Einleitung

Lungenerkrankungen gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen und haben eine wachsende Bedeutung als Mortalitätsursache. Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind chronische respiratorische Erkrankungen, neben kardiovaskulären Erkrankungen, Krebs und Diabetes mellitus, eine der großen vier nichtübertragbaren Krankheitsentitäten (NCDs), welche weltweit für den Großteil der Todesfälle verantwortlich sind [1]. Für 2030 erwartet die WHO, dass weltweit jeder fünfte Todesfall durch respiratorische Erkrankungen verursacht wird; 2008 war es jeder sechste [2]. Angesichts ihrer auch volkswirtschaftlichen Bedeutung werden daher chronisch respiratorische Erkrankungen als zentrale gesundheitspolitische Priorität für die Europäische Region der WHO gesehen [3] und ihre Bekämpfung ist Gegenstand intensiver Anstrengungen auf nationaler und internationaler Ebene. Aus wissenschaftlicher Sicht bietet das respiratorische System darüber hinaus auch eine anatomisch-physiologisch bedingt einzigartige Gelegenheit für die Untersuchung von Gen-Umwelt-Interaktionen sowie diesbezüglichen Risikofaktoren, die von Lebensstilfaktoren bis zur Luftverschmutzung reichen.

In einer Reihe von Ländern innerhalb und außerhalb Europas greift eine landesweite Beschreibung der Atemwegsgesundheit, einschließlich Lungenfunktion und Häufigkeit von Lungenerkrankungen, auf umfangreiche, zum Teil noch laufende bevölkerungsbezogene Studien mit homogenen und standardisierten Erhebungen zurück [4,5,6,7,8]. Hierbei wurden auch innerhalb westeuropäischer Länder deutliche Unterschiede in der respiratorischen Mortalität, in der Häufigkeit von Atemwegserkrankungen und -beschwerden sowie bei den zugrunde liegenden Risikofaktoren, wie etwa Rauchverhalten, beobachtet [9, 10]. Dies deutet darauf hin, dass eine Extrapolation der Ergebnisse selbst aus Nachbarländern innerhalb Europas nicht ohne Weiteres möglich ist, vielmehr Unterschiede in Geografie, Demografie, Berufsspektrum und Gesundheitswesen zu berücksichtigen sind. Nur Ergebnisse aus länderspezifischen Bevölkerungsstichproben ermöglichen daher zielgenaue Maßnahmen zur Verbesserung der Atemwegsgesundheit auf Basis adäquater und präziser Daten.

Als beste Quelle für die Situation in Deutschland können derzeit das deutsche und das europäische Lungenweißbuch betrachtet werden, jedoch basieren die darin enthaltenen Daten zur respiratorischen Krankheitslast in erster Linie auf Interviews oder Ergebnissen aus ausgewählten geografischen Regionen [10, 11]. Eine Erhebung des respiratorischen Gesundheitszustandes auf der Grundlage bundesweit einheitlich und standardisiert durchgeführter Lungenfunktionsuntersuchungen lag in Deutschland bislang nicht vor. Dementsprechend stellten sowohl das deutsche als auch das europäische Lungenweißbuch einen substanziellen Mangel an genauen und umfassenden Daten im Hinblick auf die respiratorische Gesundheit in europäischen Ländern und in Deutschland fest und erklärten, eine standardisierte Datenerhebung sei vorrangig und dringend anzustreben [10, 11].

In Deutschland stehen große populationsbasierte Datensätze für die Allgemeinbevölkerung in Form der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS; [12]) und der Studie „Gesundheit in Deutschland Aktuell“ (GEDA) zur Verfügung [13], welche auch Lungenerkrankungen wie Asthma bronchiale und chronische Bronchitis abdecken. Allerdings sind die Informationen über den respiratorischen Status in Bezug auf Symptome, Raucheranamnese oder Behandlung einschließlich Medikation limitiert, insbesondere fehlen Lungenfunktionsmessungen. Jene Untersuchungen hingegen, die auch Lungenfunktionstests einschließen, sind bislang auf bestimmte Studienregionen beschränkt [14,15,16]. Auf der anderen Seite gibt es mehrere landesweite Studien, die eine standardisierte und avancierte Untersuchung der Lungenfunktion beinhalten. Diese sind jedoch überwiegend auf klinische Kohorten ausgewählter Patientengruppen fokussiert, die an einer bestimmten Lungenerkrankung leiden und zum Teil ein begrenztes Altersspektrum aufweisen, so etwa Studien zu chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD; COSYCONET) oder Asthma bronchiale (ALLIANCE; [17,18,19]). Diese Kohorten sind von herausragendem Wert für die eingehende Untersuchung der betreffenden Lungenerkrankung, decken hingegen vom Ansatz her wichtige Fragen der öffentlichen Gesundheit nicht ab, speziell den respiratorischen Status in der Allgemeinbevölkerung. Diesem Mangel soll die Lungenfunktionsuntersuchung in der NAKO Gesundheitsstudie abhelfen.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das Vorgehen in der NAKO bei der standardisierten Erfassung des respiratorischen Status mittels Spirometrie und Bestimmung des exhalierten Stickstoffmonoxids („fractional exhaled nitric oxide“, FeNO) darzustellen und in einer vorläufigen, orientierenden Auswertung erste Ergebnisse aus der Datenbasis zur Halbzeit der Basiserhebung zu präsentieren, nicht zuletzt zu dem Zweck, Forschungsgruppen zur künftigen produktiven Verwendung der NAKO-Daten zu ermutigen.

