Der Begriff „eHealth“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch verschiedenartig verwendet und umfasst unterschiedlichste digitale Methoden in der Medizin. Um in diesem unübersichtlichen Feld eine stringente Semantik und Ordnung zu begründen, hat die European Society of Cardiology (ESC) im Jahr 2015 in einem Positionspapier sieben Hauptfelder der digitalen Kardiologie definiert [8]. Eines davon sind telemedizinische Betreuungskonzepte, die unter anderem das Telemonitoring umfassen.

Mit dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 30.03.2021 wurde mit dem Telemonitoring erstmals eine digitale Versorgungsform bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz (HI) als eigenständige Untersuchungs- und Behandlungsmethode anerkannt [10]. Der Beschluss sorgt dafür, dass in Deutschland als erstem europäischem Land künftig Telemonitoring bei diesen Patientinnen und Patienten als Regelleistung erstattet wird.

In Deutschland wird Telemonitoring künftig bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz als Regelleistung erstattet

Dieses Vorgehen ist analog zur Bewertung von Arzneimitteln mit neuem Wirkstoff zu sehen, die mit Blick auf die Erstattung von Leistungen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung auch eine Überprüfung des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln vorsieht. Der G‑BA hat dabei seit dem 1. Januar 2011 die gesetzliche Aufgabe, für alle neu zugelassenen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen sofort nach Markteintritt eine (Zusatz‑)Nutzenbewertung durchzuführen (§ 35a Sozialgesetzbuch [SGB] V). Für die Bewertung digitaler Versorgungsformen wie der Telemedizin durch den G‑BA sind daher auch dieselben Qualitätskriterien anzulegen, die nur durch randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) erreicht werden.

Bedeutung der Herzinsuffizienz

Basierend auf krankenkassenübergreifenden vertragsärztlichen Abrechnungsdaten gehen Schätzungen von etwa 2,5 Mio. Patientinnen und Patientinnen und Patienten mit HI in Deutschland aus [14]. Die HI ist mit absolut etwa 456.000 stationären Krankenhausbehandlungen die häufigste Einzeldiagnose bei vollstationär behandelten Patientinnen und Patienten in Deutschland [10, 29]. Etwa 60 % der gesamten jährlichen Behandlungskosten für Patientinnen und Patienten mit HI von über 5,2 Mrd. € werden dabei von stationären und teilstationären Einrichtungen verursacht [24, 30]. Darüber hinaus hat eine HI-Hospitalisierung auch negativen Einfluss auf die Prognose des einzelnen Patienten quoad vitam [1, 11]: Der Zeitraum unmittelbar nach einer solchen abgeschlossenen Krankenhausbehandlung ist von einer erhöhten Mortalität von bis zu 15 % innerhalb der folgenden 90 Tage sowie einer erhöhten Rehospitalisierungsrate von etwa 30 % in den nächsten 6 Monaten geprägt [11].

Behandlungskonzept bei Herzinsuffizienz

Folglich ist in der ambulanten Versorgung von Patientinnen und Patienten mit HI die Vermeidung akuter kardialer Dekompensationen mit konsekutiv notwendigen stationären Einweisungen ein zentrales Behandlungsziel. Daher ist eine enge intersektorale Zusammenarbeit zwischen den primär betreuenden Ärzten (Hausärztinnen und Hausärzten sowie niedergelassenen Kardiologinnen und Kardiologen) und Krankenhäusern notwendig, um eine individuell zugeschnittene Umsetzung einer leitlinienkonformen Therapie zu erreichen und drohende Dekompensationen frühzeitig zu erkennen. In Deutschland ist diese intersektorale und interdisziplinäre Zusammenarbeit in der „Nationalen VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz“ festgelegt [5].

Der entscheidende Vorteil eines Telemonitorings liegt in der Früherkennung kardialer Dekompensationen

Im Alltag der aktuell mehrheitlich analogen Arzt-Patienten-Beziehung erfolgen nach bestimmten Zeitintervallen ambulante Vorstellungen. Um eine engmaschigere, möglichst tägliche Beurteilung des medizinischen Zustands von Patientinnen und Patienten mit HI zu ermöglichen, wurde vor etwa 15 Jahren das Konzept des Telemonitorings entwickelt. Es basiert auf einem täglichen Transfer von Vitaldaten aus der Häuslichkeit an ein Telemedizinzentrum (TMZ). Diese Komponente ist Teil eines ganzheitlichen Betreuungskonzepts und wird als Remote Patient Management (RPM) bezeichnet [4]. Der entscheidende Vorteil eines solchen Telemonitorings liegt in der Früherkennung kardialer Dekompensationen, idealerweise, bevor Symptome auftreten, um möglichst noch ambulant präventiv eine Anpassung der Medikation ermöglich zu können. Aber auch andere positive Aspekte, wie das Erreichen einer leitliniengerechten individuellen Zieldosis der HI-Medikation, die Unterstützung des „patient empowerment“ und die positive Beeinflussung von Komorbiditäten [20, 31], können besser adressiert werden.

