Demographischer Wandel und medizinischer Fortschritt bedingen einen stetig, medizinische Großschadenslagen im Sinne einer Pandemie bzw. eines Massenanfalls von Verletzten oder Erkrankten (MANV/E) einen akut steigenden Bedarf an notfall- und intensivmedizinischen Gesundheitsleistungen. Dem gegenüber steht die begrenzte Verfügbarkeit von personellen und finanziellen Mitteln, die zur Deckung dieses Bedarfs jeweils notwendig sind. Neben (gesundheits)politischen Verteilungsentscheidungen bedarf es zum Umgang mit knappen Ressourcen in der täglichen akutmedizinischen Arbeit ethisch wohl begründeter und transparenter Kriterien.

Durch die Gefahr unzureichender Intensivbettenkapazitäten und der damit einhergehenden Problematik einer gerechten Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der Pandemie durch die Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) sind ethische Fragen hierzu in der breiten Öffentlichkeit zuletzt kontrovers und vielbeachtet diskutiert worden [5, 10]. Verteilungsentscheidungen werden auf deutschen Intensivstationen jedoch bereits seit vielen Jahren tagtäglich getroffen: In einer von Boldt und Schöllhorn im Jahr 2008 durchgeführten anonymisierten Fragebogenstudie unter den Leitern deutscher Intensivstationen gaben 67 % an, Rationierung fände bereits statt.

Gelegentlich oder häufig sahen 41 % der Befragten ihre therapeutischen Entscheidungen durch ökonomische Umstände beeinflusst. Als erstaunlich beschrieben die Autoren die häufige Reaktion verantwortlicher Intensivmediziner*innen aus Krankenhäusern privater Trägerschaft, die ihre prinzipielle Bereitschaft zur Teilnahme an der Fragebogenstudie bekundeten, jedoch bedauernd mitteilten, dass derartige Anfragen über die jeweiligen Geschäftsführungen gestellt werden müssten und wenig Aussicht auf Erfolg dafür bestünde, dass die entsprechenden Antworten „genehmigt“ werden würden [2]. Strech et al. veröffentlichten im darauffolgenden Jahr 2009 die Ergebnisse einer Umfrage, in der 76 % der befragten Intensivmediziner*innen angaben, in den vorangegangenen 6 Monaten aus Kostengründen auf nützliche Maßnahmen verzichtet zu haben. Auch hier äußerten diesen Verzicht tendenziell häufiger Ärzt*innen aus Kliniken privater Trägerschaft [13].

Rationierung findet bereits statt

Ressourcenknappheit in der Intensiv- und Notfallmedizin ist vor dem Hintergrund ökonomischer und nichtökonomischer Ursachen wie folgt kategorisierbar:

  1. 1.

    Ressourcen, die aus den Mitteln der Kostenträger zwar bezahlbar wären bzw. bei denen ein unbedingter politischer und gesellschaftlicher Wille besteht, sie zu finanzieren, die jedoch nicht vorhanden sind.

    1. a.

      Ressourcen, die „regelhaft“ nicht ausreichend vorhanden sind, insbesondere pflegerisches, rettungsdienstliches und ärztliches Personal aufgrund eines allgemeinen Fachkräftemangels.

    2. b.

      Ressourcen, die in Ausnahmesituationen (Pandemie oder Massenanfall an Verletzten/Erkrankten [MANV/E]) nicht ausreichend vorhanden sind und deren akuter Mehrbedarf sich nicht ad hoc decken lässt, beispielsweise Intensivbetten, Schutzausrüstung, bestimmte Medikamente.

  2. 2.

    Ressourcen, die zwar sinnvoll, jedoch aus den Mitteln der Kostenträger nicht in ausreichendem Maß gegenfinanziert werden und damit von Ärzt*innen lediglich nachrangig berücksichtigt werden (z. B. Linezolid, rekombinanter Faktor VII, Levosimendan, Dexmedetomidin).

Unabhängig von der Ursache der Ressourcenknappheit bedarf es Strategien zur verantwortungsbewussten Verteilung knapper Ressourcen. Hierzu existieren im deutschsprachigen Raum im Wesentlichen Publikationen von Marckmann bzw. Strech, die in die folgende Arbeit maßgeblich eingeflossen sind.

