Das Gehör ermöglicht die Wahrnehmung von Tönen und den Informationsaustausch zwischen Menschen. Bei Verringerung der Hörfähigkeit erlebt der Mensch jedoch eine verzerrte Klangwahrnehmung sowie Kommunikationsprobleme [1]. Diese Höreinbuße ist verbunden mit abnehmendem psychosozialem Wohlbefinden [2], Isolation [3] und kognitiven Beeinträchtigungen [4].

Hintergrund

Die erworbene Hörbeeinträchtigung ist ein häufig auftretendes Phänomen im zunehmenden Alter [2]. Definiert wird Altersschwerhörigkeit als ein symmetrisch progressiver und degenerativer Hörverlust in zunehmenden Alter [5, 6]. Sie ist vorwiegend im Corti-Organ (Innenohr) und auch im Hörnerv lokalisiert [7]. Aufgrund des altersphysiologischen und -pathologischen Prozesses mag die Annahme legitim erscheinen, dass diese Form von Hörminderung früher oder später jeden Menschen betreffen kann. Allerdings weisen Hesse et al. [5] darauf hin, dass statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit für die Verschlechterung des Gehörs im Alter höher ist, d. h. allerdings dass nicht jeder ältere Mensch auch zwangsläufig schwerhörig wird. Eine Unschärfe existiert zudem in der Erklärung für Altersschwerhörigkeit, da Höreinbußen bei einigen älteren Menschen aufgrund einer sog. Gesamtlärmsumme entstehen können [5, 8], die auch der Lärmschwerhörigkeit zugeordnet werden können [9].

Schuknecht [10] hat den Versuch unternommen, Altersschwerhörigkeit zu klassifizieren und in diesem Zuge die Hörminderung in insgesamt 4 Typen eingeteilt:

  • sensorischer Typ (Verlust der inneren und/oder äußeren Haarzellen),

  • neuraler Typ (Degeneration von Nerven und Ganglienzellen),

  • metabolischer bzw. strialer Typ (Degeneration der Stria vascularis) und

  • Innenohrschallleitungstyp (Degeneration des Ligamentum spirale, Versteifung der Basalmembran) [11].

Am häufigsten treten jedoch nur der sensorische und neurale Typ von Schwerhörigkeit auf, noch dazu überwiegend in Kombination (sensorineural). Diese sensorineurale symmetrische Altersschwerhörigkeit ist deutlich im Hochtonfrequenzbereich ausgeprägt [5, 12].

Die altersbedingte Hörminderung kann entweder auf lebenslange exogene und endogene Einflüsse sowie auf genetische Faktoren zurückzuführen sein [7, 13, 14]. Die Lärmexposition (Intensität und Dauer des Lärms) tritt in der Literatur als prädisponierender exogener Risikofaktor auf [5]. Zu den negativen Einflüssen zählen zudem Ototoxine (ohrschädigende Substanzen), Rauchen [12], Infektionen, Schlaganfall [6, 14], Hypertonie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Durchblutungsstörungen [7, 13]. Das Potenzial der Komorbiditäten als Risikofaktoren für Altersschwerhörigkeit wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Um diesen Aspekt verlässlich belegen zu können, empfehlen Hesse et al. [5] Langzeitbeobachtungen.

Die Kompensation bzw. Behandlung der Altersschwerhörigkeit erfolgt hauptsächlich durch die Benutzung von Hörgeräten, welche komplexe Klangsignale verstärken. Diese Hörhilfen können zwar das Sprachverständnis in verschiedensten Hörsituation erheblich verbessern. Allerdings kann die gewohnte normale Hörfähigkeit nicht mehr wiederherstellt werden [15].

Im Bereich Public Health wird Altersschwerhörigkeit als ein zunehmendes Problem angesehen, da die Population der altersschwerhörigen Menschen stetig ansteigt. Gemäß der demographischen Entwicklung wird erwartet, dass es bis 2025 weltweit 1,2 Mrd. Menschen im Alter von 60 Jahren oder älter geben wird. Davon werden laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzungsweise 500 Mio. von einer altersbedingten Hörminderung betroffen sein [16].

