Literatur
L. Hoffmann-Erbrecht, Deutsche und italienische Klaviermusik zur Bachzeit, Jenaer Beiträge zur Musikforschung I, 1954, S. 123 ff.
Die Literaturwissenschaft versteht (nach F. J. Schneider, Die deutsche Dichtung der Geniezeit, 1952, S. 1) Sturm und Drang als den «Höhepunkt der Geniezeit», d. i. die Mitte des Jahrzehntes 1770–1780.
Als Beispiel für diese Perspektive gelte J. Handschins Formulierung (Musikgeschichte, Luzern 1948, S. 334/6): daß bei J. Stamitz «neben dem musikalischen Stürmen und Drängen das Gleichgewicht der formalen Haltung fehlt, wie es zumWesen des klassischen Stils gehört», und sich auch bei Ph. Em. Bach «eine Schwäche des Formsinnes» zeigt gegenüber seinem «betonten Streben nach Tiefsinn».
Wir wollen die Primäre Ausdrucksform des musikalischen Kunstwerks im 18. Jh. nicht unmittelbar in Verbindung sehen mit dem Begriff der Inneren Form, wie er sich von Shaftesbury aus verbreitete und besonders von Herder auf das Kunstwerk übertragen wurde. Vgl. R. Schwinger, Innere Form, 1935. Von den Merkmalen, die dieser Begriff bei Goethe, Schleiermacher, Humboldt bewahrt, scheint in der Bewegung des Sturms und Drangs eine Zeitlang in den Vordergrund zu treten, daß die Form «als Ausdruck, als Offenbarung des Inneren begriffen wird... Die Form des Werkes wird zum Ausdruck der seelischen Eigenart des Künstlers» (Schwinger, S. 22 f.). Doch wäre das eine Vereinfachung des Begriffes der Inneren Form, die ihm nicht gerecht wird. Indessen soll die Primäre Ausdrucksform in der Musik des 18. Jhs. nur gerade in diesem einfachen Sinne verstanden werden.
Die Hohe, Mittlere und Niedrige Schreibart, wie sie bes. J. A. Scheibe in seinem ‘Critischen Musicus’ XIII, 1737, S. 99 ff., im Anschluß an Grottscheds ‘Redekunst’ (1728) entwickelte, lassen wir beiseite, da sich diese Einteilung für die Musik nicht durchsetzte («Es sind nur Nebendinge und zufällige Ausdrücke», J. Mattheson, Vollk. Capellmeister, 1739, S. 69).
Vgl. H. David, Schobert als Sonatenkomponist, Diss. Berlin 1928, S. 1 ff.; H. Riemann, Einleitung zu den Denkmälern der Tonkunst in Bayern III 1 und VII 2
W. Gurlitt, Die europäischen Musiknationen, Schola II, 1947, S. 154.
Thr. Georgiades, Musik und Sprache, 1954, bes. S. 89 ff. und 115 ff., wo diese neue Sprachfähigkeit der Musik unmittelbar aus dem Verhältnis von Musik und Sprache in der italienischen Theatermusik (bes. in der Pergolesischen Opera buffa, seit 1733) abgeleitet ist. Vgl. auch J. Handschin, S. 299, über die Triosonaten Pergolesis: «der neue Ton in der Instrumentalmusik hat entschieden etwas mit dem heiteren Wesen der Opera buffa zu tun» (dazu deren Charakteristik S. 292), auch F. Tutenbergs Kapitel über die «Buffosinfonik» in: Die Sinfonik J. Chr. Bachs, 1928, S. 126 ff. - «Der gleichmäßige Fluß verwandelt sich in ein persönliches Gegenüber des Du und Du. Die ‘dramatische’ Wendung... ist das Neue, das in die Musik einzieht» (R. Sondheimer über die Sinfonien von Franz Beck, Zs. f. Musikwiss. IV, 1921/22, S. 337).
S. Melchinger, Der Kampf des Sturms und Drangs gegen das Drama der Aufklarung, Diss. Tübingen 1927.
Vgl. R. Schäfke, Quantz als Ästhetiker. Eine Einführung in die Musikästhetik des galanten Stils, Arch. f. Musikwiss. VI, 1924, S. 213 ff.
E. Bücken, Der galante Stil, Zs. f. Musikwiss. VI, 1923/24, S. 418 ff. Zur Wortgeschichte s. Kluge-Götze, Etymol. Wörterb. 16 1953 und die dort angegebene Literatur.