Material und Methoden

Im Rahmen der NAKO wurden 200.000 Teilnehmende aus verschiedenen Regionen Deutschlands in 18 Studienzentren untersucht. Insgesamt umfassten die hoch standardisierten Erhebungen ein breites Spektrum von Krankheiten und gesundheitsbezogenen Fragen, darunter neben Atemwegsgesundheit auch Allergien sowie die wichtigsten Komorbiditäten von Atemwegserkrankungen, insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes. Hinsichtlich des Umfangs der durchgeführten Erhebungen und Messungen wurden verschiedene Ebenen der Untersuchungstiefe festgelegt. Insbesondere erfolgte die Aufteilung in das Level-1-Programm, welches alle 200.000 Studienteilnehmenden umfasste, und das Level-2-Programm mit einer Teilstichprobe von 40.000 Studienteilnehmenden, die zusätzliche Untersuchungsmodule durchliefen. Die diesbezügliche Zuordnung erfolgte bereits vor Einladung der Teilnehmenden, spätere Änderungen waren bei Bedarf möglich [20].

Im Hinblick auf die Atemwegsgesundheit bilden den Kern der Erhebungen vor allem eine Spirometrie, vorgesehen bei allen Teilnehmenden (Level 1), sowie die Messung des FeNO, vorgesehen bei der Teilstichprobe von 40.000 Teilnehmenden (Level 2). Die Spirometrie liefert Messgrößen des Lungenvolumens sowie einer möglichen Atemflusseinschränkung bzw. bronchialen Obstruktion. Der FeNO-Messwert dient als klinisch gut etablierter Marker für eine Th2-getriebene Entzündung in den Atemwegen (typisch bei Erkrankungen des atopischen Formenkreises, wie etwa allergischem Asthma bronchiale oder allergischer Rhinitis).

Alle Lungenfunktionsuntersuchungen wurden nach den jeweiligen nationalen und internationalen Leitlinien durchgeführt [21,22,23,24]. Vor den Messungen wurde in einer Anamnese das Vorliegen von Kontraindikationen für die Spirometrie erfasst. Um vor dem Hintergrund diesbezüglich teils uneinheitlicher internationaler Empfehlungen [21, 24,25,26] potenzielle Risiken im vorliegenden Studiensetting, d. h. ohne medizinische Indikation zur Spirometrie, so weit als möglich zu minimieren, umfassten diese exzessiv erhöhten Blutdruck, koronare Herzerkrankung, Aorten- oder Hirnaneurysma, Hirnblutung, Pneumothorax, Bluthusten oder Tuberkulose im Jahr vor der Untersuchung, Operationen an Bauch, Brustkorb, Gehirn, Auge oder Atemwegen in den 4 Wochen vor der Untersuchung sowie eine Schwangerschaft jenseits der 16. Schwangerschaftswoche. Für die FeNO-Messung wurden keine gesonderten Kontraindikationen definiert. In Zweifelsfällen entschied der Studienarzt des jeweiligen Studienzentrums über die Durchführung der Lungenfunktionsuntersuchung bzw. wurde auf die Untersuchung verzichtet. Es erfolgte keine Anweisung zur Modifikation einer möglichen aktuellen respiratorischen Medikation. Darüber hinaus wurden Symptome, die auf eine aktuelle respiratorische Allergie hinweisen, sowie Atemwegsinfektionen innerhalb der letzten drei Wochen vor der Untersuchung erfragt.

Das Vorliegen von Atemwegserkrankungen oder -beeinträchtigungen sowie Risikofaktoren wurde zudem mithilfe von standardisierten Fragebögen und Interviews erfasst, darunter eine vom Arzt diagnostizierte chronische Bronchitis oder COPD, Asthma bronchiale, Heuschnupfen, Raucherstatus und -historie, Infektionen der oberen oder unteren Atemwege im vergangenen Jahr, Schnarchen und Schlafapnoe, berufsbedingte Exposition gegenüber Einflüssen, die die Verwendung einer Atemschutzmaske erfordern, sowie eine Reihe von Atemwegssymptomen, die auf Heuschnupfen, Asthma bronchiale oder chronische Bronchitis hindeuten.