Nach epidemiologischen Studien liegt die Prävalenz von erworbener Schwerhörigkeit in den Vereinigten Staaten bei 45,1 % bei Menschen im Alter von 45–74 Jahren [17], bei 63,1 % im Alter von 70 Jahren oder älter [18] und steigt im Alter deutlich an [15, 19]. Altersschwerhörigkeit tritt häufiger bei Männern als bei Frauen auf [17, 20]. In der Literaturübersicht von Roth et al. [21] wird die Prävalenz der Hörminderung in Europa auf 30 % bei Männern bzw. 20 % bei Frauen in der 7. Altersdekade geschätzt, und auf 55 % bei Männern bzw. 45 % bei Frauen im 8. Lebensjahrzehnt [14, 21]. In Deutschland wurde zwischen 2010 und 2012 eine umfassende epidemiologische Studie zu Schwerhörigkeit durchgeführt. Insgesamt wurden unter den 50- bis 59-Jährigen knapp 7 % als schwerhörig klassifiziert, 20 % unter den 60- bis 69-Jährigen. Unter 70- bis 79-Jährigen lag der Anteil mit 42 % etwa doppelt so hoch. Und 72 % der Probanden im Alter von 80 Jahren oder älter waren schwerhörig [19]. Schlussfolgernd können diese Forschungsergebnisse diverser Studien zur Prävalenz von Hörminderung im Alter kein einheitliches bzw. klares Bild liefern. Laut Roth et al. [21] kann dies auf

  • unterschiedliche standardisierte Verfahren in der Datensammlung,

  • die Verwendung verschiedener Klassifikationen von Schwerhörigkeit und

  • verschiedenartige Berichterstattung der epidemiologischen Daten

zurückgeführt werden.

Mit der Altersschwerhörigkeit können negative emotionale und soziale Konsequenzen einhergehen, die den Alltag der Betroffenen beeinflussen [22]. Ventry u. Weinstein [23] charakterisieren das Hörhandicap als ein komplexes Phänomen, dessen Wahrnehmung beeinflusst wird durch Faktoren wie Persönlichkeit, Alter, physische Gesundheit, psychosoziale Einstellung, soziale Rolle der Betroffenen und das Verhalten nahestehender Personen [24]. Dies verdeutlicht, dass sich die Wahrnehmung des Hörhandicaps individuell unterscheidet [23].

Das subjektiv eingeschätzte Hörhandicap bei älteren Menschen wurde bereits in einigen Studien untersucht. In qualitativen Studien wurden anhand von Interviews (psychosoziale) Erfahrungen mit den Folgen von Schwerhörigkeit im Lebensalltag erfasst [1, 25, 26]. In quantitativen Studien wurden Daten mit verschiedenen standardisierten Assessmentinstrumenten erhoben, hierzu dienten z. B. der Fragebogen Hearing Handicap Inventory for the Elderly (HHIE) von Ventry u. Weinstein [23] oder der Fragebogen Amsterdam Inventory for Auditory Disability and Handicap (AIADH) von Kramer et al. [27]. Studienergebnisse belegen u. a. eine Assoziation zwischen dem Grad des Hörverlusts und der Stärke des wahrgenommenen Hörhandicaps [2832].

Die Intention der vorliegenden Studie war, sich dem Forschungsthema multimethodisch zu nähern. Die aus quantitativen und qualitativen Zugangsformen gewonnenen Erkenntnisse können entweder konvergieren, sich widersprechen oder komplementär zueinander verhalten, wodurch das erforschte Phänomen mehrdimensionaler erfasst werden kann. Ziel dieser Studie war es, (1) die Selbsteinschätzung der Hörhandicaps von altersschwerhörigen Menschen quantitativ zu erfassen sowie die Assoziation zwischen Hörhandicap und Hörverlust zu bestimmen und (2) ein tieferes Verständnis von Erfahrungen mit dem Hörverlust und dessen Auswirkungen auf den Lebensalltag mittels qualitativer Interviews zu gewinnen.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Die Umsetzung der Ziele erfolgte unter Anwendung von quantitativen und qualitativen Erhebungsmethoden im Sinne der Methodentriangulation [33]. Durch multimethodische Zugänge kann das Forschungsthema besser begriffen sowie überraschende und unverständliche Befunde des jeweils anderen Methodenstrangs erklärt werden [34]. Die vorliegende Studie wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Universität Graz bewilligt.

Stichprobe

Für die Studie wurden folgende Einschlusskriterien definiert: Frauen und Männer, 55 Jahre und älter, im Alter erworbene beidseitige Schwerhörigkeit, kommunikationsfähig und der deutschen Sprache mächtig. Ausgeschlossen wurden Personen, deren Schwerhörigkeit operativ oder medikamentös kompensiert werden konnte, sowie Personen mit schwerwiegenden Erkrankungen, Demenz oder kognitiver Beeinträchtigung.

