingeschränkter Datenlage und Studienqualität ist bei Allergoiden und Depigoiden eine Wirksamkeit und gute Verträglichkeit nachgewiesen worden [46,47,48,49,50,51,52,53].

Tab. 1 Physikochemische Beschaffenheit von Allergenprodukten

Wirksamkeit in klinischen Studien

Bei geeigneter Indikation und richtiger Anwendung sind SCIT und SLIT im Kindesalter als risikoarm anzusehen. Die Rate von systemischen Reaktionen beträgt unter 0,1 % der Injektionen [54, 55]. Die Indikationsstellung zielt primär auf die Verbesserung einer bereits bestehenden Allergiesymptomatik ab. Gerade in der Pädiatrie ergeben sich aufgrund der sequenziellen Dynamik der Allergiesymptome über das Kindesalter durch die AIT aber auch Aspekte im Sinne einer Sekundärprävention allergischer Erkrankungen (z. B. Vorbeugung eines Asthma bronchiale bei bestehender allergischen Rhinitis). Diese Aspekte sind in letzter Zeit neu in die Diskussion geraten, da bisher keine doppelblinde, placebokontrollierte (DBPC-)Studien für diese Altersgruppen vorlagen und damit eine schlüssige Indikationsstellung unter dem Sekundärpräventionsaspekt noch immer weitestgehend aussteht. Dies sollte sich aber nach Beendigung von Studien mit hohen Patientenzahlen und qualitativ hochwertigem Studiendesign bald ändern. Während die Indikation zur AIT bei einer potenziell lebensbedrohlichen Insektengiftallergie prinzipiell altersunabhängig gestellt wird, gilt für Inhalationsallergien, basierend auf den existierenden Richtlinien der World Health Organization (WHO) zur Immuntherapie von 1998 [15], den Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma (ARIA) Guidelines von 2001 [56] und den Global Initiative for Asthma (GINA) Guidelines 2017 [57] ein Lebensalter ≥5 Jahre als Empfehlung für den Beginn der Immuntherapie. Die bisher übliche Forderung, wohl aus der Erwachsenenmedizin übernommen, zumindest 2 Beschwerdeperioden mit ähnlicher Allergiesymptomatik vor Erwägung einer AIT aufzuweisen, ist in letzter Zeit der Hoffnung einer Frühintervention im Sinne der Beeinflussung des „allergischen Marsches“ gewichen. Allerdings sind die wenigsten Immuntherapiepräparate vor dem 5. Lebensjahr zugelassen oder lizenziert, und bei noch nicht eindeutiger Symptomatik dient die 2. Episode zur präzisen Indikationsstellung. Die gängige Therapieform ist eine ganzjährige; für manche Produkte wird eine präsaisonale oder präkosaisonale Applikation empfohlen. Einschlägige pädiatrische Daten liegen hierzu nur eingeschränkt vor [52, 53, 55, 58].

Allergische Rhinokonjunktivitis

Die allergische RC stellt eine häufige Erkrankung in der Pädiatrie dar. Die AIT bietet (neben der oft eingeschränkten Möglichkeit der Allergenkarenz) den einzigen kausalen Zugang zu dieser Erkrankung. Das „position paper“ der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) aus dem Jahr 2013 zum Thema allergische Rhinitis im Kindesalter gibt zur AIT folgendes Statement ab: „allergen-specific immunotherapy is helpful in IgE mediated allergic rhinitis and may prevent the progression of allergic disease“ [59]. Die Evidenz der Wirksamkeit einer AIT in der Pädiatrie stützt sich auf einige wenige Daten von hoher Qualität und zahlreiche Daten unterschiedlicher Qualität (Tab. 2 und 3). In diesem Abschnitt wird die Wirksamkeit der SIT bei allergischer RC im Kindesalter anhand rezenter Publikationen beleuchtet.

Tab. 2 Auflistung der publizierten Kinderstudien und Studien mit Einschluss von Kindern/Jugendlichen und Zuordnung zu den zugelassenen Allergenprodukten
Tab. 3 Auflistung der Allergenprodukte nach Allergenquelle und jeweiligen Kinderstudien bzw. Studien unter Beteiligung von Kinderna (z. B. 4/5 = 4 Kinderstudien/5 Studien mit Kinderbeteiligung)

In der deutschsprachigen Leitlinie zur AIT bei IgE-vermittelter Erkrankung [133] findet sich eine Liste der zur SIT verfügbaren Präparate in Deutschland, die der Therapie-Allergene-Verordnung unterliegen. Diese zulassungsbedürftigen Therapieallergene betreffen Erle, Hasel, Birke, Süßgräser, Hausstaubmilbe, Bienen- und Wespengift. Weitere (seltener indizierte) Therapieallergene sind in dieser Liste nicht angeführt, so ist z. B. eine DBPC-Studie zu Alternaria bei Kindern und Jugendlichen dort nicht zu finden. Die Liste wird halbjährlich aktualisiert (letzter Aktualisierungstand 06/2017); die dort gelisteten Präparate mit den dazugehörigen Studien erfüllen auf den ersten Blick strenge Qualitätskriterien:

  • Allergenextrakt und -dosis sind standardisiert,

  • randomisiertes, doppelblindes, placebokontrolliertes Studiendesign,

  • Angabe eines Symptom-Medikation-Scores und/oder beider Einzel-Scores,

  • Angabe zur statistischen Auswertung,

  • statistisch signifikantes Ergebnis und die Wirksamkeit des Verums betragen mindestens 20 % über Placebo.