Ebenen der Verteilungsentscheidungen

Nach Marckmann und Dodt können 3 Ebenen von Verteilungsentscheidungen im Gesundheitswesen unterschieden werden, die allerdings keinesfalls ein hierarchisch gegliedertes System von Allokationsprozessen darstellen [9].

Makroebene

Gesundheitspolitische Verteilungsentscheidungen insbesondere in Form der Budgetverteilung zwischen den einzelnen Sektoren des Gesundheitssystems werden dabei auf der sog. Makroebene getroffen. Darüber hinaus besteht auf dieser Ebene die Notwendigkeit, mittel- und langfristige Lösungsstrategien für den Fachkräftemangel in Medizin, Rettungsdienst und Pflege zu definieren, gesetzliche Rahmenbedingungen für einen kosteneffizienten Ressourceneinsatz zu schaffen und so letztendlich eine bestmögliche Gesundheitsvorsorge und -versorgung für die breite Bevölkerung sicherzustellen.

Mesoebene

Ökonomische und organisatorische Verteilungsentscheidungen, die durch Einrichtungsleitungen getroffen werden, erfolgen auf der sog. Mesoebene. Diese umfassten neben der Zuteilung von finanziellen Mitteln, Personal und Betten zu einzelnen Abteilungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie insbesondere auch die Entscheidungen, durch welche Abteilungen an Severe Acute Respiratory Syndrome Coronoavirus 2 (SARS-CoV-2) erkrankte Patientinnen und Patienten behandelt werden, die Entscheidung zur Beschaffung und internen Verteilung von Respiratoren und zuletzt die Entscheidung über die Durchführung elektiver Prozeduren bzw. Therapien.

Mikroebene

Auf der Mikroebene wird schließlich festgelegt, welche Patient*innen welche medizinischen Ressourcen erhalten. Beispiele hierfür sind konkrete Situationen auf den Intensivstationen oder während der Triage bei einem MANV/E in der Notfallmedizin.

Charakteristika der einzelnen Ebenen

Marckmann und Dodt beschreiben des Weiteren unterschiedliche Charakteristika der einzelnen Ebenen: So beträfen auf der Makro- und auf der Mesoebene getroffene Entscheidungen statistisch, auf der Mikroebene getroffene Entscheidungen konkret und identifizierbar Menschen, deren Leben durch eine akute Gesundheitsstörung bedroht sei. Auf allen Ebenen sollten sich Verteilungskriterien an klar definierten und ethisch gut begründeten Kriterien orientieren.

Grundsätzlicher Umgang mit Mittelknappheit im Gesundheitswesen

Einer Mittelknappheit im Gesundheitswesen kann in 3 unterschiedlichen Weisen begegnet werden [8]:

  1. 1.

    Erhöhung der Mittelzuweisung,

  2. 2.

    Effizienzsteigerung („Rationalisierung“) und

  3. 3.

    Leistungsbegrenzung („Rationierung“).

Eine Erhöhung der Mittelzuweisung, die für die Praktiker*innen auf der Mikroebene häufig einfachste Lösung, muss auf Meso- und Makroebene initiiert werden. War eine solche Erhöhung der Mittelzuweisung über lange Zeit für die allermeisten Fälle nur schwer realisierbar, erfolgte sie im Rahmen der COVID-19-Pandemie mit der Bereitstellung tausender Respiratoren durch die Bundesregierung und der Bestellung unzähliger Dosen eines möglichen Impfstoffs in verhältnismäßig großem Stil. Insbesondere die Bereitstellung der Respiratoren illustriert das Problem einer Erhöhung der Mittelzuweisung in Form von definierten Ressourcen: Vielerorts fehlten weiterhin notwendige „Komplementärressourcen“ in Form von qualifiziertem Personal, das die Respiratoren hätte fachkundig in Betrieb nehmen können. Davon abgesehen gibt es überdies auch gute Argumente, Mittelzuweisung in anderer (z. B. ausschließlich monetärer) Form nicht unbegrenzt zu erhöhen. Der Gesundheitssektor konkurriert mit anderen (sozialen und ökologischen) Sektoren, wie beispielsweise Bildung und Umweltschutz, um die begrenzten öffentliche Mittel, sodass eine Erhöhung der Gesundheitsausgaben nur mit Einschränkungen in anderen sozialstaatlichen Bereichen erkauft werden kann [8].