Man kann bei Telemonitoring invasive und nichtinvasive Formen unterschieden. Im Falle des invasiven Telemonitorings werden Daten entweder von aktiven Implantaten (beispielsweise von Rhythmusaggregaten wie implantierten Kardioverter-Defibrillatoren) gesendet oder es werden passive Implantate mit einer rein diagnostischen Funktion verwendet, etwa Implantate für die Pulmonalisdruckmessung. Die Datenübertragung aus aktiven Implantaten erfolgt in der Regel komplett automatisiert. Bei passiven Implantaten müssen gewöhnlich regelmäßig Selbstmessungen mit einer speziellen Ausleseeinheit durchgeführt werden, deren Daten im Anschluss automatisiert weitergeleitet werden können. Eine wichtige Einschränkung bei beiden Arten des invasiven Telemonitorings ist häufig die Übertragung der Daten nur an ein herstellerspezifisches eigenes Datenportal.

Im Falle eines nichtinvasiven Telemonitorings erfolgt die Datenerhebung meist mittels mehrerer Messgeräte, die eine Schnittstelle für die Übertragung aufweisen, beispielsweise mit Waage, Blutdruckmessgerät, Pulsoxymeter, Teleelektrokardiogramm. Die in den täglichen Selbstmessungen erhobenen Ergebnisse werden automatisch an ein TMZ übertragen.

Evidenz des Telemonitorings

Die Studienergebnisse bezüglich der klinischen Endpunkte zur Wirksamkeit von telemedizinischen Interventionen bei der Betreuung von Patientinnen und Patienten mit chronischer HI sind uneinheitlich. Eine Übersicht über die wichtigsten randomisierten klinischen Studien (RCT) zum Thema bietet Tab. 1.

Tab. 1 Aktuelle Studien zum invasiven und nichtinvasiven Telemonitoring von Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz

Ursächlich für die divergenten Ergebnisse sind unter anderem

  • Unterschiede in den telemedizinischen Systemen (invasive Messsensoren vs. nichtinvasives Monitoring),

  • Unterschiede in den ambulanten Betreuungskonzepten (nur einzelne Studien haben „heart failure nurses“ eingebunden) und

  • Unterschiede in den Reaktionszeiten bei auffälligen Messdaten (während der regulären Sprechstunden vs. 24/7-Betreuung durch ein TMZ).

Unter den drei RCT mit positivem primärem Endpunkt wurde eine Studie mit einem passiven implantierten Pulmonalisdrucksensor in den USA durchgeführt (CHAMPION). Die Studien mit aktiven Implantaten (IN-TIME) und mit externen Messgeräten (TIM-HF2) fanden überwiegend oder ausschließlich in Deutschland statt.

Die CHAMPION-Studie wurde 2011 in den USA durchgeführt und konnte nachweisen, dass durch eine auf täglicher Pulmonalisdruckmessung basierende Behandlung, insbesondere durch Anpassung der diuretischen Medikation, eine 30 %ige Reduktion der Hospitalisierungen aufgrund von kardialen Dekompensationen erreicht werden kann [1].

In der IN-TIME-Studie, die von 2007 bis 2011 durchgeführt wurde, wurde hinsichtlich des primären Studienendpunkts „Packer-Score“, der einen kombinierten Endpunkt aus Mortalität, HI-Morbidität, Veränderungen in der New-York-Heart-Association(NYHA)-Klasse und Selbsteinschätzung der Patientinnen und Patienten darstellt, ein signifikanter Vorteil in der Interventionsgruppe nachgewiesen. Darüber hinaus konnte in der Studie erstmals auch die Gesamtsterblichkeit durch Telemonitoring signifikant gesenkt werden (3,4 % pro 100 Patientenjahre vs. 8,7 % pro 100 Patientenjahre; [13]).

