Zusammenfassung
Angebot und Ausbau der ambulanten medizinischen Rehabilitation in Deutschland stellen mittlerweile einen substanziellen Baustein in der rehabilitativen Versorgung dar. In Anbetracht des demografischen Wandels und der Zunahme chronischer Erkrankungen können ambulante Einrichtungen aufgrund ihrer Flexibilität Versorgungslücken schließen und Versicherte erreichen, für die eine stationäre Rehabilitation wenig attraktiv ist beziehungsweise aus anderen Gründen nicht infrage kommt. Durch die Verankerung der medizinischen Rehabilitation im SGB V und SGB VI sowie die Einführung des SGB IX mit dem Rehabilitationsgrundsatz „ambulant vor stationär“ wurde die ambulante Rehabilitation sozialrechtlich etabliert. Heute bedeutet ambulant ein der stationären Rehabilitation anerkanntes gleichgestelltes Setting, das statt einer, zur Verkürzung oder im Anschluss an eine stationäre Rehabilitation in Betracht kommt. Im Jahr 2008 machten ambulante Leistungen einen Anteil von 11% aller Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation aus. Der vorliegende Beitrag stellt, ausgehend von einer historischen Entwicklung, die konzeptionellen Entwicklungen einschließlich der Rahmenempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) dar. Die Ergebnisse der wichtigsten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirksamkeit der ambulanten gegenüber der stationären Rehabilitation werden berichtet. Aufbauend darauf werden Perspektiven für eine potenzielle Weiterentwicklung der ambulanten Rehabilitation in Deutschland entwickelt.
Abstract
The offer and development of outpatient medical rehabilitation in Germany represents a substantial component of rehabilitative care. In consideration of demographic change and the increase of chronic illnesses, outpatient rehabilitation facilities, on account of their flexibility, can close care gaps for those who find stationary rehabilitation less attractive or not possible for other reasons. With the implementation of the “Sozialgesetzbuch” (SGB) V and SGB VI as well as the introduction of the SGB IX regarding the rehabilitation principle “outpatient before inpatient,” outpatient rehabilitation was social juridically established. Today outpatient rehabilitation means an equal setting, which can substitute inpatient rehabilitation, thus, shortening inpatient rehabilitation or it can follow inpatient rehabilitation. In 2008, outpatient services constituted 11% of all rehabilitation services. Illnesses of the muscle system, skeletal system, and connective tissue system, which are the most frequent rehabilitation indications in Germany, are treated in an outpatient setting in 17% of cases. The outpatient rehabilitation process is characterized by the close proximity to a patient’s residence and job, flexibility, and individual participation. These characteristics enable the implementation of innovative possibilities, e.g., stepwise occupational reintegration into the rehabilitation process in order to optimize rehabilitation outcome.
Notes
Diese Entwicklung muss unbedingt vor dem Hintergrund einer aufgrund der Modellversuche zügig umgesetzten Versorgung mit ambulanten Rehabilitationsleistungen gesehen werden. Sie bedeutet nicht per se, dass eine solch exponentielle Weiterentwicklung auch zukünftig zu erwarten ist.
Die Daten beziehen sich auf die ambulanten Rehabilitationsleistungen der Deutschen Rentenversicherung für die Jahre 2000 bis 2006.
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Morfeld, M., Strahl, A. & Koch, U. Ambulante Rehabilitation in Deutschland. Bundesgesundheitsbl. 54, 420–428 (2011). https://doi.org/10.1007/s00103-011-1247-8
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