Zusammenfassung
Virale Atemwegsinfektionen stellen die größte infektiöse Einzelursache für pulmonale Morbidität dar. Berufliche Ausfallzeiten und daraus folgende Krankenhausaufenthalte tragen erheblich zu den Kosten der Gesundheitsfürsorge bei. Rhinoviren, Influenzavirus A und B, Adenoviren, Parainfluenza, RSV und Coronaviren sind die häufigsten auslösenden Agenzien in diesem Zusammenhang. Trotz dieser enormen Bedeutung ist eine Therapie der virusbedingten Atemwegsinfektionen nur in einem geringen Teil der Infektionen möglich. Einen erheblichen Fortschritt in diesem Zusammenhang hat die Einführung der Neuraminidaseinhibitoren gebracht, die zumindest mit einer Verkürzung der Symptomdauer bei Influenza assoziiert sind. Unter den zur Zeit verfügbaren antiviral wirksamen Substanzen, stellen die Neuraminidasehemmer jedoch nur einen kleinen Teil dar. Im vorliegenden Artikel werden daher die aktuell oder in Kürze verfügbaren Substanzen mit ihrem Wirkmechanismus und dem Stand der klinischen Forschung dargestellt.
Abstract
Pulmonary viral infections are associated with substantial morbidity and socioeconomic costs. Rhinovirus, influenza A and B, adenovirus, parainfluenza, respiratory syncytial virus (RSV), and coronavirus are etiologies most often associated with infections of the upper and lower respiratory tract. Therapy of viral infections in nonimmunocompromised hosts has only developed slowly during recent years, despite the enormous socioeconomic impact. This is in part due to the complex virus/host interactions and numerous and varying mechanisms of infection. Neuraminidase inhibitors have produced notable progress in the therapeutic approaches to influenza-associated pulmonary infections and are at least able to shorten the duration of symptoms in selected patients. However, neuraminidase inhibitors can only be applied in specific infections and the spectrum of agents with antiviral activity is broad. This article summarizes major principles of antiviral efficacy and reviews recent clinical trials.
Virale Atemwegsinfekte sind weltweit eine der häufigsten Ätiologien für die akute Morbidität bei Menschen aller Altersklassen [1]. Die Inzidenz ist variabel und lag 1996 in den USA bei 79% [2]. Bislang wurden über 200 unterschiedliche Erreger isoliert, die häufigsten sind in absteigender Reihenfolge: Rhinoviren, Influenza A und B, Adenoviren, Parainfluenza, RSV und Coronaviren. In einer finnischen Erhebung wurden bei 200 jungen Erwachsenen mit akutem Atemwegsinfekt in 69% der Fälle Atemwegsviren nachgewiesen [3] und auch in einer englischen Untersuchung bei 533 älteren Menschen wurde bei akutem Atemwegsinfekt eine hohe Bedeutung von Atemwegsviren gezeigt (Tabelle 1; [4]).
Während der Hauptsaison (Herbst und Frühjahr) verursachen Picornaviren, wovon der Hauptteil Rhinoviren sind, 82% aller Episoden der akuten Nasopharyngitis, der häufigsten Manifestation von akuten Atemwegsinfekten, und erzeugen somit mehr Einschränkungen der körperlichen Aktivität und Arztbesuche jährlich als jede andere virale oder bakterielle Ursache von Atemwegserkrankungen. Picornavirusinfektionen sind daher besonders mit hohen ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten assoziiert [3].
Als Risikofaktoren für die Entwicklung und auch den Schweregrad viraler Atemwegsinfektionen wurden enges Beieinanderleben, männliches Geschlecht, Luftverschmutzung, anatomische, metabolische, genetische oder immunologische Faktoren und Fehlernährung beschrieben [1]. Besonders bei chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale [4] oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD; [5, 6]) finden sich gehäuft virale Exazerbationen.
Trotz der großen sozioökonomischen Bedeutung viraler Atemwegsinfekte gibt es bislang noch keine international anerkannten Empfehlungen für ihre Prävention und Behandlung.
Ziel dieses Übersichtsartikels ist es, einen Überblick über die aktuelle Studienlage bei der Therapie viraler Atemwegsinfekte zu geben.