Rationalisierung bedeutet eine Erhöhung der Effizienz medizinischer Versorgung

Rationalisierung bedeutet eine Erhöhung der Effizienz medizinischer Versorgung, also das Erreichen gleicher medizinischer Effekte mit knapperen Mitteln oder eines größeren medizinischen Effekts mit den gleichen Mitteln. Da Rationalisierung sowohl gesundheitsethischen als auch ökonomischen Maximen gerecht wird, ist diese Möglichkeit des Umgangs mit Ressourcenknappheit prinzipiell zu bevorzugen. Rationierung bedeutet im Gegensatz dazu die Begrenzung medizinischer Leistungen, also das Vorenthalten einer medizinisch sinnvollen Maßnahme (einer Maßnahme, die im Vergleich zu anderen Maßnahmen einen Nutzengewinn geboten hätte) aus Kostengründen. Da die Evidenz für den Nutzen der meisten intensiv- und notfallmedizinischen Maßnahmen nicht sicher ist, lassen sich Rationierung und Rationalisierung in der akutmedizinischen Praxis häufig nicht klar trennen.

Rationierung und Rationalisierung sind häufig nicht klar zu trennen

Grundsätzlich sollten im Rahmen einer notwendigen Rationierung gewisse prozedurale und inhaltliche Mindeststandards für eine gerechte Verteilung begrenzter Ressourcen auf allen Ebenen eingehalten werden [4, 6, 8, 16]. Entsprechende Kriterien fasst Tab. 1 modifiziert nach [9] zusammen.

Tab. 1 Mindeststandards einer gerechten Ressourcenverteilung

Als aus ethischer Sicht in Deutschland inakzeptable inhaltliche Kriterien gelten Alter, Geschlecht, sozialer Status oder Versichertenstatus des/der Patient*in.

Umgang mit knappen Ressourcen in der Intensivmedizin

In der Praxis lässt sich bereits durch die konsequente Berücksichtigung der von Beauchamp und Childress definierten ethischen Grundprinzipien Wohltun, Nichtschaden, Respekt der Autonomie und Gerechtigkeit der Verantwortung gerecht werden, ethisch verantwortliche Verteilungsentscheidungen zu treffen [1]. Im Einzelnen bedeutet das die konsequente Forderung nach vorhandener Evidenz für die durchzuführenden Maßnahmen sowie das Unterlassen von Maßnahmen, für die diese Nutzennachweise fehlen (Wohltun/Nichtschaden). Auf diese Art und Weise eingesparte Ressourcen können so an anderer Stelle weiteren Patient*innen zugutekommen. Für die konsequente Prüfung der Zustimmung der Patient*innen zu den durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Prozeduren (Respekt der Autonomie) im Rahmen von klinischen Ethikvisiten konnte in einer empirischen Multizenterstudie ebenfalls eine signifikante Einsparung von Ressourcen ohne Effekt auf die Mortalität nachgewiesen werden [12].

Durch klinische Ethikvisiten wurden Ressourceneinsparungen ohne Effekt auf die Mortalität erzielt

Die genannten individualethischen Überlegungen sind auf der Mikroebene (also beispielsweise im Rahmen täglicher intensivmedizinischer Visiten) unmittelbar anwendbar [7]. Im Gegensatz dazu ist eine strukturierte Berücksichtigung des Prinzips Gerechtigkeit auf der übergeordneten Meso- oder Makroebene gegenüber gerechtigkeitsethischen Überlegungen durch Einzelne zu bevorzugen. Dies kann beispielsweise durch lokale Versorgungsstandards, die Implementierung von Kosten-Fall-Besprechungen oder die Implementierung kostensensibler Leitlinien geschehen. Gerechtigkeitsethische Überlegungen durch einzelne Ärzt*innen genügen häufig kaum den bereits genannten Mindeststandards einer gerechten Ressourcenverteilung, sondern erfolgen nach wechselnden, ethisch häufig schlecht begründeten Kriterien [14].