Potenzielle Teilnehmende wurden Ende 2015/Anfang 2016 in einer HNO-Praxis (Steiermark) und in einer Hörakustikabteilung (Vorarlberg) für die quantitative Befragung rekrutiert. Die nichtrepräsentative Auswahl der Probanden erfolgte konsekutiv nach Datum des Aufsuchens der Praxis oder der Hörakustikabteilung aufsuchten. Potenzielle Probanden wurden über die Studie informiert und anschließend gebeten, an der quantitativen Befragung teilzunehmen. Danach erhielten die interessierten altersschwerhörigen Menschen den Fragebogen, die Einwilligungserklärung, ihr aktuelles Audiogramm und ein vorfrankiertes Kuvert für die Rücksendung.

In diesem Zeitraum wurden zudem weitere potenzielle Probanden gebeten, an den qualitativen Interviews teilzunehmen (sie waren nicht Teil der quantitativen Stichprobe). Die konsekutive, nichtrepräsentative Rekrutierung erfolgte bei einem Beratungs- bzw. Behandlungstermin in der genannten Hörakustikabteilung oder in Pflegeheimen (Vorarlberg). Nach der Zusage zur Studienteilnahme nahm die Erstautorin mit ihnen Kontakt auf und vereinbarte daraufhin einen Termin. Vor der Durchführung der Interviews, die im Wohnort der Teilnehmenden stattfanden, nahm die Interviewerin die unterzeichnete Einwilligungserklärung entgegen. Um ein ungestörtes und problemloses Gespräch führen zu können, erfolgte das Gespräch in hellen Räumlichkeiten, ohne Hintergrundgeräusche. Die Dauer der Leitfadeninterviews lag bei zwischen 20 und 60 min.

Quantitativer Forschungsteil

Hearing Handicap Inventory for the Elderly

Für die Bestimmung des Hörhandicaps eignete sich das Instrument Hearing Handicap Inventory for the Elderly (HHIE) von Ventry u. Weinstein [23]. Dabei wurden die Teilnehmenden gebeten, ihre Hörwahrnehmung ohne Hörhilfen einzuschätzen. HHIE besteht aus 25 Items, davon erfassen 13 die emotionalen und 12 die sozialen Folgen des Hörverlusts [23, 24]. Die Antwortmöglichkeiten sind „ja“ (4 Punkte), „manchmal“ (2 Punkte) und „nein“ (0 Punkte). Der Gesamtwert kann von 0 bis 100 Punkte reichen (0–16 Punkte: kein Hörhandicap; 17–42: leichtgradiges Hörhandicap; >42 Punkte: moderates bis schwerwiegendes Hörhandicap). Der Fragebogen HHIE wurde von Bertoli, Probst und Jordan [24] ins Deutsche (Anhang, Tab. 3) übersetzt und hinsichtlich seiner Reliabilität überprüft.

Audiogramm

Anhand des Reintonaudiogramms konnte die Hörkapazität des Individuums bestimmt werden [15]. Für die Berechnung des Schwerhörigkeitsgrads wurde der Durchschnitt des Hörverlusts (angegeben in „decibel hearing level“, dB HL, [23]) in den Frequenzen 500, 1000, 2000 und 4000 Hertz (Hz) beider Ohren berechnet [35]. Die Einteilung des Schweregrads erfolgte nach der WHO-Klassifikation [36]: kein Hörverlust (0–24 dB HL), leichtgradiger (25–40 dB HL), moderater (41–60 dB HL), hochgradiger Hörverlust (61–80 dB HL) und an Taubheit grenzend (>81 dB HL).

Analyse der quantitativen Daten

Für die quantitative Datenanalyse wurde das Programm SPSS (Version 22, Fa. IBM, Ehningen) verwendet. Die deskriptive Statistik wurde für die Stichprobenbeschreibung herangezogen. Zur Bestimmung von Zusammenhängen wurde die Korrelationsanalyse nach Pearson verwendet. Mit dem Verfahren der Regressionsanalyse ließ sich die Prädiktorkraft unabhängiger Variablen (Hörverlust, Alter, Geschlecht, Bildung und Multimorbidität) auf die abhängige Variable (Hörhandicap) untersuchen. Das Signifikanzniveau wurde auf einen p-Wert von <0,05 festgelegt.

Qualitative Studienphase

Problemzentrierte Interviews

Anhand von qualitativen Methoden wird danach getrachtet, Einblick in menschliches Verhalten sowie Selbstinterpretationen zu gewinnen und zu beschreiben [33]. Um auf das Forschungsthema im qualitativen Sinne einzugehen, wurden semistrukturierte problemzentrierte Interviews nach Witzel [37] durchgeführt. Unterstützt wurden diese Gespräche durch die Anwendung eines Leitfadens als Gedächtnisstütze und Orientierungshilfe. Durch die qualitativen Interviews wurde den Teilnehmenden Raum und Zeit gewährt, in ihren eigenen Worten ihre subjektive Hörwahrnehmung zu beschreiben bzw. die erlebten psychosozialen Folgen des Hörverlusts in ihrem Lebensalltag darzustellen. Basierend auf der Methodentriangulation können diese subjektiven Wahrheiten entweder als Bestätigung, Ergänzung oder Kontrast zu den quantitativen Ergebnissen des Messinstruments HHIE dienen.