Ansatzpunkte antiviraler Substanzen
Da Viren für die Replikation auf den Stoffwechsel einer Wirtszelle angewiesen sind, ist der Vermehrungszyklus entsprechend komplizierter als z. B. bei autarken Bakterien. Der Ablauf einer Virusinfektion einschließlich der Adsorption bis zur Ausschleusung ist in Abb. 1 wiedergegeben. Für fast alle Schritte dieser Replikationsform stehen inhibierende Substanzen zur Verfügung, deren Wirkungsweise im Weiteren erläutert werden sollen.
Adsorption
Der erste Schritt der Virusinfektion ist die Adsorption an die Zellmembran. Bereits hier greifen antivirale Substanzen an:
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Palivizumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen das F-Protein des Respiratory Syncytial Virus (RSV). Das F-Protein ist als Fusionsprotein für die Adsorption von RSV essenziell und wird durch Palivizumab blockiert, sodass die Fusion gestört wird.
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Pleconaril ist eine Substanz, die durch Integration in Taschen des Viruskapsids von Picornaviren die Virusadsorption an die Wirtzelle verhindert.
Freisetzen der viralen Nukleinsäuren
Amantadin wirkt durch Blockade das viralen M2-Proteinionenkanals von Influenza A, wodurch das Freisetzen der viralen Nukleinsäuren blockiert wird. Das M2-Protein ist essenziell für die Freisetzung der viralen Nukleinsäure und die Regulation des intrazellulären pH-Werts.
Interferone (IFN) können zelluläre Enzyme induzieren, die mit der viralen Proteinbiosynthsese interferieren und somit die Replikation stören. Es kommt zur Induktion der Proteinkinase, die einen wichtigen Initialisierungsfaktor (IF2) bei der viralen Translation phosphoryliert und damit inaktiviert. Darüber hinaus wird die 2’,5’-Oligoadenylatsynthetase (2-5A-Synthetase) aktiviert, die die Polymerisierung von Adeninnukleotiden zu einer langen Kette von Adenineinheiten katalysiert, die 2,5-Oligoadenylsäure genannt wird. Diese Oligonukleotide aktivieren wiederum Ribonukleasen, die die virale Botenribonukleinsäure (RNS) abbauen.
Neben ihren direkten antiviralen Eigenschaften besitzen Interferone ein großes Spektrum weiterer biologischer Wirkungen. Sie erhöhen die Aktivität von Makrophagen, natürlichen Killerzellen, Monozyten, Granulozyten und zytotxischen T-Lymphozyten. Ein allen Interferonen gemeiner Effekt ist die verstärkte Expression der Klasse-I-MHC-Proteine, wodurch T-Zellen virale Antigene besser erkennen können. Die sog. Typ-1-Interferone (IFN α und β) hemmen darüber hinaus das Zellwachstum und stimulieren die B-Zelldifferenzierung. Die Typ-2-Interferone (IFN γ) induzieren Klasse-II-MHC-Molekülen und Immunglobulin-Fc-Rezeptoren, fördern die Monozytendifferenzierung und stimulieren die Immunglobulinproduktion.
Cidofovir hemmt die intermediäre virale Desoxyribonukleinsäure(DNS)-Synthese. Zelluläre Enzyme vermitteln seine Phosphorylierung zum aktiven Metaboliten, der selektiv die virale DNS-Polymerase hemmt.
Der nächste Schritt bei der Virusreplikation besteht in der Anlagerung der neugebildeten viralen Boten-RNS an die Ribosomen und der Expression von viralen Proteinen. Ribavirin wird durch Phosphorylierung zu Ribavirinmonophosphat aktiviert und interferiert mit der Synthese von Guanosintriphosphat (GTP). Es kommt zur Bildung von Ribavirintriphosphat, welches das sog. „capping“ der viralen Boten-RNS inhibiert und so antiviral wirksam ist. Das „capping“ (5’,5’-Triphosphatbindung unter Einschluss von GTP) ist für die Translation und Biosynthese entscheidend.
Ausschleusung
Die Neuraminidase spaltet Sialinsäurereste von der Zellmembran und erlaubt so die Freisetzung der Virionen. Die Ausschleusung der neu gebildeten Virionen wird somit schließlich durch die Neuraminidasehemmer inhibiert.