Umgang mit knappen Ressourcen in der Notfallmedizin

Bei der Diskussion über eine angemessene Ressourcenverteilung in der präklinischen und klinischen Notfallmedizin gilt es, die Besonderheiten dieser Sektoren zu berücksichtigen [11]. In der Notfallmedizin sind die Anzahl der zu versorgenden Patient*innen ebenso wie der Schweregrad ihrer Erkrankungen nicht vorhersehbar und planbar, sondern nur retrospektiv mit statistischen Erhebungen erfassbar. Es müssen daher rund um die Uhr Kapazitäten vorgehalten werden, um auch bei hohen Patientenaufkommen sicherzustellen, dass keine Menschen zu Schaden kommen.

Hieraus resultieren vor allem fixe Vorhaltekosten für im Schichtdienst tätiges Personal, Rettungsmittel (Fahrzeuge, Hubschrauber), bauliche Infrastruktur (Rettungswachen, Notaufnahmen) und medizinische Geräte (EKG, Defibrillator, Sonographie). Diese Vorhaltekosten sind über das System der (gesetzlichen) Krankenversicherung für Patient*innen in der Regel nicht kostendeckend abrechenbar. Zudem sind Notfallpatient*innen per definitionem eigentlich durch eine hohe Versorgungsdringlichkeit gekennzeichnet, wobei es sich allerdings zunächst einmal nur um eine vom Patienten bzw. der Patientin oder seinem/ihrem Umfeld subjektiv empfundene Dringlichkeit handelt, die sich in der professionellen medizinischen Ersteinschätzung häufig nicht objektivieren lässt. Zum Zeitpunkt der medizinischen Ersteinschätzung ist die Notfallversorgung allerdings in der Regel schon in Anspruch genommen worden. Insgesamt liegt bei nur einem geringen Prozentsatz aller Notfallpatient*innen tatsächlich eine akute Behandlungsnotwendigkeit vor [9]. Bei diesen dürfte die hohe Priorisierung einer Ressourcenaufwendung insbesondere bei vitaler Bedrohung jedoch unstrittig sein.

Der erwartbare Nutzen der Notfallversorgung lässt sich im Einzelfall auf der Mikroebene nur schwer abschätzen

Die genannten Besonderheiten spielen insbesondere bei der Diskussion über Verteilungsentscheidungen auf der Meso- und Makroebene eine entscheidende Rolle. Verteilungsentscheidungen auf der Mikroebene sind insbesondere durch die Tatsache charakterisiert, dass sich der erwartete Nutzen der Notfallversorgung im Einzelfall prospektiv nur schwer abschätzen lässt, weil Diagnose und Prognose in vielen Fällen noch unbekannt sind. Auch hier besteht jedoch die Möglichkeit unter Berücksichtigung der ethischen Grundprinzipien von Beauchamp und Childress verantwortlich mit medizinischen Ressourcen umzugehen. So lassen sich durch eine sorgfältige Ermittlung und Berücksichtigung des Patientenwillens (Respekt der Autonomie) beispielsweise sinnlose Krankenhauseinweisungen am Lebensende vermeiden oder durch das frühzeitige Dokumentieren des Patientenwillens spätere durch den/die Patient*in nicht gewollte Therapieeskalationen verhindern. Darüber hinaus gilt auch in der präklinischen und klinischen Notfallmedizin konsequent die Forderung nach vorhandener Evidenz für die durchzuführenden Maßnahmen einschließlich der Krankenhausaufnahme sowie das Unterlassen von Maßnahmen und Krankenhausaufnahmen, für die diese Nutzennachweise fehlen (Wohltun/Nichtschaden). Eine Schlüsselrolle in der Ressourcenverteilung kommt vor diesem Hintergrund der guten Aufgabenteilung und Patientenlenkung zwischen den Säulen der Notfallversorgung des kassenärztlichen Bereitschaftsdiensts, den Notaufnahmen und der Notfallrettung zu.

