Epidemiologie

Die international durchschnittliche Inzidenz einer akuten Appendizitis (AA) beträgt 100 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Eine AA wird bei ca. 150.000 Menschen pro Jahr in Deutschland diagnostiziert. Das Lebenszeitrisiko, an einer AA zu erkranken, beträgt 8,6 % bei Männern und 6,7 % bei Frauen [1], während das Appendektomierisiko bei Männern (12 %) deutlich geringer ist als bei Frauen (23 %). Der internationalen Literatur zufolge bewegt sich der Altersgipfel im Adoleszentenalter (Männer 10 bis 14 Jahr, Frauen 15 bis 19 Jahre). In den 3 deutschen Qualitätssicherungsstudien für Appendizitis (1988/89; 1996/97; 2008/09) hingegen stieg das Durchschnittsalter der Patienten innerhalb der 3 genannten Zeitperioden von 26 auf 35 Jahre [2].

Material und Methoden

Im Rahmen des Projektes der Deutschen Gesellschaft für Allgemein und Viszeralchirurgie (DGAV) „Qualitätssicherung der Indikationsstellung zur operativen Therapie“ wurde eine Expertengruppe zum Thema Appendizitis aus 6 viszeralchirurgischen Kliniken unterschiedlicher Versorgungsstufen definiert.

Es wurde eine Literaturrecherche zur AA in PubMed, Cochrane Library sowie in historischen Texten entsprechend dem Manual Systematische Literaturrecherche für die Erstellung von Leitlinien, Version 1.0 durchgeführt [3].

Metaanalysen, randomisierte kontrollierte Studien sowie die bestehenden internationalen Leitlinien wurden vornehmlich berücksichtigt. Hierdurch wurde das erste Ergebnis von 23.528 gefundenen Studien zum Thema auf insgesamt 164 Studien mit Erscheinungsdatum bis Mai 2019 reduziert.

Innerhalb der Appendizitis-Arbeitsgruppe der DGAV wurden die Ergebnisse der Literaturrecherche sowie die gegenwärtig gängigen Behandlungskonzepte in Deutschland diskutiert. Es wurden entsprechend dem PICO(Population-Intervention-Comparison-Outcome)-System (Tab. 1) die Schlüsselfragen zur Diagnostik und Behandlung der unkomplizierten (UA) und komplizierten Appendizitis (KA) definiert und innerhalb der Expertengruppen die Empfehlungsvorschläge entsprechend der reevaluierten Literatur erarbeitet (Abb. 1). Im Folgenden führten wir eine Delphi-Abfrage durch. Ein Konsensus mit einer Mehrheit >70 % führte zu den ausgesprochenen Empfehlungen.

Tab. 1 Erarbeitete PICO(Population-Intervention-Comparison-Outcome)-Fragen der Arbeitsgruppe Qualitätssicherung der Indikationsstellung zur operativen Therapie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zur aktuellen Therapie der akuten Appendizitis
Abb. 1
figure 1

Workflow der Arbeitsgruppe Qualitätssicherung der Indikationsstellung zur operativen Therapie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zur aktuellen Therapie der akuten Appendizitis. RCT randomisierte kontrollierte Studie, PICO Population-Intervention-Comparison-Outcome

Empfehlungen der Expertenkommission DGAV zur Indikationsstellung und Therapie der akuten Appendizitis

Klassifikation der akuten Appendizitis

Eine AA kann je nach Ausprägungsgrad in eine unkomplizierte (UA) und eine komplizierte Appendizitis (KA) eingeteilt werden (Tab. 2). Manche Autoren verstehen unter KA lediglich eine perforierte Appendizitis [4], während die European Association of Endoscopic Surgery (EAES) eine genauere Klassifikation vorschlägt.

Tab. 2 Charakteristika der unkomplizierten und komplizierten Appendizitis

Eine unkomplizierte Appendizitis ist eine Inflammation der Appendix vermiformis ohne Hinweis auf Gangrän, Umgebungsphlegmone, freie purulente Flüssigkeit oder Abszess.

Die Unterscheidung zwischen UA und KA sollte bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung erfolgen

Eine komplizierte Appendizitis wird als jede Art gangränöser Appendizitis mit oder ohne Perforation, mit periappendikulärer Phlegmone, freier Flüssigkeit oder perityphlitischem Abszess definiert [5].