Für die Spirometrie wurden Easy-on-PC-Geräte mit ultraschallbasierter Messtechnik (ndd Medizintechnik AG, Schweiz) verwendet. Die Untersuchung wurde aufrecht sitzend mit Nasenklammer und unter beherzter Motivation durch die Untersuchenden durchgeführt, um eine leitliniengerechte Spirometrie innerhalb von 5 forcierten Exspirationsmanövern zu erzielen. Für jede Spirometrie wurden mehr als 50 Ergebnisparameter aus den aufgezeichneten Flussvolumenkurven automatisch erfasst und mittels eines optimierten Exportprotokolls an das Datenintegrationszentrum der NAKO übertragen. Darüber hinaus wurden für jedes durchgeführte spirometrische Manöver jeweils die vollständigen Rohdaten der Volumen- und Atemflusszeitkurven aufgezeichnet und an das Datenintegrationszentrum übertragen.

Für die FeNO-Messung wurden NIOX-Vero-Geräte auf Basis elektrochemischer Messtechnik verwendet (Circassia AG, Schweden). Die Messung erfolgte aufrecht sitzend ohne Nasenklammer unter Anweisung durch die Untersuchenden, um eine leitliniengerechte Exspiration innerhalb von drei Ausatemmanövern zu erzielen; dabei wurde ein Messergebnis pro Person aufgezeichnet. Die für ein korrektes und auswertbares Manöver erforderliche gleichmäßige Exspiration über 10 s bei einer mittleren Ausatemflussrate von 50 mL/s wurde vom Messgerät auf Basis der Strömungsdaten sichergestellt, welche während des Manövers online ausgewertet und dem Studienteilnehmenden wie auch dem anleitenden Untersuchenden grafisch unmittelbar rückgemeldet wurden. Im Anschluss wurden die Ergebnisdaten über ein eigens angepasstes Exportprotokoll an das Datenintegrationszentrum der NAKO übertragen.

Um einen gleichbleibend hohen Standard der Lungenfunktionsuntersuchungen zu gewährleisten, wurden umfassende und standardisierte Arbeitsanweisungen für die Lungenfunktionsmessungen und deren Voraussetzungen entwickelt. Alle Lungenfunktionsuntersuchenden innerhalb der NAKO wurden zunächst in ihren jeweiligen Studienzentren in die Grundlagen der Untersuchungsdurchführung eingewiesen und eingelernt. Zur Unterstützung wurden sowohl für die Spirometrie wie auch für die FeNO-Messung eigens Schulungsvideos produziert. Daraufhin wurden die Untersuchenden zentral geschult und zertifiziert sowie regelmäßig rezertifiziert. Zu diesem Zweck wurden regelmäßig Trainingsworkshops an verschiedenen Standorten der NAKO Gesundheitsstudie in Abhängigkeit vom jeweiligen regionalen Ausbildungsbedarf organisiert. Im Untersuchungszeitraum erfolgten darüber hinaus Zwischenauswertungen der Untersuchungsqualität der Lungenfunktionsmessungen, deren Ergebnisse den NAKO-Studienzentren untersucherspezifisch zurückgemeldet wurden, um eine gezielte Optimierung zu ermöglichen. Die Konstanz der apparativen Messbedingungen für die Lungenfunktion wurde darüber hinaus für die FeNO-Messung mittels biologischer Kontrollen, d. h. regelmäßiger Selbstmessungen der Untersuchenden des jeweiligen Studienzentrums sichergestellt. Für die Spirometrie erfolgten regelmäßige Kalibrationsprüfungen mittels einer 3‑L-Kalibrationspumpe. Bei Auftreten von zu starken Messwertabweichungen erfolgte eine Gerätewartung durch den jeweiligen Hersteller bzw. ggf. ein Geräteaustausch. Das Vorgehen zur Qualitätssicherung während der Feldphase (2014–2019) ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Qualitätssicherung der Lungenfunktionsuntersuchung während der Feldphase. SOP Standard Operating Procedure, STN Studienteilnehmende, SZ Studienzentrum

Trotz dieses aufwendigen und umfassenden Qualitätssicherungskonzeptes ist auch nach Abschluss der Messungen eine datenbasierte Qualitätskontrolle unerlässlich. Die Spirometrie stellt die Qualitätskontrolle vor besondere Herausforderungen, da eine adäquate Mitarbeit der Teilnehmenden während der forcierten Exspirationsmanöver für ein valides Ergebnis essenziell ist. Während der Goldstandard für diese Aufgabe eine visuelle Inspektion sämtlicher gewonnener spirometrischer Manöver wäre, ist dieser Ansatz aufgrund der Größe des Datensatzes (im Finaldatensatz sind insgesamt ca. 1.000.000 spirometrische Atemmanöver zu erwarten) nicht realistisch umsetzbar.