Umgang mit knappen Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie

Ebenso wie bei einem MANV/E in der Notfall- und Katastrophenmedizin verursachte die COVID-19-Pandemie weltweit an vielen Orten eine Situation, in der der akute Mehrbedarf an Respiratoren nicht unmittelbar gedeckt werden konnte. Ohne Zeit für eine kritische gesellschaftliche Auseinandersetzung veröffentlicht die Società Italiana di Anestesia Analgesia Rianimazione e Terapia Intensiva (SIAARTI) angesichts dramatischer Szenen in der von der Pandemie besonders betroffenen Stadt Bergamo die europaweit ersten Triageempfehlungen „Clinical ethics recommendations for the allocation of intensive care treatments in exceptional, resource-limited circumstances“ [15]. Eine vergleichbar deletäre Situation wie in Bergamo erschien auch Expert*innen in Deutschland möglich, zumal mit einer Verbreitung der Infektion unter deutschen Urlaubsrückkehrern aus dem österreichischen Skiort Ischgl sowie bereits Ende Februar 2020 im Rahmen einer Karnevalsveranstaltung im nordrhein-westfälischen Kreis Heinsberg erste rasche und unkontrollierte Ausbrüche auch diesseits der Landesgrenzen zu erleben waren. Unter Federführung der Akademie für Ethik in der Medizin e. V. (AEM) und der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) erarbeiten Intensivmediziner*innen von 9 Fachgesellschaften gemeinsam mit Vertreter*innen aus Medizinethik und Recht klinisch-ethische Empfehlung zur „Entscheidung über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie“ [10].

Mit ihren Empfehlungen orientierten sich die Autor*innen implizit eng an den bereits erläuterten ethischen Grundprinzipen von Beauchamp und Childress. So schlugen die Autor*innen ein mehrschrittiges und in einem Mehr-Augen-Prinzip durchzuführendes Verfahren vor, in dem bei jeder/jedem Patient*in, bei dem/der die mutmaßliche Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Therapie bestünde, zunächst die Indikation zu dieser Therapie kritisch geprüft werden sollte (Gutes tun/Nicht schaden). Unmittelbar nachfolgend sollte der Patientenwille (Respekt der Autonomie) geprüft werden (Abb. 1). Diese Schritte werden den Mindeststandards einer gerechten Ressourcenverteilung durchaus gerecht. Bei auch nach dieser Form der Verteilungsentscheidung weiterhin bestehender Ressourcenknappheit unter Patient*innen mit Indikation zur intensivmedizinischen Therapie, Erfolgsaussicht der intensivmedizinischen Therapie sowie Einwilligung zur intensivmedizinischen Therapie empfehlen die Autor*innen allerdings, nach dem Kriterium der mutmaßlichen Erfolgsaussicht Verteilungsentscheidungen zu treffen. Damit orientieren sie sich an Sichtungs- und Triagekriterien, wie sie in der Notfall- und Katastrophenmedizin bei MANV/E-Ereignissen regelhaft angewandt werden. Dieser letzte Schritt konnte allerdings in zuvor geschilderter Situation notwendigerweise den prozeduralen Mindeststandards der Legitimität und der Widerspruchsmöglichkeiten nicht gerecht werden. Beide Standards wurden in einem (wegen der Unwahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Triagesituation in Deutschland erfolglosen) Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht kurz darauf gefordert [3]. Die Autor*innen und auch die DIVI stimmten der Forderung nach einer demokratischen Legitimation in Form der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage allerdings ausdrücklich zu.

Abb. 1
figure 1

Ablaufschema bei nichtausreichenden Intensivressourcen im Rahmen der Pandemie durch die Coronavirus Disease 2019 (COVID-19). SOFA „sepsis-related organ failure assessment“. (Aus [10])

Fazit für die Praxis

  • Entscheidungen über knappe Ressourcen werden auf unterschiedlichen Ebenen getroffen und verantwortet (Mikro‑, Meso- und Makroebene).

  • Entscheidungen über knappe Ressourcen sollen verschiedenen prozeduralen und inhaltlichen Mindeststandards gerecht werden.

  • Bereits unter konsequenter Berücksichtigung der ethischen Grundprinzipien Gutes tun, Nicht schaden und Respekt vor Autonomie in Form einer sorgfältigen Prüfung von Therapieindikationen, vorhandener oder fehlender Evidenz sowie des mutmaßlichen, vorausverfügten oder geäußerten Patientenwillen lässt sich der Verantwortung, ethisch verantwortliche Verteilungsentscheidungen zu treffen, gerecht werden.

  • In der Triagesituation im Rahmen einer Pandemie oder eines Massenanfalls von Verletzten oder Erkrankten (MANV/E) wird als gerechtigkeitsethische Überlegung häufig (und so auch im Rahmen der Pandemie durch die Coronavirus Disease 2019 [COVID-19]) das Kriterium des mutmaßlichen Therapieerfolgs mitberücksichtigt.