Analyse der qualitativen Daten

Das transkribierte qualitative Datenmaterial wurde entsprechend der Methode der thematischen Kodierung analysiert [33]. Im ersten Schritt erfolgte die Erstellung von Steckbriefen aller Interviewten. Daraufhin folgte bei den ersten Interviews die Zuordnung der Aussagen zu Kategorien, die entweder schon bei der Leitfadenerstellung vorgegeben waren oder neu herausgearbeitet wurden. Anhand dieser Kategorien wurde eine thematische Struktur erstellt, welche die Basis für die Auswertung der restlichen Interviews bildete [33]. Für die Datenanalyse wurde die Software MAXQDA (Fa. VERBI GmbH, Berlin) herangezogen.

Ergebnisse

Quantitative Ergebnisse

Für diese Studie liegen Daten von 65 Erwachsenen mit im Alter erworbener Schwerhörigkeit vor. Die soziodemographischen Daten sind in Tab. 1 dargelegt. Die Studienteilnehmenden (n = 53) erhielten im Durchschnitt vor 10,2 Jahren (Standardabweichung, „standard deviation“, SD = 9,8; Spannweite, „range“, R = 44; Minimum, Min = 1; Maximum, Max = 45) die Diagnose der Schwerhörigkeit. Ihr Durchschnittsalter lag damals bei 61,2 Jahren (SD = 12,9; R = 52; Min = 31; Max = 83). Der durchschnittliche Schweregrad des Hörverlusts liegt im moderaten Bereich (Tab. 2). Hörgeräte besitzen 80 % der Studienteilnehmenden, wovon 68,6 % diese immer, 27,5 % sporadisch und 3,9 % nie tragen. Teilnehmende mit Hörgeräten (n = 50) sind seit durchschnittlich 6,6 Jahren (SD = 8,5; R = 44; Min = 0; Max = 44) im Besitz von Hörgeräten. Bei der Erstversorgung mit Hörgeräten (n = 50) waren sie im Durchschnitt 65,0 Jahre alt (SD = 11,1 Jahre, R = 43; Min = 40; Max = 83).

Tab. 1 Charakteristika der Studienteilnehmenden
Tab. 2 Audiologische Daten (n = 65)

Selbsteingeschätztes Hörhandicap

Mittels Fragebogen HHIE konnte die subjektive Hörwahrnehmung der Studienteilnehmenden bestimmt werden. Bei der Betrachtung von fehlenden Werten bei den einzelnen HHIE-Items konnte bei 9 Items ein Anteil von 1,5 % an fehlenden Werten festgelegt werden.

In Bezug auf die HHIE-Items, die am häufigsten mit „ja“ beantwortet wurden, zeigte sich, dass es für 69,2 % mit Schwierigkeiten verbunden sei, sobald jemand flüstere. Darüber hinaus gaben 40,0 % an, dass das Sprachverständnis beim Radiohören und Fernsehen eingeschränkt sei. Von den Probanden kreuzten 35,4 % an, dass die Hörprobleme als Handicap wahrgenommen würden. Außerdem berichteten 23,1 %, dass das Telefon weniger oft verwendet wird. Jeweils 20,0 % gaben an, dass sie weniger auf Feste oder auf (religiöse) Veranstaltungen gingen, als sie gern möchten.

Der Mittelwert des Gesamtwerts von HHIE-Items betrug 29,0 (SD = 21,8), was auf ein durchschnittlich leichtgradiges Hörhandicap hinweist. Von 33,8 % der Teilnehmenden wird kein Hörhandicap wahrgenommen, von 43,1 % ein leichtgradiges und von 23,1 % ein mittel- bis hochgradiges Hörhandicap (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Klassifikation des Hörhandicaps

Beziehung zwischen Hörverlust und Hörhandicap

Das Ergebnis des Korrelationstests nach Pearson zeigt einen signifikanten positiven linearen Zusammenhang (r = 0,339; p < 0,01) zwischen objektivem Hörverlust (in dB HL) und selbsteingeschätztem, also subjektivem Hörhandicap. Dieser Korrelationskoeffizient von 0,339 entspricht gemäß der Einteilung nach Cohen [38] einem mittleren Effekt.