In der TIM-HF2-Studie, die von 2013 bis 2018 mit 1538 HI-Patienten in 200 deutschen Studienzentren durchgeführt wurde, konnte 2018 erstmalig eine Verbesserung der Gesamtmortalität durch ein Telemonitoring mit nichtinvasiven telemedizinischen Heimmessgeräten gezeigt werden [17]. Im patientenzentrierten primären Endpunkt „verlorene Tage durch ungeplante kardiovaskuläre Hospitalisierungen und Tod jeder Ursache (in %) im einjährigen Follow-up“ zeigte sich ein signifikanter Vorteil für das Telemonitoring gegenüber der Kontrollgruppe. Bezogen auf ein Jahr bedeutete das für jede Patientin und Patienten der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe durchschnittlich 6,4 Tage weniger, die durch ungeplante kardiovaskuläre Hospitalisierungen und Tod jeder Ursache verloren gingen (17,8 vs. 24,2 verlorene Tage). Ebenso war die Gesamtsterblichkeit mit 7,9 % pro 100 Personenjahre in der Telemonitoring-Gruppe signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe mit einer Gesamtmortalität von 11,3 % pro 100 Personenjahre. Auch in Bezug auf ungeplante HI-Hospitalisierungen mussten die Patientinnen und Patienten der Interventionsgruppe signifikant weniger Tage im Krankenhaus behandelt werden (3,8 vs. 5,6 Tage pro Jahr). In einer gesundheitsökonomischen Analyse konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass dieses Behandlungskonzept im Vergleich zur alleinigen Standardbehandlung kosteneffektiv ist: Auch unter Einbeziehung der Interventionskosten resultiert aufgrund von geringeren durchschnittlichen Gesundheitskosten durch das Telemonitoring insgesamt eine Kosteneinsparung von 1758 € pro Patientenjahr in der Interventionsgruppe [32].

Ein wichtiger Aspekt bei der TIM-HF2-Studie war auch, dass die positiven Effekte unabhängig davon waren, ob die Patientinnen und Patienten im strukturschwachen ländlichen Raum oder in einer Metropolregion lebten. Solch eine telemedizinische Mitbetreuung kann also dazu beitragen, regionale Versorgungsunterschiede auszugleichen, und somit zukünftig zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität in strukturschwachen Regionen führen.

Hauptvorteil telemedizinischer Mitbetreuung besteht in der Vermeidung HI-bedingter Hospitalisierung

Trotz Unterschieden in der Form der Sensorik (invasiv vs. nichtinvasiv) zwischen CHAMPION und TIM-HF2 konnte als wichtigstes übereinstimmendes Studienergebnis diejenige Patientenpopulation identifiziert werden, die von einer telemedizinischen Mitbetreuung am meisten profitiert: Patientinnen und Patienten mit einer stattgehabten HI-Hospitalisierung maximal 12 Monate vor Beginn der telemedizinischen Mitbetreuung. Diese Teilpopulation aller Patientinnen und Patienten mit HI stellt, wie oben bereits ausgeführt, eine besondere Risikopopulation dar. Auf der anderen Seite konnte durch RCT (beispielsweise TIM-HF) nachgewiesen werden, dass ohne kürzlich notwendige Hospitalisierung aufgrund der HI eine telemedizinische Mitbetreuung keine Behandlungsvorteile hat. Für die Überleitung in die Regelversorgung bedeutet diese evidenzbasierte Indikationseinschränkung eine Vermeidung unnötiger materieller und personeller Ressourcen.

Stellung des Telemonitorings in den Leitlinien der European Society of Cardiology

Im Jahr 2016 hat die ESC in den Leitlinien zur Behandlung der akuten und chronischen HI erstmals eine Klasse-IIb-Empfehlung für ein Telemonitoring mit invasivem Verfahren abgegeben [26]. In den 2021 aktualisierten Leitlinien hat jetzt auch das nichtinvasive Telemonitoring eine Klasse-IIb-Empfehlung bekommen [23].

IQWiG-Gutachten zu Telemonitoring bei Herzinsuffizienz

Um eine Überführung in die Regelversorgung zu bewerten, untersuchte im Auftrag des G‑BA als höchstes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ab 2016 den Nutzen eines invasiven Telemonitorings mit aktiven Implantaten und eines nichtinvasiven Telemonitorings bei chronischer HI. Die Grundlage der Bewertung hinsichtlich eines Zusatznutzens bildeten für das invasive Telemonitoring die Studien IN-TIME und TELECART und für das nichtinvasive Telemonitoring die Studien TIM-HF und TIM-HF2. Das IQWiG hat dabei im Rapid Report am 28.10.2019 einen Zusatznutzen festgestellt, da durch Telemonitoring die kardiovaskuläre Mortalität statistisch signifikant gesenkt werden kann [15].

