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Die Erregung des Mitleids durch die Tragödie

Zu Lessings Ansichten über das Trauerspiel im Briefwechsel mit Mendelssohn und Nicolai

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Literatur

  1. »Es kann auffallen«, schreibt Danzel (Th.W. Danzel/G.E. Guhrauer, G.E. Lessing, Sein Leben und seine Werke, 2. Aufl., Bd. I, Berlin 1880, S. 184), »daß Lessing von Seneca redet, ohne diesen Dichter, welcher eine der Hauptautoritäten der französischen Tragiker … ist, heftig anzugreifen.« Die von Danzel vermutete Ursache, daß Lessings Seneca-Studie einer polemischen Absicht gegen Brumoy — und Gottsched (kann man hinzufügen) — entsprang, ist sehr bedenkenswert. Beiden verdankte ja Lessing die Anregung zu seinem Unternehmen einer ‘Theatralischen Bibliothek’ (vgl. Danzel I, S. 179), und beide hatten als Aufklärer scharf gegen Seneca Stellung bezogen. Lessings ‘Seneca’ war also eine »Rettung«, die ihn, wie Erich Schmidt sich ausdrückt, »beinahe in den Geschmack des 17. Jahrhunderts« zurücksinken ließ (E.Schmidt, Lessing, Geschichte seines Lebens und seiner Schriften, 3. Aufl., Bd. I, Berlin 1909, S. 296): mit seinen späteren Attacken gegen Corneille und die französische Tragödie läßt sie sich natürlich nicht vereinbaren (auch Corneille wird hier ja noch als »unnachahmlich« anerkannt [Lessing, Werke, Berlin: Hempel o.J., Teil 11, I, S. 411]). Allerdings konnte Lessings aufklärerisches Gewissen sich mit gewissen Stilzügen bei Seneca doch nicht ganz einverstanden erklären: »Er ist mit den poetischen Farben allzu verschwenderisch gewesen; er ist oft in seiner Zeichnung zu kühn; er treibt die Größe hier und da bis zur Schwulst, und die Natur scheinet bei ihm allzu viel von der Kunst zu haben« (a.a.O., S. 369). Es macht die Schwierigkeit des Polemikers Lessing deutlich, daß er dieses Urteil, das im Grunde seiner eigenen Meinung wohl am meisten entspricht, doch nicht ganz gelten lassen möchte, da es mit dem Gottscheds identisch ist, den unter allen Umständen zu bekämpfen er offenbar schon hier fest entschlossen scheint (vgl. die scharfe Stelle gegen Gottsched a.a.O., S. 378).

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  2. Aristoteles, Dichtkunst ins Deutsche übersetzet, mit Anmerkungen und besonderen Abhandlungen versehen von M. C. Curtius, Hann. 1753, S. 12.

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  3. R. Petschs Darstellung der Dubosschen Theorie in der Einleitung zu dem ‘Briefwechsel’ (S. XXIIIff.) ist völlig unzureichend, ja sie gibt geradezu eine falsche Vorstellung von dem, was Dubos zu sagen hat. Vgl. dagegen Alfred Bäumler, Kants Kritik der Urteilskraft, ihre Geschichte und Systematik, Bd. I, Halle 1923, S. 53ff.; und Ernst Cassirer, Die Philosophie der Aufklärung, Tübingen 1932, S. 405ff.

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  4. Dubos, Réflexions Critiques sur la Poésie et sur la Peinture, nouv. ed., Utrecht 1732, T. II, S. 178.

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  5. Vgl. dazu Max Frh. v. Waldberg, Der empfindsame Roman in Frankreich, 1. Teil, Straßburg/Berlin 1906.

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  6. Für unseren Zusammenhang ist natürlich die erste, 175 5 erschienene Fassung maßgebend (nicht die zweite im Rahmen der ‘Philosophischen Schriften’ erschienene »verbesserte Auflage« von 1771). Ich zitiere nach dem Wiederabdruck der ersten Fassung in: M. Mendelssohn, Gesammelte Schriften, Bd. I, Berlin 1929, S. 43–123.

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  7. Für Mendelssohn trifft also die — vielleicht zu allgemein gehaltene — Erklärung Sørensens zu: »in der Aufklärungsphilosophie … wird unter ‘symbolischer’ Erkenntnis die diskursive, durch logische Verstandesschlüsse und nicht durch sinnliche, intuitive Anschauung gewonnene Erkenntnis verstanden« (B.A. Sørensen, Symbol und Symbolismus in den ästhetischen Theorien des 18. Jahrhunderts und der deutschen Romantik, Kopenhagen 1963, S. 16).

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  8. Mendelssohn, Ges. Schriften I, S.48; G.F. Meier, Anfangsgründe aller schönen Wissenschaften, Bd. I, Halle 1748, S. 32.

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  9. Vgl. Fritz Bamberger in der Einleitung zu Mendelssohn, Ges. Schriften I, S. XXIXff. Sulzer hatte seine Theorie vor der Berliner Akademie 1751 u. 52 entwickelt (abgedruckt in den ‘Mémoires’ der Akademie 1753 u. 54; deutsch in: J.G. Sulzer, Vermischte Philosophische Schriften, Bd. I, Leipzig 1773, S. 1–98). Gegenüber Sulzer sind die Einwirkungen Shaftesburys und Lockes auf Mendelssohns ‘Briefe’ recht unbedeutend (Fr.Bamberger, a.a.O., S. XXVIIIf.).

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  10. Max Kommereil, Lessing und Aristoteles, 2. Aufl. Frankfurt 1957, S. 278. Auch Calepio wendet sich gegen die Verwunderung (Petsch, S. XXXIII; vgl. auch Nolte, S. 323).

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  11. Petsch, S. 54. — Diese Worte Lessings sind doch eigentlich deutlich genug. Nur wenn man sie gar nicht zur Kenntnis nimmt, kann man zu der Beteuerung gelangen, Lessing gebrauche das Wort ‘Mitleid’ »in einem rein ästhetischen Sinn«; es sei ein »kunsttheoretisches Fachwort« (Armand Nivelle, Kunst- und Dichtungstheorien zwischen Aufklärung und Klassik, Berlin 1960, S. 104f., 106). Nivelles generelle Behauptung stützt sich allerdings nur auf (wenige) Stellen aus der ‘Dramaturgie’ und dem ‘Laokoon’ — deshalb kann sie hier im einzelnen nicht erörtert werden —; auf Lessings Position zur Zeit des Briefwechsels trifft sie jedenfalls nicht zu. Ist es angängig, diese einfach zu ignorieren und nicht wenigstens eine entsprechende Einschränkung zu machen? Freilich hätte Nivelle dann seine allgemein geäußerte Ansicht aufgeben müssen, daß alle »verstreuten Ideen« Lessings »Elemente eines echten Systems« seien und »daß vielleicht kaum eine Stichelei seiner angriffslustigen Feder in Widerspruch mit den abstrakten und klar formulierten Prinzipien des Laokoon steht« (a.a.O., S. 85).

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  12. R. Newald, Von Klopstock bis zu Goethes Tod (H. de Boor/R. Newald, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. VI, 1), München 1957, S. 54.

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Michelsen, P. Die Erregung des Mitleids durch die Tragödie. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 40, 548–566 (1966). https://doi.org/10.1007/BF03375240

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