Einfluss von Hörverlust auf Hörhandicap

Das Ergebnis des linearen Regressionsmodells zeigt mit F (1, 59) = 7,68; p < 0,01, dass die Variable Hörverlust einen signifikanten Beitrag zur Varianzerklärung (R2 = 11,5 %) der abhängigen Variable Hörhandicap leistet. Die Effektstärke von f = 0,36 entspricht gemäß der Einteilung nach Cohen [39] einem mittleren Effekt. Der signifikante β‑Koeffizient (β = 0,339; p < 0,01) bedeutet Folgendes: Je hochgradiger der Hörverlust ist, desto schwerwiegender das Hörhandicap.

Im zweiten Schritt wurde eine hierarchische multiple Regressionsanalyse durchgeführt, um die Vorhersage von Hörhandicap durch Hinzunahme der Störvariablen Alter, Geschlecht, Bildung und Multimorbidität zu überprüfen. Allerdings wurde die Bedingung der signifikanten Korrelationen zwischen der abhängigen Variable und diesen unabhängigen Variablen nicht erfüllt. Somit konnte keine hierarchische multiple Regressionsanalyse durchgeführt werden und diese unabhängigen Variablen wurden als mögliche Einflussfaktoren ausgeschlossen. Zudem wurde anhand von Moderatorenanalysen untersucht, ob die Beziehung zwischen Hörverlust und Hörhandicap je nach Ausprägung von einer dritten Variable (Alter, Geschlecht, Bildung und Multimorbidität) unterschiedlich ausfällt. Keine signifikanten Interaktionen zwischen Hörverlust und der dritten Variable (Moderator) lagen vor. Folglich änderte der Einfluss des Moderators nicht den Effekt von Hörverlust auf Hörhandicap.

Qualitative Ergebnisse

Insgesamt wurden Daten von 10 weiblichen und 4 männlichen Erwachsenen analysiert. Das Alter reicht von 57 bis 94 Jahren, und weniger als die Hälfte hat einen (Ehe‑)Partner bzw. eine (Ehe‑)Partnerin. Alle sind pensioniert; 6 davon leben in Pflegeheimen, die restlichen 8 Teilnehmenden wohnen in ihrem eigenen Haus. Der Schweregrad ihres Hörverlusts reicht von leichtgradig bis an Taubheit grenzend. Für die Ergebnisdarstellung wurden Pseudonyme verwendet, um die Anonymität zu bewahren.

Wahrgenommene Hörschwierigkeiten und herausfordernde Hörsituationen

Fernsehen.

Teilnehmende berichteten von Problemen dabei, Reden, Dialoge usw. in diversen ausgestrahlten Sendungen zu verfolgen, v. a. wenn Hörgeräte nicht getragen werden. Das Sprachverständnis kann zwar durch Hörgeräte oder andere Hörhilfsmittel erleichtert werden, dennoch ist es notwendig, dass die Sprechenden in den Sendungen klar und deutlich sprechen, die Lippenbewegungen präzise und die Hintergrundmusik leise sind. Barbara erzählte davon, dass sie Untertitel einblenden lässt, sobald sie das Gesprochene in den Ausstrahlungen nicht mehr vollständig verstehen kann.

Ja, Fernsehen ist halt auch so eine Sache. (...) Sobald Hintergrundmusik dazukommt, oder bei irgend so einer Sitcom, wo man dazwischen klatscht oder so, das geht nicht, dann verwende ich Untertitel (Barbara).

Telefonieren.

Telefongespräche zu führen, wurde als schwierig charakterisiert. Allerdings kann es auch problematisch sein, mit Hörgeräten zu telefonieren, sobald die Kommunikationspartner undeutlich, leise, schwach oder schnell sprechen.

Ich habe am Telefon Schwierigkeiten mit dem Telefonieren. Das ist mein allergrößtes Problem, möchte ich sagen, dass ich am Telefon nicht verstehe. Ab und zu gut, ab und zu schlecht, je nachdem, wie die Person redet. Und das stört mich am allermeisten, dass ich nicht gescheit telefonieren kann (Elias).

Telefongespräche erfordern viel Konzentration, was auch der Grund ist, weshalb Betroffene das Telefonat ihren Angehörigen überlassen. Über das Telefon zu kommunizieren ist für einige Interviewpersonen dennoch möglich, sofern die Personen am anderen Ende der Leitung laut genug sprechen oder die Stimmen bekannt sind bzw. vertraut klingen.

Hörschwierigkeiten in kleineren Gruppen und Menschenmengen.

