Das Bündnis Junge Ärzte steht der Digitalisierung sowie der künstlichen Intelligenz offen gegenüber und sieht darin die Chance, sowohl die Patientenversorgung zu verbessern als auch die Ärzteschaft zu entlasten. Um dies’ zu gewährleisten, muss die Ärzteschaft eine führende Rolle in der Entwicklung und Implementierung von Applikationen einnehmen, um sowohl den zielgerichteten Einsatz als auch den Datenschutz der Patienten zu gewährleisten. Der Erwerb von entsprechendem Fachwissen in der Ärzteschaft muss zu diesem Zweck gefördert werden.

Wir sind wie die WHO und viele andere Akteure im Gesundheitssystem der Meinung, dass eine gute IT-Infrastruktur sowie digitale Anwendungen zu einer effizienteren Gestaltung des klinischen Alltags und einer verbesserten Versorgungsqualität führen [1]. Unsere alltägliche Wahrnehmung ist jedoch, dass die vielzähligen Vorteile der digitalen Transformation von Ärzten nicht ausgeschöpft werden können: Unzureichende Hard- und Software mit veralteten IT-Systemen, Kupfer- statt Glasfaserkabel und die fehlende personelle Ausstattung von IT-Abteilungen sind nur einige Beispiele, die in vielen Krankenhäusern eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Mangelhafte IT-Infrastruktur beeinträchtigt sowohl die klinische Qualität deutscher Krankenhäuser als auch maßgeblich die Attraktivität Deutschlands als Forschungsstandort. Aktuell ist das Verhalten der landes- und bundespolitisch Verantwortlichen – und nicht das der Ärzte – der Hemmschuh in puncto Digitalisierung.

Das Bündnis Junge Ärzte fordert deshalb die Politik auf, ihrer Investitionsverpflichtung im Gesundheitswesen nachzukommen, damit schon längst mögliche Innovationen in den klinischen Alltag Einzug halten.

Der demographische Wandel in Deutschland sowie die zunehmende Komplexität der Medizin, aber auch die zunehmend eingeschränkte fachärztliche Versorgung ländlicher Regionen erfordern den Ausbau der digitalen Infrastruktur, bringen zugleich aber auch viele Innovationen in die Versorgung. Basierend auf einer modernen IT-Infrastruktur wünschen wir uns, dass zukünftig Anwendungen und Applikationen unseren Arbeitsalltag erleichtern. Diese können die Ärzteschaft unter anderem unterstützen, die wachsenden Dokumentationsansprüche effizient zu bewältigen oder Routinearbeit sinnvoll zu stratifizieren. Es können dringliche Befunde und Entscheidungen priorisiert werden und eine verbesserte Versorgungsqualität erreicht werden. Die Integration künstlicher Intelligenz (KI) in den klinischen Alltag ist für uns wichtig – die Auswertung von großen Datenmengen kann neue wissenschaftliche Erkenntnisse generieren. Auch bietet KI-unterstützte Diagnostik als Berater des behandelnden Arztes das Potential die Patientenversorgung in Teilgebieten zu verbessern. Wir sind offen für diesen Wandel – er soll und muss allerdings durch uns Ärzte mitgestaltet werden und daher fordern wir eine frühe Einbindung der Ärzteschaft und insbesondere der jungen Ärzte in die Entwicklung von digitalen Produkten.

Gleichzeitig sehen wir auch die Kehrseiten des digitalen Wandels: Es darf nicht dazu kommen, dass vermeintlich sinnvolle Applikationen nicht dem Interesse unserer Patienten, sondern vornehmlich den Interessen Dritter (wie Investoren, Krankenkassen oder dem Staat) dienen. Eine Datenspende, z. B. zum Ausbau der Versorgungsforschung und zur Entwicklung intelligenter medizinischer Anwendungen erachten wir in geordnetem Setting für sinnvoll. Die im klinischen Alltag erhobenen Daten sollten für die Forschung nutzbar gemacht werden und es sollte ein gesetzlicher Rahmen für den Austausch unter Wahrung höchstmöglicher Datensicherheit geschaffen werden. Es muss insbesondere transparent bleiben, wann und wo von Patienten und Ärzten sensible Behandlungsdaten an Dritte weitergeben werden. Wir fordern, dass nur Anwendungen und Applikationen Einzug in die Versorgung halten, die der Versorgungssicherung bzw. der Versorgungsqualität unserer Patienten dienen. Zudem muss darauf geachtet werden, dass – beispielsweise beim Einsatz von KI – medizinische Entscheidungen nachvollziehbar und transparent bleiben, um die hohe Akzeptanz unseres Gesundheitswesens in der Bevölkerung nicht zu gefährden. Nur wenn die Ärzteschaft eine maßgebliche Rolle in der Entwicklung von digitalen medizinischen Produkten einnimmt, kann sie als Garant für die Einhaltung des Patienteninteresses eintreten, so dass medizinische Entscheidungen verantwortbar und auch justiziabel bleiben.

Um den Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte gerecht zu werden, brauchen wir die digitale Unterstützung und weitere strukturelle Veränderungen im Gesundheitswesen. Darüber hinaus fordern wir, dass digitale Kompetenzen in der Aus- und Weiterbildung von Medizinern einen größeren Stellenwert einnehmen. Nur so kann der behandelnde Arzt seiner Funktion als Lotse und Partner des Patienten auch in Hinblick auf technische bzw. digitale Innovationen gerecht werden. Bereits in der Versorgung befindliche Ärzte müssen entsprechend geschult werden, ohne dass ihnen Kosten entstehen. Der Arbeitsalltag der Ärzte muss und wird sich verändern. Der Anspruch der Patienten nach fachlich korrektem Handeln, aber auch einfühlsamer und persönlicher Aufklärung und Beratung bleibt jedoch Basis der medizinischen Behandlung. Daher stehen wir einem übermäßigen Ausbau der Telemedizin, insbesondere im Erstkontakt mit dem Patienten, weiterhin zurückhaltend gegenüber. Zielgerichteter Einsatz telemedizinischer Anwendungen allerdings, etwa die teleradiologische Versorgung peripherer Krankenhäuser, kann die Patientenversorgung aber verbessern. Hier ist eine gesetzliche Grundlage notwendig, um zu garantieren, dass entsprechende Dienstleistungen die hohen Qualitätsstandards des deutschen Gesundheitswesens erfüllen. Die digitalen Innovationen müssen weiterhin der Intimität des Arzt-Patienten-Kontakts gerecht werden und dürfen diese nicht verdrängen. Das Arzt-Patienten-Verhältnis muss auch in Zukunft das Rückgrat des deutschen Gesundheitswesens bleiben.

Berlin, den 09.12.2019