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Mittelhochdeutsche Spruchdichtung als gattungsgeschichtliches Problem

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Literatur

  1. Der Terminus ‘Spruch’ ist schon seit Jahrzehnten, in entschiedener Weise seit Hermann Schneiders Spruchdichtung-Artikel im Reallexikon 1928/29 (III, S. 287–293), suspekt. Doch sollte uns die Unzulänglichkeit der Terminologie nicht über Gebühr beschäftigen: sie ist, wie bei so manchen Grundbegriffen unserer Wissenschaft, unausweichlich (»an der Terminologie hängt nichts, an der Sache alles«, K. Stackmann, Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln, Heidelberg 1958, S. 8, Fn. 2). Unzulänglich schien der Terminus ‘Spruch’, weil er 1. sprachlich die Vorstellung von gesprochener Dichtung impliziert, und 2. nicht mittelalterlichem Gebrauch entspricht. Aber das Sprech-Charakteristikum ist schon längst aus der Definition des mhd. Spruchs verschwunden (‘Sangspruch’ seit H. Schneider, ‘Lied-Spruch’ mit W. Mohr, Reallexikon 2III 1967, S. 174), und der neuzeitliche Terminus (seit Simrocks Waltherübertragung v. J. 1833) ist unentbehrlich, weil uns das deutsche Mittelalter keine tauglicheren Begriffe anzubieten vermag. Darüber hat Hugo Kuhn, Gattungsprobleme der mhd. Literatur, MSB, Philos.-hist. Kl. 1956, 4, S. 9f., das Notwendige gesagt. Hugo Mosers interessanter Versuch, die mhd. Lyrik auf Grund mhd. Termini neu zu gliedern (Minnesang und Spruchdichtung? Über die Arten der hochmittelalterlichen deutschen Lyrik, Euphorion 50 (1956), S. 370–87, bes. S. 378ff.; Die hochmittelalterliche deutsche Spruchdichtung als übernationale und nationale Erscheinung, ZfdPh 76 (1957), S. 241–268, bes. 242, 266f.), hat wohl, so viel ich sehe, wenig Zustimmung gefunden, weil Begriffe wie klageliet, hügeliet, tanzliet, twingliet, rügeliet u.s.w. jeder typologischen Festigkeit entbehren; sie können aber auch nicht als Ordnungsbegriffe dienen, weil sie jene Geschmeidigkeit nicht aufweisen, die nötig ist, sie geschichtlich gewordenen und sich verändernden Organismen anzupassen. Was zur literarischen Systematik taugt, ist längst aufgegriffen: tageliet und kriuzliet die sich thematisch umgrenzen lassen, der Leich als Formtypus.

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  2. H. Furstner, Spruch, Zyklos oder Lied, Neophilologus 38 (1954), S. 303–306; H. de Boor, PBB (Tüb.) 78 (1956), S. 160–166; A. Kracher, Beiträge zur Walther-Kritik, ebd. S. 196–208; G. Jungbluth, Neue Forschungen zur mhd. Lyrik, Euphorion 51 (1957), S. 212–220; K.H. Halbach, ZfdPh 76 (1957), S. 107–123; H. Moser, 2‘Sprüche’ oder ‘politische Lieder’ Walthers? Euphorion 52 (1958), S. 229–246; ders., ‘Lied’ und ‘Spruch’ in der hochmittelalterlichen deutschen Dichtung, Wirk. Wort, Sonderheft Brinkmann-Festgabe 1961, S. 82–97; dazu die in Fn. 2 genannten Aufsätze; H. Thomas, Eine neue Waltherausgabe, DVjs. 33 (1959), s. 324–334.

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  3. E. von Steinmeyer, Die kleineren ahd. Sprachdenkmäler, 2Berlin-Zürich 1963, S. 399ff.; R. Schützeichel, Zu einem ahd. Denkmal aus Trier, ZfdA 94 (1965), S. 237–243; P. Piper, Die Schriften Notkers und seiner Schule I, Freiburg i.Br.-Tübingen 1882, S. 673f.; Müllenhoff-Scherer, Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem VIII. bis XII. Jh., Berlin 31892, I, S. 67 (XXVIIIb), 195f. (XLIX). Zum ganzen Komplex: H. Moser, Die hochmittelalterliche deutsche Spruchdichtung als übernationale und nationale Erscheinung, ZfdPh 76 (1957), S. 241–268, bes. S. 243.

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  4. Dazu Frings / Grüters / Hauck, Der Anonymus Spervogel-Herger, PBB 65 (1942), S. 229–280; B. Mergell, Zur zyklischen Form der Spruchdichtung Hergers, DVjS 27 (1953), S. 31–47 (Versuch, eine zyklische Gesamtkomposition aufzuweisen); H. Moser, Die ‘Sprüche’ Hergers. Artzugehörigkeit und Gruppenbildung, Jost-Trier-Festschrift, Köln-Graz 1964, S. 284–303.

