Zusammenfassung
Mit dem Beitritt Ostdeutschlands zur Bundesrepublik war die weitere Entwicklung der Struktur der ambulanten ärztlichen Versorgung in den neuen Bundesländern zumindest hinsichtlich ihrer Dynamik noch offen, und von Beteiligten wie Beobachtern wurde ein eher langsamer Anpassungsprozeβ an das westdeutsche Modell erwartet. Tatsächlich ist der übergang vom poliklinischen System zur Versorgung nahezu ausschlieβlich durch niedergelassene ärzte allerdings extrem schnell realisiert worden, obwohl die ostdeutschen ärzte in der ersten Phase nach der Wende in der DDR mehrheitlich gegenüber dieser Entwicklung skeptisch waren. Der Beitrag versucht auf Basis sowohl quantitativer Daten wie Experteninterviews und einer umfassenden Dokumentenauswertung eine empirisch abgestützte Erklärung für die hohe und ex ante unerwartete Dynamik des Transformationsprozesses. Er kommt zu dem Ergebnis, daβ sich einerseits die Präferenzen von Teilen der ärzte gegenüber der anfänglichen Skepsis in bezug auf das westdeutsche Modell gewandelt haben, andererseits diese Entwicklung überlagert wird von der Gestaltung der rechtlichen und faktischen Rahmenbedingungen für ärztliches Handeln durch staatliche und verbandliche Akteure: der gewichtigste Grund für die Entscheidung ehemaliger Poliklinikärzte für eine Niederlassung war die Erwartung, in Angestelltentätigkeit längerfristig einer ambulanten ärztlichen Tätigkeit nicht nachgehen zu können. Insbesondere dem Verhalten der Kommunen als Träger der Polikliniken kommt hierbei entscheidende Bedeutung zu.
Abstract
With the East German state’s accession to the FRG, the dynamic of the future development of the ambulatory medical sector was still unclear; a slow process of adaptation to the West German model was seen most likely. In fact, however, the transformation from the polyclinic system to the West German system of office based physicians took place very rapidly; although a majority of the East German doctors in the early phase after the political change in East Germany was sceptical on such a development. This article tries to offer an explanation for this rapid and ex ante unexpected dynamic of the process of transformation. The study is based on quantitative data as well as on expert interviews and a study of relevant documents. It is proposed that the dynamic is based partly on a change of preferences of doctors in comparison to the early phase after the political change in East Germany. More important, however, is the management of the legal and factual framework for the doctors decisions by governmental actors and semi-public interest groups. The most important reason for former polyclinic doctors to become office-based was their expectation, that in the long run it would not be possible to stay in the polyclinics. The activities of the local governments, who were running the polyclinics, were particularly decisive in this respect.
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Der Verfasser dankt Renate Mayntz, Fritz Scharpf sowie zwei anonymen Gutachtern für kritische Anmerkungen zu einer früheren Fassung des Papiers.
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Wasem, J. Systemwechsel in der ambulanten ärztlichen Versorgung — Erklärungen aus der Perspektive der ostdeutschen ärzte. Z. f. Gesundheitswiss. 3, 293–310 (1995). https://doi.org/10.1007/BF02960043
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