Ein kahles Zimmer, weiss getüncht und ohne Den kleinsten Schmuck, der Leben würdig macht. Das einzge Ornament: der dunkle Streifen Auf roher Bretterdiele, drauf den Weg Vom Pult zum Bücherschrank millionen Male Kants ruheloser Schuallenschuh gesucht.— Nun schiebt der Zwerg, gebückt, nnsüglich mager, Sorglich zurecht das Kissen auf dem Stuhl, Sein Diener legt behutsam auf die niedre Von hoher Schulter seinen Zopf und geht. Kant starrt durchs Fenster auf zu dem Kometen, Und märchenschön wird jäh der blaue Blick Des wunderlichen ganz einsamen Mannes, Des Manns, der handelte wie die Natur, Keiner Erziehung fähig und bedürftig. Zugleich notwendig ganz, und ganz auch frei: ‘Zwei Dinge sind es, die das Herz des Menschen Mit immer neuer Ehrfurcht anerfüllen: Du über mir gestirnter ewger Himmel, Und du in mir, du sittliches Gesetz.’
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Kanngiesser, F. Zur Pathographie des Immanuel Kant. Arch. F. Psychiatr. U. Z. Neur. 60, 219–222 (1919). https://doi.org/10.1007/BF02538197
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF02538197