Zusammenfassung
Obstipation ist ein häufig auftretendes Symptom, charakterisiert durch eine unbefriedigende Stuhlentleerung, die zu einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität führt. Die Ursachen sind vielfältig. Die Obstipation kann aus einer Störung des enterischen Nervensystems, der viszeralen Sensitivität, der Darmmotilität oder des Beckenbodens und Sphinkterapparats resultieren. Sie kann akut oder chronisch auftreten. Bei den chronischen Verlaufsformen ist die primäre von der sekundären Obstipation zu unterscheiden. Letztere ist die Folge von Medikamenteneinnahmen bzw. von metabolischen oder neurologischen Erkrankungen. Standardisierte Diagnostikschemata fehlen.
Abstract
Obstipation is a frequent symptom characterized by unsatisfactory evacuation of stool, which leads to a significant impairment of quality of life. The causes are manifold. Obstipation can result from a disorder of the enteric nervous system, of visceral sensitivity, of intestinal mobility, or of the pelvic floor and sphincter apparatus. Obstipation may be acute or chronic. Among chronic forms, it is distinguished between primary and secondary obstipation. The latter results from medication use, or metabolic or neurologic disease. Standardized diagnostic criteria are lacking.
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Herold A Diagnostik und chirurgische Therapie der chronischen Obstipation
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Interessenkonflikt
S. Lwowski, K.O. Jensen, F.H. Hetzer und C. Gingert geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Redaktion
F. Aigner, Berlin
F. Hetzer, Uznach
W. Kneist, Mainz
Der Beitrag „Obstipation – Teil 2: Therapieziele und Therapiestrategien“ von S. Lwowski, K.O. Jensen, F.H. Hetzer und C. Gingert erscheint in der kommenden Ausgabe 4/2017 von coloproctology.
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Bezüglich der Pathogenese und Prävalenz der Obstipation trifft zu:
Die zugrunde liegende Ursache ist meist eindeutig identifizierbar.
Die Prävalenz nimmt mit dem Alter zu.
Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
In Europa beträgt die mittlere Prävalenz bis zu 30 %.
Ernährungsgewohnheiten und geringe körperliche Aktivität gelten nicht als Risikofaktoren, die das Auftreten einer Obstipation begünstigen.
Bezüglich der Klassifikation der Obstipation trifft zu:
Der akuten Obstipation liegen meist stenosierende Prozesse oder schmerzhafte Läsionen der Analregion zugrunde.
Eine chronische Obstipation ist meist auf wenige Wochen begrenzt.
Man unterscheidet primäre, sekundäre und tertiäre Obstipationsformen.
Bei der Slow-transit-Obstipation liegt eine Kolonmotilitätsstörung mit einer normalen Kolontransitzeit vor.
Die Outlet-Obstipation ist eine eher seltene Ursache einer therapierefraktären chronischen Obstipation.
Bezüglich der Diagnosekriterien trifft zu:
Zur Diagnosestellung wurden richtungsweisend die Rom-Kriterien entwickelt.
Eine chronische Obstipation liegt vor, wenn die Patienten während mindestens 2 Wochen innerhalb der letzten 6 Monate über mindestens 2 der Leitsymptome klagen.
Eines der genannten Kriterien sind weniger als 4 Defäkationen pro Woche.
Bei einer chronischen Obstipation klagen die Patienten häufig über ein Gefühl der unvollständigen Entleerung bei ca. 50% der Defäkationen.
Eines der genannten Diagnosekriterien ist die Anwendung manueller Manöver zur Erleichterung in 15 % der Defäkationen.
Fallbeispiel: Bei einer 64-jährigen Patientin, die über ein neu aufgetretenes Völlegefühl klagte und berichtete, dass sie bereits seit ihrer Jugend unter Obstipationen leide, haben Sie vor 4 Wochen eine unauffällige Basisdiagnostik durchgeführt und zu einer Nahrungsumstellung und einem milden Abführmittel geraten. Bei der erneuten Vorstellung klagt die Patientin jetzt darüber, dass sich die Symptome nicht verbessert hätten und sie noch zusätzlich einen ungewollten Gewichtsverlust von 3 kg festgestellt habe. Sie gehen folgendermaßen vor:
Sie veranlassen die Messung einer Transitzeit.
Sie verordnen ein anderes Abführmittel.
Sie veranlassen eine anorektale Manometrie.
Ein endoanaler Ultraschall wird die Ursache am ehesten klären.
Sie raten zu einer zügigen Koloskopie vor allen anderen Untersuchungen.
Bezüglich der weiterführenden Abklärungen trifft zu:
Mittels Manometrie lässt sich eine Beckenbodendyssynergie nur schwer nachweisen.
Die Defäkographie ist eine rein statische Untersuchung.
Mittels endoanalen Ultraschalls lässt sich die Intaktheit des Kontinenzorgans überprüfen.
Eine Kolontransitzeit von >30 h gilt per Definition als Slow-transit-Obstipation.
Das CT gehört zum Goldstandard der Basisuntersuchung.
Bezüglich des Cleveland Constipation Score trifft zu:
Er fragt nach Bauchschmerzen.
Er fragt nicht nach Schmerzen beim Stuhlgang.
Er ist ein Synonym zum Wexner Incontinence Score.
Longo hat diesen Score entwickelt.
Der Patient muss dringend vor dem Erheben des Scores koloskopiert werden.
Hinsichtlich der proktologischen Untersuchung trifft zu:
Mit der rektalen digitalen Untersuchung beginnt jede Diagnostik bei proktologischen Ursachen der Obstipation.
Die Inspektion ist ein Teil der Untersuchung.
Auch bei Schmerzen muss zwingend proktoskopiert werden, um Fisteln auszuschließen.
Analstenosen lassen sich nur mittels MRI verifizieren.
Koloskopien sind nach einer guten Rektoskopie nicht mehr notwendig.
Bezüglich der apparativen Diagnostik trifft zu:
Die Defäkographie ist ein wenig geeignetes Tool zur Darstellung von Beckenbodeninsuffizienzen.
Die MR-Defäkographie gehört mittlerweile an vielen Zentren zu den Standarduntersuchungen.
Man kann nur funktionelle Anomalien detektieren.
In der Defäkographie lassen sich keine ausgeprägten Intussuszeptionen darstellen.
Senkungen des vorderen Kompartiments sind nicht sichtbar.
Bezüglich der Koloskopie trifft zu:
Patienten müssen nicht abgeführt sein, um gut beurteilt werden zu können.
Präoperativ sollte keine Koloskopie stattfinden, um den Patienten nicht noch mehr zu belasten.
Bei therapierefraktären Patienten sollte niederschwellig eine Koloskopie geplant werden.
Zu den Red Flags für das kolorektale Karzinom gehört die Gewichtszunahme.
MRT und CT ersetzen zunehmend die klassische Koloskopie.
Mit der „wireless motility capsule“ (WTC) kann
ausgeschlossen werden, dass die Größe der Kapsel ein Nachteil für die Untersuchung ist.
nur der untere Gastrointestinaltrakt (GI) untersucht werden.
eine Schulung des Untersuchers unterbleiben.
ohne Strahlenbelastung die Transitzeit bestimmt werden.
Nahrungskarenz vermieden werden.
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Lwowski, S., Jensen, K.O., Hetzer, F.H. et al. Obstipation. coloproctology 39, 221–234 (2017). https://doi.org/10.1007/s00053-017-0160-5
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00053-017-0160-5