Allerdings sind bei dieser Liste einige Ausnahmen möglich, da z. B. abweichend von den aktuellen Anforderungen jene vom Paul-Ehrlich-Institut im Jahr der Zulassung geforderten Kriterien maßgeblich sind. Es wird auch erwähnt, dass einzelne Produkte, die in Studien eine Wirksamkeit zeigten, aber den oben genannten Kriterien nicht entsprechen, zur klinischen Dokumentation dennoch angeführt werden. Bei der Durchsicht der publizierten Listen erkennt man rasch die begrenzte Studienlage im Kindesalter [134]. Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung dazu:

Die Wirksamkeit einer Immuntherapie im Kindesalter bei allergischer RC durch Gräserpollen ist durch einige hochqualitative Studien, die die oben genannten Kriterien erfüllen, gut belegt. Bei allen gelisteten Studien handelt es sich um die SLIT. Drei Studien wurden mit der Grazax®-Sublingualtablette durchgeführt: an 345 Patienten mit saisonaler allergischer RC im Alter von 5 bis 17 Jahren [126], an 253 Patienten mit saisonal allergischer RC mit/ohne Asthma im Alter von 5 bis 16 Jahren [127] und eine Studie mit Oralair®-Sublingualtablette an 278 Patienten mit saisonaler allergischer RC im Alter 5 bis 17 Jahren [132]. Zu ergänzen ist eine gerade zur Publikation akzeptierte Studie (Grazax-Asthma-Prevention[GAP]-Studie), die an einer Gruppe von 812 Kindern (5 bis 12 Jahre) mit allergischer RC primär den präventiven Effekt einer SLIT mit Grazax® auf die Asthmaentwicklung untersuchte, sekundär aber auch die Wirksamkeit der Behandlung auf RC-Symptome und/oder Medikation über 3 Jahre Therapie und 2‑Jahre-Follow-up zeigen konnte [135]. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei der durch eine Gräserpollenallergie ausgelöste allergische RC die Wirksamkeit der SLIT im Kindesalter durch placebokontrollierte Doppelblindstudien mit hohen Patientenzahlen belegt werden konnte. Es fanden sich signifikante Verbesserungen der Symptomen‑, Medikamenten- und des kombinierten Symptomen-Medikamenten-Scores sowie eine Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zu Placebo.

Bezüglich einer allergischen RC, ausgelöst durch Baumpollen und Hausstaubmilben, sind entsprechende qualitativ hochstehende Studien im Hinblick auf Wirksamkeit einer Immuntherapie (SCIT und auch SLIT) nur eingeschränkt vorhanden [136,137,138].

Abgesehen von den Statements der oben genannten Leitlinie gibt es zahlreiche Review-Arbeiten und Metaanalysen zur Effektivität der SIT [139], wobei die inkludierten Studien jedoch nicht oben genannte strenge Qualitätskriterien erfüllen. Diese Publikationen konnten mehrheitlich eine statistisch signifikante Verbesserung der Symptomen- und/oder Medikamenten-Scores aufzeigen, wenngleich Studiendesign, Patientenzahlen, Behandlungsdauer eine große Heterogenität erkennen lassen. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2013 mit 17 doppelblinden randomisierten kontrollierten Studien, eine davon mit Teilnehmenden im Kindesalter, die bei Patienten mit saisonaler allergischer RC mithilfe einer SCIT durchgeführt wurden, zeigte einen positiven Effekt auf Symptome, Medikamentenverbrauch und Lebensqualität [139].

Ebenfalls 2013 wurde eine umfassende Übersicht zur Wirksamkeit der SCIT bei Hausstaubmilbenallergie publiziert, wobei die Studienergebnisse insgesamt heterogen waren und sich in der Arbeit ebenfalls nur eine einzige placebokontrollierte Studie an 30 pädiatrischen Patienten mit allergischer RC und Asthma fand [140].

Ein umfangreicher rezenter pädiatrischer Review zur AIT (SCIT und SLIT) bei allergischer RC bzw. Asthma wurde von Kim et al. publiziert [141]. In diese Arbeit flossen 34 „randomized controlled trials“ ein (in Summe 2638 Kinder mit Asthma und/oder allergischer RC): 13 Studien (920 Kinder) SCIT vs. Placebo; 18 Studien (1583 Kinder) SLIT vs. Placebo; drei Studien (135 Kinder) verglichen SCIT mit SLIT. Drei Studien in dieser Arbeit (mit jeweils 205/50/30 Kindern) untersuchten die Effektivität der SCIT bei allergischer RC (Cladosporium, Alternaria bzw. Gräser‑/Birkenpollen vs. Placebo) mit der Conclusio einer „moderaten“ Evidenz, was laut Definition der Autoren einer 15 %- bis –40 %igen Verbesserung im Vergleich zu Placebo entsprach.