Telemonitoring in der Regelversorgung

Am 17.12.2020 beschloss der G‑BA, das Telemonitoring bei chronischer HI als eigenständige Methode anzuerkennen [10]. Dieser Beschluss trat mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 30.03.2021 in Kraft [6]. Es besteht danach eine Indikation zum Telemonitoring bei Patientinnen und Patienten mit HI und reduzierter linkventrikulärer Ejektionsfraktion. Weitere Indikationskriterien sind in Tab. 2 aufgelistet. Festzuhalten ist, dass das Telemonitoring mittels aktiver kardialer Implantate und das Telemonitoring mittels nichtinvasiver Messgeräte in dem Beschluss als gleichwertig betrachtet werden. Dies ist folgerichtig, da nicht alle Patientinnen und Patienten mit HI auch zwingend eine Indikation für aktive kardiale Implantate haben und die Indikation zum Telemonitoring per se keine Indikation zur Device-Implantation darstellt.

Tab. 2 Indikationen für Telemonitoring bei Herzinsuffizienz (laut Beschluss des Gemeinsamen Bundesauschusses [G-BA])

Grundzüge der praktischen Umsetzung des G-BA-Beschlusses

Telemonitoring als Teil der ambulanten Versorgung kann nach Beschluss des G‑BA nur von zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung Berechtigten erbracht werden. Daher erfolgte am 15.12.2021 eine Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM), die zum 01.01.2022 in Kraft trat. Dafür wurden die Gebührenordnungspositionen (GOP) 03325, 03326, 04325, 04326, 13578, 13579 sowie 13583 bis 13587 und 40910 aufgenommen [16].

Im Alltag stellt zukünftig der primär behandelnde Arzt (PBA) die Indikation zum Telemonitoring und wendet sich an ein neu definiertes Strukturelement der HI-Versorgung: das TMZ (Abb. 1). Zum Zeitpunkt der Erstellung des Manuskripts sind allerdings die notwendigen Struktur- und Prozessqualitätsmerkmale eines TMZ noch nicht veröffentlicht. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) hat eine Empfehlung unter anderem für die personelle und technische Infrastruktur veröffentlicht [12]. In Tab. 3 sind beispielhaft die Leistungsmerkmale des in der TIM-HF2-Studie im 24/7-Betriebsmodus eingesetzten TMZ gezeigt [17].

Abb. 1
figure 1

Strukturen und Prozesse der telemedizinischen Versorgung bei chronischer Herzinsuffizienz. ePA elektronische Patientenakte, PBA primär behandelnder Arzt (Mit freundl. Genehmigung © Arbeitsbereich kardiovaskuläre Telemedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, alle Rechte vorbehalten)

Tab. 3 Leistungsmerkmale eines Telemedizinzentrums im 24/7-Betriebsmodus (in TIM-HF2). (Nach [17])

Ein enger Austausch zwischen primär behandelndem Arzt und Telemedizinzentrum ist zwingend

In der gemeinsamen medizinischen Betreuung ist ein enger Austausch zwischen PBA und TMZ zwingend. Das beinhaltet auch eine gemeinsame erneute Indikationsprüfung 3 und 12 Monate nach Beginn des Telemonitorings. Das TMZ benachrichtigt den PBA bei Auffälligkeiten und bekommt seinerseits Rückmeldung über Veränderungen der Behandlung.

Bei kritischen Patientinnen und Patienten kann dazu gemeinsam bewertet werden, ob eine Begutachtung der Vitaldaten auch außerhalb der typischen Sprechzeiten, also 24/7 erfolgen soll. In diesem Fall kann das TMZ im Falle der Abwesenheit oder bei fehlender Erreichbarkeit die Aufgaben des PBA übernehmen (Abb. 1). Falls es sich bei dem PBA um einen Facharzt für Kardiologie mit den strukturellen und prozessualen Voraussetzungen für ein TMZ handelt, kann das Telemonitoring für die eigenen Patientinnen und Patienten selbst übernommen werden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Telemedizinische Versorgung durch einen PBA mit TMZ-Voraussetzungen. ePA elektronische Patientenakte, PBA primär behandelnder Arzt, TMZ Telemedizinzentrum (Mit freundl. Genehmigung © Arbeitsbereich kardiovaskuläre Telemedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, alle Rechte vorbehalten)

