Zusammenfassung
Vorliegender Rückblick untersucht die geschichtliche Entwicklung der fraktionierten Röntgentherapie im deutschsprachigen Raum bis zum Zweiten Weltkrieg. Die fraktionierte Behandlung scheint ihren Ursprung bereits mit den ersten Ansätzen der Fraktionierung durch Freund im Jahre 1896 zu haben. Die fraktionierte Strahlentherapie konnte sich in der Folge gegenüber der sogenannten Einzeit-oder Intensivbestrahlung in Deutschland nicht durchsetzen. Bis in die zwanziger Jahre hinein gab es aber immer wieder vereinzelte Versuche, die Strahlendosis aus verschiedenen Motivationen heraus über einen längeren Zeitraum zu verteilen. Erst Ende der zwanziger Jahre waren die Bedingungen für einen Aufschwung der fraktionierten Bestrahlungen im deutschsprachigen Raum günstig, vor allem da sich die Intensivbestrahlung aufgrund ihrer Mißerfolge im Niedergang befand. Der Anstoß hierfür kam jedoch aus Frankreich, wo Coutard eine individuell ausgerichtete, empirische Bestrahlungsform mit großem klinischen Erfolg entwickelt hatte. Diese verbreitete sich mit ihren Modifikationen und Weiterentwicklungen rasch in Europa und Amerika. Trotz der Ähnlichkeiten der verschiedenen Fraktionierungsmethoden in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts läßt sich in der damaligen radiologischen Literatur jedoch keine logische, wissenschaftliche Verknüpfung dieser methoden entdecken, sondern vielmehr ein Durcheinander und Überlappen von Bestrahlungsversuchen unterschiedlichster Motivierungen. Die Strahlentherapie, und damit auch die heute gebräuchliche Standardfraktionierung von 1,8 bis 2 Gy pro Fraktion fünfmal pro Woche, entstand weniger aus einer wissenschaftlichen Grundlage heraus, sondern entsprang individueller Patientenbeobachtung und empirischer Erfahrungsgewinnung.
Abstract
This review studies the historical development of fractionated X-ray therapy in the German speaking countries until World War II. Fractionated treatments appear to have their origin already in the first attempts of fractionation performed by Freund in 1896. In the following, fractionated treatments could not compete with the so-called single dose or intensive radiation treatment in Germany. However, until the 1920s there were repeated sporadic attempts of various motifs to distribute the radiation doses over a prolonged period of time. Only with the end of the 1920s the conditions for a rise of fractionated irradiation were favourable, mainly due the fiasco of the intensive treatments and their subsequent decline. The impulse for this rise, however, came from France where Coutard had developed an individual empirical treatment regimen with great clinical success. This technique and its modifications and developments spread over Europe and America fast. In spite of the similarities between the various fractionation methods used during the first decades of the century, review of the radiological literature of that time fails to show any logical scientific connection of these methods, but rather there was a mix and overlap of irradiation attempts of various motivations. Thus, radiation therapy, and thereby the current standard fractionation scheme of 1.8 to 2 Gy per fraction 5 times per week, obviously did not grow out of a scientific basis, but originated from individual observation of patients and empirical experience.
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Willers, H., Heilmann, H.P. & Beck-Bornholdt, H.P. Ein Jahrhundert Strahlentherapie. Strahlenther Onkol 174, 53–63 (1998). https://doi.org/10.1007/BF03038475
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