Die obige Einteilung erfolgt in der Literatur und im klinischen Alltag am häufigsten anhand intraoperativer oder postoperativer histologischer Befunde. Um ein entsprechendes Therapiekonzept auswählen zu können, sollte die Unterscheidung zwischen UA und KA bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung erfolgen. Nach der aktuellen Datenlage gibt es jedoch kein etabliertes Verfahren, um die prätherapeutische Klassifizierung der AA sicher durchführen zu können. Inwiefern die prätherapeutische Einschätzung mit intraoperativem oder später histologischem Befund korreliert, müssen zukünftige Studien klären (Tab. 5).

Diagnostik der akuten Appendizitis

Eine klinische Untersuchung mit Berücksichtigung diverser Appendizitiszeichen (z. B. Mc Burney‑, Lanz‑, Blumberg‑, Rovsing‑, Psoas-Zeichen) sowie eine Blutentnahme sind obligate diagnostische Schritte bei vorliegendem Verdacht einer akuten Appendizitis [6].

Eine Verlagerung des Schmerzes vom Epigastrium in den rechten Unterbauch in der Anamnese ist häufig für eine AA zutreffend [7].

Eine Leukozytose im Blut bzw. Granulozytose mit einem hohen Anteil der neutrophilen polymorphkernigen Granulozyten und eine erhöhte CRP(C-reaktives Protein)-Konzentration im Serum sind unspezifische Entzündungsparameter [8]. Das Vorhandensein einer AA ist wahrscheinlicher bei positivem Nachweis von 2 oder mehr Variablen, während sie bei Fehlen aller Variablen unwahrscheinlich erscheint [9].

Das Procalcitonin scheint keinen relevanten Stellenwert in der routinemäßigen Diagnostik der AA zu haben, während hohe Procalcitoninwerte sowie hohe CRP-Werte mit einer KA korrelieren [10, 11].

Die erhöhte Körpertemperatur und Fieber sind unspezifische Symptome, die aber mit fortgeschrittener Appendizitis korrelieren, sodass die Temperaturmessung regelmäßig in die Diagnostik eingeschlossen werden soll [8].

Obwohl die digitale rektale Untersuchung lange Zeit als unabdingbarer Teil der klinischen Untersuchung bei Verdacht auf eine AA betrachtet wurde, ist die routinemäßige Durchführung dieser Untersuchung einer Metaanalyse zufolge nicht zwingend erforderlich [12].

Eine Urinanalyse und ein Schwangerschaftstest sind schnelle, nichtinvasive diagnostische Maßnahmen, die weitere Informationen zu Differenzialdiagnosen bei Unterbauchschmerzen liefern können. Eine orientierende Urinanalyse (Urinstreifentest oder laborchemische Urinanalyse) sowie ein Schwangerschaftstest bei jungen, fruchtbaren Frauen sollten regelmäßig durchgeführt werden ([6]; Tab. 5).

Appendizitis-Scores

Aufgrund der sehr variablen klinischen Präsentation und des breiten Spektrums an Differenzialdiagnosen wurden verschiedene Scores entwickelt, um die Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer AA klinisch einzuschätzen. Die meist angewendeten Scores sind Alvarado (MANTRELS)-Score, gefolgt von Appendicitis Inflamatory Response (AIR oder Andersson’s)-Score, Pediatric Appendicitis Score (PAS), Raja Isteri Pengiran Anak Saleha Appendicitis(RIPASA)-Score und Adult Appendicitis Score (AAI) [13,14,15,16].

Diese können die diagnostische Sicherheit im Gegensatz zur alleinigen klinischen Einschätzung erhöhen und die Entscheidungsfindung erleichtern ([17]; Tab. 3).

Tab. 3 Vergleich von Alvarado- und AIR-Score

Die bildgebenden Verfahren werden allerdings in den genannten Scores nicht berücksichtigt. Zudem ist die Klassifizierung einer Appendizitis nicht möglich. Insgesamt ist die Anwendung der Appendizitis-Risikoscores im klinischen Alltag in Deutschland wenig verbreitet.

Um die Mängel der zur Verfügung stehenden Appendizitis-Scores zu überwinden, werden aktuell neue Scoring-Systeme vorgeschlagen [18, 19].