Hörprobleme bei Diskussionen in Gruppen oder in Menschenmengen mit lauten Hintergrundgeräuschen wurden in den Interviews mehrfach betont. In diesen Hörsituationen bewirken auch Hörgeräte keine Entlastung bzw. Erleichterung. Besonders problematisch wird es, wenn mehrere Menschen gleichzeitig und dabei noch laut oder schnell sprechen. Aus diesem Grund fühlen sich die Interviewpersonen nicht wohl in Gruppen, weil sie zwar hören, dass etwas gesagt wird, aber das Gesagte nicht verstehen können.

Eingeschränkte soziale Teilnahme.

Das limitierte Sprachverständnis hindert Interviewpersonen daran, in die Kirche oder auf Veranstaltungen (z. B. Theater, Vorträge, Kurse und Konzerte) zu gehen. Für sie ergibt es keinen Sinn und bereitet es auch keine Freude, solche Veranstaltungen zu besuchen, da sie diese trotz Verwendung von Hörgeräten akustisch nicht im vollen Ausmaß erfassen bzw. genießen können.

Ich bin früher so gerne auch einmal in einen Kurs gegangen, in einen Sprachkurs. Und das habe ich mich die letzten Jahre nicht mehr getraut, weil ich dann einfach zu wenig verstehe (Emma).

Musikhören.

Der Klang der Musik ist auch nicht mehr wie früher, als das Hörvermögen noch keine Einbußen verzeichnete. Die Hörgeräte schaffen es für manche Betroffene auch nicht, den gewohnten Klang wiederherzustellen. Dies resultiert meist darin, auf das Hören von Musik gänzlich zu verzichten.

[Es stört mich,] dass ich die Musik überhaupt nicht mehr richtig [hören kann], also wenn ich eine CD abhöre von früher, die ich kenne, die klingt ganz furchtbar in meinen Ohren. (...) das klingt nicht mehr so, wie ich es in Erinnerung habe. Konzert geht gar nicht (Barbara).

Auf der Straße.

Als herausfordernde Situation wurde auch das Sprachverständnis sowie die Lokalisierung von Klängen, Geräuschen und Tönen auf der Straße thematisiert.

Wenn ich auf der Straße bin und ich höre ein Auto, dann kannst du mit den Hörgeräten nicht sagen aus welcher Richtung. Da muss ich schauen … oder es ruft jemand, dann muss ich schauen, von wo kommt es her? 360 Grad schauen (Sonja).

Türklingel.

Eine weitere Hörschwierigkeit ist laut Emma das Läuten der Türklingel oder auch das Klopfen an der Tür, das nicht gehört werden kann, auch nicht mit Hörgeräten.

Sprachverständnis und Gesprächsführung.

Diese wird erschwert, sobald Kommunikationspartner flüstern, undeutlich, zu leise, zu schnell sprechen oder nicht direkt in ihr Gesicht (von Angesicht zu Angesicht) und stattdessen hinter ihnen sprechen oder sich während des Sprechens wegdrehen.

Ich habe zwar heute noch Mühe, weil sie einfach schlampig reden (...). Es sind nicht alle, aber sehr viele. Aber das ist auch bei Erwachsenen, da habe ich es gemerkt, Kollegen, die reden anders, da verschwinden die Vokale, und dann verstehst du das nicht mehr (Samuel).

Durch die Kommunikationsprobleme können Schamgefühle hervorgerufen werden, da die Betroffenen immer wieder darum bitten müssen, das Gesagte zu wiederholen, oder auch unangemessen auf etwas antworten, was zu Missverständnissen führen kann. Den lückenhaft erfassten Phrasen wird versucht, einen inhaltlichen Sinn zu geben, indem sie kontextbezogen interpretiert werden, was jedoch nicht immer gelingt. Diese Leistung erfordert hohe Aufmerksamkeit und Konzentration und ist besonders anstrengend bei langandauernden Gesprächen.

Hören ist nicht dasselbe wie verstehen.

Dieser Aspekt, dass die Betroffenen zwar hören, aber nicht alles verstehen können, wurde oftmals in den Interviews betont. Darüber hinaus stellten die Interviewpersonen klar, dass Hörgeräte zwar unentbehrlich sind und in vielen Situationen eine Erleichterung darstellen, aber dennoch ihre Grenzen haben und das normale Hören nicht zurückbringen können.

Schwerhörigkeit als Belastung

Die Unsichtbarkeit der Hörbeeinträchtigung wird als Belastung wahrgenommen, da durch die Hörprobleme Betroffene fälschlicherweise als begriffsstutzig, arrogant oder auch still empfunden werden. Eine andere Schwierigkeit scheint zu sein, dass Normalhörende den Eindruck haben, schwerhörige Menschen können besser hören und verstehen, als sie zugeben.