Zwölf Studien (insgesamt 1065 Kinder) evaluierten die Effektivität einer SLIT bei allergischer RC, wobei 6 Studien davon an Hausstaubmilbenallergikern durchgeführt wurden. Die Studienergebnisse waren insgesamt sehr heterogen, mit einer breiten Effektivitätsbeurteilung durch die Autoren von „weak“ über „moderate“ bis „strong“ [141].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aufgrund der vorhandenen Datenlage die AIT im Kindesalter bei der allergischen RC eine wirksame Therapieform darstellen kann, wenngleich die Datenfülle zwar umfangreich, aber sehr heterogen und von sehr unterschiedlicher Qualität ist ([7, 47,48,49,50,51,52,53, 64, 67,68,69, 75,76,77, 86, 94,95,96,97,98,99,100, 102,103,104,105,106,107,108,109, 111, 112, 114, 116, 117, 122, 127, 142,143,144,145]; Tab. 2). Wichtige Aspekte der Langzeitwirkung und des „disease-modifying effect“ bedürfen noch weiterer Untersuchungen.

Allergisches Asthma bronchiale

Lange Zeit stellte Asthma bronchiale eine Kontraindikation für eine AIT dar. Diese Einschränkung gilt in den letzten Jahren nur mehr für das unkontrollierte Asthma bronchiale. In die aktuellsten Cochrane-Analyse zu Wirksamkeit und Sicherheit der SCIT beim allergischen Asthma bronchiale wurden 88 Studien eingeschlossen, 42 davon bei Hausstaubmilben-, 27 bei Pollen-, 10 bei Tierhaar- und 2 bei Cladosporium-Allergie [11]. Dabei konnte eine signifikante Verbesserung des Asthma-Symptomen-Scores unter SCIT gezeigt werden. Zudem wurde eine signifikante Reduktion der spezifischen bronchialen Hyperreagibilität nachgewiesen. Die Lungenfunktion wurde durch die SCIT nicht beeinflusst. Bei einem von 9 Patienten kam es durch diese Therapie zu einer systemischen unerwünschten Reaktion (jeglichen Schweregrads). Diese Metaanalyse umfasst Erwachsene und Kinder, und es steht keine, nur auf Kinder bezogene Metaanalyse zur Verfügung [133]. Eine weitere rezente Metaanalyse inkludierte 3 Kinderstudien mit hausstaubmilbeninduziertem allergischem Asthma. Die Autoren schlussfolgern, dass die Studien aufgrund geringer Fallzahlen und z. T. ungenügender Kontrolle von Kosensibilisierungen nur beschränkt aussagekräftig sind [140].

Zwei in diesen Metaanalysen nichterfasste Studien konnten bei hausstaubmilbenallergischen Kindern mit Asthma zeigen, dass die SCIT zu einer deutlichen Reduktion der zur Asthmakontrolle notwendigen inhalativen Kortisondosis führt [146], und dass es sowohl für die SCIT als auch für die SLIT zu einer signifikanten Reduktion des totalen Asthma-Symptomen- und Medikamenten-Scores kam [147].

In eine Metaanalyse von 14 Studien zu SLIT und hausstaubmilbeninduziertem allergischem Asthma waren 10 Kinderstudien inkludiert, die sehr heterogene Ergebnisse und große methodische Mängel zeigten [140]. Eine Studie zur SLIT mithilfe einer Gräsertablette bei Kindern mit allergischer RC fand in der Subgruppe der Kinder mit saisonalem Asthma einen positiven Einfluss auf den Asthmaverlauf [127]. Die Autoren der jüngsten Metaanalyse zu SLIT und Hausstaubmilbenasthma bei Kindern zeigten, dass die SLIT die Asthmasymptome reduzieren kann, schlussfolgern aber, dass die Ergebnisse nicht ausreichen, um eine SLIT bei Kindern mit Asthma zu empfehlen [148]. In die größte Studie zu SLIT bei hausstaubmilbenallergischen Patienten waren 604 Jugendliche und Erwachsene über 14 Jahre eingeschlossen. Dabei konnte eine Reduktion der zur Kontrolle des Asthmas notwendigen inhalativen Steroiddosis gezeigt werden [149]. Die jeweiligen Immuntherapiepräparate der unterschiedlichen Hersteller mit angeführter Zulassung/Lizenzierung, Indikation, Studiendetails zu vorhandenen Studien mit Kindern oder Kinderstudien sowie den generellen Aussagen der Studien beschreibt Tab. 2 [7, 47, 50,51,52,53, 61, 65,66,67, 70,71,72,73,74,75,76,77,78,79, 82,83,84,85, 90,109,110,111,112,113,114,115,116,117,118,119,120,121,122,123,124,125,126,, 91, 94, 96, 101, 104, 106,107,108,109,110,111,112,113,114, 117, 119, 122, 127, 145].

Prävention von Asthma und Neusensibilisierungen

Die Ursprünge aller Studien zur Asthmaprävention mithilfe der AIT sind bereits in den 1960er-Jahren zu finden [150]. Hier wurden Kinder im Alter über 14 Jahre placebokontrolliert, prospektiv verfolgt, und es zeigte sich ein stark protektiver Effekt der SIT (damals noch mit individuellen SIT-Rezepturen).

