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Wenn irgend woraus erhellet, wie viel in dem menschlichen Herzen eine mit Leidenschaft geliebte, vorgefafste Meinung vermöge, so erhellet es daraus, wenn man andern den Charakter einer Krankheit ganz nackt, natürlich und aufrichtig entwerfen soll. Wir sehen öfters in den Krankheiten nur dasjenige, was wir zu bemerken uns angewöhnt, und wissen die Geheimnisse der Natur auf keine andre Art zu lesen, als wie wir es durch die Erziehung und in der Schule gelernt haben. Jedermann möchte die Natur gerne copiren; nur wenige sind im Stande sie nachzuahmen; die allerwenigsten wissen sie treu zu schildern: Alle übrigen copiren sich selbst; denn auch die Aerzte haben ihre Maler. Wollte Gott, dafs diese so seltsame Verschiedenheit sich blos auf eme wunderliche Mischung der Farben einschränkte: Der Fehler rührt aber meistens von schlechter Zeichnung her. Wir finden in der medicinischen Geschichte unzählbare Beispiele von wunderbaren Begebenheiten aufgezeichnet, welche aber bisweilen so aufserordentlich sind, dafs sie kaum einigen Glauben verdienen. Das Wunderbare ist die Klippe seichter Köpfe. Sehr viele wissen ihre Gelehrsamkeit nicht anders an den Tag zu legen, als vermittelst seltsamer, aber specioser Wahrnehmungen, die sie dem Publico zwar verheifsen, aber niemals liefern, als um dasselbe zu betriegen. Wir lesen die Geschichten von Epidemien, welche uns verschiedene zugleich lebende Schriftsteller beschrieben haben: Allein wir treffen zum äufsersten Mifsfallen vernünftiger Aerzte, in den verschiedenen Charaktern, die sie uns davon angeben, jene Gleichförmigkeit des Bildes nicht an, welche andern zur leichten und untrüglichen Kenntnifs derschlben dienen könnte. Woher kömmt diese Verschiedenheit? Die Natur ist immer die nämliche, aber nicht alle sehen sie auf die nämliche Weise. Sarcone, Krankheiten in Neapel von 4764.

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Literatur

  1. Was den Aufsatz des Hrn. Gobbin betrifft, so fühle ich mich im Allgemeinen aufser Stande, eine erhebliche Benutzung desselben versuchen zu können. Derselbe geht von dem exclusiven Gesichtspunkte der Rademacher'schen Therapeuten-Schule aus, und wenn ich auch die Berechtigung der Empirie in der Therapie vollkommen anerkenne und anerkannt habe, so fühle ich mich doch nicht befähigt, das Erfolgreiche einer solchen Art von Empirie zu erkennen. Möge man mir daher verzeihen, wenn ich diese Arbeit, die ich nach meiner wissenschaftlichen Anschauung als eine auf ganz ungenügende Beobachtung und durchaus schlechte Methode basirte betrachten mufs, nur ausnahmsweise berühre. —

  2. Hr. Gobbin (p. 121) sagt: „Tuberkulosen jeder Art gehörten in meinem Bezirk zu den gröfsten Seltenheiten. Der Pfarrer versicherte mir, dafs in 6 oder 8 Jahren nur 2 Personen an der Lungenschwindsucht verstorben wären. Ich hatte unter meinen vielen Kranken, deren Gesammtzahl 300 übersteigt, nur einen, bei dem der Verdacht derTuberculosis palmonum gerechtfertigt war.” —

  3. Wenn daher im Allgemeinen auch eine ziemliche Uebereinstimmung über die Natur der endemischen Krankheiten herrscht, so sind doch weitere Forschungen dringend nothwendig. Die Gesellschaft für wissenschaftliche Medicin in Berlin hat deshalb in ihrer Sitzung vom 2. April 1849 (Medic. Reform No. 43.) eine Reihe von Fragen aufgestellt, welche den oberschlesischen Distriktsärzten als Hauptpunkte ihrer Forschung hingestellt werden.

  4. Hr. Meersman in Gent (Gaz. méd. 1849 No. 7.) beschreibt aus Flandern ein eigenthümliches Hungerfieber, das vom Typhus verschieden sei, das aber sehr leicht eine Infektion Gesunder bedinge. So erzählt er von einem Arzte, der davon Typhus bekam. Unter den Symptomen hebt er besonders eine trockene, gelbe, pergamentartige Hant mit einer stinkenden, klebrigen Sekretion und einer brennenden, stechenden Hitze hervor.

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Virchow, R. Kritisches über den oberschlesischen Typhus. Archiv f. pathol. Anat. 3, 154–196 (1851). https://doi.org/10.1007/BF01972636

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