Es wurde daher ein stufenweises Vorgehen zur Offlinequalitätskontrolle der spirometrischen Manöver etabliert (Abb. 2a). Im ersten Schritt erfolgte eine Berechnung der qualitätsrelevanten Kennwerte aus den Fluss-Volumen-Kurven sowie eine vorläufige Qualitätsbewertung bereits in den NAKO-Studienzentren durch den automatischen Algorithmus, der vom Hersteller in die Messsoftware integriert ist. Im zweiten Schritt wurden die gewonnenen Rohkurven aller spirometrischen Manöver einer vertieften computergestützten halbautomatischen Qualitätskontrolle unterzogen. Zu diesem Zweck wurde eigens eine Auswertesoftware entwickelt, welche jedes Einzelmanöver als entweder akzeptabel, nicht-akzeptabel oder als visuell zu kontrollieren einstuft (Abb. 2b). Die Manöverbewertung stützt sich dabei auf die vorliegenden Parameter rückextrapoliertes Volumen (BEV), Zeit bis zum Erreichen des Spitzenflusses (PEFT), Gesamtdauer der forcierten Exspiration (FET) und endexspiratorische Volumenänderung (EOTV). Ohne visuelle Kontrolle verworfen werden Manöver mit PEFT >0,2 sec, Manöver mit BEV zugleich >0,15 L und >5 % der forcierten Vitalkapazität (FVC), Manöver mit EOTV >0,1 L bei einer FET von ≤6 sec und PEFT >0,12 sec und Manöver mit FET ≤2 sec, es sei denn, EOTV ist in diesem Falle ≤0,04 L und PEFT ≤0,12 sec. Als akzeptabel gewertet werden Manöver mit BEV <0,15 L oder <5 % der FVC, PEFT ≤0,12 sec und EOTV ≤0,04 L bei einer FET >2 sec. Für die nach diesem Schritt verbleibenden Manöver wird geprüft, ob in der betrachteten Spirometrie bereits akzeptable Manöver vorliegen, die in dem forcierten exspiratorischen Volumen der ersten Sekunde (FEV1) und in FVC höhere Werte erbracht haben. Sollte dies zutreffen, so werden die zu prüfenden Manöver ebenfalls verworfen, ansonsten werden sie der visuellen Kontrolle zugeführt.

Abb. 2
figure 2

a Vorgehen bei der Qualitätskontrolle der spirometrischen Messdaten. Mittels der entwickelten Auswertesoftware wurden alle gewonnenen Einzelmanöver zunächst basierend auf den Kennwerten BEV, PEFT, FET und EOTV den Kategorien „eindeutig akzeptabel“, „eindeutig nicht-akzeptabel“ und „Spirometriequalität unklar“ zugeordnet. Atemmanöver unklarer Qualität wurden daraufhin der visuellen Kontrolle zugeführt. b Screenshot der entwickelten Auswertesoftware. Im oberen Teil werden anthropometrische Daten der Studienteilnehmenden, individuelle spirometrische Sollwerte sowie testbezogene Daten angegeben. Darunter werden auf Basis der Rohkurvendaten die Fluss-Volumen- und Volumen-Zeit-Kurven sämtlicher gewonnener Atemmanöver in verschiedenen Farben dargestellt. Im unteren Teil sind qualitätsrelevante Kennwerte sowie wichtige spirometrische Indizes für alle Einzelmanöver in tabellarischer Form aufgeführt. Die Bewertung der Einzelmanöver erfolgt in dieser Tabelle über eine manöverspezifische Schaltfläche. BEV rückextrapoliertes Volumen, EOTV endexspiratorische Volumenänderung, FET Gesamtdauer der forcierten Exspiration, PEFT Zeit bis zum Erreichen des Spitzenflusses

Abschließend erfolgte eine Einteilung der Spirometrien in die Qualitätskategorien A bis F [27], wobei die Kategorien A und B die Reproduzierbarkeit von FEV1 und FVC aus mindestens zwei akzeptablen Manövern innerhalb von ≤100 mL (Kategorie A) und ≤150 mL (Kategorie B) anzeigen. Kategorie C zeigt eine Reproduzierbarkeit von ≤200 mL aus mindestens zwei akzeptablen Manövern an und Kategorie D mindestens ein akzeptables Manöver, das jedoch nicht innerhalb von ≤200 mL reproduzierbar war. In Kategorie F liegt kein akzeptables Manöver vor.