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  5. Ein Glücksfall der Überlieferung hat die alte, vielleicht ursprüngliche Ordnung bewahrt: die Übereinstimmung zwischen A und C nach Strophenzahl und -reihenfolge läßt uns die gemeinsame Vorlage *AC selten präzis fassen; diese unterlag, so viel wir sehen (E. Jammers, Das königliche Liederbuch des deutschen Minnesangs. Eine Einführung in die sog. Manessische Hs., Heidelberg 1965, S. 145f.), keiner ordnenden Hand, spiegelt somit eine Anordnung, die hinter unseren Liederhss. liegt. So schon andeutungsweise J. Schwietering, Die deutsche Dichtung des Mittelalters (Handbuch der Literaturwissenschaft), Potsdam 1932, S. 246 und Mergeil (Fn. 24), S. 35; siehe auch H. Paul, PBB 2 (1876), S. 432: »25, 20–26, 12, 28, 13–29, 12 und 30, 13–26 sind nicht erst vom Sammler zusammengestellt«.

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  6. Siehe E. Jammers, Ausgewählte Melodien des Minnesangs, ATB, Ergänzungsreihe 1, Tübingen 1963, S. 80f. — Der dreimalige syllabische Einsatz gliedert die Strophe in 1–3, 4–5, 6: es ist dies zugleich die häufigste syntaktische Gliederung. Von der musikalischen Kadenz her ergibt sich eine Zweiteilung 1–4, 5–6. Die Beobachtungen H. de Boors, Langzeilen und lange Zeile in MF, ZfdPh 58 (1933), S. 7f., über Fugenbehandlung V. 5 und 6 werden durch die Melodie bestätigt: diese ist deutlich zweiteilig.

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  7. K.H. Halbach, Formbeobachtungen an staufischer Lyrik, ZfdPh 60 (1935), S. 11–22; S. Anholt, Die sog. Spervogelsprüche und ihre Stellung in der älteren Spruchdichtung, Amsterdam 1937, S. 73–80.

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  8. Nach P. Wapnewski, Die Weisen aus dem Morgenlande auf der Magdeburger Weihnacht. Zu Walther 19, 5, in: Lebende Antike. Symposion für Rudolf Sühnel, Berlin 1967, S. 74–94, z. St. S. 81–83.

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  9. Nachweis von J.A. Huisman, Neue Wege zur dichterischen und musikalischen Technik Walthers von der Vogelweide, Utrecht 1950, S. 137–147; gutgeheißen und — zu spekulativ! — weitergeführt von F. Gennrich, Studi Medievali 17 (1951), S. 71–85 und ZfdA 85 (1954/55), S. 208f. Die Ablehnung durch Maurer (Ausgabe S. 46) ist mir unverständlich. Der Ansatz der Liet-von-Franken-Str. als Eröffnungsstr. berücksichtigt die Anti-Wîcman-Str. nicht. Dagegen kommt das Argument von Z nicht auf.

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  10. Nachweis von K.H. Halbach, Waltherstudien II, Stammler-Festschrift, Berlin 1953, S. 51f.

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  11. Voraussetzung ist die Einführung des Hofküchenmeisteramtes durch Philipp i. J. 1202 und die Absetzung und Blendung des Isaak Angelos 1195, aktualisiert durch den Deutschlandaufenthalt des Alexios (IV., des Schwagers Philipps) im Herbst 1202. Die 2. Absetzung des Isaak Angelos und Alexios IV. i. J. 1204 mit ihren grauenvollen Begleitumständen, die zum Tode beider führten, ist keine notwendige Voraussetzung des Spruches. Dieser Ansatz steigerte vielmehr Walthers Affront gegenüber dem König und seiner Familie ins Unerträgliche und Unglaubwürdige. Auch kann dem Küchenwitz nur in unmittelbarer zeitlicher Nähe des neuen Amtes Aktualität zugesprochen werden. Siehe zum Problem L. Mackensen, Zu Walthers Spießbratenspruch, Panzer-Festschrift, Heidelberg 1950, S. 48–58.

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  12. Durch die Inanspruchnahme des Waltherzitats bei Wolfram, Parz. 297, 25–27 für den Aufgesang. Siehe H. Naumann, Guoten tac, boes unde guot, ZfdA 83 (1951/52), S. 125–127. Doch ist nicht zu übersehen, daß der zweimalige-uot-Reim (1/2, 9/12/13) mit je zwei identischen Reimen die Zugehörigkeit des Parzival-Zitats zum Sibech-Fragment in Frage stellt.

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  13. Dies dürfte der Grund gewesen sein, daß der Redaktor C diese beiden Strophen zusammengestellt hat; sie entsprechen seinen Prinzipien (siehe H. Schneider, Eine mhd. Liedersammlung als Kunstwerk, PBB 47 (1923), S. 225–260, bes. 226, 256f.; E.H. Kohnle, Studien zu den Ordnungsgrundsätzen mhd. Liederhss. (Tübinger Germ. Arbeiten XX), Stuttgart-Berlin 1934, S. 34, 37, 131). Dafür stört der Sammler die Reimresponsion zwischen 3, 12/13 und 5, 1/2. Der Entscheid für die ursprünglichere Ordnung kann nicht schwerfallen: Ein Leitwort (und höchster Wert!) wie gotes hulde kann weit auseinanderrücken und als Gruppenklammer dienen, der Reimgleichklang verlangt Nähe, um ins Ohr zu fallen.

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Die nachstehenden Überlegungen habe ich seit 1956 wiederholt in Vorlesungen und Seminarübungen, 1961 als Antrittsvorlesung in Würzburg, 1965 und 1966 an den Universitäten Heidelberg und München als Gastvorträge in wechselnder Gestalt vorgetragen.

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Ruh, K. Mittelhochdeutsche Spruchdichtung als gattungsgeschichtliches Problem. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 42, 309–324 (1968). https://doi.org/10.1007/BF03376417

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