In der Zwischenzeit konnte in mehreren kontrollierten, allerdings offenen Studien diese Beobachtung teilweise unterstützt werden. Eine aktuelle Metaanalyse, die u. a. die oben genannten Studien berücksichtigt, kommt zu dem Ergebnis, dass zwar ein Kurzzeiteffekt auf die Prävention von Asthma bei bereits bestehender RC zu erwarten ist („relative risk“ [RR] 0,4; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,30–0,54), dass der Langzeiteffekt derzeit aber noch nicht nachgewiesen werden konnte (RR 0,62; 95 %-KI 0,31–1,23; [10]). Ähnliche Effekte sind bei hausstaubmilbensensibilisierten Kindern in Bezug auf die Verhinderung von Asthma nicht gezeigt worden [10]. In einer aktuellen offenen SLIT-Studie an 113 gräserallergischen Kindern zeigte sich nach 3 Jahren ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Asthma in der Kontrollgruppe im Vergleich zur SLIT-Gruppe („odds ratio“ [OR] 3,8, 95 %-KI 1,5–10,0; [104]). Eine weitere, aktuell zur Publikation akzeptierte Studie untersuchte über 3 Therapie- und 2 Follow-up-Jahre bei 812 Kindern die Möglichkeit einer Asthmaprävention durch eine sublinguale Gräsertablette (GAP-Studie; [10, 135]). Der primäre Outcome-Parameter (Zeit bis zum Erstauftreten von Asthma) unterschied sich dabei in der Grazax-Gruppe nicht signifikant von der Placebogruppe (8,5 % vs. 9,4 %). Sekundäre Outcome-Parameter zeigten, dass der Anteil der Kinder mit Asthmasymptomen bzw. Asthmamedikamentenbedarf bereits ab dem 2. Therapiejahr in der Aktivgruppe signifikant geringer war als in der Placebogruppe und dieser Effekt auch bis 2 Jahre nach Therapieende anhielt (über die gesamten 5 Jahre: OR 0,67, p = 0,028).

Im Rahmen einer retrospektiven Datenerhebung über Krankenversicherungsunterlagen an Patienten mit einer allergischen RC (Details zu Alter nicht vorliegend), die keine oder eine AIT erhalten hatten, wurde das Auftreten von Asthma bronchiale Jahre danach erfasst. Hierbei zeigte sich eine Prävention von Asthma bronchiale in der Gruppe der AIT-behandelten Patienten [151]. Zusammenfassend sind Kurzzeiteffekte zu beobachten, nicht jedoch Langezeiteffekte [10].

Mehrere Studien weisen darauf hin, dass im Zuge der AIT auch mit einer Reduktion der Neusensibilisierungsraten zu rechnen ist. Bei Kindern mit einer allergischen RC und/oder einem Asthma bronchiale mit einer Mono- und/oder Oligosensibilisierung zeigen nichtplacebokontrollierte Studien, dass die AIT, als SCIT [53, 67, 76, 152, 153] und als SLIT ([109, 154, 155]; Studien z. T. auch retrospektiv), die Häufigkeit von Neusensibilisierungen reduzieren kann (Tab. 2).

Eine retrospektive Analyse an über 7000 monosensibilisierten Patienten ergab beispielsweise eine wesentlich geringere Rate an Neusensibilisierungen im Vergleich zu einer offenen Kontrollgruppe (25 % vs. 75 %; [154]). Sehr ähnliche Ergebnisse brachte eine prospektive, offene Studie an 85 Kindern mit einer Hausstaubmilbenallergie und AIT über 5 Jahre [76]. Eine weitere offene, prospektive Studie mit 12 Jahren Follow-up an einer relativ kleinen Gruppe von Kindern unterstützt diese Beobachtung [52, 53]. Kein Unterschied in der Neusensibilisierungsrate, aber ein präventiver Effekt in Bezug auf Asthma konnte in einer weiteren offenen Studie an 60 Kindern, die über 4 bis 5 Jahre eine SLIT erhielten, gezeigt werden [109].

In 2 rezenten Studien mit placebokontrolliertem Design wurde eine präventive SLIT-Therapie gegen Hausstaubmilben bei milbensensibilisierten Kindern ohne allergische Symptome eingesetzt. In beiden Studien wurde die Verhinderung neuer Sensibilisierungen als Zielparameter untersucht. Die präventive SLIT war sicher (i. e. wurde gut vertragen) und lieferte Hinweise auf eine Beeinflussung der immunologischen Parameter, ohne jedoch die Anzahl von Neusensibilisierungen maßgeblich beeinflussen zu können [40, 41]. In einer weiteren placebokontrollierten Studie an 18 bis 30 Monate alten Kindern mit milder Neurodermitis ohne IgE-Sensibilisierung wurde ein Gemisch an Milben- (Der p1 und Der f1), Katzen- (Fel d1) und Gräserallergen (Phl p5) verabreicht. Hierbei zeigte sich an einem eingeschränkten Patientenkollektiv, dass nach 3 bis 6 Monaten beide Gruppen eine IgE-Sensibilisierung entwickelten; daher wurde die Studie wegen Sicherheitsbedenken beendet [156].