Für die FeNO-Messung wurden die gewonnenen Daten auf Plausibilität und Vollständigkeit geprüft, vereinzelt auftretende Werte <0 ppb wurden auf 0 ppb gesetzt. Darüber hinaus wurden die Fragebogendaten zu chronischen und akuten Atemwegssymptomen, diagnostizierten Atemwegserkrankungen und respiratorischer Allergie auf Plausibilität und Vollständigkeit überprüft und auftretende Inkonsistenzen in der Datenbank korrigiert.

Für diese Arbeit wurden die vorliegenden Daten der Spirometrie und FeNO-Messung deskriptiv ausgewertet. Die FeNO-Ergebnisse wurden dabei einerseits nach Raucherstatus (aktiv Rauchende Ja/Nein), andererseits innerhalb der Nichtrauchenden (Nie- und Ex-Rauchende) nach Vorliegen einer respiratorischen Allergie (hier definiert als Vorliegen von Asthma, Heuschnupfen oder Symptomen einer allergischen Rhinitis) stratifiziert beschrieben. Die spirometrischen Ergebnisse für FEV1, FVC und den Quotienten FEV1/FVC (klassisch Tiffeneau-Wert genannt) von Teilnehmenden mit mindestens einem gültigen Spirometriemanöver wurden unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Körpergröße und Ethnizität auf die aktuellen Referenzwerte der Global Lung Function Initiative bezogen [28] und Ergebnisse der auf diese Weise gewonnenen Z‑Scores einerseits nach verwendeten Geräten und Studienzentren aufgeschlüsselt, andererseits nach 5‑Jahres-Altersgruppen sowie Raucherstatus (aktiv Rauchende, Ex-Rauchende, Nie-Rauchende). Die Auswertungen erfolgten mit der Software SAS 9.4 (SAS Institute, Cary, NC, USA) und Statgraphics Centurion XVII (Statpoint Technologies Inc., Warrenton, VA, USA).

Ergebnisse

Die für die vorliegende Arbeit verwendete Datenbasis zur Halbzeit der NAKO-Basiserhebung umfasste 101.734 Studienteilnehmende im Alter zwischen 20 und 75 Jahren (der Anteil der Teilnehmenden ≥70 Jahre war dabei 2,9 %).

Spirometrische Messwerte des Level-1-Programms lagen von 86.893 Studienteilnehmenden (54,2 % Frauen) vor. Die Auswertung sämtlicher Atemmanöver mittels der eigens entwickelten Software erbrachte für 57.514 Spirometrien eine automatische Qualitätsbewertung, bei 29.379 Spirometrien erfolgte eine visuelle Beurteilung. Die Ergebnisse der Qualitätsbewertung über die einzelnen Studienzentren (SZ) der NAKO hinweg sind in Abb. 3 dargestellt. Dabei zeigte sich ein Gesamtanteil von 96,0 % der Spirometrien mit mindestens einem gültigen Manöver (93,4–97,7 % über die Studienzentren hinweg) und 70,4 % der Spirometrien in den Kategorien A oder B (57,0–78,5 % über die Studienzentren hinweg).

Abb. 3
figure 3

Qualitätsgrade der Spirometrien aufgeschlüsselt nach NAKO-Studienzentren sowie über die gesamte Datenbasis zur Halbzeit der Basiserhebung. Dargestellt sind die prozentualen Anteile der fünf Qualitätskategorien A bis F an den im jeweiligen Studienzentrum bzw. im Gesamtdatensatz vorliegenden Spirometrien. A: mindestens zwei akzeptable Manöver mit einer Reproduzierbarkeit von FEV1 und FVC innerhalb von ≤100 mL, B: mindestens zwei akzeptable Manöver mit einer Reproduzierbarkeit von FEV1 und FVC innerhalb von ≤150 mL, C: mindestens zwei akzeptable Manöver mit einer Reproduzierbarkeit von FEV1 und FVC innerhalb von ≤200 mL, D: mindestens ein akzeptables Manöver, das jedoch nicht für FEV1 und FVC innerhalb von ≤200 mL reproduzierbar war, F: kein akzeptables Manöver

