Skip to main content
Log in

über das weiße Blutbild und die Nagelfalzcapillaren bei jugendlichen Geistesschwachen

II. Mitteilung über Capillarformen bei Geistesschwachen

  • Published:
Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

  1. I.

    Das an einer größeren Anzahl von Geistesschwachen (343 Fälle) bei genügend oft wiederholter Untersuchung gewonnene weiße Blutbild zeigte im Durchschnitt (Abb. 1–6) als Auffälligkeiten besonders bei jugendlichen Idioten: hohe Gesamtzahlen der weißen Blutkörperchen, Lymphocytose, anfängliche starke Neutrophüie und Eosinophilie (vgl. auch S. 771). Von diesem Durchschnitt abweichend waren Einzelgruppen der Idiotie wie die des Dysgenitalismus verschiedener Art der mongoloiden Idiotie, der Hypothyreotiker, der frühzeitig ausgebildeten Hypoplastiker und Zwerge hämatologisch einigermaßen charakterisierbar.

  2. II.

    Die Entwicklung der Nagelfalzcapillaren wurde bei Idioten besonders während der ersten Lebenszeit verfolgt. Dabei zeigte sich:

  3. 1.

    daß bei der Hauptgruppe des „angeborenen“ Schwachsinns im Bezirk der Provinz Hannover vorwiegend weitgehend korrigierte Archiformen (Archikorrekturformen oder PseudoneocapillarenHoepfners) ohne Neigung zu produktiven Bildungen gefunden wurden.

  4. 2.

    daß in der ersten Kindheit eine auch für die Behandlung wichtige Unterscheidung der Geistesschwachen nach den Capillarformen in die zum Myxödem neigenden Idioten einerseits (entsprechend dem TypHertoghe undBrisseaud) und die infantilistisch besonders zurückgebliebenen Idioten andererseits (dem TypLasèque undLorain entsprechend) besonders leicht möglich ist.

  5. 3.

    Es läßt sich drittens die frühere Beschreibung auffälliger Capillarformen für Sondergruppen der Idiotie aufrecht erhalten und erweitern; so bei Idiotie infolge von organischen Erkrankungen des Zentralnervensystems, bei athetotischem Schwachsinn und Chorea mit psychischer Entwicklungsstörung, bei halbseitig gelähmten und epileptischen Idioten, schließlich bei Idiotie mit Nebenniereninsuffizienz.

  6. III.

    Durch die Hämatologie und besonders durch die Capillaroskopie läßt sich vielfach in übereinstimmung mit anderen körperlichen Untersuchungsmethoden wie Körpermesssung und -wägung ein tieferes Verständnis gewinnen für das Bild der körperlichen und geistigen Entwicklung der meisten Idioten, die — besonders auffällig ist das auch an den meisten Hirnbefunden bei Geistesschwachen erkennbar – eine minderwertige und gehemmte, vielfach fetale Anlage während der ersten Lebenszeit behalten und nun statt einer regelrechten Fortentwicklung (Ausdifferenzierung) frühzeitig regressive Veränderungen erleiden mit häufiger Unterfunktion der betroffenen Organe und stärkerer Anfälligkeit für alle möglichen Schädigungen des Lebens.

  7. IV.

    Die Gewinnung einer möglichst genauen Kenntnis von dem jeweiligen Entwicklungszustand des einzelnen Idioten durch körperliche Untersuchungsmethoden schien uns praktisch wertvoll zu sein, um danach den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem die geistige und körperliche Förderung durch Heilpädagogik und womöglich durch medikamentöse Behandlung einsetzen muß bzw. noch Erfolge verspricht. Bei diesem Bestreben sollte nach unserer Erfahrung der Differenzierungszustand der Capillaren an erster Stelle berücksichtigt werden, denn gerade die jugendlichen Idioten mit verschiedenen Capillarformen scheinen bis zur endgültigen Ausprägung der Capillarformen therapeutisch am ehesten beeinflußt werden zu können.

  8. V.

    Bei der Auswahl therapeutischer Mittel wurden außer Jod (in 186 Fällen) verschiedene Drüsenpräparate bzw. eine Mischung derselben und schließlich eine Tuberkulinkur versucht, letztere als ein auch psychisch förderndes Reizmittel bei dafür besonders empfänglichen Kindern mit meist intermediären Capillaren. Diese Versuche können jedenfalls angesichts der bisher oft weitgehenden therapeutischen Hoffnungslosigkeit auf dem Gebiete des jugendlichen Schwachsinns zu weiterer Prüfung anregen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Price excludes VAT (USA)
Tax calculation will be finalised during checkout.

Instant access to the full article PDF.

Literaturverzeichnis

  • Anton, G.: Vier Vorträge über Entwicklungsstörungen bei Kindern. Berlin: Karger 1908.

    Google Scholar 

  • Arneth: Qualitative Blutlehre 1920–1926.

  • Bauer: Konstitution. Dispos. z. inn. Krankh. Berlin: Jul. Springer 1917.