Somit ist für die Fragestellung der Verhinderung von Neusensibilisierungen durch eine AIT bei sensibilisierten, aber noch nicht allergischen Kindern zurzeit die Evidenzlage zu unsicher und daher eine Empfehlung nicht auszusprechen [10]. Bei bereits allergischen Kindern mit einer allergischen RC und/oder Asthma zeigt oben genannte Metaanalyse eine gewisse Evidenz für einen Kurzzeiteffekt für Neusensibilisierungen (RR 0,33; 95 %-KI 0,12–0,93), jedoch derzeit keine Langzeiteffekte (RR 0,47; 95 %-KI 0,08–2,77; [10]). In diesem Sinne argumentiert auch die Allergen Immunotherapy Guideline 2017 der EAACI [157].

Spezifische Immuntherapie mit Insektengiftallergenen

Zwischen 0,8 und 5 % der Bevölkerung sind von systemischen Überempfindlichkeitsreaktionen nach einem Hymenopterenstich (Biene, Wespe) betroffen [158,159,160,161]. Obwohl Kinder häufiger gestochen werden als Erwachsene, treten systemisch-allergische Reaktionen bei lediglich 0,2–0,8 % der Kinder auf [161]. Die SCIT ist bei Hymenopterengiftallergien eine hocheffektive Behandlungsform und zeigt im Vergleich zur SIT bei Inhalationsallergien eine bessere Wirksamkeit, von 77–84 % bei Bienengift- und von 91–96 % bei Wespengiftallergikern [162,163,164,165,166]. Bei Kindern wurde auch nach Beendigung der SIT ein lang andauernder Schutz nachgewiesen, der mit einer „Relapse“-Rate von 5 % bis zu 20 Jahre nach der ersten systemisch-allergischen Reaktion, deutlich unter jener von Erwachsenen mit Insektengiftallergie, liegt (10–15 %). Auch eine Rush- sowie Ultra-Rush-Therapie unter stationären Bedingungen ist bei Kindern dokumentiert und bei Bedarf zu empfehlen (in den Sommermonaten mit Stichwiederholungsrisiko; [167, 168]). Die wiederholte Bienenstichexposition als Maß zur Evaluierung der Notwendigkeit einer SIT wird kontrovers diskutiert [169] und in der Praxis sehr selektiv, zumeist in Ermangelung der Insekten und einschlägiger Expertise, nicht oder sehr selten angewandt ([60, 170]; Tab. 2).

Spezifische Immuntherapie bei atopischem Ekzem

Da spezifische Sensibilisierungen bei vielen Patienten mit atopischem Ekzem nachweisbar sind, liegt es nahe, Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil der AIT auch bei atopischem Ekzem zu prüfen. Es wurden sowohl randomisierte, placebokontrollierte [67, 171,172,173,174,175,176,177] als auch nichtkontrollierte Studien an Kindern [178, 179] mit Hausstaubmilbenallergenextrakten durchgeführt [179]. Weniger Daten liegen zu Gräserpollen- oder Tierallergenextrakten vor. Bei beträchtlicher Heterogenität der Studiendesigns ist ein gewisser Trend zu einer positiven Beeinflussung des atopischen Ekzems erkannt worden (Hausstaubmilbenallergen). Als Maß der Besserung wurden eine Reduktion des Score of Atopic Dermatitis (SCORAD) und des Juckreiz-Scores gefunden. Weitere Studien scheinen vonnöten, um eine klare Empfehlung aussprechen zu können. Eine atopische Dermatitis ist derzeit nicht die Indikation für eine SCIT, stellt aber keine Kontraindikation dar. Zu diesem Schluss kommt auch die S2-Leitlinie Neurodermitis der AWMF in der Überarbeitung 2008 sowie in der neuesten Rezension 2014 [180, 181].

Indikationen und Kontraindikationen

Als Therapieindikation sind die klinischen Krankheitsbilder allergische RC, das kontrollierte allergische Asthma bronchiale und die Insektengiftallergie anzusehen. Als Erfolgsprädiktoren gelten neben der Insektengiftallergie, eine Pollenallergie, eine Hausstaubmilbenallergie, ein schmales Allergenspektrum, eine kurze Erkrankungsdauer, eine geringe Beteiligung der unteren Atemwege, ein junges Lebensalter, eine ganzjährige Behandlung sowie eine ausreichende Compliance/Adhärenz. Allerdings gibt es kaum/keine Kinderstudien, die diese Aussage untermauern würden. Zu SCIT und SLIT im Kindes- und Jugendalter liegen mittlerweile einige wenige systematische Studienanalysen vor [6, 139,140,141, 182,183,184,185,186,187,188]. Trotzdem ist die Datenlage im Kindesalter immer noch als zu gering anzusehen. Die Wirksamkeit ist je nach Präparat und Allergen unterschiedlich zu bewerten. Die Publikation von systematischen Reviews und Metaanalysen in der Cochrane Library ist aufgrund transparenter und stringenter Bewertungskriterien der Veröffentlichung in Fachzeitschriften überlegen. Eine generelle Befürwortung oder Ablehnung lässt sich nicht herausarbeiten.

Aus dem Erwachsenenbereich abgeleitet, liegt eine Indikation zur SIT mit Allergenen vor, wenn …

  1. 1.

    der Nachweis einer IgE-vermittelten Sensibilisierung (mit Hauttest und/oder In-vitro-Diagnostik) und ein eindeutiger Zusammenhang mit klinischer Symptomatik vorliegen,

  2. 2.

    standardisierte bzw. qualitativ hochwertige Allergenextrakte zur Verfügung stehen,

  3. 3.

    der Wirksamkeitsnachweis der geplanten SIT für die jeweilige Indikation erbracht worden ist,

  4. 4.