In einer Auswertung über alle Studienzentren hinweg zeigten sich in FEV1, FVC und FEV1/FVC mittlere Ergebniswerte (±Standardabweichung) für den FEV1-Z-Score von −0,321 ± 1,047 (Frauen: −0,276 ± 1,040, Männer: −0,375 ± 1,054), für den FVC-Z-Score von −0,153 ± 0,941 (Frauen: −0,089 ± 0,937, Männer: −0,229 ± 0,939) und für den FEV1/FVC-Z-Score von −0,337 ± 0,901 (Frauen: −0,380 ± 0,855, Männer: −0,287 ± 0,950), in einer Auswertung nach Messgeräten fanden sich daneben keine klinisch bedeutsamen Abweichungen zwischen den Geräten (Abb. 4). In der nach Raucherstatus und Altersgruppen stratifizierten Auswertung zeigte sich erwartungsgemäß eine über den betrachteten Altersbereich hinweg deutlichere Reduktion von FEV1/FVC bei aktiv Rauchenden gegenüber Ex-Rauchenden sowie bei Ex-Rauchenden gegenüber Nie-Rauchenden. Interpretiert man versuchsweise den Quotienten FEV1/FVC als Maß für das „spirometrische Alter“ der Lunge [29], so ergibt sich daraus bei aktiv Rauchenden eine „spirometrische Altersdifferenz“ von etwa 5 Jahren gegenüber Nie-Rauchenden im Lebensalter von 25–29 Jahren und eine Differenz von etwa 20 Jahren im Lebensalter von 45–49 Jahren (Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Ergebnisse für a FEV1, b FVC und c FEV1/FVC (als Z‑Scores gemäß den Sollwerten der Global Lung Function Initiative) aufgeschlüsselt nach Messgeräten (Einzelbalken) und Studienzentren (Farben wechselnd zwischen dunkelblau und hellblau). Boxplots mit Median, 25. und 75. Perzentile (Whisker zeigen 5. und 95. Perzentile). FEV1 forciertes exspiratorisches Volumen der ersten Sekunde, FVC forcierte Vitalkapazität, FEV1/FVC Tiffeneau-Index

Abb. 5
figure 5

Ergebnisse für FEV1/FVC nach Raucherstatus über den betrachteten Altersbereich von 20–75 Jahren. Rot Rauchende, gelb Ex-Rauchende, grün Nie-Rauchende. Boxplots mit Median, 25. und 75. Perzentile (Whisker zeigen 5. und 95. Perzentile). FEV1/FVC Tiffeneau-Index. Erläuterungen siehe Text

FeNO-Messergebnisse des Level-2-Programms lagen für 15.228 Teilnehmende (46,5 % Frauen) vor. Sie zeigten die für diesen Messparameter erwartete Lognormalverteilung mit einem Mittel von 14,2 ÷ 2,0 ppb (Frauen: 12,5 ÷ 2,0 ppb, Männer: 15,8 ÷ 2,0 ppb; geometrischer Mittelwert ÷ geometrische Standardabweichung, das Symbol „÷“ zeigt an, dass letztere als Faktor zu interpretieren ist). Dabei zeigten aktiv Rauchende mit 9,2 ÷ 2,1 ppb (Frauen: 8,6 ÷ 2,1 ppb, Männer: 9,7 ÷ 2,1 ppb) niedrigere Werte als Nichtrauchende mit 15,8 ÷ 1,9 ppb (Frauen: 13,7 ÷ 1,9 ppb, Männer: 18,1 ÷ 1,8 ppb). Innerhalb der Nichtrauchenden lag FeNO bei Personen mit berichteter respiratorischer Allergie bei 17,1 ÷ 2,0 ppb (Frauen: 14,8 ÷ 2,0 ppb, Männer: 19,5 ÷ 1,9 ppb) gegenüber Personen ohne respiratorische Allergie mit einem FeNO von 14,7 ÷ 1,8 ppb (Frauen: 12,7 ÷ 1,8 ppb, Männer: 16,8 ÷ 1,8 ppb; Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Häufigkeitsverteilungen für FeNO in Abhängigkeit vom Raucherstatus und Vorliegen einer respiratorischen Allergie (innerhalb der Nie- und Ex-Rauchenden, n = 11.909). Rot geometrische Mittelwerte. FeNO Anteil von Stickstoffmonoxid in der Ausatemluft, ppb „parts per billion“

Diskussion

Die Lungenfunktionsmessungen im Rahmen der NAKO Gesundheitsstudie bieten eine einzigartige Möglichkeit, in großem Maßstab Atemwegsbeschwerden und Lungenerkrankungen auf Basis standardisierter, qualitativ hochwertiger funktioneller Daten zu untersuchen, und ermöglichen Analysen von Determinanten des respiratorischen Funktionsstatus auf bundesweiter Ebene. Das breite Untersuchungsspektrum im Rahmen der NAKO bietet darüber hinaus die Möglichkeit, den Zusammenhang von Atemwegserkrankungen und Begleitkrankheiten jenseits der Atemwege zu untersuchen.