Therapie
Da die dargestellten Wirkprinzipien nicht auf alle Viren gleichermaßen anwendbar bzw. untersucht sind, werden die zur Verfügung stehenden Therapien anhand der spezifischen Viren besprochen.
Picornavirusinfektion (Rhinoviren)
Picornaviren (gesprochen: Pico-RNA-Viren) sind für den Großteil aller Episoden der akuten Nasopharyngitis verantwortlich und stellen die häufigsten Auslöser bei der Infektexazerbation des Asthma bronchiale [4] und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung [5, 7] dar.
Intranasale Interferone
In einer aktuellen Metaanalyse [8] wurden insgesamt 4 unterschiedliche Therapieansätze unter Einsatz von Interferonen untersucht.
Der 1. Ansatz umfasst Studien zur Prävention und Therapie mit intranasalen Interferonen (sowohl IFN α und β als auch γ) bei experimentell induzierten Atemwegsvirusinfektionen. Insgesamt wurden 81 Studien ausgewertet. Es zeigte sich, dass Interferon das Auftreten der Atemwegsinfektionen im Vergleich mit Placebo reduziert (Reduktion um 46% [37–54%]; Tabelle 2). Dieser Effekt war nur in größeren Studien mit Rhino- und Coronaviren signifikant. An Nebenwirkungen traten signifikant häufiger Behinderungen der Nasenatmung (OR 2,22 [1,33–3,70]) und Nasenlaufen auf.
Der 2. Ansatz umfasst Studien zur Prävention natürlich auftretender Atemwegsvirusinfektionen mit intranasalen Interferonen (Tabelle 3). Wenn die Ergebnisse auf die Gesamtpatientenzahl aller Studien bezogen wurden, so zeigte sich eine signifikant höhere Effizienz für Interferon im Vergleich mit Placebo (Reduktion um 26% [23–29%] für alle Viren, um 35% [17–49%] für Rhinoviren). Blutig tingierter Nasenschleim war statistisch signifikant häufiger in den Interferongruppen, ebenso wie Nasenschleimhauterosionen, Nasenausfluss und Nasenatmungsbehinderung.
Der 3. Ansatz untersuchte die Kombination von intranasalen Interferonen mit Enviroxim, einem synthetischen antiviralen Medikament, welches die für das wichtige 3A-Protein kodierende Region der viralen RNA inhibiert. Hier fand sich kein Vorteil verglichen mit Placebo [9].
Der letzte Ansatz verglich Studien mit intranasalen Interferonen in Kombination mit Naproxen oder Ipratropium bei experimenteller Rhinovirusinfektion [10] und fand, dass sowohl die Kombination, als auch Interferone allein den Verlauf der Infektion mildert und vor allem die nasale Sekretion vermindert, ohne dass schwerwiegende Nebenwirkungen auftraten.
Zusammenfassend scheinen intranasale Interferone wirksam zu sein, allerdings treten signifikante Nebenwirkungen auf, die den Einsatz stark einschränken.
Weitere Therapieansätze
Schon 1985 zeigte Dipyridamol als IFN-induzierende Substanz eine Protektion gegen natürliche Atemwegsvirusinfektionen in 3 unterschiedlichen russischen Studien (Reduktion 49% [30–62%]; [11]), während Impulsin (N-2-hydroxyethylpalmitamide, ein Arachidonsäurederivat) zu 44% (35–52%) bei tschechischen Rekruten protektiv wirkte [12]. Dipyridamol ist in Deutschland zurzeit nur zur Thrombozytenaggregationshemmung zugelassen.
Pleconaril, ein viruskapsidbindendes Medikament hemmt die Freisetzung der viralen Nukleinsäure durch Integration in Taschen des Viruskapsids und verhindert so die Virusadsorption an die Wirtszelle [13, 14]. In klinischen Studien verminderte es Symptomschwere und -dauer in 71% (15–90%; [15]). Diese Substanz wird zurzeit in mehreren klinischen Studien getestet [16, 17]. In 2 parallel randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien verminderte Pleconaril bei 1363 Teilnehmern signifikant die Dauer und Schwere der Picornavirusinfektion. An Nebenwirkungen traten im Vergleich mit Placebo Übelkeit (6% vs. 4%) und Diarrhö (9% vs. 7%) auf [18]. Diese Medikamente wurden im Vergleich zu den Interferonen deutlich besser vertragen.