    Allergenkarenz nicht ausreichend möglich bzw. eine unzureichende Beschwerdefreiheit durch Allergenkarenz erzielbar ist,

  5. 5.

    der Patient ein Alter 5 Jahre aufweist.

Punkte 1–3 sind zu fordern; Punkt 4 kann in die Entscheidung einfließen [12, 133].

Kontraindikationen (absolute und relative) zur AIT bei Kindern liegen vor bei … [12, 133]

  • unkontrolliertem Asthma bronchiale (i. e. klinische Symptomatik und „forced expiratory pressure in 1 second“ [FEV1] 70 %),

  • Erkrankungen, bei denen Adrenalin kontraindiziert ist,

  • schwerwiegenden kardiovaskulären Erkrankungen, Behandlung mit β‑Rezeptoren-Blockern,

  • schweren Autoimmunerkrankungen und Immundefizienzen,

  • malignen neoplastischen Erkrankungen mit aktuellem Krankheitswert,

  • schwerwiegenden systemischen Reaktionen bei durchgeführter AIT in der Vergangenheit,

  • unzureichender Compliance.

Durchführung und Applikationsformen

Grundsätzlich stehen 2 gängige Applikationsformen zur Verfügung:

  • subkutan (SCIT),

  • sublingual (SLIT; Lösung und selbstauflösende Tablette).

Die Entscheidung für die Verwendung einer AIT in der subkutanen oder sublingualen Applikationsform durch den allergologisch geschulten Arzt erfolgt nach ausführlicher Aufklärung des Patienten/der Eltern, über Dauer, Applikationsart, Wirkung, mögliche Nebenwirkungen und Erfolgsaussichten dieser Therapie unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen. Besonderes Augenmerk ist auf den Zusammenhang zwischen regelmäßiger und ausreichend langer Durchführung der Therapie im Hinblick auf den zu erwartenden Therapieerfolg zu legen. Details zur Durchführung der subkutanen und sublingualen Allergenapplikation sind in einschlägigen Literaturstellen nachzulesen [12, 133].

Die schlechte Compliance mangels unzureichender Überprüfbarkeit der Medikamenteneinnahme wird immer wieder als Kritikpunkt zur SLIT angeführt. In einer rezenten pädiatrischen Studie konnte die Compliance jedoch als sehr gut bescheinigt werden [182]. Eine andere Untersuchung fand bei einer sehr großen Patientenzahl einen Abbruch der SLIT über 3 Jahre bei etwa jedem 5. Patienten, womit diese Rate doppelt so hoch war wie bei der SCIT [189]. Es ergeben sich deutliche Unterschiede, ob Daten im Rahmen von klinischen oder in „Real-life-Studien“ erhoben wurden. In Letzteren, untersucht mit Verordnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung, betragen die gefundenen Persistenzraten zwischen 34 und 57 % im 3. Behandlungsjahr, bezüglich SCIT- und SLIT-Verordnungen [190]. Ein spezielles Augenmerk auf den Aspekt der Compliance bleibt zu fordern, da ansonsten die Therapiesteuerung und damit auch die Therapieerfolge unbefriedigend bleiben. Hilfreich sind fixe Termine für die SCIT sowie eine gute Patientenführung, besonders bei der SLIT mit Recall- und Kontrollterminen.

Die subkutane Applikation, durchzuführen durch den geschulten Arzt, erfolgt nach Prüfung aktueller Infektionen, der Verträglichkeit der letzten Impfung, der Prüfung von Atemwegsobstruktionen, nach eindeutiger Identifizierung der Präparate, streng subkutan in einer angehobenen Hautfalte vorzugsweise eine Handbreit über dem Olekranon an der Streckseite der Oberarme. Nach mindestens 30-minütiger Beobachtung ist die Entlassung des Patienten möglich, eine sportliche Aktivität ist für weitere 2–3 h verboten. Auch für diese Empfehlung gibt es keine Studiengrundlage, jedoch entspricht sie gelebter Erfahrungspraxis. Entsprechend der Fachinformation wird die Applikation als konventionelles Standardschema, v. a. bei nativen Extrakten in der Steigerungsphase wöchentlich, in der Erhaltungsphase 4–6(–8) wöchentlich durchgeführt [12, 133]. Manche Hersteller verfolgen verkürzte Anfangsschemata, andere Cluster-Therapien, bei Insektengiftallergie eine Rush- oder Ultra-Rush-Aufdosierung. Die Angaben der Hersteller sind zu beachten. Obwohl keine kontrollierten Studien für die parallele Immuntherapie mit 2 Extrakten in gleicher Sitzung existieren, wird in der klinischen Praxis teilweise zwischen 2 Injektionen (an beiden Oberarmen) ein Abstand von 15 min eingehalten. Eine Mischung mancher Extrakte ist nicht zulässig, generell ist diese eher nicht zu empfehlen. Die getrennte Applikation von 2 100%-Extrakten ist auch einer vorgefertigten Mischung (50 % Allergen 1, 50 % Allergen 2) vorzuziehen, da damit eine entsprechende kumulative Dosis für jedes applizierte Allergen gewährleistet ist. Die Gesamtdauer der Immuntherapie beträgt bei Inhalationsallergenen üblicherweise 3 Jahre, bei der Insektenallergie (3) bis 5 Jahre [133]. Bezüglich des Einsatzes einer Prämedikation gibt es kontroverse Ansichten [191, 192]. Bei unerwünschten Begleitreaktionen, laut manchen Autoren auch generell [193], ist eine Prämedikation mit einem Antihistaminikum sinnvoll [194,195,196].