Da die NAKO auf der Allgemeinbevölkerung basiert, schließt sie die wichtige Personengruppe mit diskreten, jedoch noch nicht klinisch manifesten funktionellen respiratorischen Beeinträchtigungen ein, die in klinischen Kohorten aufgrund der jeweiligen Einschlusskriterien nicht oder nicht in hinreichendem Maße berücksichtigt ist. Die Identifikation dieser Personen und ihrer möglichen Charakteristika ist von großer Bedeutung als Adressaten für gezielte Präventionsmaßnahmen, um nach Möglichkeit ein Fortschreiten respiratorischer Beeinträchtigung zu manifesten Lungenerkrankungen zu verhindern, für die bislang kaum im eigentlichen Sinne kurative therapeutische Ansätze zur Verfügung stehen.

Hauptergebnisse und Vergleich mit anderen Studien

Die Spirometrien in der betrachteten Datenbasis zur Halbzeit der NAKO-Basiserhebung sind sowohl insgesamt als auch in den einzelnen Studienzentren von erfreulich hoher Qualität. Der beobachtete Anteil von >70 % der Spirometrien in den Qualitätskategorien A und B, in welchen sich die Reproduzierbarkeitsanforderungen der ATS/ERS-Spirometrie-Leitlinien abbilden [24], sowie von >95 % der Spirometrien mit auswertbaren Ergebniskurven ist vergleichbar mit Beobachtungen anderer großer Erhebungen [30,31,32], wenngleich naturgemäß etwas niedriger als in spezifischen Studien zu Lungengesundheit oder -erkrankungen [33, 34]. Insbesondere der geringe Anteil von lediglich 4,0 % der Spirometrien ohne ein mit hinreichender Verlässlichkeit auswertbares Exspirationsmanöver führt zu einem erfreulich umfassenden Datensatz. Angesichts des erheblichen Datenumfangs der NAKO Gesundheitsstudie ermöglicht dabei die zur halbautomatischen Qualitätsbewertung entwickelte Auswertesoftware eine Fokussierung der visuellen Rohkurvenbeurteilung auf jene Spirometrien, deren Qualität auf Basis der primären manöverspezifischen Qualitätsindikatoren nicht hinreichend verlässlich zu bewerten ist. Damit ist zwar dennoch für rund ein Drittel der gewonnenen Spirometrien (33,8 %) eine visuelle Kontrolle erforderlich, es zeigte sich jedoch in dieser ersten Anwendung des Vorgehens, dass der daraus resultierende, wenn auch erhebliche Aufwand der Offlinequalitätskontrolle im Studiensetting einer so großen Gesundheitsstudie realistisch umsetzbar ist. Ob möglicherweise durch die Weiterentwicklung des Algorithmus, etwa durch eine Verringerung der Toleranzbereiche für die qualitätsrelevanten Kennwerte oder den Einschluss neuer Kennwerte, eine Effizienzsteigerung ohne einen als relevant zu betrachtenden Qualitätsverlust zu erzielen ist, wird bei Vorliegen des Gesamtdatensatzes der Baselineerhebung in weitergehenden Analysen eruiert werden können.

Die beobachteten Ergebnisse sowohl für spirometrische Volumina und Tiffeneau-Index als auch für FeNO liegen hinsichtlich Mittelwert und Verteilungen im erwarteten Bereich. Die gegenüber den GLI-Referenzwerten [28] im Mittel leicht negativen Werte für FEV1-Z-Score, FVC-Z-Score und FEV1/FVC-Z-Score erklären sich dabei aus der Tatsache, dass in die vorliegende Analyse auch aktiv Rauchende und Ex-Rauchende sowie Patienten mit Lungenerkrankungen eingeschlossen wurden. Die jeweils nahe dem Wert 1,0 liegenden Ergebnisse für die Standardabweichung der Z‑Scores in allen drei Parametern weisen zudem darauf hin, dass auch diese Verteilungseigenschaft mit der GLI-Referenz gut in Einklang steht. Im Hinblick auf das bei aktiv Rauchenden beobachtete höhere „spirometrische Alter“ gegenüber Ex- und Nie-Rauchenden ist zu beachten, dass sich daraus nicht unmittelbar auf eine in vergleichbarer Weise als vorzeitig gealtert imponierende Einschränkung in anderen Funktionseinheiten des respiratorischen Systems rückschließen lässt [29]. Dies wäre in weiteren Analysen, etwa unter Berücksichtigung struktureller Charakteristika aus der Bildgebung, zu eruieren.

