Zusammenfassung
Der Freiburger Einsilbertest besitzt ein Wortinventar, dessen Verwendungshäufigkeit auf der Basis von Schriftquellen des 19. Jahrhunderts beruht und zwischen den Testlisten bisher nicht gleichverteilt wurde. Die Mediane der Verteilungen der Worthäufigkeitsränge der Testwörter in der kontemporären Sprache weisen bei 9 Testlisten signifikante Abweichungen gegenüber dem Gesamtmedian aller 400 Einsilber auf. Die Listen 1, 6, 9, 10, 17 beinhalten signifikant mehr sehr selten, die Listen 2, 3, 5, 15 signifikant mehr sehr häufig verwendete Wörter. Im Vergleich mit der Verwendungshäufigkeit in der gesprochenen kontemporären deutschen Sprache werden etwa 45 % der Einsilber in der Alltagssprache praktisch nicht mehr verwendet. Durch diesen hohen Anteil selten oder nicht mehr verwendeter Wörter ist das Wortinventar des Freiburger Einsilbertests in großen Teilen nicht mehr repräsentativ für die kontemporäre deutsche Alltagssprache. Bildungsnahe Personen mit einem großen Wortschatz können dadurch im Vorteil sein. Die Normwerte für Normalhörende sollten deshalb reevaluiert werden.
Abstract
The Freiburg monosyllabic test has a word inventory based on the word frequency in written sources from the 19th century, the distribution of which is not even between the test lists. The median distributions of word frequency ranking in contemporary language of nine test lists deviate significantly from the overall median of all 400 monosyllables. Lists 1, 6, 9, 10, and 17 include significantly more very rarely used words; lists 2, 3, 5, and 15, include significantly more very frequently used words. Compared with the word frequency in the contemporary spoken German language, about 45 % of the test words are practically no longer used. Due to this high proportion of extremely rarely or no longer used words, the word inventory is no longer representative of the contemporary German language—neither for the written, nor for the spoken language. Highly educated persons with a large vocabulary are thereby favored. The reference values for normal-hearing persons should therefore be reevaluated.
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Danksagung
Der Autor dankt seinen hochgeschätzten Kollegen Prof. Dr. Inga Holube (Oldenburg), Prof. Dr. Sebastian Hoth (Heidelberg) und Dr. Müller-Deile für wertvolle Kommentare und Hinweise.
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Interessenkonflikt
T. Steffens gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Dieser Beitrag ist als eine Originalarbeit anzusehen und aus formalen Gründen im Leitthema dieser Ausgabe eingeordnet.
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Steffens, T. Verwendungshäufigkeit der Freiburger Einsilber in der Gegenwartssprache. HNO 64, 549–556 (2016). https://doi.org/10.1007/s00106-016-0163-5
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