Sicherheit, Risikofaktoren und unerwünschte Wirkungen

Schwere, lebensbedrohliche systemische Reaktionen treten sehr selten auf [54, 197,198,199]. Gemäß den Daten aus dem Paul-Ehrlich-Institut (1991–2000) wurde eine Inzidenz an systematischen Reaktionen von 0,002–0,0076 % pro Injektion bei nichtmodifizierten Allergenextrakten und von 0,0005–0,01 % pro Injektion bei chemisch modifizierten Allergenextrakten (Allergoiden) errechnet [200]. Bei Beachtung von Risikofaktoren sind schwere Reaktionen teilweise absehbar und durch Umsicht und Prophylaxe vermeidbar. Entwickeln sich systemische Nebenwirkungen, reichen sie von einer akuten Bronchialobstruktion bis zum, wenn auch seltenen, anaphylaktischen Schock. Laut einer Untersuchung der American Academy of Allergy, Asthma and Immunology (AAAAI) wurden bei etwa 0,1 % aller durchschnittlich 6,3 Mio. Injektionsvisiten/Jahr systemische Reaktionen beobachtet; fatale Reaktionen traten nicht auf [201, 202].

Bei großen Lokalreaktionen (über 10 cm Durchmesser) an der Injektionsstelle empfiehlt es sich, bei der nächsten Injektion die Dosis zu wiederholen oder auf eine bereits tolerierte Dosis zurückzugehen, bevor sie erneut gesteigert wird. Große, verzögert nach 6–12 h auftretende Lokalreaktionen erhöhen das individuelle Risiko für systemische Reaktionen nicht. Nach systemischen Reaktionen wird je nach Stärke der Reaktion empfohlen, mindestens 2 bis 3 Stufen oder auf ein Viertel oder ein Achtel der Dosis zurückzugehen oder die Therapie zu beenden. Auch hierzu sind die Angaben der Hersteller zu beachten. Mögliche Einflussfaktoren (z. B. Allergenexposition, Infektionen, unter einer Woche zurückliegende Impfungen, Stress oder eine Mastozytoseerkrankung) sind zu erfragen, bevor die Dosis erneut bis zur empfohlenen Erhaltungsdosis bzw. individuell verträglichen Höchstdosis gesteigert wird. Kosaisonal ist eine Dosisreduktion zu erwägen, zumindest und besonders im ersten Jahr der AIT. Bei der hochdosierten SLIT in Tablettenform ist die erste Einnahme unter ärztlicher Kontrolle vorzunehmen. Bei einem Präparat wird mit der Erhaltungsdosis begonnen, beim anderen erfolgt eine Aufdosierung über 3 Tage.

Notfalltherapie

Systemische Reaktionen nach SIT treten in der Mehrzahl der Fälle innerhalb der ersten 30 min auf. Daher müssen Patienten mindestens 0,5 h nach der Injektion unter Beobachtung bleiben. Das Prinzip der Notfalltherapie ist das schnelle Erkennen einer systemischen Reaktion, gefolgt von raschem therapeutischem Handeln. Adrenalingabe (bevorzugt i.m.; [203,204,205]), Legen eines i.v.-Zugangs mit Volumengabe, Verabreichung von Steroiden (zur Vorbeugung der Asthmaspätreaktion) und Antihistaminika (Wirksamkeit bei Schweregrad I und II nachgewiesen; [206]) sowie kurz wirksame inhalative Beta-2-Sympathomimetika stellen die wesentlichen Notfalltherapeutika dar. Regelmäßige Notfallschulungen des Personals sind mit entsprechender Dokumentation umzusetzen [207].

Zulassung

Allergenextrakte liegen als Fertigarzneimittel (Arzneispezialität) und als individuelle Rezepturen vor. Arzneispezialitäten sind zulassungspflichtig, womit eine kontrollierte Prüfung der Wirksamkeit und der Sicherheit für das Präparat erbracht werden muss (trifft in Österreich zurzeit nur für Grazax®, Oralair® und Acarizax®; [136, 137] zu; letzteres Präparat ist für Kinder und Jugendliche derzeit nicht zugelassen). Für die Registrierung von Individualrezepturen (alle anderen Immuntherapeutika) ist das Herstellungsverfahren zu dokumentieren. Eine sorgfältige Prüfung und Bewertung der Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten aufgrund der publizierten Studien obliegt dem Verschreiber, i. e. den Fachärzten mehrerer Sonderfächer (z. B. Pädiatrie, Dermatologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Pneumologie). Um diese Prüfung zu erleichtern, ist in Tab. 2 die Liste aller Studien zu den jeweiligen in Österreich registrierten und zugelassenen Produkten aufgeführt. Es liegt nahe, dass Produkte mit umfassenden Studiendaten zu den besser untersuchten zu zählen sind, da deren Wirksamkeit und Sicherheit besser dokumentiert sind und daher eine fundierte Grundlage für die Verwendung dieser Präparate vorliegt. Umgekehrt darf aber auch angemerkt werden, dass nichtvorliegende (und bisher großteils nichtgeforderte) Evidenzdaten sind mit einer bewiesenen Unwirksamkeit des entsprechenden Präparats nicht gleichzusetzen.