Ähnlich ist das Problem im Anschluß an das barocke Affectus exprimere soeben formuliert von R. Dammann (Zur Musiklehre des Andreas Werckmeister, Arch. f. Musikwiss. XI, 1954, S. 224 f.): «Der Mensch ist im Barock-Zeitalter der Gegenstand, der von der Musik her bewegt wird. Erst in späteren Dezennien des 18. Jhs. und vollends im 19. Jh. kommt es mehr und mehr zur Umkehrung dieses Verhältnisses: jetzt wird die Musik der Gegenstand, dem der Mensch, als Subjekt, seine individuellen Erapfindungen anvertraut.»
Wir arbeiten zunächst mit solchen Wörtern und Wendungen, die — dem Musiksehrifttum des begonnenen 18. Jhs. seinem ganzen Umfange nach entnommen — als typisch zu werten sind. Namen und Seitenzahlen verweisen dann im einzelnen auf folgende Schrifben (in alphabetischer Reihenfolge): Ph. Em. Bach, Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen I, Berlin 1753; M.P. Gui de Chabanon, Observations sur la Musique et principalement sur la Métaphysique de l’art, Paris 1779 (übersetzt von J. A. Hiller als Über die Musik und deren Wirkungen, Leipzig 1781); J. J. Engel, Über die musikalische Malerei, Berlin 1780
J. N. Forkel, Musikal. krit. Bibliothek’ I, Gotha 1778
J. D. Heinichen, Der General-Baß in der Composition, Dresden 1728; W. Heinse, Sämtl. Werke, hg. von C. Schüddekopf, Leipzig 1900 ff. (‘Hildegard von Hohenthal’, 1794, veröffentl. 1795/6, GA Bd. V u. VI); J. G. Herder, Viertes Kritisches Wäldchen 1769 (abgek. W) und Kalligone 1800 (abgek. K), Sämtl. Werke, hg. von B. Suphan, Bd. IV u. XXII; J. Mattheson, Der Vollkommene Capellmeister, Hamburg 1739; F. W. Marpurg, Hist.-Krit. Beiträge zur Aufnahme der Musik, Berlin 1754 ff.; H. G. Nägeli, Vorlesungen über Musik, Stuttgart und Tübingen 1826; Chr. Nichelmann, Die Melodie nach ihrem Wesen sowohl als nach ihren Eigenschaften, Danzig 1755; J.J. Quantz, Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen, Berlin 1752; J. F. Reichardt, Musikalisches Kunstmagazin I, Berlin 1782; J. J. Rousseau, Dictionnaire de Musique, Paris 1768; J. A. Schlegel, Einschränkungen der schönen Künste auf einen einzigen Grundsatz 1752 (eine Krit. Übersetzung des Batteuxschen Werkes), 3. Aufl. Leipzig 1770; C.F. D. Schubart, Ges. Schriften, Stuttgart 1839/40; Bd.V: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst (1777/87, ed. posth. von Ludwig Schubart); J. G. Sulzer, Allgemeine Theorie der schönen Künste, Berlin 1771/74.
Zum Gesaratkomplex scbrieben bes. E. Katz, Die musikalischen Stilbegriffe des 17. Jbs., Diss. Freiburg i. Br. 1926; A. Sobering, Das Symbol in der Musik (bg. von W. Gurlitt, 1941), M. Bukofzer, Allegory in Baroque Music, Journal of the Warburg Institute III, 1939/40; W. Gurlitt, Musik und Rbetorik, Zs. Helicon V, 1944; A. Scbmitz, Die Bildlichkeit der Wortgebundenen Musik Bachs, 1950; F. Blume, MGG Art. Barock, bes. Sp. 1290 ff. und 1296 ff.
Vom 18. Jh. herkommend haben wir die Gedankenfäden dieses Buches neu zu entwirren versucht, mit einem anderen Ergebnis gegenüber den bisherigen Darstellungen: H. Müller, Vjschr. f. Musikwiss. III, 1887; H. Goldschmidt, Riemann-Festschrift 1909; E. Utitz, W. Heinse und die Ästhetik zur Zeit der deutschen Aufklärung, 1906; W. Hilbert, Die Musikästhetik der Frühromantik, 1911, S. 30 ff.; R. v. Lauppert, Die Musikästhetik W. Heinses, Diss. Greifswald 1912; vgl. ferner die Darstellungen in den Büchern zur Musikbedeutung von P. Moos, H. Goldschmidt und W. Serauky, neuerdings auch R. Gilg-Ludwig, Heinses ‘Hildegard von Hohenthal’, Diss. Zürich 1951 (bespr. von W. Serauky in: Die Musikforschung VI, 1953, S. 69 f.).
Vgl. die treffliche Darstellung der romantischen Palestrina-Entdeckung bei H. Besseler, Die Musik des Mittelalters und der Renaissance, 1931, Einleitung S. 4ff.
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Eggebrecht, H.H. Das Ausdrucks-Prinzip Im Musikalischen Sturm und Drang. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 29, 323–349 (1955). https://doi.org/10.1007/BF03374825
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