Die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt in Deutschland betrug 2013 knapp 83 Jahre für Frauen und 78 Jahre für Männer und steigt kontinuierlich um drei Monate pro Jahr an. Seit 1950 ist bei Männern wie Frauen ein Zuwachs von 15 Jahren zu verzeichnen. Auch die 1989 bei der Wende bestehenden Unterschiede von etwa drei Jahren zwischen Ost und West sind heute praktisch ausgeglichen. Es gibt viele Gründe für diese Steigerung, vor allem der Rückgang der Säuglingssterblichkeit spielt eine Rolle, zwei der wesentlichen Gründe sind jedoch der Aufbau und die Weiterentwicklung einer modernen Intensivmedizin. Sie ermöglichte das Überleben vieler Patienten mit schweren Akuterkrankungen, machte aber auch große operative Eingriffe möglich, die nur aufgrund der postoperativen Intensivtherapie durchführbar wurden. Ein wesentlicher Baustein dieser Erfolge waren Fortschritte in der Beatmungstherapie, wobei einerseits die technische Weiterentwicklung der Beatmungsgeräte, andererseits jedoch ein besseres Verständnis der Atmungsphysiologie und der Pathophysiologie respiratorischen Versagens, aber auch des beatmungsinduzierten Lungenschadens eine Rolle spielten.

Die heutige Beatmungstherapie hat sich immer weiter spezialisiert. Während für lange Zeit der Fokus von Beatmungstherapie nur auf der Überwindung des respiratorischen Versagens lag, also der Akutphase der Behandlung, wissen wir heute, dass die Entwöhnung von der Beatmung (Weaning) für den Therapieerfolg eine genauso wichtige Rolle einnimmt wie die Akutbehandlung. Spezialisierte Weaning-Zentren mit definierter Struktur- und Personalausstattung entstanden. Aber trotz aller Erfolge dieser Zentren blieben dennoch Patienten, die aufgrund ihrer schweren pulmonalen oder neuromuskulären Grunderkrankung nicht entwöhnbar waren. Mit der Entwicklung der außerklinischen Beatmung wurde auch für diese Patienten eine Möglichkeit geschaffen, in einer häuslichen Umgebung ein Leben mit durchaus beachtlicher Lebenserwartung und Lebensqualität zu führen.

In diesem Heft der Intensivmedizin und Notfallmedizin werden Aspekte der modernen Beatmungstherapie ohne Anspruch auf Vollständigkeit vorgestellt. Sascha David und Olaf Wiesner stellen die Grundlagen des primär hypoxämischen Lungenversagens dar und zeigen die modernen Möglichkeiten der Beatmungstherapie auf. Michael Westhoff beschreibt die Pathophysiologie des hyperkapnischen Lungenversagens und diskutiert die Therapiemöglichkeiten unter besonderer Berücksichtigung der nichtinvasiven Beatmungstherapie. Passend dazu stellen Friederike Magnet und Wolfram Windisch die Möglichkeiten neuer Monitoringmethoden zur Überprüfung des Therapieerfolgs und zur Vermeidung von Beatmungskomplikationen vor. Das CO2-Monitoring muss heute auf jeder Intensivstation implementiert werden, was leider noch bei Weitem nicht der Fall ist.

Im letzten Artikel stellen Jens Geiseler und Clemens Kelbel die aktuellen Empfehlungen zur Entwöhnung von der Beatmung vor. Definition, Methoden der Beatmungsentwöhnung, Risikofaktoren für ein Weaning-Versagen, aber auch die qualitativen Voraussetzungen und die Überleitung in die außerklinische Beatmung werden angesprochen.

Manche werden in diesem Heft einen Artikel zu dem extrakorporalen Lungenersatzversagen (ELA) vermissen. Keine Frage, ELA ist auf dem Weg, zu einem der spannendsten Entwicklungen im Intensivbereich zu werden. Sehr schnell haben sich sehr unterschiedliche Techniken und Anwendungsindikationen herauskristallisiert, wie Niedrigflussverfahren zur primär extrakorporalen CO2-Elimination [1], pumpengetriebene, veno-venöse Verfahren mit hohen Flussraten zur Oxygenierung oder veno-arterielle ELA, das neben der Oxygenierung auch eine Herzentlastung mit sich bringt und auch zur Therapie des akuten Rechtsherzversagens geeignet ist [2]. Mit der Einführung der Wach-ECMO (extrakorporale Membranoxigenierung), zunächst als Überbrückungsverfahren bei Patienten auf der Warteliste zur Transplantation [3], später auch bei Patienten im akuten Lungenversagen [4], entwickeln sich die akuten ELA in Richtung auf einen länger haltbaren, chronischen Lungenersatz.

Die „künstliche Lunge“ ist sicher ein Traum, wer hatte jedoch vor 20 Jahren vorhersagen können, wo die Beatmungstherapie heute steht? Das Motto von Franz von Assisi: „Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst Du das Unmögliche“, kann durchaus als Leitspruch für die moderne Intensivmedizin gelten.

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Tobias Welte