Ein weiterer möglicher Therapieansatz liegt in der Inhibition des Anheftens und der Bindung des Virus an den Rezeptor. Über 90% der Rhinoviren binden an das InterCellular Adhesion Molecule (ICAM)-1. Studien mit löslichem ICAM-1-Rezeptor, der an Bindungsstellen auf dem Virus bindet [19], haben jedoch nur eine marginale Effizienz gezeigt [20] und die weitere Entwicklung wurde eingestellt.
Schlussfolgerungen
Insgesamt gesehen gibt es bislang keine zugelassene Therapie bei Rhinovirusinfektionen. Interferone erzeugen nach längerer intranasaler Anwendung ein klinisches Bild, das dem der Virusinfektion gleicht und sind somit nicht sinnvoll einsetzbar. Pleconaril ist zurzeit in der weiteren klinischen Erforschung und besitzt die meisten Aussichten auf weiteren Einsatz. Zukünftige Studien sollten v. a. die Rolle von Pleconaril bei der Prävention und der Behandlung von Rhinovirusinfektionen bei Risikopatienten (Asthma bronchiale/COPD) untersuchen [21]. Dipyridamol wurde bisher nicht weiter untersucht.
Influenzaviren
Jährlich sterben in Deutschland im Durchschnitt 5000–8000 Menschen an Influenza und es kommt zu 10.000–20.000 Krankenhauseinweisungen pro Influenzasaison. Im Jahre 2001/02 verursachte die Influenza 0,8 Mio. Arbeitsunfähigkeiten bei den 16- bis 60-Jährigen und im Jahr 1995/96 entstanden volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von ca. 1,1 Mrd. € (http://www.influenza.rki.de/agi). Eine effiziente Kontrolle der Erkrankung ist somit von hoher Wichtigkeit.
Influenzaimpfung
Die Impfung stellt immer noch die effizienteste Möglichkeit der Influenzakontrolle dar. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut in Berlin empfiehlt eine jährliche Impfung für
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Personen über 60 Jahre,
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Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen,
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Kinder (ab 6 Monaten), Jugendliche und Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens, wie z. B. chronische Lungen-, Herz-, Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes und anderen Stoffwechselkrankheiten, angeborener oder erworbener Immunschwäche, HIV-Infektion,
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Personen mit erhöhter Gefährdung, z. B. medizinisches Personal, Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr;
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Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute ungeimpfte Risikopersonen fungieren können.
Nicht geimpft werden dürfen Personen mit einer bekannten Allergie gegen Inhaltsstoffe des Grippeimpfstoffes oder einer seltenen Überempfindlichkeit gegen Hühnereiweiß. Reste von Hühnereiweiß können in den Impfstoffen enthalten sein, da die Impfviren in Hühnereiern gezüchtet werden.
Therapeutische Möglichkeiten
Für die Therapie der akuten Influenzainfektion stehen das schon seit längerem eingesetzte Amantadin und die neueren Neuraminidasehemmer zur Verfügung. Amantadin ist allerdings nur gegenüber Influenza A antiviral wirksam. Es bilden sich relativ schnell resistente Mutanten, die die Wirksamkeit einschränken. Häufig treten Nebenwirkungen, wie Schlaflosigkeit, Benommenheit, Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten auf, die den Einsatz limitieren. Bereits 1970 wurde Amantadin klinisch erprobt und verkürzte die Symptomdauer um 1,0–1,6 Tage [22, 23, 24]. Amantadin ist als Infex® (Merz Pharmaceuticals) zur Behandlung der Influenza A in Deutschland zugelassen.