Atema et al. integrierten klinische Parameter und Ergebnisse der bildgebenden Verfahren (Sonographie oder CT) bei Patienten mit klinischem Verdacht auf AA und entwickelten 2015 einen Risikoscore zur prätherapeutischen Differenzierung zwischen unkomplizierter und komplizierter Appendizitis. Dieser Score zeigte eine negative prädiktive Rate von 95 % für die richtige Identifizierung einer unkomplizierten Appendizitis [19].

Gomes et al. kombinierten klinische, radiologische und intraoperative laparoskopische Befunde [18]. Dieses System sollte eine genauere Stratifizierung der Patientengruppen liefern, seine Anwendbarkeit in der Praxis benötigt jedoch weitere klinische Studien (Tab. 4 und 5).

Tab. 4 Stadieneinteilung für akute Appendizitis nach Gomes et al. [18]
Tab. 5 Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Qualitätssicherung der Indikationsstellung zur operativen Therapie der akuten Appendizitis“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV)

Bildgebende Verfahren zur Diagnostik der akuten Appendizitis

Die Rolle der Radiologie im Prozess der Diagnosestellung bei AA wird in der Literatur kontrovers diskutiert.

Die niederländischen Leitlinien sehen die bildgebenden Verfahren als unabdingbaren Teil der Appendizitisdiagnostik [20]. In den USA wird bei über 80 % der Patienten eine Bildgebung (fast immer Computertomographie [CT]) durchgeführt, während in Europa bei ca. einem Drittel der Fälle und in Australien bei ca. drei Viertel der Patienten bei Appendizitisverdacht die Anwendung der bildgebenden Verfahren gar nicht erfolgt [17].

Die AA wird in Europa nach wie vor als klinische Diagnose wahrgenommen und die Entscheidung zur diagnostischen Laparoskopie leichter getroffen. Daraus folgend, erreicht die negative Appendektomierate (Entfernung der histopathologisch gesunden Appendix) bis zu 32 % [21, 22], während diese in den USA <5 % ausmacht [23]. Die negative Appendektomierate mit internationalem Durchschnitt von 15 % kann durch suffiziente Bildgebung signifikant reduziert werden [17].

Die negative Appendektomierate kann durch suffiziente Bildgebung signifikant reduziert werden

Eine Sonographie (Spezifität 71–94 %, Sensitivität 81–98 %) stellt eine zuverlässige Methode dar, um eine AA zu bestätigen, ist aber nicht ausreichend zuverlässig, um diese auszuschließen [5, 24, 25].

Eine CT des Abdomens (Sensitivität 76–100 %, Spezifität 83–100 %) ist zum Ausschluss oder zur Diagnosesicherung der AA dem Ultraschall überlegen [5]. Hierdurch wird zwar die negative Appendektomierate auf unter 5 % reduziert, allerdings ist die Strahlenbelastung, insbesondere bei jungen Patienten, Kindern und Schwangeren nicht zu unterschätzen [13].

Die Magnetresonanztomographie (MRT) des Abdomens (Sensitivität 97 %, Spezifität 95 %) ist zur Appendizitisdiagnostik mit der CT vergleichbar [5], bietet aber bei fehlender Strahlenbelastung eine sichere Alternative zur CT bei Kindern und Schwangeren ([26]; Tab. 5).

Therapie der akuten Appendizitis

Operative Therapie: Appendektomie

Basierend auf der festen historischen Überzeugung, dass die AA eine irreversible entzündliche Krankheit ist, die unbehandelt zur Perforation mit Abszess und Peritonitis führt, ist die Appendektomie weiterhin sowohl in Deutschland als auch weltweit in allen Altersgruppen die Therapie der Wahl [5].

Die Appendektomie ist die häufigste abdominale Operation weltweit. In Großbritannien werden etwa 50.000 [27], in Deutschland mindestens 135.000 und in den USA 300.000 Appendektomien pro Jahr durchgeführt [27].

Die Appendektomie ist in allen Altersgruppen die Therapie der Wahl

Die Vorteile der Laparoskopie liegen auf der Hand und haben sich gegenüber dem offenen Zugang durchgesetzt. Die laparoskopische Appendektomie ist zunehmend zum Standard bei der operativen Therapie der AA geworden [2]. Die beiden chirurgischen Zugänge sind jedoch legitim und weiterhin international stark vertreten [2, 17].