Herausforderungen in der Überführung in die Regelversorgung

Das Telemonitoring in den oben beschriebenen RCT war so ressourcenfordernd, dass diese Bedingungen nur sehr schwer unmittelbar in die Regelversorgung transferiert werden können. Um aber die positiven Effekte aus den RCT auch in der täglichen Versorgung zu erreichen, müssen die grundlegenden Prozess- und Strukturmerkmale erhalten bleiben. In den an den Studien beteiligten TMZ wurden maximal gleichzeitig 500 Patientinnen und Patienten mitbetreut. Da nach den veröffentlichten Kriterien des G‑BA-Beschlusses in Deutschland etwa 200.000 Patientinnen und Patienten eine telemedizinische Mitbetreuung erhalten können, würde ein Bedarf von etwa 400 TMZ resultieren. Um diesen Bedarf auf eine realistischere Anzahl von etwa 30–40 zu reduzieren, wird in einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsprojekt (Telemed5000, 2019–2022, https://www.telemed5000.de) untersucht, ob solch eine Skalierung durch Verwendung von Entscheidungsunterstützungssystemen mit künstlicher Intelligenz (KI) für TMZ ohne einen Qualitätsverlust möglich ist.

Offene Fragen und aktuelle Forschungsschwerpunkte der telemedizinischen Mitbetreuung

Für die Übertragung des Telemonitorings in die Regelversorgung ist auch eine Festlegung der Dauer notwendig. Evidenz aus den RCT gibt es allerdings nur für eine 1‑jährige Betreuungsdauer. Gemäß einer 12-monatigen Nachverfolgung der TIM-HF2-Studie nach Beendigung der telemedizinischen Intervention scheint es allerdings nicht zu weiteren Verbesserungen der Mortalität und Morbidität bei der Interventionsgruppe gegenüber nicht telemedizinisch versorgten Patientinnen und Patienten zu kommen [18]. Der EBM sieht keine Zeitbegrenzung für die oben genannten Abrechnungsziffern vor.

Der in der amerikanischen CHAMPION-Studie [1] untersuchte pulmonalarterielle Drucksensor CardioMEMS™ (HF System Abbott Laboratories, Abbott Park, IL, USA) ist als passiver Sensor nicht Teil der Prüfung im aktuellen G‑BA-Beschluss. Da sich in der Registerstudie MEMS-HF [2] bei der Verwendung im europäischen Gesundheitswesen vergleichbare Effekte zeigten, wird aktuell in Deutschland die vom G‑BA initiierte randomisierte, kontrollierte Erprobungsstudie PASSPORT-HF [7] durchgeführt, deren Ergebnisse 2024 erwartet werden. Erst nach einem positiven Studienergebnis kann auch dieses Verfahren in die Regelversorgung übergehen.

Wie bei der Skalierung der Betreuungszahlen können KI-Methoden auch helfen, weitere, bislang nicht nutzbare Sensorik auszuwerten, beispielsweise die Stimme als „vocal biomarker“ einer beginnenden pulmonalen Kongestion [22]. Der Einsatz von KI in Kombination mit 5G-Campusnetzen zur kontinuierlichen telemedizinischen Datenübertragung wird gegenwärtig auch im Rahmen des vom BMWK geförderten Projekts 5GMedCamp (2021–2024) bei Verwendung von linksventrikulären Assist-Systemen („left ventricular assist devices“ [LVAD]) für Patientinnen und Patienten mit schwerer HI erforscht (https://5gmedcamp.de). LVADs haben sich wegen des Mangels an Spenderorganen, aber auch aufgrund einer technischen Weiterentwicklung der Pumpen zu einer häufig definitiven Therapie für eine fortgeschrittene HI entwickelt. Hier besteht in einer kontinuierlichen telemedizinischen Mitbetreuung großes Verbesserungspotenzial für die Versorgung dieser ausgewählten, hochkomplexen Patientengruppe [27].

Weiterführende Informationen zum Thema

Fazit für die Praxis

  • Die Herzinsuffizienz (HI) hat eine hohe Bedeutung in der ambulanten und stationären Versorgung. Um die Prognose zu verbessern und um akute stationäre Behandlungen zu vermeiden, ist eine engmaschige Betreuung notwendig.

  • In randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) konnte diejenige Patientenpopulation identifiziert werden, die von einer telemedizinischen Mitbetreuung am meisten profitiert: Patientinnen und Patienten mit einer kürzlich stattgehabten HI-Hospitalisierung.

  • Die Überführung der telemedizinischen Mitbetreuung bei HI von einem in RCT geprüften digitalen Konzept in die Regelversorgung kann beispielhaft für weitere digitale Versorgungsformen gelten.

  • Trotz der großen positiven Versorgungseffekte bleibt die patientenzentrierte haus- oder fachärztliche Präsenzversorgung das entscheidende Element der HI-Betreuung. Das Telemonitoring dient als sinnvolle Ergänzung.

  • Auch nach Übergang in die Regelversorgung ist weitere Forschung und wissenschaftliche Begleitung zwingend notwendig.