Zanamivir ist ein inhalativer Neuraminidasehemmer, welcher sowohl bei Influenza-A-, als auch bei Influenza-B-Infektion aktiv ist. Bei der Anwendung der Neuraminidasehemmer kommt es kaum zu Nebenwirkungen, da spezifisch ein virales Enzym gehemmt (s. oben) wird. Das Medikament ist zur Behandlung bei Patienten ab dem 12. Lebensjahr zugelassen. Es ist nur wirksam, wenn es innerhalb von 48 h nach Infektion appliziert wird. Dann reduziert es die Dauer der Infektion und die Schwere der Symptome auch in Risikogruppen [25, 26, 27, 28]. Im Vergleich mit Placebo wurde seine Kosteneffektivität [29] und auch die prophylaktische Wirksamkeit gezeigt [30].
Im Rahmen einer Phase-III-Studie erhielten 1107 Studenten eine 4-wöchige Zanamivirprophylaxe während der Saison. Zanamivir verhinderte in 67% der Fälle eine Influenzainfektion (basierend auf der klinischen Definition, p<0,001) bzw. in 84% nach der serologischen Definition (Antikörpertiter, p<0,001) verglichen mit Placebo. Durch die inhalative Applikation ergeben sich jedoch Probleme bei Patienten, die eine ausreichende Inhalationstechnik nicht beherrschen [31]. Das Medikament ist unter dem Namen Relenza® (GlaxoSmithKline) zugelassen.
Oseltamivir ist ebenfalls ein Neuraminidasehemmer, der jedoch oral appliziert wird. Das Wirkspektrum umfasst auch Influenza A und B, es wurde kaum über Nebenwirkungen berichtet. Der Wirkstoff ist für die Behandlung der Grippe bei Patienten ab dem 1. Lebensjahr zugelassen. In der Leber kommt es zur Umwandlung in den aktiven Metabolit. Die Therapie reduziert ebenfalls die Symptomdauer und die Symptomschwere [32, 33, 34]. Oseltamivir ist auch prophylaktisch wirksam. In einer experimentellen Studie wurde 26 h nach Beginn der prophylaktischen Oseltamivirtherapie nasal eine Influenzavirusexposition durchgeführt und es infizierten sich 67% Probanden in der Placebo- aber nur 38% in der Verumgruppe [35]. Darüber hinaus wurde über eine additive Wirkung von Oseltamivir bei influenzageimpften Altersheimbewohnern [36] berichtet. Entscheidend für den Therapieerfolg von Tamiflu® (Roche) ist auch hier die rasche Einnahme direkt nach Auftreten der Symptome.
Bewertung der Therapieoptionen
In einer aktuellen Metaanalyse der Neuraminidasehemmer [37] wurde herausgestellt, dass die Behandlung von Kindern, sonst gesunden Erwachsenen und Risikogruppen mit Zanamivir die mediane Symptomdauer um jeweils 1,0 (95%-CI 0,5–1,5), 0,8 (0,3–1,3) und 0,9 (−0,1–1,9) Tage reduziert. Oseltamivir reduziert sie um 0,9 (0,3–1,5), 0,9 (0,3–1,4) und 0,4 (−7,0–1,4) Tage. In der Prophylaxe kann in bis zu 70–90% der Fälle eine relative Reduktion in der Wahrscheinlichkeit, eine Grippe zu entwickeln, erreicht werden. Verglichen mit Amantadin ergibt sich somit kein wesentlicher Vorteil, es sei denn es handelt sich um Influenza B, es besteht eine Niereninsuffizienz oder es kommt zu Nebenwirkungen unter Amantadin [38].
Adenovirus
Adenoviren sind für ca. 5% aller Atemwegsinfektionen bei Kindern [39] verantwortlich. Für die allgemeine erwachsene Bevölkerung existieren keine genauen Angaben. Die meisten Adenovirusinfektionen sind milde Atemwegsinfektionen, sind meist innerhalb von 2 Wochen selbst limitierend und induzieren eine typspezifische Immunität [40]. Bei immuninkompetenten Patienten hingegen können Adenoviren schwere lokalisierte Erkrankungen wie Pneumonitis, Kolitis, hämorrhagische Zystitis, Hepatitis, Nephritis, Enzephalitis oder Multiorganversagen erzeugen [41].