Bezüglich der Morbidität wird bei der laparoskopischen Appendektomie über eine erhöhte Rate an intraabdominellen Abszessen berichtet [28], insbesondere bei KA [29], während die offene Appendektomie mit einer höheren Rate an Wundinfektionen [2] bzw. Passagestörung belastet ist [29].

Die Single-Port-Appendektomie hat im klinischen Alltag aktuell keinen relevanten Stellenwert ([30, 31]; Tab. 5).

Zeitpunkt der Operation bei akuter Appendizitis

Die klinischen Erfahrungen zeigten, dass bei Patienten, die nach konservativem Therapieansatz doch eine Appendektomie benötigt haben, der adäquate Operationszeitpunkt variabel sein kann. Der aktuellen Literatur zufolge führt die Verzögerung der Appendektomie um 12–24 h ab der Diagnosestellung unter antibiotischer Therapie bei einer bildgebend vermuteten UA zu keiner höheren Perforationsrate. Hingegen soll bei Patienten im Alter >65 Jahre oder mit relevanten Komorbiditäten das Zeitintervall von 12 h bis zur Appendektomie nicht überschritten werden. Außerdem ist eine Appendektomie nach mehr als 48 h mit einer höheren Rate an chirurgischen Infektionen belastet [13, 32, 33].

Bei einer KA ist die Situation jedoch komplexer, denn es liegen zum adäquaten Zeitpunkt der Appendektomie keine ausreichenden Daten vor. Die Dringlichkeit der Operation wird in Abhängigkeit von der Ausprägung des Befundes, vom damit verbundenen klinischen Zustand des Patienten und dessen Komorbiditäten bestimmt. Eine perforierte Appendizitis mit „freier Luft“ stellt zweifellos eine dringende Operationsindikation dar [34].

Eine AA mit umliegender Phlegmone oder Abszess soll mit niedrigerer Morbidität unter initialer konservativer oder interventioneller Therapie verbunden sein, sodass verschiedene Quellen eine Appendektomie erst bei persistierenden Beschwerden empfehlen [5, 13, 35]. Aktuell werden allerdings zunehmend Daten publiziert, die in dieser Situation trotzdem eine unverzügliche laparoskopische Appendektomie unterstützen [36, 37]. Aufgrund der diskrepanten Datenlage ist gegenwärtig zur evtl. Verzögerung der Operation bei KA keine sichere Empfehlung möglich.

Die bis zur Operation vergangene Zeit wird nach Konsens der DGAV-Expertenkommission ab der offiziellen Indikationsstellung (Operationsanmeldung) gezählt (Tab. 5).

Explorative Laparoskopie bei akuter Appendizitis

Die explorative Laparoskopie hat sich europaweit bei der Behandlung der rechtsseitigen Unterbauchschmerzen, insbesondere bei Frauen etabliert [38]. Dabei sind die weltweit hohe negative Appendektomierate und die evtl. Morbidität bei nicht gesicherter Diagnose zu beachten. Die negative Appendektomierate ist signifikant niedriger bei Männern (17 %) im Vergleich zu Frauen (31 %), was durch gynäkologische Krankheitsbilder, die eine AA vortäuschen können, erklärt wird [39].

Eine makroskopisch normale Appendix weist in 29 % histologisch eine Appendizitis auf [40]. Daher soll eine normal aussehende Appendix bei entsprechender klinischer Korrelation entfernt werden (Tab. 5).

Nichtoperative Therapie bei unkomplizierter Appendizitis

Bei einer UA (meistens CT-gesicherte Diagnose) zeigt sich eine primär konservative Therapie mit Antibiotika bei etwa 86 % der betroffenen Patienten in erster Linie wirksam, während die restlichen 14 % bei Beschwerdepersistenz oder -progredienz eine notfallmäßige Appendektomie im gleichen Krankenhausaufenthalt benötigen [41].

Einer Metaanalyse zufolge kann Patienten mit primärem Ansprechen auf die Antibiotika im ersten Jahr bei nahezu 80 % eine Appendektomie erspart werden. Mindestens 22,5 % der Patienten entwickeln jedoch im Laufe des ersten Jahres eine Rezidivappendizitis [42]. In der einzigen Studie mit einem Follow-up von 5 Jahren nach erfolgreicher konservativer Therapie fand sich eine kumulative Inzidenz für eine Rezidivappendizitis von 27 % im ersten Jahr, 34 % nach 2, 35,5 % nach 3, 37 % nach 4 und 39 % nach 5 Beobachtungsjahren [43]. Der statistische Prozess zur Errechnung der kumulativen Inzidenz in dieser Studie wird jedoch als nicht adäquat kritisiert [44].

Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2019 zeigt, dass das nichtoperative Management mit Antibiotika bei einer bildgebend gesicherten UA bei Erwachsenen und Kindern zu keinem statistischen Anstieg der Perforationsrate führt. Ein Therapieversagen trat in der initialen Therapiephase bei 8 % und das Rezidiv einer AA innerhalb des ersten Jahres bei weiteren 20 % der Patienten auf [45]. Die Effektivität der chirurgischen Therapie einer AA ist jedoch höher [42, 45].

Es wird nach den Prädiktoren für die Wirksamkeit der konservativen Therapie intensiv geforscht. Zusammenfassend imponieren der niedrige Wert von Alvarado- und AIR-Score, längere Symptomdauer vor der Aufnahme (>25 h), maximale Körpertemperatur von <37,3 °C innerhalb 6 h nach Aufnahme und Appendixdurchmesser <11 mm (maximal 13 mm) als Prädiktoren für Erfolg, sowie Diabetes mellitus, intraluminale Flüssigkeit und Appendikolith als Risikofaktoren für Versagen der nichtoperativen Therapie einer AA [46,47,48,49,50,51].

Die Identifizierung von Patienten, die ein Therapieversagen unter konservativer Therapie bei unkomplizierter Appendizitis oder im Verlauf eine Rezidivappendizitis erleiden, ist somit weiterhin unzuverlässig.

Falls die primär antibiotische Therapie nicht erfolgreich ist, wird notfallmäßig eine Appendektomie durchgeführt. In Fällen, in denen eine AA nach erfolgreicher konservativer Therapie rezidiviert, wird überwiegend von einer Appendektomie, aber auch von erneuter konservativer Therapie berichtet ([52]; Tab. 5).

Therapie der komplizierten Appendizitis

Für die Behandlung einer KA liegt international kein einheitliches evidenzbasiertes Konzept vor. Der Einfluss der Unterteilung einer KA in jene mit Phlegmone, Abszess oder freier Perforation auf die optimale Therapiewahl wird erst in den neueren Studien evaluiert [34].

Grundsätzlich stehen verschiedene Ansätze zur Verfügung: die notfallmäßige Appendektomie, die alleinige antibiotische Therapie oder in Kombination mit interventioneller Drainagetherapie.

Einige retrospektive Analysen inklusive einer Metaanalyse implizieren niedrigere Morbidität für die konservative Therapie bzw. interventionelle Therapie der KA mit Phlegmone oder Abszess im Vergleich zur sofortigen Appendektomie [53, 54]. Demgegenüber gibt es Studien, deren Ergebnisse die operative Sanierung einer KA favorisieren [36, 37, 55].

In einer neuen Metaanalyse zeigten sich insgesamt weniger Komplikationen für die konservative Therapie. Im Gegensatz dazu zeigte die Subgruppenanalyse der randomisierten kontrollierten Studien keine signifikanten Unterschiede in der Abszessrate sowie der Dauer des stationären Aufenthaltes. Davon zeigen 2 randomisiert kontrollierte Studien sogar einen kürzeren stationären Aufenthalt für die laparoskopische Appendektomie als für die konservative Therapie ohne Unterschied in der Komplikationsrate und favorisierten demzufolge die laparoskopische Appendektomie [36]. Die genannte Metaanalyse zeigt somit die Diskrepanz der aktuellen Datenlage und betont die Wichtigkeit der hoch qualitativen Studien und die Notwendigkeit deren Durchführung in der Zukunft [36].

Internationale Empfehlungen von der EAES (2015) und WSES (World Society of Emergency Surgery, 2016) legen keinen Weg zum Umgang mit KA fest. Die EAES sieht die initiale konservative Therapie als möglich an, allerdings mit der Notwendigkeit weiterer Studien [5]. Die WSES empfahl in erster Linie die konservative Strategie bei Abszess oder Phlegmone, während die Laparoskopie eine suffiziente Alternative darstellen soll [13]. Die in den nachfolgenden Jahren entstandenen Arbeiten mögen jedoch die damals geltende Datenlage etwas verändert haben und sind somit zu beachten.