Resümee

Die AIT hat in den letzten Jahrzehnten einen großen Stellenwert in der ursächlichen Behandlung der allergischen RC, des allergischen Asthma bronchiale sowie der Bienen- und Wespengiftallergie mit einem nachhaltigen klinischen und immunologischen Wirkeffekt erhalten. Zahlreiche nationale und, noch in Fertigstellung befindliche, europäische Leit- und Richtlinien, WHO-Berichte, Cochrane- und Metaanalysen belegen die Bedeutung dieser Therapieform. Die Vielzahl der unterschiedlichen Allergengruppen (Insektengifte, Gräserpollen, Baumpollen, Hausstaubmilben, Tierhaare, Schimmelpilze) sowie die diversen auf dem Markt befindlichen Produkte mit unterschiedlicher Applikationsform und Allergengehalt führen jedoch dazu, dass eine Vergleichbarkeit hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit und der immunologischen Veränderungen nicht möglich ist. Darüber hinaus sind die Studienergebnisse bei den Krankheitsbildern allergische RC und allergisches Asthma im Erwachsenenalter nicht generell auf das Kindes- und Jugendalter extrapolierbar. Dies führt dazu, dass die Daten an Kindern und Jugendlichen getrennt von jenen an Erwachsenen zu betrachten und auszuwerten sind. Obwohl die Gesamtdatenlage zur SIT groß ist, ist jene mit ausschließlichem Einschluss von Kindern und Jugendlichen immer noch zu gering. Dies wird ganz besonders deutlich, wenn man die einzelnen Produkte und deren Spezifizierung auf das eine oder andere Allergen heranzieht. Der vorliegende Konsensusreport 2017, in Analogie zu jenem von 2009 [208], hat sich neuerlich zum Ziel gesetzt, die zugänglichen Daten an Kinderstudien bzw. an Studien mit Einschluss von Kindern tabellarisch zu jedem einzelnen Produkt, das in Österreich eine Registrierung oder Zulassung hat, zusammenzustellen.

Im Sinne der Anwendung von sicheren Medikamenten für Kinder und Jugendliche mit allergischer RC und allergischem Asthma sowie Insektengiftallergie ist zu fordern, dass neben der Verträglichkeit die klinische Wirksamkeit jedes einzelnen Produkts auch für Kinder und Jugendliche in randomisierten Studien getestet wird (als EU-Regulation ab 2006 verpflichtend). Da dies in unterschiedlichem Maß bis dato erfolgt ist, teils auch bedingt durch die unterschiedlichen gesetzlichen Erfordernisse, sollten Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde bei der Wahl des entsprechenden Immuntherapieprodukts jene Präparate vorziehen, die eine gute Verträglichkeit und eine klinische Wirksamkeit an Kindern- und Jugendlichen nachweisen können. Die Erstellung einer entsprechenden Ranglistung ist nicht möglich, da Vergleichsstudien von Produkten unterschiedlicher Firmen (zurzeit noch) fehlen.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass die AIT auch im Kindes- und Jugendalter neben der oft nur schwer umsetzbaren Allergenkarenz die einzige ursächliche therapeutische Maßnahme in der Behandlung der allergischen RC, des allergischen Asthmas und der Insektengiftallergie darstellt. Bezüglich der Prävention eines Asthma bronchiale bei bestehender allergischer RC ist derzeit von einem Kurzzeiteffekt (bis zu 2 Jahre nach Therapieende) auszugehen; ein langfristiger Vorteil (Langzeiteffekt) ist nicht belegt [10]. Für die Prävention von Neusensibilisierungen durch eine AIT kann derzeit keine befürwortende Empfehlung ausgesprochen werden. Vergleicht man die Häufigkeit des Einsatzes der AIT im Kindes- und Jugendalter mit der hohen Prävalenz dieser allergischen Erkrankungen im Kindesalter, ist ein großer Nachholbedarf gegeben. Dieser Konsensusreport soll daher den Fachärzten für Kinder- und Jugendheilkunde bei ihrer Entscheidung zur AIT helfen, aus jenen Produkten mit entsprechender Zulassung im Kindes- und Jugendalter und auf der Basis der publizierten Datenlage eine differenzierte Auswahl treffen zu können. Es bleibt abschließend zu hoffen, dass die Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde durch diesen Konsensusreport ermutigt werden, diese Therapieform, aufbauend auf ihrem eigenen fundierten allergologischen Wissen, bei entsprechender Indikation erfolgreich anzuwenden.

Wir wollen aber gleichzeitig auch die Immuntherapiefirmen ermuntern, gemeinsam mit den Fürsprechern dieses Konsensusreports aus der AG Pneumologie und Allergologie der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) und den Fachärzten für Kinder- und Jugendheilkunde in Österreich an einer Verbesserung der Datenlage zu ihren Produkten für die sichere Applikation an Kindern und Jugendlichen beizutragen.