Zurzeit gibt es weder zugelassene antiadenoviral wirksame Medikamente, noch prospektive randomisierte und kontrollierte Studien mit möglicherweise nützlichen Substanzen. In unterschiedlichen Fallberichten wurde jedoch über Therapieerfolge mit intravenös verabreichtem Ribavirin [42] und Cidofovir [43] berichtet. Cidofovir zeigt eine gute Effizienz bei der Eradikation von Adenoviren und der Linderung der Symptome [44, 45]. Das Toxizitätsprofil der Substanz hat jedoch den klinischen Einsatz stark limitiert [46]. Hier steht v. a. eine ausgesprochene Nephrotoxizität im Vordergrund, die durch die simultane Applikation von Probenecid abgemildert werden kann (s. auch Tabelle 4). Es ist als Vistide® (Pharmacia) bislang nur für die Behandlung der CMV-Retinitis bei Patienten mit AIDS zugelassen.
Therapie der RSV-Infektion
RSV-Infektionen sind weltweit der führende Grund für schwere Atemwegsinfektionen bei Kindern [47] und ein wichtiger Erreger bei Erwachsenen mit chronischen Atemwegserkrankungen [5, 6]. Die Infektion des unteren Atemwegstrakts ist normalerweise selbstlimitierend, es kann jedoch zu schweren bis tödlichen Verläufen, vor allem bei abwehrgeschwächten Patienten kommen [48].
Seit 1980 existiert eine antivirale Therapie mit Ribavirin, und die ersten doppelblinden und placebokontrollierten Studien waren sehr vielversprechend. Es fand sich, dass die Anwendung von Ribavirin als Aerosol eine beschleunigte klinische Besserung sowohl bei vorher gesunden Kindern [49] als auch bei Kindern mit vorbestehenden kardiopulmonalen Erkrankungen [50] und in Fällen, die eine Respiratortherapie erforderten [51], bewirkte. Neuere Studien konnten diese Ergebnisse allerdings nicht bestätigen [52], eine Studie fand sogar eine Verlängerung des Krankenhausaufenthalts unter Ribavirin [53]. Darüber hinaus zeigten 3 von 5 Studien mit der Frage, ob durch Ribavirin ein späteres Giemen verhindert werden kann, keinen Erfolg [48]. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils ist eine Therapie mit Ribavirin bei kindlichen RSV-Infektionen nicht mehr empfohlen, ist aber als Kombinationstherapie bei der viralen Hapatitis etabliert.
Eine weitere Therapiealternative stellt Palivizumab, ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen das RSV-F-Glykoprotein dar [54]. Die intramuskuläre Gabe von Palivizumab (15 mg/kg) einmal pro Monat während der RSV-Saison resultierte in signifikant weniger RSV-bedingten Krankenhausaufnahmen verglichen mit der Kontrollgruppe (55% Reduktion, p<0,001). Die Anwendung das Antikörpers ist sicher und wurde gut vertragen [55]. Aufgrund der hohen Behandlungskosten erscheint die Therapie jedoch nur bei Kindern mit zugrundeliegender Lungenerkrankung kosteneffektiv zu sein [56]. Es ist als Synagis® (Abbott) für die RSV-Therapie zugelassen.
Schon seit vielen Jahren wird an der Entwicklung eines Impfstoffs gearbeitet, jedoch sind erste klinische Studien frühestens in einigen Jahren zu erwarten [48].
Prophylaxe und adjuvante Therapie
Die Charakteristika der verfügbaren antiviralen Medikamente sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Die beste Strategie bei der Behandlung viraler Atemwegsinfektionen ist die Prophylaxe. Hier gibt es einerseits für Influenza schon seit längerem die Schutzimpfung, welche jährlich viele Menschen vor der Grippe mit möglichem letalem Verlauf schützt.
Die beste Strategie bei der Behandlung viraler Atemwegsinfektionen ist die Prophylaxe
Als weitere prophylaktische Maßnahmen gibt es eine Reihe von allgemeinen Empfehlungen, die durchaus für den Einzelnen sinnvoll erscheinen, vor allem, wenn es sich um besonders gefährdete Personen handelt. Hierzu gehören das Vermeiden von Menschenansammlungen während der Virussaison, das Fernhalten von ungeimpften und individuell besonders gefährdeten Personen (z. B. Säuglinge, Immuninkompetente, chronisch Kranke) von erkrankten Personen innerhalb der Familie sowie die sorgfältige Händehygiene.