Wenn in einem Satz oder in einem Gespräch diese und diese Worte fehlen, kann ich [den Sinn] selber zusammensetzen (...) und dann glauben die Leute, sie hört mehr, als sie sagt. Und das ist eine Täuschung, also da leide ich schon (Inge).

Als weitere Belastung wurde der vorherrschende Irrglaube bezüglich technischer Fähigkeiten von Hörgeräten seitens normalhörender Personen genannt.

Meine Stiefkinder haben dann immer gesagt: ‚Herrgott, wieso hast du Hörgeräte und hörst nichts? Wieso nicht?‘ Dann habe ich gesagt: ‚Weil ihr alle auf mich einredet, und die einen wieder so flüstern. Redet klar und deutlich, dann komme ich mit.‘ (Mia)

Diskussion

Hörminderung ist ein häufig auftretendes Phänomen in der älteren Population, deren Prävalenz im zunehmenden Alter zunimmt. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird Altersschwerhörigkeit als ein Problem im Public-Health-Bereich betrachtet. Aktuelle Forschungsliteratur zeigt Assoziationen zwischen Altersschwerhörigkeit und depressiven Symptomen [4, 4042], Angstgefühlen [4, 41, 43], Isolation und Einsamkeit [3, 44, 45], kognitiven Einbußen [4, 4649], erhöhter Mortalität [43, 50, 51] und erhöhtem Sturzrisiko [52, 53]. Demzufolge können die Konsequenzen der Hörminderung den Lebensalltag älterer Menschen auf der physischen, mentalen und sozialen Ebene beeinflussen [22].

In diesem Zusammenhang widmet sich diese Studie der Frage, wie altersschwerhörige Menschen die Folgen des Hörverlusts wahrnehmen und beschreiben. In der quantitativen Befragung wurde am häufigsten von sozialen Konsequenzen, u. a. Schwierigkeiten, geflüsterte Sprache zu verstehen, fernzusehen und Radio zu hören, und einer eingeschränkten Teilnahme auf Festen oder Veranstaltungen berichtet. Das Gefühl, durch die Hörprobleme gehandicapt zu sein, war die häufigste genannte emotionale Konsequenz. Diese Ergebnisse stimmen mit den Erkenntnissen anderer Studien [1, 22, 25, 26, 28] und den aktuellen qualitativen Daten überein. Mehrheitlich wurde von schwerwiegenden Kommunikationsproblemen in Gruppen oder in lauten Umgebungen gesprochen – wie in Hallberg et al. [32]. Gruppengespräche nicht vollständig verfolgen zu können, geht mit Frustrationsgefühlen einher. Betroffene bevorzugen daher Einzelgespräche von Angesicht zu Angesicht, da sie sich besser auf den Kommunikationspartner konzentrieren können. Zudem mag es in diesem Rahmen auch angenehmer sein, Kommunikationspartner darum zu bitten, laut und deutlich zu sprechen. Bennion u. Forshaw [25] fanden allerdings heraus, dass ihre Studienteilnehmenden nicht einmal mehr an Einzelgesprächen teilnehmen und die meiste Zeit lieber zu Hause verbringen wollten.

Die durch den Hörverlust bedingten sozialen und emotionalen Folgen im Lebensalltag wurden in vielen quantitativen Studien nachgewiesen, in denen der Fragebogen HHIE verwendet wurde [22, 2830]. Dieser Fragebogen lässt allerdings erlebte Unsicherheitsgefühle außen vor. Diesbezügliche Erkenntnisse wurden ausschließlich auf der Basis qualitativer Daten zutage gefördert. Sie werfen die Frage auf, ob schwerhörige Menschen überhaupt in der Lage sind, Warnsignale (z. B. Feueralarm) erfassen zu können, wenn bereits die Türklingel nicht wahrgenommen werden kann. Ein erwähnenswerter Aspekt ist auch die Sicherheit auf den Straßen. Die Ergebnisse zeigen, dass Töne auf der Straße nicht lokalisiert werden können. Diese reduzierte Fähigkeit der Klanglokalisierung wurde auch in der Arbeit von Hallberg et al. [32] identifiziert. Das Sicherheitsthema auf der Straße ist insoweit relevant, als altersschwerhörige Menschen Schwierigkeiten haben könnten, z. B. Fahrradklingeln oder die Annäherung eines leisen Autos zu hören. Diese Situation könnte durch deren gesenkte Körperhaltung, eingeschränkte Mobilität und Sehkraft sowie verlangsamte Reaktion zusätzlich erschwert werden. Daher wäre es auch nicht überraschend, dass diese Situationen im öffentlichen Raum zu beängstigenden Erlebnissen führten und Unsicherheitsgefühle im öffentlichen Raum auslösten. Andersson u. Hägnebö [54] eruierten einen Zusammenhang zwischen Hörschwierigkeiten und Angstgefühlen. Allerdings wurde der Aspekt über den Zusammenhang von Sicherheit und Angstgefühlen bislang nur marginal in Studien berücksichtigt.

