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Ein Fall von aphasischen Symptomen, Hemianopsie, amnestischer Farbenblindheit und Seelenlähmung

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  1. Sonderbarer Weise ist diese beste Methode der Anlegung von Durch-schnitten durch das ganze frische Gehirn ziemlich unbekannt. Es mag deshalb am Platze sein, das Verfabren kurz anzugeben: Einlegen des von der Pia befreiten Gehirnes während etwa 1–2 Stunden in folgende Masse, die im Wasserbade auf 40–50° gehalten wird: Gelatina puriss. 150,0. Aqu. dest. 500,0, Glycerin 1000,0 Nachher ist es günstig, wenn auch nicht durchaus nothwendig, das Gehirn sammt der Gelatine unter die Luftpumpe zu bringen, den grösseren Theil der Luft auszupumpen, und das Hirn unter der Glocke erkalten zu lassen. Auslösen des Gehirns sammt der Masse aus dem Gefäss; Einlegen in's Gudden'sche Mikrotom und Umgiessen mit der Gelatinemasse. Schneiden mit kurzen schiefen Stössen des Messers, nicht indem man dasselbe in einem Zuge durchführt wie bei gehärteten, Präparaten. Die wichtigen Furchen können vor dem Einlegen in Gelatine durch reichliches Einstreuen farbiger, unlöslicher Pulver bezeichnet werden. (Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1881. No. 29, woselbst die Menge der Gelatine 10 mal zu gering angegeben ist.)

  2. Vergl. auch Raymond, De l'anesthésie cutanée et musculaire géné-ralisée etc. Revue de méd. 10. Mai et 10. Juill. 1891.

  3. Huglings Jackson (Brain II. p. 352) macht in einem anderen Zusammenhang die gleiche Bemerkung.

  4. Vergl. auch die zu wenig beachtete Schrift von M. Dessoir: Das Doppel-Ich.

  5. Allen Starr (Med. Record 1888) glaubt Apraxie auf einen einseitigen Herd zurückführen zu müssen. Auch Bernheim (Revue de méd. 10.V. 1891) hat einen Fall partieller Seelenblindheit bei einseitigem Herd veröffentlicht.

  6. Die Inselaphasien, wenn solche wirklich vorkommen, sind überhaupt nicht zu studiren. Nach Bastian macht Unterbrechung der Fasern zwischen acustischem und kinästhetischem Wortcentrum (AM) typische motorische Aphasie. Nach Dejerine werden bei Inselläsionen nicht nur die Fasern AM, sondern auch die Bahnen BM vernichtet. Raymond (Gaz. des hôpit. 1890, p. 649), der diese Hypothese acceptirt, spricht ebenfalls von typischer motorischer Aphasie bei Inselherden. In seiner Zusammenstellung von acht (bloss französischen) Fällen fehlt aber die Agraphie und in einem Falle war das Nachsprechen erhalten. Die Auffassung Lichtheim's und Wernicke's ist bekannnt. Unser Fall mit seiner vernichteten Insel und den geringen, d. h. nicht localisirbaren Sprachstörungen spricht nicht dafür, dass der Insel eine grosse Rolle beim Sprechact zukomme.

  7. Die Bahn für das Nachsprechen muss also wohl über den Sitz des Bewusstseins gehen. Dieser fällt anatomisch zusammen mit dem Begriffsceutrum Lichtheim's. Es ist deshalb nur selbstverständlich, dass bei Unter-brechung der Bahn B. A. Kussmaul's auch die Bahn für das Nachsprechen, welche wenigstens in der Nähe des Sprachcentrums anatomisch gleich verläuft, wie die Bahn A. B. unterbrochen werden kann. Damit fällt der wichtigste Grund, welcher Lichtheim zwingt, eine directe Bahn B. M. anzunehmen (vergl. hierzu auch die Einwände Freud's) Nach dieser Auffassung muss beim bewussten Sprechen der Weg vom Begriff zum Klangbild und von diesem wieder durch das Begriffscentrum d.h. durch einen grösseren Theil der Hirnrinde, zur motorischen Abgangsstation gehen. Der erste Theil der Bahn vom Begriff zu einem bestimmten Klangbild ist natürlich ein vielfacher; dem gleichen Begriff können verschiedenen Klangbilder, verschiedenen Begriffen das gleiche, Klangbild entsprechen. Das Umsetzen der Gedanken in Worte bleibt deshalb ein complicirter, verhältnissmässig schwieriger Vorgang, der uns auch im späteren Leben trotz aller Uebung nur zu oft Mühe macht und bewusst wird. Der zweite Theil der Bahn, der vom Klangbild zum motorischen Centrum führt, lässt dagegen keine Modificationen zu. Das gleiche Klangbild wird immer auf gleiche Weise in Sprechbewegung umgesetzt. Der Vorgang wird deshalb schon in der Jugend ein fest eingeübter, rein mechanischer und unbewusst verlaufender. Daraus erklärt sich die Resistenz desselben, gegen Störungen durch Hirnläsion.