Die virusspezifischen Therapiemöglichkeiten sind in Tabelle 5 zusammengefasst. Bei der Influenzainfektion gibt es die Möglichkeit der prophylaktischen Anwendung der Neuraminidasehemmer, ohne dass es hierfür schon eine offizielle Indikation gibt. Darüber hinaus gibt es für Kinder mit zugrundeliegender Lungenerkrankung und drohender RSV-Infektion die Möglichkeit der Therapie mit monoklonalen Antikörpern. Schon seit längerer Zeit wird intensiv an der Entwicklung einer RSV-Schutzimpfung gearbeitet, ohne dass es zurzeit schon zugelassene Präparate gäbe.
Im Falle einer akuten Infektion stehen nur bei Influenza und RSV spezifische medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dies ist vor allem deshalb bedeutend, da die meisten viralen Atemwegsinfektionen durch Rhinoviren verursacht werden, gegen die es keine spezifische Therapie gibt. Aufgrund der fehlenden spezifischen Therapiemöglichkeiten wird eine Vielzahl von unspezifischen Therapieoptionen genutzt. Die Wirksamkeit ist nur für wenige von ihnen durch Studien belegt.
Abschwellende Nasensprays mit Ipratropiumbromid [57] oder Xylometazolin [58] vermögen den Nasenausfluss signifikant zu vermindern. Orale nichtsteroidale Antiphlogistika wie Ibuprofen und Naproxen können Grippesymptome wie Kopfschmerz, Myalgie und Abgeschlagenheit lindern. Acetylsalizylsäure hingegen zeigte keine signifikante Wirksamkeit und verstärkte darüber hinaus die Virusfreisetzung bei experimentell induzierter Rhinoviursinfektion [59]. Eine aktuelle Studie konnte auch die Wirksamkeit von einem Kombinationspräparat aus Acetaminophen, Coffein, Chlorpheniramin and Ascorbinsäure (Grippostad-C) zeigen [60]. In einer retrospektiven Analyse wurde Zink in Form von Lutschpastillen bei Kindern untersucht und eine Reduktion der Dauer und des Antibiotikagebrauchs festgestellt [61]. Ebenso konnte eine signifikante Reduktion der Inzidenz und der Krankheitsdauer für Vitamin C gezeigt werden [62]. Cromoglicinsäure als Nasenspray kann Atemwegsbeschwerden wie Husten und Heiserkeit lindern [63]. Für den Einsatz von Antibiotika gibt es keine überzeugenden Studienergebnisse, obwohl sie bei Atemwegsinfektionen häufig verordnet werden [64].
Ausblick
Eine Reihe von hoffnungsträchtigen Therapieoptionen werden in einigen Jahren neue Behandlungsmöglichkeiten der viralen Atemwegsinfektionen bieten. Hervorzuheben sind hier das Pleconaril bei der Rhinovirusinfektion, die Weiterentwicklung der Nukleosidanaloga mit verbessertem Toxizitätsprofil, die theoretisch bei vielen RNS- und DNS-Viren wirksam sind, und der breitere Einsatz monoklonaler Antikörper wie bei der RSV-Infektion. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die möglichst schnelle und spezifische Virusdiagnostik, wie sie prinzipiell durch die modernen molekularen Verfahren (Polymerasekettenreaktion) inzwischen gewährleistet werden kann. Es besteht die Möglichkeit innerhalb von wenigen Stunden eine spezifische Virusdiagnose zu stellen und eine spezifische Therapie einzuleiten.
Die Voraussetzungen für eine effizientere Therapie viraler Atemwegsinfektionen sind also prinzipiell vorhanden. Die Umsetzung entsprechender therapeutischer Konzepte wird aber sicher noch einige Jahre Zeit erfordern. Verglichen mit der Antibiotikatherapie befinden wir uns bei der antiviralen Therapie in den ausgehenden 1940er Jahren des letzten Jahrhunderts und es bleibt zu hoffen, dass die nahe Zukunft vergleichbare Erfolge bringt.
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Rohde, G., Schultze-Werninghaus, G. & Bauer, T.T. Therapie viraler Atemwegsinfekte. Internist 45, 468–475 (2004). https://doi.org/10.1007/s00108-003-1111-5
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00108-003-1111-5