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Zusammenfassung

Einsamkeit erfährt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine raumzeitliche Flexibilisierung und emotionale Dynamisierung; sie wird nun als poeto- und pathogène ‚Lage der Seele’ verstanden. Diesen Semantisierungsprozess stellt der Aufsatz vor und zeigt auf dieser Grundlage neue Perspektiven u. a. für Goethes Leiden des jungen Werthers auf.

Abstract

In the late 18th century, the notion of ‘solitude ’ takes on a broader meaning both in terms of time and space and in terms of its emotional dimension: it becomes a poetogenic and pathogenic ‘state of the sou’. The essay retraces this process of semantization and offers on this basis new perspectives on, among others, Goethe’s Sorrows of Young Werther.

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Literature

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Wittler, K. Einsamkeit Ein literarisches Gefühl im 18. Jahrhundert. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 87, 186–216 (2013). https://doi.org/10.1007/BF03374675

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