    Google Scholar 

  • Carstanjen: Jb. Kinderheilk.1900.

  • Daiber, G.: Arch. f. Psychiatr. 76, 469 (1926).

    Article  Google Scholar 

  • Dearborn, W. F.: Formen des Infantilismus mit Berücksichtigung ihrer klinischen Unterscheidung. Z. jugendl. Schwachsinn6, 491.

  • Delbrück, H.: Archikap. und Schwachsinn. Arch. f. Psychiatr.81, 606.

  • Doxiades, L.: Mschr. Psychiatr.69, H. 3/4 (1928).

    Google Scholar 

  • Doxiades undPototzky: Klin. Wschr.1927, Nr 28.

  • Frey, W.: Adrenalinversuch. Z. exper. Med.3 (1914).

  • Gandolfo, Lydia: (Mongolismus.) Rass. Studi psychiatr.16, 299. Ref. im Zbl. Neur.48, 590.

  • Hoepfner, Th.: Nagelfalzcapillaren und Schild-drüsenveränderungen. Veröff. Med.verw.26, H. 1 (1928); daselbst Angabe undBesprechung der Lit. bis Okt. 1927.

    Google Scholar 

  • Itten: Z. Neur.24 (1914).

  • Jaensch, W.: Ref. erstattet zur Sitzung des Landesgesundheitsrats in Berlin vom 26. Januar 1928 (Sonderdruck).

  • Jaensch, W. undWittneben: Gesam. Arbeiten z. Kasuistik u. Therap. von Entw.- u. Differenzierungsstörungen a. d. Z. f. Kinderforschg32, H. 4.

  • Kahle, H. K.: Capillarformen bei Geistesschwachen. Arch. f. Psyohiatr.81, 629.

  • Karnitzki: Blutbild. Arch. Kinderheilk.1903.

  • Kind (Langenhagen): Geschwisterliche Verhältnisse bei Idioten. Allg. Z. Psychiatr.33, 595.

  • Kind: Längenwachstum bei Idioten. Arch. f. Psychiatr.6, 447.

  • Naegeli: Blutkrankheiten. 4. Aufl.

  • v. Pfaundler undSchloΒmann: Handb. Kinderheilk.

  • Plaskuda: Z., Symptomatologie des angeborenen Schwachsinns. Z. Neur.19, 596.

  • Pototzky, C.: Mschr. Psychiatr.69, 3–4 (1928). Daselbst besondersneuere Literatur über Capillarforschung.

    Google Scholar 

  • Rabinowitsch: Leukocyten verschiedener Altersstufen. Arch. Kinderheilk.59.

  • Ranke: Pathologische Anatomie der Tuberkulose. Dtsch. Arch. klin. Med.119.

  • Rizor: Ergebnisse aus 50 Jahren der hannoverschen Anstaltsfürsorge für Geistesschwache. Z. jugendl. Schwachsinn8, 193.

  • Schmidt-Kraepelin: über die juvenile Paralyse. Monographien Neur. H. 20.

  • Schnidtmann: Allg. Z. Psychiatr.88, 409.

  • Schultz, J. H.: Mschr. f. Psychiatr.35, 71.

  • Sklarek: Körperlänge und -gewicht bei idiotischen Kindern. Allg. Z. Psychiatr.58, 1112.

  • Stern, F.: Die epidemische Encephalitis, 2. Aufl. Springer.

  • Strohmayer, W.: Bd. X in Bumkes Handbuch der Geisteskrankheiten.

  • Szondy: (Organtherapie) Ref. Z. f. Kinderforschung33, 98.

  • Szondy, L.: Schwachsinn und innere Sekretion. Abhandl. a. d. Grenzgeb. d. inn. Sekr. Budapest: Novak 1923.

    Google Scholar 

  • Vas, J. Jenö: Opotherapie der mongoloiden Idiotie. Ref. im Zbl. Neur.41, 912.

  • Weygandt: Infantilismus und Idiotie. Z. Neur.17, 613.

  • Weygandt: Schwachsinn, Hirnkrankheiten und Zwergwuchs. Mschr. Psychiatr.35, 25.

  • Weygandt: Idiotie und Imbezillität. Aschaffenburgs Handbuch der Psychiatrie.

  • Weygandt: Erkennung der Geisteskrankheiten. Lehmanns Atlanten 1920.

  • Wuth: (Leukocyten.) Z. Neur.78, 532.

  • Zondek undKoehler: Blutblid und innere Sekretion. Klin. Wschr.1926, Nr 28.

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Additional information

Nach einem Vortrag im Verein der Irrenärzte Niedersachsens und Westfalens in Hannover am 5. Mai 1928. — J. Mitteilung: Diese Z.81, 629.

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Cite this article

Kahle, H.K. über das weiße Blutbild und die Nagelfalzcapillaren bei jugendlichen Geistesschwachen. Archiv f. Psychiatrie 86, 766–789 (1929). https://doi.org/10.1007/BF01986269

Download citation

  • Received:

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF01986269

Navigation