Im aktuellen quantitativen Datensatz ist darüber hinaus die unterschiedliche Einschätzung des Hörhandicaps auffallend. Fast ein Drittel der Teilnehmenden nahm kein Hörhandicap wahr. Vermutlich sträubten sie sich oder waren nicht willig, die Konsequenzen des Hörverlust in ihrem Leben anzuerkennen [32]. Der Zusammenhang sowie auch die Diskrepanz zwischen Schwerhörigkeit und Hörhandicap spiegelten sich auch im Ergebnis der Korrelationsanalyse wider. Es bestand eine signifikante moderate positive Beziehung zwischen diesen Variablen. Die Untersuchung des Hörverlusts als Prädiktorvariable zeigte, dass der Grad der Schwerhörigkeit einen Einfluss auf die Wahrnehmung des Hörhandicaps hat (mit mittlerem Effekt), auch bei der Berücksichtigung von Kovariaten (wie in [22, 31]).

Allerdings zeigen die quantitativen Ergebnisse auch, dass sich einige Teilnehmende trotz ihrer Schwerhörigkeit der Konsequenzen der Hörminderung nicht bewusst sind bzw. kein oder kaum ein Hörhandicap wahrnehmen [29, 31]. Laut Bertoli et al. [24] erwarten Betroffene, die von keinen Hörschwierigkeiten berichten, keinen Nutzen von Hörgeräten und werden diese somit eher nicht akzeptieren. Daraus lässt sich schließen, dass objektive Messungen des Hörverlusts anhand von audiometrischen Tests nicht ausreichend sind, um die Folgen der Schwerhörigkeit auf den Lebensalltag der Betroffenen zu erfassen. Diese Studie stützt die Diskussion in der audiologischen Forschung, dass zusätzlich zu den objektiven Hörmessungen eine umfassende subjektive Einschätzung des Hörhandicaps eine hilfreiche und effektive Methode in der Behandlung von Altersschwerhörigkeit darstellt [23, 24]. Hierfür eignet sich beispielsweise das Messinstrument HHIE oder dessen Kurzversion HHIE-S [24, 55]. Zudem sehen Manchaiah u. Stephens [56] subjektive Erzählungen über die eigene Hörwahrnehmung von den Betroffenen durch kompetentes bzw. sachkundiges Fragen als adäquaten Ansatz in der Planung von Behandlungsstrategien bzw. in der Hörgeräteversorgung. Durch die individuelle Anpassung von Hörgeräten – unter der Berücksichtigung von objektiven und subjektiven Daten zu den Hörschwierigkeiten – kann die Tragedauer von und die Zufriedenheit mit Hörgeräten erhöht werden. Darüber hinaus wurde in diversen Studien ein positiver Effekt von Hörgeräten belegt. So scheinen diese Hörhilfen zum einen Schutz vor Einsamkeitsgefühlen darzustellen [57] und zum anderen den psychosozialen Status und kognitive Funktionen zu verbessern [58].

Die Schwächen dieser Studie bestehen einerseits darin, dass die Studienergebnisse sich nicht für die Gesamtpopulation generalisieren lassen. Andererseits wurde zwar ein standardisiertes Messinstrument verwendet, die Antworten basierten jedoch auf Selbsteinschätzungen, was das Risiko einer Über- oder Untereinschätzung birgt. Dennoch ist eine bedeutende Stärke dieser Studie der multimethodische Ansatz.

Fazit für die Praxis

  • Menschen mit altersbezogenem Hörverlust erleben verschiedene hörbedingte Schwierigkeiten im Alltag.

  • Im Zuge der Behandlung könnte (zuzüglich zu den audiologischen Tests) durch die Erfassung von psychosozialen Folgen des Hörverlusts, z. B. mittels des Instruments HHIE (Hearing Handicap Inventory for the Elderly) eine adäquate Versorgung angeboten und eine höhere Akzeptanz von Hörgeräten erreicht werden.

  • Durch eine patientenzentrierte Versorgung könnten psychosoziale Bedürfnisse berücksichtigt [59] und folglich Patientenzufriedenheit und Lebens- sowie Betreuungsqualität erhöht werden.

  • Die Patientenzentrierung könnte durch Aufklärung über den Hörverlust, Hörhilfen und Hörgeräte und Vermittlung von effektiven Kommunikationsstrategien sowie durch die gemeinsame Entscheidungsfindung gewährleistet werden [60].