Im Hinblick auf FeNO stehen die hier ermittelten Effekte aktiven Rauchens sowie einer vorliegenden respiratorischen Allergie auf das Messergebnis in guter Übereinstimmung mit den Daten aus vorliegenden Untersuchungen [35,36,37]. Dabei lag der Effekt des Rauchens mit −43 % eher im oberen Bereich des berichteten Spektrums, der Effekt einer respiratorischen Allergie mit +16 % hingegen eher im unteren. Diese Beobachtungen sind allerdings in weitergehenden Analysen zu substanziieren, in welchen weitere wichtige Einflussfaktoren, wie etwa saisonale Allergie, Medikation und Rauchintensität, in angemessener Weise berücksichtigt werden können [35]. In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse der FeNO-Messungen insbesondere zur Identifikation von Teilnehmenden mit einer beginnenden oder diskreten, noch klinisch inapparenten respiratorischen Allergie von Interesse. Darüber hinaus kann FeNO die Identifizierung von Teilnehmenden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Asthma bronchiale auch ohne entsprechende ärztliche Diagnose ermöglichen [38] oder von Personen, die unabhängig von ihrer primären respiratorischen Diagnose (Asthma, COPD oder kombinierte Merkmale beider Krankheitsbilder) von spezifischen Therapiemöglichkeiten, wie etwa inhalativen Kortikosteroiden, profitieren könnten.

Forschungsperspektiven

Perspektivisch ermöglichen die vorliegenden vollständigen spirometrischen Rohdaten von Fluss und Volumen jedes einzelnen forcierten Exspirationsmanövers auch die Identifizierung neuer Parameter, die aus spirometrischen Fluss-Volumen-Kurven abgeleitet werden können, entweder für den Einsatz in der Weiterentwicklung der hier beschriebenen halbautomatischen Qualitätskontrolle oder bei der klinischen Interpretation der Manöver.

Ein im Rahmen der NAKO-Untersuchungen in einer weiteren Teilstichprobe von 30.000 Teilnehmenden zusätzlich durchgeführter MRT-Ganzkörperscan, auch wenn er nicht spezifisch auf die Erfassung der Lunge zielt, kann darüber hinaus die Möglichkeit eröffnen, den Zusammenhang zwischen strukturellen und funktionellen Veränderungen der kardiorespiratorischen Einheit und Einflüssen von Umwelt- und Lebensstilfaktoren zu untersuchen.

Daneben erlaubt der Datensatz der NAKO auch die Untersuchung möglicher Unterschiede in der Lungenfunktion zwischen verschiedenen geografischen Regionen oder in Hinblick auf den Urbanisierungsgrad. Dies schließt die Beurteilung der geschätzten Gesundheitskosten im Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen und der jeweiligen Inanspruchnahme des Gesundheitssystems ein. Es konnte bereits in eigenen früheren Arbeiten gezeigt werden, dass insbesondere COPD mit erheblichen Gesundheitskosten verbunden ist [39] und dass auch bei Patienten mit diskreten Lungenfunktionseinschränkungen, die häufig noch nicht ärztlich diagnostiziert sind, eine geringere gesundheitsbezogene Lebensqualität vorliegt [40]. Angesichts einer vorläufigen mittleren Responsequote von rund 18 % in der NAKO ist bei der bundesweiten Beschreibung des erhobenen respiratorischen Status prinzipiell ein möglicher Selektionsbias durch Nichtteilnahme in Betracht zu ziehen, für die Variablen Alter und Geschlecht wurde allerdings bereits stratifiziert rekrutiert. Am Ende der Baselineerhebung werden zudem zusätzliche Informationen bezüglich der Non-Responder berücksichtigt werden können. Im Hinblick auf die Anlage der NAKO als Langzeitstudie liegt der Schwerpunkt der Betrachtung darüber hinaus grundsätzlich vorwiegend auf der internen Validität [20]. Von besonderer Bedeutung sind vor diesem Hintergrund auch die bereits begonnenen Follow-up-Untersuchungen der Lungenfunktion in der NAKO, auf deren Basis Personen mit einer beschleunigten Abnahme in respiratorischen Messgrößen auch oberhalb der diagnostischen Grenzwerte einer Funktionseinschränkung identifiziert werden können.

Schlussfolgerung

Sobald die Lungenfunktionsdaten der Baselineerhebung der NAKO vollständig vorliegen, können diese nicht nur als Basis für eine Vielzahl von Forschungsfragen im Hinblick auf die Quantifizierung der Zusammenhänge etwa von Umwelteinflüssen und Atemwegsgesundheit dienen, sondern auch als Grundlage einer evidenzbasierten Orientierung für nationale wie regionale Entscheidungen hinsichtlich der Prävention und medizinischen Versorgung respiratorischer Erkrankungen in Deutschland.