  8. Ein Paraphasiker Charpentier's (Gazette des hôpitaux 1891, p 223) suchte vom richtig gefundenen ersten Buchstaben eines Wortes aus die Fortsetzung, indem, er z. B. um “couteau” zu finden, der Reihe nach eine Anzahl mit c beginnender Silben bersagte “wie wenn er ein Wörterbuch durchblätterte”.

  9. Ich setze hierbei wie in der Note S. 57 bemerkt, mit Kussmaul, Freud und Anderen voraus, dass der Weg vom Begriffscentrum zum motorischen Sprechapparat über die Klangstätte gehe, und dass bei der amnetischen Aphasie die Schwierigkeit, die Klangbilder willkürlich zu erregen, das Wesentliche sei. Die Beobachtung lehrt das in jedem Falle; auch Lichtheim giebt zu, dass bei dieser Störung auch das Klangbild fehle. Alle anderen Sinneseindrücke können wir direct reproduciren, ohne entsprechende motorische Centren zu innerviren, warum soll man die Klangbilder der Wörter nur über das motorische, Sprachcentrum erregen? Die folgende Ueberlegung wäre übrigens mutatis mutandis auch für die Lichtheim' sche Annahme vollkommen gültig.

  10. Wie früher schon angedeutet, setze ich voraus, dass das Begriffscentrum ungefähr die ganze Hirnrinde einnehme, wenn auch beim Denken nicht in jedem gegebenen Moment jeder Theil desselben nothwendig in Action sein muss. Auch die Erinnerungsbilder centripetaler Eindrücke, sowie diejenigen für Muskelactionen kann ich mir unmöglich in einer bestimmten Zelle oder in einer umschriebenen Zellgruppe, von denen jede nur ein einziges Erinnerungsbild aufgenommen habe, vorher aber ein leeres Magazin gewesen sei, localisirt denken. Die “dynamischen Spuren”, welche die Wahrnehmungen hinterlassen haben, können doch nur sehr diffuse sein und müssen sich ver-theilen auf eine grosse Anzahl von Elementen, die in anderer Combination und in anderen Verhältnissen ihrer Theilnahme auch zur Aufbewahrung anderer Sinnesbilder dienen. Die Stelle, wo der Reiz aukommt, oder abgeht, würde in dieser Auffassung etwa den Focus und unter allen Umständen den noth-wendigsten Theil der das Erinnerungsbild aufnehmenden Rindenfläche bilden. In diesem Sinne ist die locale und functionelle Beschränkung des einzelnen Erinnerungsbildes gegenüber dem Begriffscentrum zu verstehen. Ich habe keine Lust gegen die strenge Localisationstheorie (z. B. bei Wilbrand) zu Felde zu ziehen, da ich annehme, sie werde von selbst, bald verlassen werden, halte es aber zum Verständniss des Folgenden für nöthig, meine Anschauungen anzudeuten.

  11. Die Ueberlegung lässt sich mutatis mutandis schon auf periphere Störungen anwenden. Auch nach Nervenverletzungen sind motorische, Lähmungen viel häufiger, intensiver und dauernder als sensible.

  12. Ausnahmsweise kann der Name das Allgemeinere sein Wenn unter den Herren Meier, die ich kenne, einer ist, den ich nur flüchtig gesehen habe, so ruft die Vorstellung seiner Person weniger Associationen hervor, als der Sammelname Meier, der mit einer grösseren Anzahl Vorstellungen individueller Meier verbunden ist. Wenn ich mir nun die Persönlichkeit jenes flüchtig gesehenen Meier vorstelle, werde ich sicher auch den Namen gegenwärtig haben. Höre ich aber ohne jeden Zusammenhang von einem Herrn Meier, so denke ich nie, oder doch nur ausnahmsweise an diesen bestimmten herrn, und um dessen Vorstellung in mir wach zu rufen, muss man noch, eine Anzahl anderer Associationen zu Hülfe nehmen.

  13. Die Ansicht, dass man nur in Worten denke, widerspricht aller Erfahrung.

  14. Die Beantwortung einer solchen Frage erfordert das, was Hughlings Jackson in einer sehr richtigen Unterscheidung einen “superior speech” nennt (Brain I. p. 317). Je mehr für gewisse Umstände eingeübt (automatischer, organisirter) eine Pharase, ein Wort ist, um so weniger Geistesarbeit vorlangt das Aussprechen desselben, um so mehr wird es zum “inferior speech”.

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Hierzu Taf. II.

Der tit. Redaction eingesandt Anfang Mai 1892.

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Bleuler, E. Ein Fall von aphasischen Symptomen, Hemianopsie, amnestischer Farbenblindheit und Seelenlähmung. Archiv f. Psychiatrie 25, 32–73 (1893). https://doi.org/10.1007/BF02679114

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