In einer im April 2019 publizierten Metaanalyse wurden die Patienten in eine laparoskopische Gruppe (Appendektomie oder Lavage mit Drainage) und eine konservative Gruppe (Antibiotika allein oder mit interventioneller Drainage) aufgeteilt. Die laparoskopische Gruppe zeigte signifikant höhere Raten an komplikationsfreien Verläufen, einen kürzeren stationären Aufenthalt, eine niedrigere Inzidenz an Rezidiven oder Residuen eines Abszesses und eine schnellere Normalisierung der Körpertemperatur und Leukozyten. Die Behandlungskosten zeigten dagegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Diese Metaanalyse favorisiert eindeutig die laparoskopische Sanierung einer Appendizitis mit Abszess [37].

Eine Metaanalyse favorisiert die laparoskopische Sanierung einer Appendizitis mit Abszess

In einer weiteren Metaanalyse aus 2019 wurden die Ergebnisse einer frühen Appendektomie im Vergleich zum konservativen Management einer KA bei Kindern aufgearbeitet. In den Subgruppen AA mit Phlegmone oder mit Abszess war die Komplikationsrate signifikant niedriger in der nichtoperativen Gruppe, während diese in der Gruppe mit freier Perforation signifikant auf der Seite der unverzüglichen Appendektomie lag. Der gesamte stationäre Aufenthalt war in der operativen Gruppe kürzer. Die initiale Erfolgsrate der nichtoperativen Therapie betrug 90 % mit gepoolter Rezidivrate von 15 % [34].

Nach erfolgter konservativer Therapie einer KA ist die Durchführung einer Intervallappendektomie nach etwa 4 bis 6 Monaten üblich gewesen. Es gibt Hinweise auf vergleichbare Komplikationsraten für eine sofortige und im Intervall durchgeführte Appendektomie, aber auch für eine höhere Konversionsrate, signifikant mehr intraoperative Komplikationen sowie intraabdominelle Infektionen bei der Intervallappendektomie [56]. Es wird demzufolge zunehmend vorgeschlagen, eine Intervallappendektomie nur mehr bei ausgewählten, v. a. symptomatischen Patienten durchzuführen ([35]; Tab. 5).

Verwendung von Antibiotika bei der akuten Appendizitis

Antibiotika spielen eine relevante Rolle in der Therapie der AA, zumal die konservativen Therapiekonzepte auf deren Anwendung basieren [57].

Die häufigsten Antibiotikaschemata beinhalten meistens eine Kombination von Cephalosporinen und einem Nitroimidazol, gefolgt von Penicillinen mit einem Betalaktamaseinhibitor, Chinolonen und seltener anderen Medikamentengruppen [13, 17]. Die Anwendung von Reserveantibiotika (Carbapeneme) zu Studienzwecken während der Behandlung einer Appendizitis wurde heftig kritisiert [43].

In den mikrobiellen Kulturen der intraoperativen Abstriche wachsen überwiegend Bakterien, die auf die benannten Antibiotika in der Regel sensibel sind [7, 58,59,60].

Die notwendige Dauer der Antibiotikatherapie im Rahmen der nichtoperativen Therapie ist weiterhin unklar und wird hauptsächlich am klinischen Verlauf sowie an der Dynamik der Entzündungsparameter orientiert [5]. Die meisten Autoren führen zunächst eine parenterale Antibiotikatherapie über 1 bis 3 Tage durch, die für weitere 5 bis 7 Tage mit oralen Antibiotika fortgeführt wird [13, 35].

Perioperativ sollten die Antibiotika unabhängig, ob eine UA oder KA vorliegt, angewendet werden [13, 57]. Hierdurch werden die Abszess- und Wundinfektionsrate reduziert [61]. Bei KA empfiehlt sich die Fortführung der Antibiotikatherapie postoperativ, v. a. beim Vorliegen eines Abszesses ([61]; Tab. 5).

Risikogruppen bei der Therapie einer akuten Appendizitis

Die Wirksamkeit der alleinigen Antibiotikatherapie kann bei Patienten höheren Alters, Patienten mit Immundefizit oder bei Vorhandensein signifikanter Komorbiditäten schwer eingeschätzt werden, da diese Patientenkollektive meistens aus den Studien ausgeschlossen werden. Das sind aber gerade die Patienten, die physiologisch geringere Reserven haben und ein optimales Therapiesetting brauchen, um möglichst unnötige Komplikationen zu verhindern.

