Zusammenfassung
Selbst geringgradige neuromuskuläre Restblockaden, entsprechend einer „train of four (TOF) ratio“ >0,6, können klinisch relevante Konsequenzen für den Patienten nach sich ziehen. Insbesondere der obere Atemweg und der Pharynx können in ihrer Funktionsweise noch nachhaltig beeinträchtigt sein. Unvollständige neuromuskuläre Erholung kann so zu erhöhter postoperativer Morbidität und Mortalität beitragen. Auch mehr als 90 min nach einer einzigen Intubationsdosis eines mittellang wirksamen Muskelrelaxans wie z. B. Rocuronium oder Atracurium, ist mit unvollständiger neuromuskulärer Erholung zu rechnen. Durch neuromuskuläres Monitoring und Antagonisierung lassen sich postoperative Restblockaden hingegen zuverlässig vermeiden.
Abstract
Even small degrees of residual neuromuscular blockade, i. e. a train-of-four (TOF) ratio >0.6, may lead to clinically relevant consequences for the patient. Especially upper airway integrity and the ability to swallow may still be markedly impaired. Moreover, increasing evidence suggests that residual neuromuscular blockade may affect postoperative outcome of patients. The incidence of these small degrees of residual blockade is relatively high and may persist for more than 90 min after a single intubating dose of an intermediately acting neuromuscular blocking agent, such as rocuronium and atracurium. Both neuromuscular monitoring and pharmacological reversal are key elements for the prevention of postoperative residual blockade.
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27 July 2017
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Interessenkonflikt
T. Fuchs-Buder hat Vortragshonorare von MSD erhalten. D. Schmartz gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Ein Erratum zu diesem Beitrag ist unter https://doi.org/10.1007/s00101-017-0345-x zu finden.
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Ab welcher TOF-Ratio kann man von ausreichender neuromuskulärer Erholung ausgehen, um einen Patienten sicher extubieren zu können?
>0,6
>0,7
>0,8
>0,9
>1,1
Was ist für den Depolarisationsblock nach Succinylcholin charakteristisch?
Er kann mit dem TOF gemessen werden.
Er kann mit dem DBS gemessen werden.
Er kann nur durch einen Vergleich der tatsächlichen Höhe der Reizantwort mit dem Ausgangswert vor Succinylcholingabe beurteilt werden.
Er kann mit Sugammadex antagonisiert werden.
Er ist durch ein ausgeprägtes Ermüdungsphänomen nach wiederholter Stimulation gekennzeichnet.
Was versteht man unter neuromuskulärer Sicherheitsreserve?
Der Patient muss intubiert werden, wenn er ein Muskelrelaxans erhalten hat.
Der Patient darf nicht extubiert werden, wenn er noch eine Restblockade aufweist.
Der Patient muss so lange im Aufwachraum bleiben, bis keine Restblockade mehr nachweisbar ist.
Es müssen mindestens 75 % der Rezeptoren an der Endplatte frei von Muskelrelaxans sein, damit keine messbaren Effekte mehr vorliegen.
Es müssen mindestens 75 % der Rezeptoren an der Endplatte mit Relaxans besetzt sein, bevor messbare Effekte feststellbar sind.
Wie ist die Empfindlichkeit verschiedener Muskelgruppen gegenüber Muskelrelaxanzien ausgeprägt?
Der M. adductor pollicis ist empfindlicher als die Pharynxmuskeln.
Der M. adductor pollicis ist empfindlicher als der M. genioglossus.
Der M. adductor pollicis ist sensibler als das Diaphragma.
Das Diaphragma ist sensibler als die Pharynxmuskeln.
Der M. adductor pollicis ist empfindlicher als der M. masseter.
Welche klinischen Konsequenzen entstehen durch Restblockaden?
Die hypoxische Atemantwort ist bei einer TOF-Ratio von 0,5 nicht eingeschränkt.
Das Tidalvolumen ist bei einer TOF-Ratio von 0,6 typischerweise eingeschränkt.
Ab einer TOF-Ratio von 0,7 kommt es nicht mehr zu Schluckstörungen.
Ab einer TOF-Ratio von 0,8 kommt es nicht mehr zu einer inspiratorischen Obstruktion des oberen Atemwegs.
Restblockaden erhöhen die postoperative Mortalität und Morbidität.
Wann muss mit Restblockaden gerechnet werden?
Auch 2 h nach einer einzigen Intubationsdosis eines mittellang wirksamen Muskelrelaxans muss noch mit Restblockaden gerechnet werden.
Die Inzidenz von Restblockaden nimmt mit zunehmendem Patientenalter ab.
Nach Gabe von Cisatracurium kommt es häufiger zu Restblockaden als nach Pancuronium.
Die Häufigkeit von Restblockaden nimmt mit zunehmender Dauer des operativen Eingriffs zu.
Restblockaden treten gehäuft bei Anwendung einer totalen intravenösen Anästhesie (TIVA) auf.
Welche Aussagekraft kann den unterschiedlichen Nervenstimulatoren zugeordnet werden?
Quantitative Nervenstimulatoren können geringgradige Restblockaden nicht zuverlässig erfassen.
Durch taktiles oder visuelles Beurteilen des DBS lassen sich Restblockaden bis zu einer TOF-Ratio von 0,9 zuverlässig erfassen.
„Einfache“ Nervenstimulatoren liefern vergleichbare Ergebnisse wie sog. quantitative Nervenstimulatoren.
Bei taktiler oder visueller Beurteilung werden ab einer TOF-Ratio von 0,5 alle 4 TOF-Antworten als gleich intensiv empfunden.
Bei taktiler Beurteilung der neuromuskulären Erholung kann die Indikation zur Antagonisierung restriktiv gestellt werden.
Was muss bei der Antagonisierung von Restblockaden mithilfe von Neostigmin berücksichtigt werden?
Neostigmin soll erst gegeben werden, wenn mindestens 3 bis 4 Reizantworten des TOF vorliegen.
Auch tiefe neuromuskuläre Blockaden können mit Neostigmin antagonisiert werden.
Neostigmin wirkt typischerweise binnen 5 min.
Es bedarf keiner kombinierten Gabe mit einem Parasympatholytikum.
Neostigmin steigert den Abbau von Acetylcholin.
Was muss bei Antagonisierung von Restblockaden mithilfe von Sugammadex berücksichtigt werden?
Sugammadex kann Restblockaden nach Gabe von Atracurium antagonisieren.
Die Gabe sollte mit einem Parasympatholytikum kombiniert werden.
Es ist ein gewisses Mindestmaß an Spontanerholung notwendig.
Die Antagonisierung ist häufig nicht zuverlässig.
Die Bindung an das Relaxans erfolgt direkt im Plasma.
Häufig spricht man im Alltag von der klinischen Wirkdauer von Muskelrelaxanzien. Wie ist diese definiert?
Zeitraum bis zur Erholung der Muskelkraft auf 95 % des Ausgangswerts
Zeitraum, in dem eine ausreichende chirurgische Blockade vorliegt
Zeitraum, in dem die TOF-Ratio <0,9 beträgt
Die klinische Wirkdauer entspricht der Gesamtwirkdauer
Die klinische Wirkdauer entspricht der DUR95
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Fuchs-Buder, T., Schmartz, D. Neuromuskuläre Restblockade. Anaesthesist 66, 465–476 (2017). https://doi.org/10.1007/s00101-017-0325-1
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00101-017-0325-1