Zusammenfassung
Wenn wir nun die Ergebnisse unserer Untersuchungen überblicken, so kommen wir zu folgenden Schlußsätzen:
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1.
In zahlreichen Schnittpräparaten aus dem Säuglingsknochenmark sind ganz deutliche Übergangsformen von ungranulierten Zellen zu den neutrophilen Myelocyten sichtbar; dadurch ist die direkte Entstehung der Myelocyten aus undifferenzierten granulationslosen Zellen, die bisher nur für das fötale menschliche Knochenmark, für pathologische Blutbildung beim Menschen und für das normale Knochenmark des neugeborenen Kaninchens und Meerschweinchens erhärtet wurde, auch für das normale postfötale Knochenmark des Menschen erwiesen.
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2.
Das Knochenmark der während der Geburt verstorbenen Kinder zeichnet sich durch einen auffallenden Reichtum an polymorphkernigen Neutrophilen aus — in Analogie zur neutrophilen Leukocytose des Blutes des Neugeborenen.
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3.
Das Knochenmark von Föten sowie auch von ganz jungen Säuglingen (bis zu 14 Tagen), bei denen keine leukocytotische Erkrankung vorangegangen ist, zeichnet sich durch ein bedeutendes Überwiegen der ungranulierten Zellen über die granulierten Neutrophilen aus.
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4.
Bei den älteren Säuglingen, die an einer akuten oder chronischen Krankheit gestorben sind, sind die Zahlen der granulierten neutrophilen Zellen wechselnd, von ganz geringen Werten beginnend, wie in der vorher erwähnten Gruppe, bis zu 90%; jedenfalls läßt es sich feststellen, daß die geringsten Werte bei einem kräftigen, schnell verstorbenen Kind (Croup) und bei einem Masernkind sich fanden, also in Fällen, die bei Lebzeiten keine Leukocytose, eher Leukopenie hatten. Die höchsten Werte der granulierten Zellen fanden sich in Fällen von langwierigen pyogenen Erkrankungen und bei langdauernden chronischen Gastroenteritiden; diese Erkrankungen gehen erfahrungsgemäß mit hoher und langdauernder neutrophiler Leukocytose einher. In den 9 Fällen, in welchen in vivo Blutuntersuchungen vorgenommen wurden, ließ sich nahezu immer eine Übereinstimmung zwischen der Intensität der neutrophilen Leukocytose des Blutes und dem Reichtum des Knochenmarks an Granulocyten feststellen.
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5.
Als Eigentümlichkeit der Schnittpräparate ließ sich der Zellreichtum des Gewebes, welcher besonders in dem granulocytenreichen Knochenmarke intensiv war, feststellen. Retikulärer Bau war nur äußerst selten im Knochenmarke erhalten.
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6.
In den Schnittpräparaten fielen die meistens zahlreichen Megakaryocyten auf.
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7.
Die von Oehme so oft gefundenen Lymphfollikel haben wir unter unseren Präparaten nur einmal beobachten können.
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Die Krankengeschichten und Blutbefunde stammen aus der Kinderabteilung des Kaiser-Franz-Joseph-Spitals (Vorst.: Doc. P. Moser) und der Kinderklinik in Lemberg (Vorst.: Prof. Raczyński).
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Lateiner-Mayerhofer, M. Histologische und cytologische Untersuchungen am Knochenmark des Säuglings. Z. Kinder-Heilk. 10, 152–184 (1914). https://doi.org/10.1007/BF02087202
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