Schwangerschaft.

Die AA stellt auch in der Schwangerschaft die häufigste Ursache für ein akutes Abdomen dar. Die meist befürchtete Komplikation einer AA ist Fehlgeburt, die mit einer KA korreliert [62]. Aus diesem Grund wird die Indikation zur operativen Therapie großzügig gestellt. Eine Appendektomie kann in jedem Trimenon sowohl offen als auch laparoskopisch problemlos durchgeführt werden [63], wobei eine Laparoskopie Schwangeren den Vorteil der schnelleren Rekonvaleszenz bei vergleichbarer Komplikationsrate bietet [64]. In der späteren Schwangerschaft ist eine moderate Linksseitenlage bei der Operation empfohlen, um einem Vena-cava-Kompressionssyndrom vorzubeugen [64]. Durch kurze Operationszeiten und Einhaltung des Kapnoperitoneums im Bereich von 10–12 mm Hg können Fehlgeburten verhindert werden [63].

Alter.

Eine AA bei älteren Patienten ist aufgrund der häufig untypischen Präsentation sowie Diversität der Differenzialdiagosen herausfordernd und wird häufig mittels CT identifiziert. Es wurde bei einem Patientenalter >65 Jahre ein häufiger initialer Nachweis von hohen Leukozyten- und CRP-Werten, korrelierend mit höherem Risiko für eine gangränöse Appendizitis, gefunden. Ein offenes Operationsverfahren verlängert hier den stationären Aufenthalt und die Rekonvaleszenzdauer. Eine laparoskopische Appendektomie ist eine sichere und zuverlässige Therapie bei älteren Patienten [5, 65].

Adipositas.

Bei Patienten mit Übergewicht (BMI [Body-Mass-Index] >25) und Adipositas (BMI >30) kann die Diagnosestellung einer Appendizitis aufgrund der weniger repräsentativen klinischen Zeichen sowie weniger zuverlässigen Sonographie erschwert sein und somit häufiger mit Durchführung einer CT verbunden sein. Die laparoskopische Appendektomie zeigt in den Studien signifikant weniger Wundinfektionen und eine geringere Gesamtkomplikationsrate, wobei die Anzahl der intraabdominellen Abszesse bei offener Appendektomie bei diesem Kollektiv häufiger ist [66]. Die Datenlage spricht eindeutig für eine laparoskopische Appendektomie bei adipösen Patienten [5].

Immunsuppression und Immundefizite.

Zur AA bei Immunsuppression und Immundefizienz wie bei HIV(„human immunodeficiency virus“)-Infektion liegen spärliche Daten vor. In dieser Population besteht unter anderem eine erniedrigte CD4+-T-Zell-Zahl, die mit niedriger Leukozytenzahl im Serum bei komplizierter Appendizitis und insgesamt mit höherer Morbidität und Mortalität korreliert. Diese Patienten präsentieren sich häufig mit atypischem klinischem Verlauf, sodass frühzeitige Abklärung der abdominellen Schmerzen mittels Bildgebung erforderlich ist [67]. Auch in dieser Patientengruppe sollte eine frühzeitige Appendektomie durchgeführt werden, die laparoskopisch zuverlässig machbar ist (Tab. 5).

Fazit für die Praxis

  • Die Differenzierung zwischen einer unkomplizierten Appendizitis (UA) und einer komplizierten Appendizitis (KA) soll bereits prätherapeutisch erfolgen. Hierzu stehen radiologische Verfahren, v. a. die Sonographie zur Verfügung.

  • Eine UA kann in ausgewählten Fällen initial konservativ mittels Antibiotika zuverlässig behandelt werden. Welche Patienten und wann sie einen Rückfall der AA entwickeln würden, ist aktuell nicht sicher vorherzusagen.

  • Die Effektivität der Therapie bei AA bleibt der Literatur zufolge gegenwärtig auf der Seite der chirurgischen Entfernung der entzündeten Appendix vermiformis.

  • Die Rolle der konservativen Behandlung einer KA sowie die Dringlichkeit einer Appendektomie in Abhängigkeit von patientenbezogenen Risiken sollen in zukünftigen Studien gezeigt werden.